Archiv:Inquisitor bringt Vinsalter Baron zu Fall (BB 44)

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Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 44, Seiten 8-9
Aventurisches Datum: Praios 1045 BF



Inquisitor bringt Vinsalter Baron zu Fall
von Shafirio ay Ankhraio


Vinsalt. Das Urteil des 2. Prätorenhofs über Sumudan Talligon ist gefallen: schuldig der Beteiligung an einer Verschwörung und schuldig der Ketzerei! Dem Baron von Ucurino droht am Ende eines mehrjährigen Prozesses nun der Tod durchs Richtschwert. Der Aufsehen erregende juristische Feldzug des Turaniter-Inquisitors Auricanius gegen das Vinsalter Gründergeschlecht scheint damit – zumindest vorläufig – abgeschlossen zu sein. Und doch bleiben viele Fragen offen, denn auch die Urteilsbegründung des Prätorenhofs wurde wieder nur zu Teilen öffentlich bekannt gemacht. Ganze Passagen derselben unterliegen strenger Geheimhaltung und wurden aus den zugänglichen Dokumenten gestrichen. Im Gespräch mit Hauce von Radoleth, dem Meister der Nanduriaten, versuchen wir Licht ins Dunkel eines gleichermaßen verworrenen wie folgenschweren Prozesses zu bringen.

