Bernardo Tribêc
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Bernardo Tribêc ist ein horasischer Ornithologe, Seefahrer und Forschungsreisender, in geschlossenen Kreisen bekannt für seine halb wissenschaftlichen, halb fabulösen Reiseberichte und sein nie abgeschlossenes Werk "Das kleine Geflügelbuch". Seit Jahren versucht er, Ordnung in sein eigenes Leben zu bringen, während er die Ordnung in der Tierwelt beschreibt.
Er ist der Sohn des perainefrommen Theodor Tribêc und der freigeistigen Grangorerin Isiz Lafayotte, einer ehemaligen Prostituierten. Aus diesem Grund wurde ihm schon in jungen Jahren nahe gelegt, sich weniger um Familiengeschäfte und mehr um ferne Länder zu kümmern. Bei Bernardo traf dies auf fruchtbaren Boden, nur zu gerne zog er aus in die Ferne. Zuerst heuerte er als Schiffsjunge an, arbeitete sich aufgrund seiner einigermaßen guten Bildung bald hinauf und ist gegenwärtig der erste Offizier der Cusimo, einer kleinen Grangorer Kogge. Dabei bereiste er vor allem den heißen Süden des Kontinents, zu den Regenwäldern bei Khefu und zu den Inseln des Perlenmeers. Unterwegs gründete er mit Gleichgesinnten, einem tulamidischen Chronisten, einem methumischen Studenten und einem horasischen Poeten die sogenannte Gruppe Bernardo, deren Expeditionen in Gelehrtenkreisen bald als "halb Wissenschaft, halb Operette" beschrieben wurden.
Anfang 1030 BF verschlug es ihn wieder nach Sewamund, wo er schon einige Jahre nicht mehr war. Und das hatte auch seinen Grund, denn er fand auf einer Passage nach Maraskan dort einen anscheinend fernen Verwandten, über dessen Verbleib (und Ansprüche) er die liebe Familie gerne persönlich aufklären wollte. In Sewamund erfuhr er bald von der anstehenden Verheiratung der Vistelli-Zwillinge und meldete sich im Dienste der Familie Tribêc als Freier an, wobei er sich kaum Hoffnung auf Erfolg machte, das Haus Tribêc unter Tsaida Tribêc aber umso mehr. Wider Erwarten warb er erfolgreich und heiratete im Anschluss an die Brautschau am 2. Rondra 1030 BF die bezaubernde Alissa, deren Blick für Form und Farbe ihn alsbald faszinierte.
Die Hochzeit ließ ihn aber nicht groß davon abbringen, weiter an seinem Werk Das kleine Geflügelbuch zu schreiben, dessen Veröffentlichung er schon zu lange hinausgezogen hat. Weiterhin arbeitet er an einer öffentlichen Version seiner Reiseberichte. Nicht lange Zeit nach seiner Hochzeit verließ er Sewamund an Bord der Cusimo zusammen mit seiner frisch Angetrauten. Die folgende Zeit verbrachte das Paar auf Schiffen, häufig getrennt, bis es Alissa zurück nach Sewamund zog. Bernardos Briefe an Alissa, oft aus exotischen Häfen gesendet, mischten Liebeserklärungen mit Vogelbeobachtungen: „Meine Teure, der Paradiesvogel hat den besseren Takt als ich, aber weniger Mut, sich zu verirren.“
Bernardo arbeitet seit Jahren an der endgültigen Ausgabe seines "Kleinen Geflügelbuchs", das mittlerweile so viele Korrekturen enthält, dass es zu einem eigenen Lebenswerk geworden ist. Mehrfach wurde er von Gelehrtenkreisen eingeladen, über seine Feldstudien zu sprechen, doch meist endet sein Vortrag mit Anektdoten über Sturmfahrten, Seeungeheuer oder streitende Möwen.
Der "Forscher auf Abwegen", wie er sich selbst bezeichnet, gilt als exzentrisch, aber liebenswert. Seine Ehe mit Alissa gilt als stabil, wenn auch ungewöhnlich: Sie führt die Konten, er die Kogge. Sein Stil ist praktisch, seine Kleidung meist salzverkrustet, seine Stimme von Seeluft und Selbstironie getragen. Er raucht selten, trinkt gerne und seine Forschungsgehilfen behaupten, er könne den Unterschied zwischen dreißig Möwenarten am Klang ihres Geschreis erkennen. In der Familie hat Bernardo das Ansehen eines kauzigen Wissenschaftlers, den niemand ernst nimmt, bis er etwas Unerwartetes sagt. Seine Notizen werden gerne zitiert, wenn auch oft unfreiwillig komisch.
