Briefspiel:Im Land der echten Liebe/In der Zweiflinger Kapelle

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Romantischer Ort.png Städteübergreifendes Briefspiel Romantischer Ort.png
Datiert auf: ab Ende Rahja 1045 BF Schauplatz: verschiedene Orte im Lieblichen Feld Entstehungszeitraum: ab September 2024
Protagonisten: das Paar Tariano Amado Al'Morsqueta und Usanza da Selaque von Culming, weitere entlang des Weges Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Familie Tuachall.png Aurelion, Wappen fehlt.png BBB, Familie Solivino.png Bella, Reichswappen.png Dajin, Wappen fehlt.png Eliane, Haus Sirensteen.png Erlan, Familie di Asuriol.png Ernie, Haus re Kust.png Gishtan re Kust, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus d Illumnesto.png Illumnesto, Haus Carson.png OrsinoCarson, Familie Varducchio.png Timm, Haus Tribec.png Tribec
Zyklus: Übersicht · Aufbruch · Schreine von Kagalfax · Lichtung bei Irendor · Phecadifälle · Garlischforst · Ozeanidenpalast · Palazzo Diodato · Gasthaus Gigas · In der Zweiflinger Kapelle · Käuzchenturm von Imdallyo · Liebesgrotte bei Saliceria · Gut Fecunda · Schanzgärten in Methumis · Isola Mythraela · Kloster Sancta Ricarda


In der Zweiflinger Kapelle

Im Sommer 1046 BF

Die Gastgeber

Terantina ya Pirras hatte, wie schon so oft, ihre Nichten im Draconiter-Institut besucht und machte sich danach auf dem Weg zur Zweiflinger Kapelle. Sie hatte wieder eine Unterredung mit Baron Gishtan re Kust und wieder ging es um das leidige Thema Bosparanjer.
Das Wetter war heute besonders schön, daher entschied sich die Rahja-Geweihte für einen kurzen Fußmarsch. Sie durchquerte die Piazza Darador und verließ Shenilo durch das Stadttor im Norden. Das Immanstadion ließ sie links liegen und ging dann über die schmale Holzbrücke in Richtung der Weinberge, in denen Gut Zweiflingen lag. Sie zog ihre Sandalen aus und ging mit nackten Füßen durch das Gras. Kurze Zeit später konnte sie schon die zweistöckige Casa umgeben von einer Mauer sehen. Sie wurde bereits erwartet: Der Baron kam ihr auf den letzten Schritten durch das offene Tor entgegen.
Die Begrüßung war herzlich - umso mehr, da die eifersüchtige Gemahlin Seiner Hochgeboren nicht zugegen war - und nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten begaben sie sich in die Parkanlage des Gutes. Vorbei an der Arangerie und dem wohl fünf Dutzend Schritt hohen Elefantenbaum, näherten sie sich der Sancta-Rahjalina-Kapelle.
Terantina schritt auf die umgebende Rosenhecke zu, nahm vorsichtig eine der Blüten in die Hand und roch an dieser. Ein betörender Duft kitzelte in ihrer Nase. Ein verzücktes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich dem Baron zuwandte: “Ein herrlicher Duft, Euer Hochgeboren. Ich liebe ihn. Eure Gärtner leisten hervorragende Arbeit. Hier und im Park. Jedes Mal, wenn ich Euch besuche, um nach dem Rechten zu sehen, fällt mir eine Veränderung auf. Dieses Blumenbeet dort hinten gab es beim letzten Besuch noch nicht. Und genauso wie sich Euer Park immer und immer wieder verändert, hoffe ich, dass Ihr Eure Meinung auch ändert.”

Sie wandte sich wieder dem Baron zu. “Der Bosparanjer, der Heiligen Rahjalina zur Ehr. Als Hüterin des Kapelle und der Betreuerin der Bosparanjer-Kelterung vertrete ich weiterhin den Standpunkt, dass dieser wahrhaftig göttliche Tropfen weder was auf einer Preisliste der WYS, noch in irgendeiner Hafenschänke auf den Zyklopeninseln zu suchen hat.”
Gishtan re Kust, inzwischen jenseits der 60 Sommer, doch noch immer so redegewandt wie in jüngeren Jahren, zögerte mit seiner Antwort keinen Moment: “Oh Lehrerin der Leidenschaft, ich erkenne, wie Euch diese Angelegenheit wiederkehrend beschäftigt. Selbst an diesem Tag, da die Rahjalina-Kapelle ein Pilgerpaar aus der Ferne erfreuen soll - ebenso wie der von Euch gesegnete Bosparanjer, den ich den beiden reichen lassen werde.”

