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Hintergründe und Artikel aus dem Seewind zum Bankraub in Sewamund

Die Wache an der Kanalstraße

1033 BF

Passwort: Schwertfisch

Sewamund, Ende Rahja 1033 BF

Zu dem spektakulären Einbruch in die Bank der van Kacheleen über einen Tunnel sind inzwischen zehn Hinweise eingegangen. Seit letzter Woche gibt es zudem eine Phantomzeichnung von einem der Täter, die durch einen 45 Schritt langen Tunnel die Schließfächer ausgeraubt hatten. Die Stadtgarde gab zudem bekannt, dass Teile eines Werkzeugs gefunden wurden, das die Täter benutzen. Außerdem fand sich am Tatort eine rätselhafte, papierne Schwertfischfigur.
Baumeister Guldon Dollbreck und Capitan Varsinion Rimendoza rekonstruieren nun den Tunnelbau. Die Täter haben sich durch einen Keller in den Tresorraum der Bank gegraben. Die Konstruktion nötigt den Fachleuten handwerklichen Respekt ab – in einer Stadt, die sich historisch auf den Deichbau und die Gebäudestützung in der Sewakmündung versteht. So hat eigens Bergkönig Gorfar Sohn des Gurobead eine ganze, kleine Zwergensippe als Begutachter nach Sewamund entsandt – auch, um zu überprüfen, ob zwergisches Fachwissen bei der Tat eine Rolle spielte.
Die Bodenverhältnisse in Sewamund sind nicht überall ideal. In vielen Gebieten der Stadt, darunter auch in der Altstadt, dominiert Sandboden. So ist bereits nach kurzer Strecke dort die Sicherung der Tunneldecke fällig.
Nur an wenigen Stellen in Sewamund gibt es beste Tunnelbedingungen. Hier liegt in etwa zwei Schritt Tiefe eine Torfschicht – die perfekte Tunneldecke. Lebensgefährlich und allererster Punkt beim Keller- wie Tunnelbau: das Grundwasser. An der Sewakmündung schwankt das Niveau teilweise extrem. In feuchter Erde ist ein heimlicher Tunnel praktisch ausgeschlossen – das geht nur mit zwergischer Ausrüstung für Spundwände, permanenter Entwässerung und in der Regel auch nur bei offener Baugrube.
Beim durchgeführten Tunnelbau fallen rechnerisch zwar nur rund 60 Raumschritt Abraum an. Tatsächlich dürften es durch die Auflockerung beim Graben aber viel mehr gewesen sein – bei einem Gewicht von gewöhnlich rund einem Stein pro Raumschritt. Eine übliche Kutsche braucht zum Transport dieser Menge etwa 300 Fahrten.
Der Stollen ist zudem oben und auf beiden Seiten mit Brettern ausgekleidet. Die Täter müssen viel Holz herangeschafft haben – Holz, wie es die Familie Luntfeld massenweise verkauft. Effizienter wäre es gewesen, die Tunneldecke mit längeren Latten abzustützen, die durch Pfosten in regelmäßigen Abständen gehalten worden wären.
Klar ist, warum die Täter einen mit anderthalb Schritt vergleichsweise hohen Stollen gegraben haben: Auf dem Boden verlaufen keine Schienen für Loren und soweit ersichtlich auch keine Spuren einer Handkarre. Die Räuber müssen den Abraum heraus getragen haben. Das erklärt die ungewöhnliche Höhe des Tunnels.
Dennoch sind viele Fragen ungeklärt. Wie konnten die Räuber sich durch Sumus Leib schleichen? Der Durchbruch durch die Mauer des Tresorraums muss zu hören gewesen sein. Unter Tage müssen die Täter hervorragend orientiert gewesen sein. Sie trafen präzise den richtigen Raum der Bank. Ohne Mitwisser dürfte das praktisch unmöglich gewesen sein. Die Bank hatte die genaue Lage des Raums nicht veröffentlicht.
Noch gibt der Stollen Rätsel auf: Er beschreibt nach wenigen Metern eine Biegung nach rechts und nimmt zusätzlich an Tiefe zu. Haben sich die Täter am Beginn verschätzt, lagen ihnen etwas im Weg? Die Stadtgarde sucht noch nach Erklärungen – und den Tätern. Der Tunnel wird nach Ende der Untersuchungen zugeschüttet.
Geron Einhand für den Sewamunder Seewind

Falsche und richtige Spuren in diesem Fall. Ein Kommentar von Geron Einhand.

