Briefspiel:Plötzlich Delegierte/Rahjadas Brief

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Stadt Urbasi.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi.png
Datiert auf: Frühjahr 1046 BF Schauplatz: Urbasi, Cassiena, Vinsalt Entstehungszeitraum: Sommer 2025
Protagonisten: Rahjada, Traviane und Rahjalin Solivino, Auricanius von Urbet u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Urbet.png Gonfaloniere
Zyklus: Übersicht · Rahjadas Brief · Besuch im Tempel · Von einem Monsignore zum anderen · In der Villa Ricarda I · II · III · IV · V · Auricanius' Einladung · Treffen in Vinsalt I · II · III · IV · V · VI


Rahjadas Brief

"Ein Brief für Euch, Signora. Von einer Signora Rahjada Solivino."
Es versetzte Traviane einen Stich, den jungen Angestellten mit solch verwunderter Stimme von Rahjada reden zu hören. Als wunderte sich der Dienstbote, dass Rahjada zur Familie gehörte, da er ihren Namen noch nie gehört hatte. Wie sollte er auch? Schließlich hatte das Mädchen nur etwa vier Jahre hier gelebt, und das war jetzt schon eine ganze Weile her.
"Danke", sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln, als sie sich zu ihm umwandte und den Brief rasch entgegennahm. Da der Bursche keine Anstalten machte zu gehen, auch nicht, nachdem sie ihm den Jetzt-will-ich-allein-sein-Blick zugeworfen hatte, sagte sie: "Du darfst dich nun zurückziehen."
Er verbeugte sich zackig und marschierte aus ihrem Zimmer. Sie schüttelte leicht den Kopf. Nun, auch er würde sich einleben und irgendwann ihre unausgesprochenen Anweisungen verstehen.
In freudiger Erwartung öffnete sie sogleich den Brief. Eng beschrieben in fein säuberlicher Handschrift stand dort:



Liebste Traviane,
verzeih mir, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe! Ich hoffe, Dir und der ganzen Familie geht es gut. Gibt es etwas Neues aus der Silberstadt, von dem ich wissen müsste?
Hier ist nichts Großes passiert. Das Leben in Vinsalt ist ebenso anstrengend wie faszinierend. Ständig lerne ich neue Leute kennen, spannende Leute, die viel Wissen zu teilen haben, und mindestens jede Woche einmal finde ich mich völlig überraschend in einem neuen Stadtteil wieder, den ich noch nicht erkundet habe.
Meine Arbeit als Lehrerin macht mir Spaß, doch was mich wirklich erfüllt, sind die täglichen Gespräche mit anderen Gelehrten. Jetzt wird noch eine neue, interessante Aufgabe auf mich zukommen: Baron Auricanius von Urbet hat mich als seine Delegierte im Kronkonvent ausgewählt! Als er mir dies vorschlug, war ich erst einmal sprachlos. Nicht alle Tage bietet einem ein ehemaliger Lehrer eine Stelle an. Es freut mich sehr, dass er meine Fähigkeiten so gut einschätzt und ich will ihn auf keinen Fall enttäuschen!
Ich teile mir die Aufgabe mit der Praiosgeweihten Praialissa della Turani, die zehn Jahre mehr Erfahrung hat als ich. Zuerst befürchtete ich, dass ich mich vor ihr blamieren würde, aber die Delegiertenarbeit ist für uns beide Neuland und so tasten wir uns gemeinsam an diese Aufgabe heran. Es ist sehr erleichternd, zu wissen, dass man nicht allein ist und auch nur zur Hälfte der Sitzungen anwesend sein muss. Mein Eindruck ist, dass wir uns gut schlagen. Zumindest in Rechtsfragen ist niemand vor der geballten Macht einer Praiosgeweihten und einer Juristin sicher! Vielleicht war das auch der Hintergedanke des Barons.
Grüß Vater von mir.

In Hoffnung auf gute Neuigkeiten einer Antwort harrend
Deine Rahjada



Traviane ließ den Brief sinken. Stolz wallte in ihr auf. Sie konnte es kaum fassen. Das kleine, in sich gekehrte und von Alpträumen geplagte Mädchen, das so jung, so zerbrechlich hier ankam, nur einen Augenblick verweilte und dann weiterzog, sollte es so weit gebracht haben? Rahjada saß im Kronkonvent, bekam die wichtigsten Entscheidungen des Reiches hautnah mit? Im selben Augenblick durchzuckte sie Bedauern. Wie sehr musste dieses schützenswerte Kind sich verändert haben. Und sie hatte das alles nicht miterleben dürfen, hatte nicht sehen dürfen, wie das Mädchen, für das sie noch vor ihren eigenen Kindern so etwas wie eine Mutter sein durfte, aufwuchs. Rahjadas Wunsch, in Methumis zu studieren, offenkundig eine Flucht vor den Solivino, die sie nie richtig als ihre Familie ansehen konnte, hatte ihrem Vater Rahjalin das Herz gebrochen, aber auch sie verletzt.
Rahjalin! Eine Welle aus Mitleid für ihren Schwager überspülte sie. Rahjada hatte ihren Vater ein einziges Mal erwähnt. Sie hatte nicht gefragt, wie es ihm ging, sich nur allgemein nach ‚der Familie‘ erkundigt. Das ‚Grüß Vater von mir‘ ganz am Ende wirkte kalt und abweisend, als würde sie mit dem Satz nur eine Pflicht erfüllen, ihn aber gar nicht wirklich grüßen wollen.
Dieser Brief würde Rahjalin tief treffen, Salz in die Wunden streuen. Dennoch verdiente er es, die Neuigkeiten zu erfahren. Es ging schließlich um seine Tochter.