Er hielt geschickt das Bekannte in anderen Worten fest, erkannte die Geweihte, wertete es nicht, aber versuchte das Gespräch doch auf jene Sache zu lenken, die ihm wichtiger erschien. Doch so leicht wollte sie den alten Staatsmann an diesem Tage nicht entkommen lassen.
Der sandbestreute Weg verlief entlang der übermannshohen, gepflegten Rosenhecke und zu dem Bogen, der durch diese hindurch führte. Die Kapelle kam in den Blick der beiden: Das traubenrote Tonnendach mit den Schindeln leuchtete wie eine Frucht in der Sonne, darunter die rosafarbenen Marmorsäulen, zwischen ihnen die Wände aus dunklem Holz mit eingelegten Fensterscheiben, deren Glas grüne Weinblätter darstellten. Terantina war gespannt, wie die Gäste aus Almada, Usanza da Selaque von Culming und Tariano Amado Al'Morsqueta, auf die ungewöhnliche Bauweise reagieren würden.
Als sie gerade wegen ihres Anliegens nachhaken wollte, sprach der Besitzer der Kapelle weiter: “Ich bin überzeugt, dass der für Genießer von einfachem Stand doch recht hohe Preis ausschließt, dass der echte Zweiflinger Bosparanjer in einer, um Euer Beispiel aufzugreifen, Hafenkneipe in Rethis ausgeschenkt würde. Auch sind die erzeugten Mengen doch so gering, dass sie kaum die Nachfrage gewünschter Kunden decken, wie mir Kellermeister Ilario di Midoras sagte.”

Er hielt im Schatten des einem Fass nach geformten Kapellendachs inne und bemerkte den verdrossenen Blick der Rahjani: “Andererseits”, begann er wie von Terantina erhofft einzulenken, “mögt Ihr Recht haben, was die Verbreitung des edlen Getränks in Tradition der Heiligen Rahjalina betrifft. Würden eine eindeutige Etikettierung der beiden auf dem Gut gekelterten Erzeugnisse - Bosparanjer und Perlwein - und eine klare Regelung, welches davon welchem Personenkreis auf welchem Wege zugänglich gemacht wird, den Wünschen der Rahjakirche entsprechen, die Euch hierher entsandt hat?”
Terantina zuckte kurz zusammen. Da war er wieder, der wunde Punkt Eigentlich war es dem Gastgeber der Leidenschaft Beleno Brahl schon recht, wenn es dabei bliebe wie bisher, war doch die Weinhandlung Yaquiria Shenilo seines Vetter Daryl Brahl, der exclusive Vertreiber des Bosparanjers.
“Was den Perlwein betrifft, können wir die momentane Handlungsweise gerne beibehalten. Nur den Bosparanjer sollte der Kirche unterstellt sein, wobei Euer Hochgeboren standesgemäße Zuteilung natürlich unangetastet bleibt”, erwiderte sie auf den Vorschlag des Barons. “Die entsprechende Etikettierung vorausgesetzt. Aber Ihr habt wie immer recht, heute sollten wir unser Augenmerk auf das Pilgerpaar richten. Ihr sagtet, es sind Gäste aus Almada. Haben sie irgendwelche verwandtschaftliche Bande zu dem großzügigen Spender, dem Fürsten von Almada?” Während sie sprach, schweifte ihr Blick durch die Umgebung, als suchte sie die beiden.

Gishtan legte seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen, den Daumen unters graubärtige Kinn, als Zeichen, dass er überlege. Dann hob er in einer Geste des Bedauerns neben dem Körper die Handflächen nach oben: “Ich muss gestehen, dass ich seit der Einweihung der Kapelle, noch unter Eurer Vorgängerin, der Lehrerin des Rausches Atroklea, den Kontakt zu Seiner Durchlaucht Gwain nicht pflegen konnte. Ramaúd und meine Familie nahmen und nehmen mich sehr in Beschlag - nicht dass ich klagen wollte. Und die Ankündigung unserer Besucher erhielt auch ich nur aus zweiter Hand. Sie seien auf einer Rundreise im Geiste Rahjas, hieß es. Dabei sollte die Kapelle nicht unbesucht bleiben, dachte ich mir, und ließ sie hierher einladen. Über das Paar und seine Verbindungen weiß ich nichts”, bedauerte der Baron.

Dann deutete er über Terantinas bloße Schulter hinweg zum Bogen durch die Rosenhecke: “Mich deucht, dort nahen die Erwarteten.”

Die Gäste

Tatsächlich näherten sich Dom Tariano Al’Morsqueta und seine frisch angetraute Ehefrau, Domna Usanza Al’Morsqueta von Culming, offensichtlich ganz mit sich selbst und ihren Turteleien beschäftigt.
Seine Gnaden ritt wie üblich seinen feurigen Rappen, Domna Usanza hingegen sein Hochzeitsgeschenk, einen edlen, sanftmütigen, strahlend weißen Wallach. Tariano genoss den Anblick seiner Frau zu Pferd, zufrieden, dass sie sich bei überschaubaren Strecken und angenehmem Wetter inzwischen meistens für Rahjas Geschöpfe entschied.
„Coraminha, was hältst du davon, dieses Jahr das Rennen deines Bruders zu besuchen? Als Teilnehmerin? Du hast es mir eben bei unserem kleinen Wettstreit nicht leicht gemacht. Kann es sein, dass deine Leidenschaft geweckt ist?“
Domna Usanza warf ihrem Gatten einen Blick zu. Er trug heute Ornat, mit der für ihn typischen, lässigen Eleganz, die seiner Würde als Diener der Gebenden keinen Abbruch tat. Wie immer waren die Stoffe edel, der Sitz maßgeschneidert, die Stickereien erlesen. Die schwarzen Reitstiefel glänzten, das Grün der Hose passte perfekt zur Farbe seines Gewandes. Die Pfauenfeder an seinem Caldabreser schimmerte grün und gold, wippte mit jedem Schritt des Hengstes.
“Du schmeichelst mir”, kicherte Usanza. “So sehr ich es genieße, mit dir zu reiten, ich würde ziemlich sicher jedes einzelne Mal den vorletzten Platz belegen!” Sie errötete leicht bei der Vorstellung, vor hunderten Zuschauern auf einem Pferd mit professionellen Reitern um die Wette zu galoppieren, in der festen Überzeugung dass ihr geliebter Gemahl sich zurückgehalten hatte, um sie nicht allzu sehr bloßzustellen.