Lesen Sie hier die Mitschrift des Gesprächs:
Shafirio ay Ankhraio: Signor Radoleth, ihr könnt gar nicht erahnen, wie sehr ich mich über eure Bereitschaft freue, mir einige Fragen zu diesem die Metropole seit Jahren bereits beschäftigenden Prozess zu beantworten.
Hauce von Radoleth: Freut euch nicht zu früh, Shafirio. Auch meinem Wissen sind Grenzen gesetzt, ebenso meiner Freiheit, darüber offen zu sprechen.
SH: Gerade als Spross eines der anderen Gründergeschlechter habt ihr aber doch bestimmt Zugang zu Wissensquellen, die dem gemeinen Vinsalter nicht offenstehen.
HR: Möglicherweise, wohl wahr. Wobei ihr mich immer noch überrascht seht, in welchem Umfang über Details des Prozesses die damnatio memoriae gelegt wurde. Und das von höchster Stelle.
SH: Es heißt, Fürst Ralman lege hier nach wie vor schützend seine Hand über das Vinsalter Patriziat
HR: [kopfschüttelnd] Das greift zu kurz.
SH: Inwiefern? Ist es nicht Ralman? Ist es der Horas selbst?
HR: Was erwartet ihr da für eine Antwort … gegen beiderlei Interessen, insofern sie ausgeprägt sind, passiert in dieser Stadt wenig. Aber ich meine eigentlich den Konvent.
SH: Den Kronkonvent?
HR: Eher den anderen … [macht eine Pause]
SH: [grübelt] Ach, den Konvent der Geweihten der Zwölf, meint ihr den? [Hauce nickt.] Aber welches Interesse könnte der an so viel Geheimhaltung haben? Somenas Tod in Urbet scheint doch der Ursprung des ganzen Prozesses zu sein … und sie gehörte dem Konvent als Schwertschwester, ja eigentlich wichtigste Rondrianerin hier in Vinsalt selbst an.
HR: Eben.
SH: Das verstehe ich jetzt nicht. Auricanius scheint sich doch gegen ihren Mörder, wenn man so will, gewandt zu haben.
HR: Ist das so?
SH: Das ist jedermanns Vermutung, seit Jahren. [grübelt] Haltet mich doch nicht zum Narren … oder hängt das Ganze noch mit dem Renascentia-Edikt zusammen, das den Konvent vor einer Dekade mit dem Inquisitor in Konflikt brachte?
HR: [kopfschüttelnd] Ich denke, da greift ihr zu weit. Ihr müsst aber auch verstehen, dass ich euch hier keine weitere Aufklärung geben kann, geben darf. Das bringt mich sonst in Schwierigkeiten, die sich auch ein alter Mann wie ich nicht erlauben kann.
SH: [nach einer gedankenvollen Pause] Ihr scherzt, Signor. Alter ist doch eine Frage des nicht mehr wachen Geistes. Und wenn es danach geht, seid ihr so jung wie eh und je …
HR: [schmunzelt] Wohlfeile Worte. Ihr benötigt hier aber einen anderen Ansatz, Shafirio, wenn ihr der Wahrheit näher kommen wollt.
SH: Nun gut. Auricanius hat den Prozess mit seiner Anklage im Praiosmond 1043 ins Rollen gebracht. Oh, wie das in Vinsalt für Aufregung gesorgt hat … Das war drei Monate nach Somenas Tod, als Sumudan die neue Führung über die Familie bereits gefestigt hatte. Und niemand konnte sich vorstellen, warum sich der Urbeter ausgerechnet gegen den Sohn der Verteidigerin seiner Heimatstadt wandte.
HR: Nicht nur das. Auch die Frage nach den Verwicklungen innerhalb des ganzen Vinsalter Machtapparats wurde damals zurecht gestellt.
SH: Ihr meint, ob er es mit dem Segen des Wahrers der Ordnung tat?
HR: Zum Beispiel.
SH: Aber legen nicht die Umstände des späteren Prozesses persönliche Beweggründe Auricanius‘ nahe? Er hat immerhin vieles geopfert, gegen viele Widerstände kämpfen müssen, ehe es überhaupt zum Prozess kam.
HR: Das ist richtig. Das ging ja auch nicht regulär vonstatten.
SH: [am Kinn kratzend] Spielt ihr darauf an, dass sowohl der 1. als auch der 3. Prätorenhof seine Klage zunächst ablehnten?
HR: Die Begründung ist interessant.
SH: Wurde die je genannt?
HR: Nein, nicht öffentlich jedenfalls.
SH: Ja, das meine ich doch. Dass der Prozess am Ende vor dem 2. Prätorenhof stattfand, war wenig verständlich, weil der für keines der Güter oder Anwesen Sumudans zuständig war.
HR: Ja, aber wo tagt der 2. Prätorenhof?
SH: In der Rechtsschule, auf dem Tempelberg.
HR: Und wo lassen sich Geheimnisse, die man bewahren will, am ehesten … bewahren?
SH: Hinter den hohen Mauern des Tempelbergs…?
HR: Seht ihr, Shafirio, man muss sich nur die richtigen Fragen stellen.
SH: [grübelt] Irgendwie glaube ich nicht, dass ich jetzt wesentlich schlauer bin … Oder wollte der Konvent der Geweihten am Ende nur, dass der Prozess dort stattfand, wo er noch den meisten Einfluss darauf nehmen konnte?
HR: [zwinkernd] Der Konvent, der Wahrer, wer weiß das schon.
SH: Aber das erklärt doch nicht, warum Auricanius seine Anklage mit aller Macht, gegen alle Widerstände vorbrachte. Der hatte zwei Götterläufe lang Vorlesungen an der Universität in Methumis zu halten und gleichzeitig einen so erbittert umkämpften Prozess hier in Vinsalt, viele Tagesreisen entfernt, zu führen.
HR: Es ging ganz offensichtlich um einen hohen Einsatz, ja. Für manche ist das Gerechtigkeit.
SH: Ging es ihm nur um das?
HR: Politisch konnte er nicht viel gewinnen. Hat er auch nicht.
SH: Zeitweise galten die Urbets in Vinsalt als persona non grata. Weil es sich niemand mit den Talligons verscherzen wollte.
HR: Oh ja.
SH: Bis sie die Ermordung des Barons von Cindano im letzten Perainemond in die Opferrolle brachte, jedenfalls in den Augen mancher.
HR: Die war ein Wendepunkt.
SH: Und ist bis heute nicht aufgeklärt. Glaubt ihr, dass Sumudan dahinter steckte?
HR: [schmunzelt] Ich war nicht dabei.
SH: Ja, aber Panthinos Einflussnahme gerade im Umfeld des Kronkonvents schien der Anklage seines Vetters nach langem Austausch juristischer Winkelzüge wieder Schwung zu bringen.
HR: [lacht] Habt ihr etwa ein Motiv entdeckt, Shafirio?
SH: Das habe doch nicht ich entdeckt, diese Verdächtigungen geistern bereits seit der Mordnacht durch die Metropole. Nur was haltet ihr davon? Ist Sumudan jetzt der Mörder Panthinos? Ist er der Mörder seiner Mutter? Und welcher Ketzerei hat er sich überhaupt schuldig gemacht?
HR: Ich denke, dass einige dieser Fragen noch eine Weile ein Geheimnis bleiben werden. Nur über die generelle Schuld des Barons muss man sich wohl keine Illusionen mehr machen. Er hat sich ziemlich verdorbener Sachen schuldig gemacht und wird dafür am Ende hingerichtet werden.
SH: Glaubt ihr nicht, dass seine Base am Kassationshof noch Einfluss nehmen kann?
HR: Es würde mich sehr überraschen, wenn sie dies nicht schon in vollem Umfang versucht hätte. Nein, ich glaube nicht, dass der Kassationshof sich dieses Falls nun noch einmal annimmt.
SH: Also kann sich Vinsalt auf die Hinrichtung eines Barons, eines Oberhaupts der Case Fondari einstellen? Wann hat es sowas zuletzt gegeben?
HR: Oh, da muss man schon einige Dekaden zurückgehen. In der Zeit von Salmans Terrorherrschaft kam es häufiger vor …
SH: Und was passiert dann mit den Talligons? Werden die den Baronstitel überhaupt für sich bewahren können?
HR: Das wird die Zeit zeigen. Es stellen sich auf jeden Fall spannende Nachfolgefragen, nicht nur in Ucurino, auch immer noch in Cindano. Aber entschuldigt mich jetzt bitte, ich fürchte ich habe euch schon ein bißchen zuviel meiner eigenen kostbaren Zeit geopfert, Shafirio.
SH: [perplex] Ähm … natürlich. Ich bedanke mich für dieses gleichermaßen erhellende wie stellenweise nur zu noch mehr Fragen führende Gespräch …

Armin Bundt