Meisterinformationen: Bernardos Familienstand
| Bernardo ist bereits seit 1027 BF mit einer Frau aus Khefu, die er auf einer seiner Reisen kennenlernte, verheiratet (Heirat in Sant Ascanio). Ob Alissa dies mittlerweile bekannt ist und wie sie damit umgeht, entzieht sich jeder Kenntnis. |
Werke
Auszüge aus den Reiseberichten des Bernardo Tribêc, die in Bälde in Sewamund erscheinen:
„Der Vulkan sah nicht so aus, wie man es erwartet hatte. Dachten wir in der Zeit vor unserer Reise noch, er wäre ganz aus Ingerimms Element geschaffen, völlig kahl und soweit das Auge reicht nur voller Steine, so wurden wir bei seinem Anblick eines Besseren belehrt. Wie der umliegende Dschungel waren auch die Hänge des Berges völlig bewachsen mit Bäumen, Schlingpflanzen und Büschen, ja, konnte man den Dschungel vom Vulkan schwer unterscheiden und wusste man nicht, ob man noch im Dschungel oder schon auf dem Hang des Vulkans sich befand. Ein weiteres Mal zeigte sich, dass die Theorie, wie sie uns an den Schulen des Landes zu Genüge gelehrt wird, nicht über die praktische Erfahrung sich zu erheben vermag.“
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„Die Cusimo machte bei diesem Wind pro Tag weitaus mehr Strecke, als es meine Schätzung angenommen hatte. Gute verlässliche Sewamunder Bauweise trug sicher ihr Übriges dazu bei, dass wir drei Tage früher als erwartet Grangor erreichten. Sewamund liefen wir nicht an. Man signalisierte uns, der Hafen sei belegt. Was auch immer das zu bedeuten hatte, ich hoffte, es auf Burg Trebesco zu erfahren.“
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„In Grangor erfuhren wir schließlich die wichtigste Nachricht der Zeit: Amene war von uns gegangen. Welch Trauer ergriff uns.“
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„Da Grangor sich seit dem Start unserer Reise kaum verändert hatte, dachten wir, dass sich auch der Rest des Reiches so zeigen würde, wie wir ihn kannten. Aber weit gefehlt. Überall ging es drunter und drüber. Wir entschieden, uns nun zu trennen, da ein jeder heim und nach dem Ergehen seiner Lieben schauen wollte. So nahm ich denn Abschied von den Mitgliedern der Gruppe Bernardo, wie wir uns mittlerweile nannten, die in all den Jahren in der Fremde trotz der Standesbedenken so sehr zu meinen Freunden geworden waren. Hilal al Ketab und Yikraman Bey begleiteten die Methumer Studenten nach Süden, Avedanne-Marbis Salfridjos bestieg gleich am folgenden Tage wieder ein Schiff.“
Auszüge aus dem kleinen Geflügelbuch, das immer noch nicht fertig ist:
„Der Sage nach soll der Paradiesvogel, das Symbol des Freiheitsgottes Aves, das Reittier des heiligen Horas gewesen sein. …
Ich sehe an dieser Stelle davon ab, die Höchstgeschwindigkeiten von beladenen Paradiesvögeln im Verhältnis zur Distanz des Güldenlandes zu berechnen…
…ist das bunte Tier doch vor allem im Königreich Südmeer heimisch, wo ihn die Eingeborenen Netengalaq rufen. Ich danke an dieser Stelle meinem werten Übersetzer, dessen frühzeitiger Tod die Folge unglücklicher …
Fernerhin ist es unklar, wie es ein Paradiesvogelnest vermag, jedermann umherzutragen…
…wie Bastan Munter schon wusste, von der Größe einer gemeinen Hausgans (heilig!), mit gelbem Rücken und grüner Brust und Kehle und einer purpurrote Schleppe, zweimal so lang wie der ganze Vogel…“
„Es gibt eine alte, fast vergessene Legende aus den Regenwäldern südlich von Khefu, die behauptet, der seltene Mondfink stimme nur unter dem Licht der vollen Madaflamme sein Lied an. Während meiner Reisen konnte ich diese Theorie zwar nicht bestätigen, doch ein nächtliches Lagerfeuer und eine Flöte erschienen ihm zumindest ähnlich melodisch.“
„Der Graubrustschnäpper ist ein seltsames Tier. Seine seltsame Neigung, funkelnde Gegenstände zu sammeln, führte während meiner Reise dazu, dass ein kompletter Satz methumischer Bestecke unauffindbar blieb. Ich hoffe, sein Nest war wenigstens gut gedeckt.“
„Unter den Wüstenvögeln gilt der Staubstorch als wahrer Überlebenskünstler. Er kann tagelang ohne Wasser auskommen und findet Nahrung, wo andere längst verzagen würden. Meine Reisegefährten und ich konnten das bestätigen – das Tier fand sogar unseren Notproviant unter einer dichten Sandschicht.“
„Die Dämmerfeder, ein kleiner Singvogel aus den nördlichen Landen, soll der Überlieferung nach so schön singen, dass er selbst Dämonen besänftigen kann. Ich möchte dazu anmerken, dass mein Versuch, einen dieser Vögel mit einem leichten Käfig zu fangen, stattdessen eine Dämonenbrut von Fliegen anzog. Es bleibt also ein Rätsel.“
„Das gemeine Hühnervolk ist häufig Ziel des Spotts, doch kein anderes Tier hat uns Menschen so häufig vor dem Hungertod bewahrt. Was dem stolzen Hahn an Eleganz fehlt, macht er durch seine Kühnheit mehr als wett – besonders, wenn er uns allmorgendlich aus dem Schlafe reißt.“
Vortrag zu den Flugbahnen des Zufalls, Methumis 1042 BF
„Meine verehrten Kolleginnen, Kollegen und zufällig hereingeschneite Neugierige,
ich danke Euch, dass Ihr Euch in dieses Gebäude begeben habt, das mehr nach Schweiß als nach Erkenntnis riecht. Ich verspreche, ich zeige weder Formeln noch Diagramme, sondern nur Federn, Fehler und vielleicht ein bisschen Wahrheit.“
(er zündet sich eine Pfeife an, die nicht zieht, lächelt schief, redet weiter)
„Man hat mich gebeten, über Flugbahnen zu sprechen. Ich weiß nicht, warum man mich das fragt, denn kein Vogel, den ich jemals gesehen habe, ist so geflogen, wie er sollte.