„Ah, bis zum Sommer ist noch Zeit, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die männlichen Teilnehmer freiwillig deinen Anblick aufgeben. Du musst sie nur auf der Zielgraden nicht an dir vorbei lassen“, neckte Tariano Usanza „Ich glaube, wir sind am Ziel. Die Zweiflinger Kapelle. Sie soll außergewöhnlich sein, ich glaube, es gibt gar eine Verbindung zu unserem verehrten Fürsten. Und der hiesige Bosparanjer soll exquisit sein. Wenn er dir zusagt, könnten wir einige Flaschen als Andenken erstehen. Sieht so aus, als würden wir erwartet.“
Vor dem Durchgang in der prächtigen Rosenhecke zügelte er sein Pferd, schwang sich geschmeidig aus dem Sattel und trat zu seiner Angetrauten, um sie in der Taille zu greifen und vom Pferd zu heben. Eine Geste, die er seit Sewamund stets sehr genoss und sich nicht nehmen ließ.
“Die beiden scheinen innig zu sein”, kommentierte Baron Gishtan freundlich von fern. “Ein gutes Zeichen an diesem Ort. Euer Gnaden…?” Er wollte der Geweihten offensichtlich bei der Begrüßung den Vortritt lassen.

Es war dieses Gespür für Details, die anderen oft nicht einmal auffielen, das Terantina bei dem erfahrenen Diplomaten kennengelernt hatte, seit sie die Betreuung der Zweiflinger Kapelle übertragen bekommen hatte: Hätte man die Almadaner vor der Casa empfangen, dem Haupthaus des Guts, und damit in einem weltlichen Rahmen, hätte Gishtan keinen Moment gezögert, sich als Gastgeber in den Mittelpunkt zu stellen. Hier aber, vor der Rahjalina-Kapelle, war das Umfeld sakra, folglich Terantina die wichtigste Person und damit in der Rolle, Usanza und Tariano zu empfangen.
“Ihr habt recht, Euer Hochgeboren, sie wirken beide sehr innig. Aber so sollte es bei einem frische vermählten Paar auch sein”, sprach Terantina und lächelte den Baron an. Kurz dachte sie an Dartan di Camaro und ein wohliges Gefühl rieselte durch ihren Körper. “Aber nun sollten wir das reizende Pilgerpaar im Namen der heiteren Göttin begrüßen. Und ich bitte Euren Gärtner um Entschuldigung und hoffe, er zürnt mir nicht zu sehr.” Mit diesen Worten wandte sie sich kurz zur Rosenhecke auf der Suche nach der einen,besonderen Blüte. Als sie diese fand, trennte sie sie ganz vorsichtig ab und ging dem Paar entgegen.
Dann stand sie vor ihnen mit offenen Armen und einem strahlenden Lächeln: “Seid willkommen im Namen der Liebholden, der Ihr Sinn und Zweck Eurer Reise gewidmet habt, an der Sancta-Rahjalina-Kapelle auf Gut Zweiflingen.” Zuerst umarmte sie Usanza herzlich, hauchte ihr einen Kuss auf beide Wangen und steckte ihr danach die Rose ins Haar. “Eine Rose für die schönste Blume in diesem Garten.”
“Oh wie lieb von Euch!”, freute sich die Beschenkte überschwänglich, ebenfalls ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht.
Mit einem glockenhellen Lachen wandte sich Terantina an Tariano und begrüßte ihn ebenso. “Ihr habt das Vergnügen mit Terantina ya Pirras, Lehrerin der Leidenschaft im Tempel der Heiligen Svelinya-Horas zu Shenilo und Betreuerin der hiesigen Kapelle.” Sie deutete eine Verbeugung an und hakte sich dann wie selbstverständlich zwischen den beiden ein. “Lasst uns dem Baron und Besitzer des Gutes Eure Aufwartung machen und danach widmen wir uns dem Ziel Eures Besuches.” Sanft aber bestimmt führte die Geweihte das Paar in Richtung des Barons. "Erzählt mir, wie Ihr in Almada auf diesen geweihten Ort aufmerksam geworden seid.”