Wo die Täter zu suchen sind, dies bereitet nicht nur der Stadtwache einiges Kopfzerbrechen. Auch die Redaktion des Seewinds möchte bei der Aufklärung des Verbrechens nicht zurückstecken und hat sich Gedanken darüber gemacht, wer die Übeltäter gewesen sein könnten.
Die Verblüffung vonseiten der Zwerge zeigt aus unserer Sicht, dass diese ebenso überrascht von der Tat waren wie das Bankhaus selbst. Von Zwergen kann man einige Kunstfertigkeit erwarten, die Schauspielerei zählt nicht dazu. Apropos Schauspielerei, es soll nicht verschwiegen werden, dass ein Illusionsmagier, der am Rande der Spiele seine Künste zeigte, kurz nach der Tat Hals über Kopf abreiste und dabei sogar einen Teil seiner Ausrüstung zurückließ. Das erscheint uns mehr als verdächtig und spricht dafür, dass der unnachahmliche Saltimbucco seine Finger mit im Spiel hatte. Wir rufen dazu auf, nach diesem Magier Ausschau zu halten!
Eine weitere Spur weist nach Shenilo, dem Sieger des Turniers. Aus dem Süden von einer Reise zurückkehrende Sewamunder berichten von einem ungewöhnlich schwer beladenen Wagen, dem sie bei einem plötzlichen Wolkenbruch aus dem Schlamm des Wegesrandes helfen mussten und dessen Fahrer, die sich auf dem Weg nach Shenilo befanden, sich seltsam verhielten, als ob sie etwas zu verbergen hätten. Leider wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nichts vom Einbruch beim ehrenwerten Hause van Kacheleen, sonst wären sie dem Verdacht sicherlich sofort nachgegangen. Haben sich die Täter also nach Shenilo aufgemacht oder stammen sie gar von dort?
Ein Zettel unbekannter Herkunft, der in den Räumen der Zeitung auftauchte, schildert den Verdacht, die Vorbesitzer des Anwesens der van Kacheleen, die Familie van Hoven, habe den Tätern zumindest Informationen zur Lage der wichtigen Räume zugespielt. Dazu können wir leider nichts weiter sagen, da wir nicht wissen, woher dieser Zettel stammt. Wurde bei uns etwa auch eingebrochen? Statt einer Unterschrift weist der Zettel die Zeichnung eines Schwertfischs auf.
Nicht verschwiegen werden soll, dass es bestimmt noch politische Gegner des Hauses van Kacheleen aus dessen Zeit in Grangor gibt. Unser Korrespondent in Grangor, Lamerien Helmstolz, ließ uns wissen, dass die Familie damals nicht unbedingt in einem Zustand des Friedens mit den Grangorer Patriziern den Sitz nach Sewamund verlegte.
Das Sewamunder Urgestein Chiranor Auenberger, das fest zum Inventar der Burgschenke gehört und auf dessen Meinung wir bei unseren dortigen Recherchen immer gut und gerne vertrauen, kommentiert den Bankraub wie folgt: „Für mich ist es glasklar, wer die Täter waren: Gehen in Sewamund nicht seit einigen Jahren Gerüchte über einen M.A.F.I.A. genannten Geheimbund um? Nun rechne man eine Grangorine zur nächsten und spare sich Spekulationen über eine Grangorer, Shumirer oder Veliriser Beteiligung.“
Veliris, darauf wären wir als nächstes eingegangen, sparen uns aber den Kommentar infolge strengen Dafürhaltens hoher politischen Instanzen. Manchmal muss eben auch die Redaktion einer investigativ vorgehenden Gazette hochherrschaftlich in Zaum gehalten werden, Comto Protector!
Nicht von der Hand zu weisen ist zuletzt die Vermutung, bei dem Bankraub könnte es sich um einen urbasischen Racheakt wegen der Schließung der Silbertaler Bank in Sewamund im Tsa dieses Jahres handeln, die im Bergstädtchen im lieblichen Silbertal nicht gerade für Freude sorgte. Indes, weitere Indizien als diese Vermutung konnten wir nicht finden.