Der Regenreiher von Khefu etwa, majestätisch, sagt man, stürzt regelmäßig in den Morast, weil er sich selbst für eleganter hält, als die Luft ihn trägt. Ein Paradiesvogel des Südmeers wiederum ist zu schön, um wirklich nützlich zu sein. Er fliegt nur, wenn man nicht hinsieht. Wenn man hinsieht, posiert er. Und die Grangorer Stadttaube, ja, ich weiß, Sie lachen, sie fliegt in Spiralen, weil sie nie sicher ist, ob sie überhaupt irgendwohin will. Das erinnert mich an mich selbst nach dem dritten Becher Rum.“
(er zeigt eine zerknitterte Karte, die eindeutig von Rum befleckt ist)
„Diese Linie hier… das ist keine Route. Das ist mein Irrtum. Ich nenne sie die Flugbahn des Zufalls. Sie verläuft immer knapp neben dem Plan. Ich habe gelernt, der Zufall ist kein Irrtum der Natur, sondern ihre Art, sich zu langweilen. Der Wind weiß, wohin er will. Wir tun so, als hätten wir ihn verstanden. Jeder Vogel, ob Möwe, Falke oder betrunkene Henne, fliegt, wie er kann, nicht, wie er soll. Ich finde das tröstlich.“
(Publikum lacht, einige notieren eifrig)
„Auf meinen Reisen, meine Freunde, habe ich drei große Lektionen gelernt:
Erstens: Kein Kompass ist so zuverlässig wie der Hunger.
Zweitens: Wer lange genug aufs Meer schaut, hält irgendwann die Wolken für Vögel.
Drittens: Wenn man glaubt, man habe einen neuen Vogel entdeckt, hat er meist schon längst beschlossen, einen neuen Menschen entdeckt zu haben.“
(er lehnt sich ans Pult, nimmt eine Pause, die zu lang ist)
„Wissen Sie, ich wollte immer zeigen, wie man das Verhalten des Zufalls berechnet. Aber dann sah ich, wie ein Sturm eine ganze Kolonie von Dämmerfedern vertrieb und am nächsten Morgen fanden wir ihre Nester genau dort, wo unser Lager stand. Das war der Moment, als ich aufhörte zu rechnen. Ich schrieb stattdessen ein Lied, auch wenn es schlecht war.“
(Gelächter, dann Applaus)
„Das ist der wissenschaftliche Fortschritt. Die Flugbahnen des Zufalls, verehrte Zuhörer, sind die Linien, die das Leben zieht, während wir Karten zeichnen. Wenn Ihr einmal am Meer steht, eine Möwe auf Eurem Hut landet und Euch ansieht, als hättet Ihr keine Ahnung, dann wisst Ihr, Ihr seid auf Kurs.“
Gerüchte
- Manche sagen, Bernardo habe ein Ei des legendären Mondfinken gefunden und zum Frühstück gegessen.
- Andere behaupten, seine Frau Alissa begleite ihn nicht mehr, weil „er auf See mehr mit Vögeln spricht als mit Menschen“.
- Ein Matrose schwor, Bernardo habe auf einer Expedition ein „schimmerndes Wesen aus Wind und Federn“ gesehen und es in sein Notizbuch gemalt.
- In Sewamund kursiert der Witz, er wolle das „Kleine Geflügelbuch“ nur deshalb nicht fertigstellen, weil er dann nichts mehr hätte, um seine Gläubiger zu vertrösten.
- Peera Tribêc sagt über ihn: „Mein Bruder ist ein Sturm im Federkleid. Man liebt ihn bis man nass wird.“
- Auf einer Expedition soll Bernardo einen Papagei gefunden haben, der sich nun aber in Sewamund heimischer fühle als in seiner eigentlichen Heimat.
- Manche munkeln, seine Frau Alissa habe ihre Geduld nur der Gewissheit zu verdanken, dass Bernardo in Gedanken ohnehin mit seinen Vögeln verheiratet sei.