“Es ist so wunderschön hier… Ihr seid wahrhaft gesegnet, an einem solchen Ort Eure Zeit verbringen zu dürfen!” Staunend sah sich Usanza um, sichtlich gefangen von diesem Ort. “Ein Freund meines Liebsten, Dom Travinus van Kacheleen, erzählte uns in Shenilo davon, und wir mussten es mit eigenen Augen sehen… aber wenn ich meinen Blick so schweifen lasse, übertrifft die Kapelle alle meine Hoffnungen und Erwartungen! Seine Beschreibungen, so lobpreisend sie auch waren, werden der Realität nicht gerecht, oder was meinst du, mein Liebster?”
Dom Tariano, der Terantinas Begrüßung in offensichtlich tieferer Kenntnis der Gepflogenheiten der Rahja-Kirche erwidert hatte, nickte seiner Gemahlin zu. „In der Tat hast du Recht, Coraminha. Das hat sicherlich auch mit der zuvorkommenden Begrüßung durch die verehrte Lehrerin der Leidenschaft und den Hausherren zu tun. Vor allem aber, dass ich dich an meiner Seite habe, Coraminha.” Er warf Usanza einen glühenden Blick zu, bevor er sich mit einem kleinen Lächeln bei der Geweihten entschuldigte: „Verzeiht, Euer Gnaden, das war nicht despektierlich gemeint, doch scheint die Schöne Göttin uns Ihre Gnade zuteil werden zu lassen."
“Und das in vielerlei Hinsicht!”, strahlte Usanza zustimmend. “Sagt, wie schafft Ihr es, dass Ihr nicht von Besuchern überrannt werdet? Ich hätte hier Menschenmassen erwartet, wie in Punin, aber es ist so beschaulich hier und ruhig. Kommen wir zu einer ungelegenen Zeit?”
Während dieser Unterhaltung hatte die Geweihte die Gäste bis zum wartenden Hausherren geführt. Noch ehe Terantina ihn förmlich vorstellte, antwortete er an ihrer Stelle: “Keineswegs. Besucher aus Almada sind an der Zweiflinger Kapelle jederzeit willkommen - hat doch Seine Durchlaucht, der Fürst, seinerzeit einigen Anteil daran gehabt, dass ich sie bauen lassen konnte. Gleichwohl ist dieser Sancta Rahjalina geweihte Ort nicht nur in Privatbesitz des jungen Hauses re Kust, sondern steht auch auf dessen Grund. So ist es nicht jedermann frei gestattet, hierher zu kommen, um zur Schutzheiligen des Bosparanjers zu beten.”

„Umso mehr fühlen wir uns geehrt, dass Ihr uns dieses Privileg gewährt. Möge der Segen der Schönen Göttin weiterhin auf diesem Ort ruhen und auch Euch zu Teil werden.“, bedankte sich Dom Tariano mit einer Verbeugung. „Darf ich vorstellen, meine Gemahlin, Domna Usanza Al’Morsqueta von Culming. Ich selbst bin Tariano Al’Morsqueta, bescheidener Diener der Herrin Peraine.“
Beim Klang ihres neuen Namens neigte sich Usanza kurz vor und hauchte ihrem Gatten einen Kuss auf die Wange - wie sie es oft zu tun pflegte. Ihr Glück war ihr ins Gesicht geschrieben.
Kurz lächelte sie ihren Gatten an, dann fügte sie verzückt an Gishtan gewandt hinzu: “Es ist uns eine ausgesprochene Ehre und Freude hier sein zu dürfen und Eure Bekanntschaft zu machen!”
Ihr Blick wanderte schließlich erneut umher, sog alle Eindrücke auf. “Verzeiht wenn ich neugierig bin, aber mögt Ihr uns ein wenig zu diesem Ort erzählen? Mir scheint, dass vieles zusammenkommen musste, um ihn Wirklichkeit werden zu lassen und ich wäre hocherfreut, mehr zu erfahren.”
“Das ist eine interessante Geschichte, die in ihrer Gänze zu erzählen jedoch ein wenig Zeit erfordern würde”, sagte Baron Gishtan. Ein zufriedenes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, als die Erinnerung an die Entstehung der Kapelle aufstieg. “Die wird sein, wenn Ihr heute Abend die Bosparanjer-Probe genießt, die Ihre Gnaden Terantina vorbereiten lassen hat. An dieser Stelle nur so viel: Mein ursprüngliches Ansinnen war seinerzeit, einen Schrein zu Ehren der Sancta Rahjalina zu errichten, um ihr für die Gabe des auf Gut Zweiflingen erzeugten Perlweins zu danken. Doch fand ich für dieses Vorhaben derart großen Rückhalt - nicht zuletzt in Gestalt einer ansehnlichen Spende Seiner Durchlaucht Gwain von Harmamund -, dass es mir möglich war, eine Kapelle bauen zu lassen. Diese seht Ihr nun vor Euch. Rahja sei gepriesen!”

“Oh wie wundervoll! Ich bin gespannt auf die weiteren Details! Gepriesen sei sie, und Dank an Dom Gwain und natürlich an Euch, die Ihr das hier alles möglich gemacht habt und dass wir hier sein dürfen!” Usanzas Freude war ansteckend und ehrlich wie die eines kleinen Kindes.
“Sagt, wann ist der nächste Göttinnendienst geplant?” Wieder warf sie einen verschmitzt-schüchternen Blick zu ihrem Gatten, ehe sie fortfuhr: “Ich kann mir vorstellen, dass ein solcher ein besonderes Erlebnis wäre.”
Dom Tariano strich seiner Gemahlin liebevoll über den Arm, wiederstand der Versuchung, sie enger an sich zu ziehen. „Das wäre es sicherlich, Coraminha.“ Dann wandte er sich an ihren Gastgeber. „Wie meine werte Gattin bin ich sehr gespannt auf die Besonderheiten Eurer Kapelle, Euer Hochgeboren. Es ist immer faszinierend zu sehen wohin kleine, bescheidene Ideen führen können. Und vielen Dank für das Arrangement der Bosperanjer-Verkostung, auch dieses übertrifft unsere Erwartungen an diesen Ausflug.“ Er deutete eine Verneigung zu den beiden Gastgebern an und nahm sich vor, Taravinus als Dank für die Empfehlung eine Flasche mitzubringen.
In Terantinas Miene zeigte sich ein leichter Anflug von Bedauern: “Werte Signora Al’Morsqueta von Culming, einen Göttinnendienst an dieser Kapelle gibt es nur in besonderen Momenten wie zum Beginn der Weinlese, wenn sich die Winzer hier einfinden, um Sancta Rahjalina für ihren Segen zu danken. Ich hoffe, dies trübt nicht Eure Stimmung Gerne würde ich Euch nach Shenilo einladen, um im Tempel der heiligen Svelinya-Horas an unserem Göttinnendienst teilzunehmen. Ich denke, dass auch unser Gastgeber der Leidenschaft und Geliebter der Göttin, Beleno Brahl, einige Minuten seiner kostbaren Zeit für Euch erübrigen kann.”