Die andere Seite

Sewamund, 30. Rahja 1033 BF
Er glaubte nicht so recht an die ganze Bankraubgeschichte und noch weniger daran, was dieser Schreiber im Kommentar des Seewinds zu dem Thema zu sagen gehabt hatte. Und jetzt, wo er tatsächlich doch nach draußen auf die Straße gegangen war und beobachtete, wie die Leute in aller Eile ihre Sachen vor dem Unwetter in Sicherheit brachten, hatte die ganze Situation noch weniger Ähnlichkeit mit den Zeitungsgeschichten. Der Markt sah dieser Tage aus wie ein Rummelplatz oder wie die Mittelstraße eines Jahrmarkts. Da kam er zunächst an einem Haufen Imbissstände vorbei, dann waren da hauptsächlich Ausschanke, die kleinsten, die er je gesehen hatte. Aber alles basierte auf einem wohlfeilen Plan, jedenfalls soweit er sah. Er kam an Ständen mit Fassaden aus türkisem Holz, falschem Mauerwerk und Scherben zerbrochener Kacheln vorbei, die zu Strudeln, Sonnen und Blumen angeordnet waren. Ein geschlossener Laden war mit grünen und kupferfarbenen Brettern tapeziert.
Er ertappte sich dabei, wie er über all das grinste, auch über die Leute, die ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkten. Sie schienen wild zusammengewürfelt zu sein, alle Altersstufen, Haarfarben und Stände, und alle rannten sie vor dem Unwetter davon, das jetzt ganz eindeutig im Anzug war. Der Wind frischte auf, als er sich zwischen Karren und alten Damen hindurchschlängelte, die Strohkörbe schleppten. Ein kleiner Junge, der mit einer großen roten Vase in den Armen dahinstolperte, lief ihm gegen die Beine. Er hatte noch nie ein Kind mit solchen Tätowierungen gesehen. Der Junge sagte etwas Unverständliches, packte die Vase fester und war dann verschwunden.
Er blieb stehen und überdachte kurz seine Lage. Dann übermannte ihn die Erschöpfung und er wollte nur noch wissen, wo und wann er schlafen konnte, und worum es überhaupt bei diesem ganzen Quatsch ging. In was hatte er sich da reinziehen lassen?
In diesem Moment schlug der Regen zu, der Wind steigerte seine Geschwindigkeit und die Leute gingen nun wirklich in Deckung und überließen ihn, der sich in einer Lücke zwischen ein paar leeren Fässern zusammenkauerte, seinem Schicksal.
Jemand brüllte etwas, aber die Worte wurden vom Wind weggerissen, und er konnte sie nicht verstehen. Er schaute nach unten und sah Wasser um seine Stiefel hochsteigen. Nicht gut, dachte er: Pfützen, nasse Schuhe, ein weiter Weg voraus.
Neben dem einen Fass war ein Obststand, aus altem Holz zusammengehauen wie eine Kinderfestung, doch er stand auf einer Art Podest, das acht Finger hoch war, und dort sah es trocken aus. Er kauerte sich auf das Podest und nahm die Füße aus dem Wasser. Es roch nach überreifen Birnen, aber es war weitgehend trocken, und das Fass hielt den meisten Wind ab.
Er zog seinen Umhang so weit zu wie es ging, schob die Fäuste darunter und dachte an wärmere Tage und ein trockenes Nachtlager.
Die Holzstützen einer Segeltuchmarkise knickten ein wie Zahnstocher, sie kam herunter und schüttete Unmengen Regenwasser aus. Und genau in diesem Augenblick sah er sie, die Person, die ihm beschrieben worden war, direkt da draußen vor seinen Augen. Er glaubte zu träumen. Keine sechs Schritt entfernt. Sie stand einfach so da.
Er kroch unter dem Obststand hervor, um ihr zu folgen, die seinen Informanten zufolge, denen er keinen Furz weit traute, wie ihm immer klarer wurde, in die Sache involviert war. Aber wieso war sie dann noch hier oder war sie zurückgekommen? Zurück, um unliebsame Mitwisser umzubringen?
Dicke Regengüsse kamen von oben herab und klatschten auf den Boden. Er glaubte zu sehen, wie sie etwas wegwarf, aber wenn er stehenblieb, um nachzusehen, was es war, würde er sie vielleicht verlieren. Sie bewegte sich jetzt, wich den Wasserfällen aus.
Fast hätte er ihre Spur verloren oder wäre aufgeflogen. Die beiden Optionen, die eine leere Straße im Unwetter bot, wollte man jemanden beschatten. Wollte man es richtig machen, brauchte man mindestens einen Partner.
Sie war schlank, ihre Beine ragten aus einem weiten Umhang heraus, der ein paar Jahre in einem Schuppen gehangen haben mochte, und sahen aus, als ob sie oft zu Fuß unterwegs sei. Sie steckten unten in dunklen Stiefeln oder Schuhen mit hohen Schäften.
