Briefspiel:Fest der Freundschaft/Giftige Blumen
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Giftige Blumen
Autoren: Bella, Nebelzweig
Rahjalin Legari
Rahjalin Legari hatte in seinem Leben schon viele Feste besucht, aber das Fest der Freude zu Belhanka war eins seiner liebsten. Es war ein gewaltiger Mix aus Maskenball, Weinverkostung, Volksfest und Gelage. Es war ein Fest wie es der Herrin Rahja gefiel.
Jedenfalls dachte er das, als er, mit einer Tüte Blätterteigtaschen, in einer ruhigen Mauernische an der Wand lehnte und geduldig darauf wartete, dass sein neuer Bekannter mit zwei Bechern Wein, irgendeiner speziellen Sorte, die er ihn unbedingt probieren lassen wollte, wieder kam. Der Priester schob sich einen der Happen in der Mund und kaute darauf herum. Einer der vielen Vorteile solcher Feste war es, dass man überall etwas zu essen bekam. Dummerweise war man meist zu beschäftigt um das Angebot wahrzunehmen, zumindest hier.
Mit einem leisen Lächeln überließ er einem heftig knutschendem Pärchen die Mauernische und trat ein paar Schritte zur Seite, um nicht zu stören. Ihm war gerade nicht nach Gesellschaft.
Da tauchte auch Rahjalin Solivino wieder aus der Menge auf, in jeder Hand einen Becher mit Wein. Er warf einen fragenden Blich in Richtung der Mauernische, in der er seinen Freund eigentlich zurückgelassen hatte, schien sich dann aber die Situation zusammen zu reimen.
,,Komm, mein Freund“, meinte er ,, wir sollten uns zum essen einen Platz suchen, wo es etwas ruhiger ist.“ Dagegen hatte Rahjalin Legari nichts einzuwenden, also folgten sie einer anscheinend weniger belebten Seitengasse bis sie zu einem kleinen Platz. Zwar war auch hier alles festlich dekoriert und es lagen ein paar Hinterlassenschaften von Feiernden herum, aber zumindest im Moment schien das Fest woanders statt zu finden.
Der Platz wurde von einem der unzähligen Kanäle der Stadt in zwei Hälften geteilt, die von einer kleinen, anmutigen Brücke verbunden wurden. Die beiden Freunde ließen sich auf den Stufen vor einem der Häuser am Platz nieder und machten sich gemeinschaftlich über die Bätterteigtaschen und den Wein her. Es handelte sich um einen feinen, aber aromatischen Rosé, der gut zu den, nicht übermäßig gewürzten, Taschen passte.
Während des Essens fiel Rahjalin Legaris Blick auf ein Pärchen im schattigen Eingang einer der Gassen die auf die gegenüberliegende Hälfte des Platzes mündeten. Sie hatten die beiden Priester anscheinend nicht bemerkt oder nahmen keine Notiz von ihnen. Die Frau, jung, schlank, mit blonden Locken und Kleidern die sie selbst auf diesem Fest als Dienerin der Rahja auswiesen, überreichte einem ebenfalls jungen Mann, in der Paraderüstung eines Rajakavaliers einen Strauß tief roter Rosen. Dann wandte sie sich um und ging davon.
„Da umwirbt wohl jemand einen zukünftigen Beschützer.“, kommentierte Rahjalin Legari das Geschehen mit einem Zwinkern, in Richtung seines Begleiters.
„Ich glaube da stimmt was nicht “, antwortete der ungewöhnlich ernst, „komm mit.“ Und schon war er auf den Beinen und eilte auf die Brücke zu. Rahjalin Legaris Blick flog wieder zum Eingang der Gasse. Statt, wie noch vor einem Moment, der Dame hinterher zu schauen, lag der Mann in sich zusammen gesackt am Boden, das Gesicht in den Blüten.
Schnell folgte Rahjalin Legari seinem Freund, der schon über die Brücke lief.
Als die beiden den Mann erreichten, hatte der sich nicht gerührt, kein gutes Zeichen. Selbst als sie ihn auf die Seite rollten kam keine Reaktion. Einer Eingebung folgend, tastete Rahjalin Legari nach dem Puls des Mannes. Ja, da war er. Aber schon während er gegen die Finger des Priesters schlug schien er schwächer zu werden. Mit einem Knoten im Magen wandte er sich Rahjalin Solivino zu. „Ich glaube, der Mann stirbt.“, meinte er mit rauer Stimme. Die Miene des Anderen versteinerte. ,,Vielleicht hilft es, wenn wir seinen Kopf in den Nacken legen. Ich hab mal gehört, dass Bewusstlose an ihrer eigenen Zunge ersticken können und dass das helfen soll.“
Da fiel Rahjalin Legari auch auf, dass der Mann anscheinend nicht atmete, wobei das durch den Brustpanzer nicht einfach zu erkennen war.
Aber auch das Kopf in den Nacken legen brachte genau so wenig sichtbaren Effekt wie das Schütteln und rufen vorher. „Er braucht einen Medicus“, sagte Rahjalin Solivino und schaute sich um. Tatsächlich war keiner in der Nähe und auch überhaupt kein anderer Mensch, was eigentlich erstaunlich war, gemessen daran, dass sie sich in einer eigentlich völlig überfüllten Stadt aufhielten. ,,Dann bringen wir ihn halt zu einem.“, antwortete sein Freund und gemeinsam griffen sie dem Mann unter die Achseln.