Gishtan re Kust nickte nach diesen Worten wohlwollend. Dann musterte er die beiden Almadaner von Kopf bis Fuß: “Nichts täte ich lieber, als Euch sogleich die Besonderheiten an und in der Kapelle zu erläutern und Euch danach den gesegneten Trunk der Heiligen Rahjalina Stellona verkosten zu lassen. Allein, der Tag ist heiß, Ihr habt einen Ritt in der Sonne hinter Euch und solltet Euch nicht nur erfrischen, sondern auch leichtere Gewandung anlegen.”
Dem Paar fiel nun auf, dass auch der ältere Mann zwar standesgemäß, doch in luftig-leichten Stoff gekleidet war. Seine Hose war kein Leder, sondern aus feinem, weißem Tuch und wäre kaum zu einem Ausritt geeignet. Den breitkrempigen Hut trug er demnach vorwiegend als Sonnenschutz. Ihnen beiden stand hingegen selbst im Schatten der Kapelle ein Schweißfilm auf den jungen Stirnen.
Dom Tariano neigte zustimmend den Kopf. „Vielen Dank für Euren Vorschlag, Euer Hochgeboren. Selbstverständlich würden wir Eurem Rat folgen, doch ich fürchte, wir haben versäumt, etwas Passendes mitzubringen.“ Er warf einen kurzen Blick zu Domna Usanza, drückte beruhigend ihren Arm. Denn er wusste, dass ihr gewohnte Rituale, die Einhaltung der Form wichtig waren, Sicherheit gaben. „Auch wenn dir die leichtere Gewandung, wie alles, was du trägst, natürlich bestens zu Gesicht stände, Coraminha.“ Sein Lächeln zu ihr ließ erahnen, dass ihm die Vorstellung durchaus zusagte. Schließlich passte sie zu ihrem fröhlichen, lebensfrohen Wesen, das er so liebte.
Usanza war tatsächlich etwas besorgt, war es ihr doch stets sehr unangenehm, wenn sie durch unangebrachtes Verhalten oder unpassende Kleidung Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch wenn sie sich größte Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen - sie hätte selbst auf den Gedanken kommen können, dass ein solch wunderschöner Ort eine entsprechende Bekleidung erforderte. Innerlich ärgerte sie sich, nicht weiter mitgedacht zu haben.

“Seid unbesorgt, in der Casa hat mein Verwalter Hakaan, einer der unzähligen Verwandten meiner lieben Gemahlin Rahjada, luftigeres bereitlegen lassen. Eine Schneiderin wartet für den Fall, dass etwas ausgelassen oder gekürzt werden müsste.” Gishtan wirkte zufrieden, schien es aber gewohnt zu sein, dass für alle Gelegenheiten vorgesorgt war.
Er deutete auf die Pferde der Gäste. Das Paar stellte fest, dass bei diesen schweigend zwei Knechte standen, bereit, die Reittiere am Zügel zu nehmen und zu versorgen: “Rahjas Kreaturen sollen auch nicht darben, wenn Ihr wünscht”, hielt der Hausherr fest. “Wollen wir zum Hauptgebäude gehen?” Seine Frage galt Usanza und Tariano ebenso wie der Rahjageweihten neben ihm.
„Zu großzügig, Euer Hochgeboren. In dem Fall folgen wir all Euren Vorschlägen mit Vergnügen. Wenn Eure Leute sich um die Pferde kümmern, wären wir Euch sehr verbunden. Auch wenn ich keine Zweifel an ihren Fähigkeiten habe, ein Hinweis sei erlaubt: der Rappe ist recht eigenwillig und temperamentvoll.“
“Habt vielen, vielen Dank!”, wirkte auch Usanza nun deutlich erleichtert.

Dom Tariano und Domna Usanza folgten ihrem Gastgeber und der Geweihten gen Casa, weiterhin in angenehme Konversation vertieft. Der almadanische Edelmann sah wohl, dass der untersetzte Knecht, der seinen Rappen zum Stall führen sollte, Mühe mit dem Tier hatte. Doch letztlich gelang diesem das, nicht einmal ein Ausschlagen oder Beißen beobachtete Tariano. Es schien ihm, dass der Hausherr kein ungeeignetes Personal angestellt hatte.