Er konzentrierte sich so sehr auf sie und gab sich solche Mühe, außer Sicht zu bleiben, falls sie sich umdrehte, dass er es fertigbrachte, direkt unter einen der Wasserfälle zu geraten. Das Wasser lief ihm genau in den Nacken. In diesem Moment hörte er, wie ihr jemand zurief. „Pst, bist du das?“ Und er ließ sich in einer Pfütze hinter einem Stapel luntfeldscher Holzstücke mit aufgeweichtem Putz daran auf ein Knie nieder. Jetzt waren es zwei.
Der Wasserfall hinter ihm machte zuviel Lärm, als dass er hätte hören können, was danach gesprochen wurde, aber er konnte sie sehen, einen jungen Burschen mit einem Lederwams, der neu war, und noch jemand anderen – Nummer drei – in etwas Schwarzem, mit einer Kapuze auf dem Kopf. Sie saßen auf einem Kistenstapel und der Kerl in Leder rauchte Pfeife. Er hatte die Haare zu einer Art Haube hochgekämmt, guter Trick, bei dem Regen. Die Pfeife erlosch in der Nässe, und der Bursche sprang vom Stapel herunter und schien mit ihr zu reden. Der mit der schwarzen Kapuze stieg ebenfalls hinab. Er bewegte sich wie eine Spinne. Er trug ein Hemd mit Ärmeln, die ihm fingerweit über die Hände hingen. Er sah aus wie ein konturloser Schatten aus einer phecadischen Gespensterrittergeschichte, in der die Schatten von den Menschen getrennt wurden, so dass man sie einfangen und wieder annähen musste. Den Titel der Geschichte hatte er vergessen.
Er gab sich alle Mühe, sich nicht zu bewegen, während er dort in der Pfütze kniete, und dann bewegten sie sich. Die beiden Burschen nahmen sie in die Mitte, der Schatten warf einen Blick zurück, um zu sehen, ob hinter ihnen alles in Ordnung war. Er erhaschte ein Stück von einem weißen Gesicht und einem Paar harter, wachsamer Augen.
Er zählte: eins, zwei, drei. Dann stand er auf und folgte ihnen.
Er konnte nicht sagen, wie weit sie schon gegangen waren, als er sie plötzlich einfach im Boden versinken sah, wie es schien. Er wischte sich den Regen aus den Augen und versuchte, sich das zu erklären, aber dann sah er, dass sie eine Treppe hinuntergegangen waren, die vor einem Haus hinabführte. Er hörte Musik, als er näher kam, und sah Licht, das durch schmierige Fenster zu ihm drang.
Er blieb einen Moment lang stehen, hörte entlang der Straße Wasser gurgeln und ging dann einfach die Treppe hinunter.
Die Stufen waren steinern mit Rillen darin, aber er wäre trotzdem beinahe ausgerutscht. Auf halbem Wege wusste er, dass es sich um eine Spelunke handelte, weil er Bier und ein paar verschiedene Arten von Rauch riechen konnte.
Es war warm da unten. Es war, als ob man in ein Dampfbad ginge. Und voll. Jemand warf ihm einen Stofffetzen zu. Er war patschnass und klatschte ihm gegen die Brust, aber er fing ihn, rieb sich damit das Gesicht und die Haare ab und warf ihn in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Jemand lachte, eine Frau, wie es klang. Er ging an den Tresen hinüber und suchte sich einen freien Platz am Ende. Fischte ein paar Kreuzer aus der Geldkatze und legte sie auf das Holz. „Bier“, sagte er und schaute nicht auf, als jemand eins vor ihn hinstellte und die Münzen einstrich. Es war eins der besonders billigen Sorte. Er machte die Augen zu und trank etwa die Hälfte auf einen Zug. Als er die Augen aufmachte und das Bier absetzte, sagte jemand neben ihm: „Würfeln?“
Er schaute zur Seite und sah einen kinnlosen Kerl mit einem kleinen, pinkfarbenen Mund und schütterem, sandfarbenem Haar, das glatt nach hinten gekämmt war und von etwas anderem als nur der Feuchtigkeit in dem Raum glänzte.
„Was?“, fragte er.
„‚Würfeln’, hab ich gesagt.“
„Hab ich gehört“, sagte er.
„Und? Zeit?“
„Äh, weißt du“, sagte er, „alles, was ich im Moment brauche, ist das Bier hier, ja?“
„Schnelles Geld“, sagte der Mann mit dem pinkfarbenen Mund. „Oder Frauen, schneller Spaß. Wenn du spezielle Wünsche hast, lässt sich auch drüber reden.“ All das kam in einem leiernden Tonfall raus.