Rahjalin Solivino
Rahjalin Solivino lief zusammen mit seinem neuen Freund und dem unbekannten Mann unter den Armen durch das festliche Belhanka. Geistesgegenwärtig hatte er sich den Blumenstrauß geschnappt und in der Mauernische versteckt – nur zur Sicherheit, dass ihm nicht noch jemand zum Opfer fiel. Er wollte jedoch nicht riskieren, ihn mitzunehmen. Sie bogen bald wieder in eine belebte Straße ein, die voller Menschen war. Doch irgendwie war es, als wäre er aus einem Traum gerissen und zurück in die Wirklichkeit geholt worden. Die Feiernden erschienen ihm auf einmal viel zu gutgläubig und fröhlich. Sie schienen zu denken, er und Rahjalin Legari würden einen Betrunkenen schleppen. Das alles erinnerte ihn in einer schrecklichen Weise an den Herzanfall seines Bruders vor mehreren Jahren.
„Sag mal, Kleine,“, sprach derweil Rahjalin Legari ein kleines Mädchen an, das am Straßenrand stand und mit leuchtenden Augen einem Festzug zuschaute, der von lauter Musik begleitet wurde „Wo finden wir hier in der Nähe einen Medicus?“ Das Mädchen sah ihn hilflos an und zeigte auf ihre Ohren. „Einen Medicus?“, wiederholte Rahjalin Legari seinen Frage, diesmal laut über die Musik hinweg. „Da lang.“, rief das Mädchen und zeigte in eine Seitengasse, die verlassen aussah. „Die Herrin segne dich!“, rief Rahjalin Solivino ihr zum Abschied zu und sie beeilten sich, von der laut feiernden Menge wegzukommen.
Sie durchquerten die Gasse und fragten sich schließlich bei einigen Leuten, die sich von dem andauernden Fest erholen zu schienen, bis zum Medicus durch. Das Gebäude war groß und nicht zu verfehlen, aber sie mussten zwei Stockwerke nach oben. Schwer atmend öffneten sie eine Tür und fanden sich inmitten einer kleinen, heftig diskutierenden Menschentraube wieder.
„Ich war zuerst hier!“, rief eine junge Frau, die einen ohnmächtigen Mann festhielt, der laut schnarchte und offensichtlich betrunken war. „Nein, wir!“, widersprach eine Gruppe Männer, die einen übel zugerichteten Kameraden stützten, der wahrscheinlich in eine Kneipenschlägerei geraten war. Und so ging es eine Weile weiter.
„Lasst uns durch, das hier ist ein Notfall!“, sagte Rahjalin Solivino mit fester Stimme. „Ach ja? Ihr seid als letzte gekommen, ich hab‘s genau gesehen!“, meinte einer der Männer. „Er stirbt!“, rief Rahjalin Solivino.
„Jetzt lasst uns im Namen der Herrin durch!“, mischte sich auch Rahjalin Legari ein und blickte jeden der Beteiligten ernst an. „Sein Puls wird immer schwächer.“ Sie drängten sich begleitet von einigen rüden Beschimpfungen durch die versammelten Leute und standen schließlich als erste vor der Tür des Medicus. Jedoch schien niemand mehr ernsthaft darauf zu bestehen, dass sie als letzte drankamen. „Wie kann man denn so viel trinken, dass man stirbt?“, fragte die Frau erschrocken und blickte besorgt zu dem ohnmächtigen Mann, den sie vor dem Umfallen bewahrte. „Er hat nichts getrunken, er wurde vergiftet.“, erklärte Rahjalin Solivino düster. Das löste fassungsloses Schweigen aus.
Eine Frau mit einem kleinen Jungen auf dem Arm trat aus der Tür.
„Der nächste bitte!“, erscholl gleich darauf eine Stimme aus dem Zimmer. Die beiden Freunde traten ein und Rahjalin Legari schloss die Tür hinter ihnen.
Ein fülliger Mann saß hinter einem Schreibtisch und war über irgendwelche Papiere gebeugt. Auf dem Tisch standen unzählige Peraineamulette und -figuren. Einige anatomische Abbildungen hingen an den Wänden. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihnen, den Patienten auf die bereitstehende Liege zu legen. Dann stand er ächzend auf und setzte sich eine Brille auf. Er trat ohne Fragen zu stellen an den Mann heran und fühlte ihm den Puls. Dann horchte er nach seinem Atem. „Es gibt noch Hoffnung…“, murmelte er leise vor sich hin, weiterhin ohne die beiden anderen zu beachten. „Die Umstände?“, fragte er, während er in einem Schrank voller Kräuter und Tränke wühlte. „Ein Blumenstrauß, wahrscheinlich vergiftet, wurde ihm überreicht, danach hat er das Bewusstsein verloren.“, antwortete Rahjalin Solivino. „Gift…hm…“ Der Medicus holte einen Trank und mehrere Blätter verschiedener Heilkräuter hervor. Er begann sofort, dem Patienten die Medizin und sehr viel Wasser, das in einem Krug bereitstand, einzuflößen. „Könnt Ihr mir sagen, welches Gift der Patient eingenommen hat? Habt Ihr es vielleicht sogar bei Euch?“, wandte sich der Medicus wieder an die beiden Rahjageweihten. Da schien er zum ersten Mal zu bemerken, wer vor ihm stand und fügte schnell hinzu: „Euer Gnaden?“