In der Kapelle

Terantina ya Pirras hatte sich während des Exkurs des Barons zurückgezogen, um sich ebenfalls umzukleiden und die Bosparanjerprobe ein letztes Mal in Augenschein zu nehmen. Ein weiterer Grund war, auch wenn sie die Gesellschaft des Barons sehr schätzte, dass dieser Exkurs schnell zu einem Monolog werden könnte und dies ihr vom Thema her einfach zu trocken war. Bei diesem Gedanken musste sie sich kurz räuspern.

Sie entschied sich für ihre rote Robe mit den eingestickten Weinranken, welche ihre Rundungen schmeichelnd bedeckten. Dazu steckte sie sich noch eine kunstvoll gedrechselte Weinranke ins Haar und drehte sich vor dem Spiegel, bis sie zufrieden war.
Dann betrat sie den Innenraum der Zweiflinger Kapelle, wo der Umtrunk stattfinden sollte. Das durch die grünen Glasscheiben fallende Sonnenlicht und die geschnitzten Verzierungen schufen den Eindruck einer weinumrankten Laube. Geschwungene, polierte Stufen führten zu dem Badebecken hinab, in dem eine Rahjastatue mit Amphore stand. Aus dem Behältnis floss trotz der sommerlichen Trockenheit draußen Wasser in das Becken, dafür hatten die Bediensteten im Auftrag des Verwalters Sorge getragen.
Sie musste Hakaan später dafür ein Lob aussprechen, dachte Terantina. Dafür und auch für die anderen Vorbereitungen nach ihren Vorgaben: Der Raum war dezent und nicht zu üppig geschmückt. Kerzen und frische Blumenbuketts zierten den Tisch auf der freien Fläche neben dem Eingang, auf dem auch verschiedene Gläser für die Verkostung bereitstanden.
Auf Holzplatten waren verschiedenen Käsesorten sowie Obst drapiert. Baron Gishtan hatte sogar einige dunkelbraune, rechteckige Täfelchen in einer wassergekühlten Kristallschale bereitstellen lassen. Tschokolatl, ein seltener Genuss, beim horasischen Adel beliebt. Von welchem seiner vielen Bekannten aus dem Tiefen Süden er diesen wieder hatte beschaffen lassen? Er schwor jedenfalls darauf, dass die bittere Süße einen delikaten Kontrast zur prickelnden Säuerlichkeit des Perlweins darstelle.
Zu guter Letzt warf die Geweihte noch einen Blick auf die unterschiedlichen Flaschen, welche der Baron großzügigerweise zur Verfügung gestellt hatte. Sie konnte sich gut daran erinnern, was ihr allein diese eine Flasche aus den Arivorer Beständen des Barons an Überredungskunst gekostet hatte. Aber sie hatte eine der ersten Flaschen der letzten Abfüllung vor dem Sternenfall beschaffen können. Nun war die Zeit gekommen, die Gäste zu holen.

Das erste, was Usanza tat, als sie die Kapelle betrat, war kurz inne zu halten und ergriffen nach der Hand ihres Gemahls zu tasten, die sie daraufhin mit beiden Händen umfasste und an ihr Herz drückte. “Schau nur!”, sagte sie, während sie ihren Blick schweifen ließ. Zu mehr reichte es nicht.
Es vergingen einige Augenblicke, bis sie sich wieder gefasst hatte, dann stieß sie einen jauchzenden Laut der Freude aus und fiel Tariano um den Hals. “Was für ein Glück, dass wir von diesem Ort gehört haben, ist es nicht wundervoll? Wahrhaft wundervoll!”
Der Geweihte, der die Begeisterung seiner Gemahlin mit einem Schmunzeln und sehr liebevollem Blick beobachtet hatte, konnte nicht widerstehen und zog sie einen Moment enger an sich, bevor sich seine Erziehung durchsetzte. „In der Tat, Coraminha, ein wundervoller Ort. Und wundervolle Begleitung.“ Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und flüsterte: „Wie unwiderstehlich du wieder bist.“
Freudestrahlend wandte Usanza sich wieder ihren Gastgebern zu. “Oh, habt tausend, tausend Dank, dass Ihr uns an diesem Ort empfangt!”
Baron Gishtan, jetzt am Abend in weinrote Seide gekleidet und barhäuptig, zwirbelte seinen Bart, schmunzelte wohlwollend und sagte: “Signorina, diese Kapelle wird nicht der prächtigste Ort eurer Reise durch das Horasreich sein, aber sicherlich einer der gastfreundlichsten. Euer Besuch hier ist mir eine persönliche Freude, denn Zweiflingen war auch einst für mich der rahjagesegnete Ort, an dem eine große Zuneigung noch gefestigt und meiner späteren Gemahlin und mir anhaltendes Familienglück begründet wurde.” Der alte Diplomat schaute Tariano an, interessiert, wie dieser auf seine Einlassung reagieren mochte.