„Wart mal ’n Moment“, sagte er.
Der Mann zwinkerte ihm ein paar Mal zu.
„Ich glaub, ich hab dich schon mal gesehen …“ Zweifel.
„Ne“, sagte er. „Ich bin aus Ruthor. Bin gerade aus dem Regen reingekommen.“ Er entschied, dass es an der Zeit war, das Risiko einzugehen, sich umzudrehen und sich den Laden genauer anzusehen. Er schwang die Schulter herum und sah eine bildhübsche Tänzerin. Sie stand nackt auf einer kleinen Bühne, und ihre langen, lockigen Haare fielen ihr bis auf die Taille. Er hörte sich grunzen.
„He“, sagte der Mann, „he …“
Er schüttelte sich, eine merkwürdige, automatische Bewegung, wie ein Hund, aber sie war immer noch da.
„He.“ Wieder das Geleier. „Haste Probleme?“
„He“, sagte er, „warte, die Frau da oben.“
Der Kerl schaute nach oben.
„Wer ist das?“, fragte er.
„Das ist ’ne Illusion“, sagte der Mann mit einer völlig anderen Stimme und ging weg.
„Verdammt“, sagte der Wirt hinter ihm, „du hast gerade ’nen neuen Rekord darin aufgestellt, Chiranor Scheißberger loszuwerden. Hast dir ’n Bier verdient, mein Freund.“
Der Wirt war bullig und trug die kupferroten Haare geflochten. Er grinste ihn an. „Er heißt Chiranor Scheißberger, weil er so viel wert ist und man auch nicht mehr auf ihn geben sollte. Der lädt dich zum Spiel ein, verkauft dir wasweißich alles und knüpft dir den Zaster ab. So ist Chiranor.“ Er stellte ihm ein neues Bier neben das andere.
Er drehte sich wieder der Tänzerin zu. Sie hatte sich nicht bewegt. „Bin gerade aus dem Regen reingekommen“, sagte er, das einzige, was ihm einfiel.
„Guter Abend dafür“, erwiderte der Wirt.
„Sag mal, die Dame da oben …“
„Das ist Astorres Tänzerin“, erklärte der Wirt. „Schau hin. Er lässt sie gleich tanzen, wenn die Musiker ein Lied spielen, das er mag.“
Astorre?“
Der Wirt zeigte hin. Er schaute in die Richtung, in die er zeigte, und sah einen sehr dicken Mann in einem Armstuhl, dessen Haar die Farbe und Beschaffenheit von grober Wolle hatte. Er trug eine glänzende, blaue Robe mit übergroßen Ärmeln, seine Hände steckten in einer Art grauem Muff auf seinem Schoß. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht ausdruckslos. Er hätte nicht mit Sicherheit sagen können, ob er nicht schlief.
„Eine Illusion?“ Die Tänzerin hatte sich überhaupt nicht bewegt.
Astorre macht es ununterbrochen“, sagte der Wirt, als handle es sich um etwas, wogegen man nichts machen konnte.
Er schaute zu dem Fetten im Armstuhl und wurde traurig. Und wütend. Als hätte er etwas verloren.
„Fällt jeder drauf rein“, sagte der Wirt.
„Scheiße“, sagte er und konzentrierte sich darauf, die drei in der Menge ausfindig zu machen. Jetzt war es nicht mehr der Geruch von Bier oder Rauch, der ihm in die Nase stieg, sondern eher der von nassen Haaren und Klamotten und einfach der von Körpern. Und da war sie, mit ihren beiden Freunden. Sie hockten an einem kleinen runden Tisch in einer Ecke zusammen. Die Kapuze ihres Umhangs war jetzt unten, und er sah einen blonden Stoppelkopf mit einer Tätowierung einer Fledermaus oder eines Vogels an der Seite, dort, wo sie nicht mehr zu sehen sein würde, wenn die Haare nachwuchsen. Glatzkopf hatte im Profil ein hartes, kleines Gesicht, und er schwieg. Sie erzählte dem anderen irgendwas, und sie sah nicht glücklich aus.
Dann spielten die Musiker auf, eine Trommel setzte dazu ein.
Die Tänzerin – die Illusion, rief er sich ins Gedächtnis – hob die Arme und begann zu tanzen, mit schlängelnden Bewegungen, nicht zum Rhythmus der Trommel, sondern zu einer anderen Melodie. Als er auf die Idee kam, zum Fetten hinzuschauen, sah er, dass seine Augen offen waren.