Dieser hatte seiner Gemahlin den Arm um die schmale Taille gelegt, die Hand auf ihrer Hüfte. Usanza senkte den Blick, lächelte aber verschmitzt.
„Umso geehrter fühlen wir uns, Euer Hochgeboren. Habt Dank, dass Ihr uns Zutritt zu einem Ort gewährt, der von solch persönlicher Bedeutung für Euch ist. Alles hier ist eine vollendete Huldigung Rahjas. Die Architektur, die geschmackvolle Auswahl der Einrichtung, Eure Gastfreundschaft, die verehrte Lehrerin der Leidenschaft. Vielleicht werden wir prächtigere Orte im landläufigen Sinne sehen. Doch ich kann Euch versichern, der heutige Abend wird uns als einzigartig in Erinnerung bleiben.“ Er warf Domna Usanza einen glühenden Blick zu. Das leichte Kleid schmeichelte ihr, machte sie noch verlockender. Oder war es der Geist der Schönen Göttin an diesem Ort? Er schmunzelte, als er ergänzte: „Ich kann nur zu gut verstehen, dass ihr hier rahjagesegnetes Glück gefunden habt. Eine sicherlich denkwürdige Erfahrung, die uns wohl verwehrt bleiben wird.“ Auch wenn er durchaus gedachte, eine diesem Ort angemessene Huldigung in trauter Zweisamkeit später nachzuholen. Hoffentlich würde auch sie beide bald Familienglück erwarten.
Usanza, den Worten ihres Gatten lauschend, errötete leicht, legte aber zugleich den Arm um ihn und strich ihm, wie sie glaubte unbemerkt, sanft über den Rücken“Denkwürdig, in der Tat”, wiederholte si. e mit einem verliebten Glanz in den Augen. Sie konnte nicht leugnen, dass dieser Ort und die Gesellschaft, in der sie ihn genoss, eine Anziehungskraft auf sie ausübte, die sie so noch nicht gekannt hatte.
Sich selbst zur Räson rufend, biss sie sich kurz auf die Unterlippe, dann wandte sie schnell den Kopf ab und sich ihren Gastgebern zu. “Bitte, fahrt doch fort”, bat sie, in Gedanken offenbar nicht ganz anwesend im Moment.

“Ich will Euch beide nicht mit langatmigen Erklärung über Entstehung und Besonderheiten dieses Gebäudes ermüden”, erwiderte Baron Gisthan wohlwollend. “Es ist weder verwunderlich noch unangebracht, dass Euch der Sinn nach Rahjafreuden steht, gerade hier in der Kapelle. So Ihr wollt, möchte Ihre Gnaden Terantina mit einer der fröhlichen Göttin angemessenen Andacht beginnen und dann zur erbaulichen Bosparanjer-Verkostung übergehen?”
„Es wäre uns ein Vergnügen. Wenn Ihr so freundlich wärt, Euer Gnaden.“, erwiderte Dom Tariano mit einer angedeuteten Verbeugung.
Auch Terantina deutete eine Verbeugung an und schritt langsam auf das Badebecken zu. Als sie die erste Stufe erreichte, drehte sie sich um und schaute ihre Gäste an. “Lasset uns der Heiteren Göttin huldigen, die in ihrer Güte der Heiligen Rahjalina den Weg gewiesen und uns Gläubigen ein Geschenk wahrer Freunde hinterlassen hat.”
Sie begann ein Lied anzustimmen und ihre Stimme hallte von den Wänden der Kapelle in verschiedenen Stimmlagen zurück. Bedächtig hob sie ihren Arm und deutete Usanza, näherzukommen. Als diese sie erreichte, nahm Terantina sie an die Hand und führte sie Stufe für Stufe tiefer in das Badebecken hinein. Mit jeder Stufe entkleidete Terantina sie mehr, bis nur noch das Nötigste bedeckt war.
Usanza lächelte, senkte kurz den Blick und schaute über ihre Schulter zu ihrem Gatten. Ein leichtes Lächeln auf den Lippen zwinkerte sie ihm zu, dann schritten sie und Terantina gemeinsam zur Statue in der Mitte des Beckens. Terantina benetzte ihre Finger mit dem Wasser aus der Amphore der Statue und zeichnete das Zeichen der Rahja auf Usanzas Stirn. Danach hauchte sie einen Kuss auf diese Stelle und ließ Usanza in ihren Gedanken zurück, um auch ihre anderen Gäste auf die gleiche Art zu empfangen.

Dom Tariano hatte, sobald er das Lied erkannte, gekonnt in den Gesang eingestimmt, Terantinas Stimme dezent ergänzend. Dabei hatte sein Blick unverwandt auf seiner Angetrauten geruht. Jeden Moment genießend wurde ihm nicht zum ersten Mal bewusst, wie glücklich er sich schätzen konnte, dass sie ihn erhört hatte. Usanzas Zwinkern raubte ihm fast den Verstand - wie es zweifelsohne gedacht gewesen war.
Als es an ihm war, von Terantina ins Becken geleitet zu werden, suchte er einen kurzen Moment Usanzas Blick, schenkte ihr ein liebevolles, verschmitztes Lächeln, bevor er sich ganz auf den Ritus einließ.
Der alte Baron murmelte etwas, was sich anhörte wie “nochmal so jung sein”. Doch er lächelte verstehend und krempelte seine Beinschößen bis zum Oberschenkel hinauf. Es schien ihm nichts auszumachen, dass dadurch einige Narben und seinem Alter entsprechende Besenreiser sichtbar wurden. Er streifte die leichten Schlangenlederschuhe ab, folgte der Geweihten und den Almadanern, stieg aber nur so weit die Stufen in das Becken hinab, dass seine nackten Füße und Unterschenkel im lauwarmen Wasser waren. Das musste in dieser Gesellschaft genügen.
Terantina warf einen Blick auf den Baron und lächelte. Dann stieg sie aus dem Becken und schritt zu der aufgebauten Tafel. Ein Gebet des Dankes an die Herrin Rahja auf den Lippen, füllte sie vier einfache Tonbecher mit dem kostbaren Bosparanjer. Nach und nach reichte sie diese ihren Gästen und trat wieder ins Becken.

Andächtig hob sie ihren Becher und sprach “Lasset uns nun die Früchte der Weinberge und die Arbeit der Winzer lobpreisen und genießen den Tank der heiligen Rahjalina zur Ehr. Herrin Rahja, segne diesen Trunk und erlaubt ihm seinen Zweck zu erfüllen. Zu erquicken und zu erfrischen, den Durst zu löschen und den Leib zu stärken.”
Langsam führte sie den Becher zu ihren Lippen und trank bedächtig. Ein leichter Windstoß fuhr durch die Kapelle und brachte den Duft von Rosen in das Innere. Das Spiel der Praiosscheibe zauberte durch die Mosaike bunte Farben an die Wände. Es sah fast so aus, als würden sich die stilisierten Weinranken bewegen.
Man genoss diesen Moment und die gemeinsame Zeit des Badens, um das Becken danach erholt und entspannt zu verlassen. Leichte Tuniken in einem zarten Rot lagen für die Gäste bereit. Terantina half ihnen beim Ankleiden und führte sie dann an die Tafel mit den Köstlichkeiten.

“Ihr habt Euch wahrlich selbst übertroffen!”, lobte Usanza ihre Gastgeber beim staunenden Blick auf die Tafel. Sie war beim Bad so von der Zeremonie, dem warmen Wasser, dem Gesang und den Menschen um sie herum gefesselt gewesen, dass sie ihre Umgebung für mehr als nur einen Moment komplett vergessen, sich ganz im Augenblick verloren hatte. “Ihr habt nicht übertrieben, wertester Herr Baron, dass dies einer der gastfreundlichsten Orte auf unserer Reise ist. Und, wenn ich so frei sein darf, auch weit über die Grenzen dieses schönen Reiches hinaus!”Gut gelaunt und mit fast schon tänzelndem Schritt ging sie zu einem der Stühle, wartete, dass man ihr den Stuhl zurecht zog, und setzte sich, erfüllt von freudiger Erwartung ob der bevorstehenden Gaumenfreuden.
Gishtan nahm ihr gegenüber Platz, denn der Stuhl am Tischhaupt gebührte heute der Geweihten. Die lobenden Worte der Jungvermählten nahm er mit gelassenem Lächeln entgegen. Er wusste, welche Wirkung die Kapelle auf ihre Besucher hatte, und auch, dass Terantinas Segen diese noch verstärkte: “Gepriesen sei die Herrin der Freude”, erwiderte er lediglich.
Dom Tariano, den Tonbecher noch in der Hand, folgte seiner Gemahlin, ihren Anblick in dem dünnen, teilweise nassen Gewand genießend. Als Terantina ihm in die Robe half, wandte er sich an sie: „Hab Dank für diese ergreifende Zeremonie, Schwester. Du lässt uns die Nähe und den wahrhaftigen Geist der Schönen Göttin erfahren.“ Er hauchte ihr einen rituellen Kuss auf jede Wange. Dann eilte er sich, Usanza den Stuhl zu richten, wie immer bezaubert von ihrer Begeisterung.

Er setzte sich neben sie, griff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihre Finger, bevor er sich dem Gastgeber mit einem entschuldigenden Lächeln zuwandte. „Euer Hochgeboren, ich danke Euch, dass Ihr uns dieses einmalige Erlebnis ermöglicht habt. Solltet Ihr unsere Heimat aufsuchen, würden wir uns gerne zumindest mit unserer bescheidenen Gastfreundschaft revanchieren. Natürlich gilt dies auch für Euch, Terantina.“

Der Baron nickte dankbar und sein Blick rückte einen Moment in die Ferne: “Ja, das schöne Almada sollte ich auch einmal wieder besuchen. Ich verbinde gute Erinnerungen mit Eurer Heimat und Menschen dort.” Klang da ein wenig Sehnsucht in seiner Stimme? Wenn es so war, fiel es nur der Rahjageweihten auf, denn das Gästepaar war sehr auf sich selbst und den Genuss des Hier und Jetzt konzentriert. Zurecht.
Während die Tischgesellschaft sich den bereitstehenden Köstlichkeiten zuwandte, entspann sich ein angeregtes Gespräch über die heilige Rahjalina, die Besonderheiten der Kapelle, den Weinbau und die Unterschiede in der Winzerei von Weinen im Allgemeinen und Bosparanjer im Speziellen. Schließlich wandte man sich anderen Themen zu, bis man den angenehmen Sommerabend zu fortgeschrittener Stunde beschloss und hinüber in die Casa wechselte.
Die Träume der Almadaner waren ebenso intensiv wie der Genuss im Wachsein zuvor. Doch kein dicker Kopf und kein Bedauern weckten sie am nächsten Morgen, ehe ihre Gastgeber sie verabschiedeten, als Usanza und Tariano zur nächsten Etappe ihrer Reise durchs Land der wahren Liebe aufmachten.