Niemand sonst in der Spelunke schenkte der Tänzerin die geringste Aufmerksamkeit, nur er und der Fette im Armstuhl. Er lehnte sich an den Tresen, sah sich den Tanz der Illusion an und überlegte, was er als nächstes tun sollte.
Am besten war es, wenn er Informationen und sie bekam, das zweitbeste waren Informationen, und nur sie rangierte eindeutig auf dem dritten Platz, war aber ein Muss, wenn sonst nichts ging.
Die Musik endete und der Tanz der Illusion endete. Von ein paar Tischen kam Applaus von Betrunkenen und der Fette nickte ein wenig, als ob er ihnen dankte.
Das Schrecklichste daran war, dachte er, dass der Fette dort saß, in diesen Armstuhl gequetscht, und einfach nicht sonderlich gut darin war, dieses Ding tanzen zu lassen.
Jetzt standen ein paar Leute an einem Tisch in ihrer Nähe auf. Er war sofort mit dem Bier zur Stelle, das er gewonnen hatte, weil er Chiranor Scheißberger abgewimmelt hatte. Er war immer noch nicht nah genug dran, um zu verstehen, was sie sagten, aber er konnte es wenigstens versuchen.
Er versuchte, sich was einfallen zu lassen, um vielleicht ein Gespräch anzufangen, aber das schien ziemlich hoffnungslos zu sein. Nicht dass er aussah, als ob er nicht hierher gehören würde, er hatte den Eindruck, dass die meisten hier keine Stammkunden waren, sondern ein willkürliches Sammelsurium von Leuten, die vor dem Regen geflohen waren. Aber er hatte einfach keine Ahnung, was das für ein Laden war. Und außerdem – worüber sie und der Kerl auch redeten, die Diskussion schien langsam ziemlich hitzig zu werden.
Ihr Kerl, dachte er. Da war was von einer genervten Freundin in ihrer Körpersprache, und wie sich der Junge bemühte, ruhig zu bleiben, das deutete darauf hin, dass sie vielleicht seine ehemalige …
All das endete abrupt im Nichts, als plötzlich jedes Gespräch erstarb. Er schaute von seinem Bier auf und sah Praiodan ter Braken, den kräftigen Anführer der Stadtwache, in seinem dunklen Mantel von der Treppe hereinkommen, einen Filzhut auf dem Kopf. Er stand da und knöpfte sich mit einer Hand den regendunklen Mantel auf, von dessen Saum kleine Bäche runterliefen und Pfützen um seine Kindersärge bildeten. Er hatte darunter einen geschwärzten Kürass an, und nun kam seine Hand hoch und blieb auf dem ziselierten Knauf eines Stoßdegens liegen.
Alle Augen waren auf ter Braken gerichtet.
Ter Braken sah sich in dem Raum um. Er ließ sich Zeit und verpasste ihnen allen eine ordentliche Dosis Gardistenblick.
Er sah, dass Astorre, der Armstuhlfettsack, den Gardehauptmann mit einem Gesichtsausdruck anblickte, den er nicht ergründen konnte.
Ter Braken erspähte die Dreigruppe in ihrer Ecke und ging zu ihrem Tisch hinüber, wobei er sich weiterhin Zeit ließ und alle anderen im Raum zwang, sich die gleiche Zeit zu nehmen. Seine Hand lag immer noch an seiner Waffe.
Es kam ihm so vor, als ob der Hauptmann im Begriff wäre, zu ziehen und ein Blutbad anzurichten. Es sah auf jeden Fall so aus, aber was für ein Gardist würde das tun?
Nun blieb ter Braken vor ihrem Tisch stehen, genau an der richtigen Stelle – zu weit weg, als dass sie ihn erreichen konnten, und so, dass er genug Platz hatte, um den Stoßdegen zu ziehen, wenn er wollte.
Er stellte fest, dass ihr Liebhaber aussah, als ob er sich gleich in die Hose machen würde, was ihn irgendwie freute. Glatzkopf sah aus, als ob er in Metall gegossen und einfach an Ort und Stelle erstarrt wäre, die Hände auf dem Tisch. Zwischen seinen Händen sah er einen Dolch.
Ter Braken hielt sie mit der vollen Stärke seines Blicks fest. Sein Gesicht war gefurcht und grau in diesem Licht, und er lächelte nicht. Er rückte seinen Hut zurecht, nur genau dieses eine winzige Stück, und sagte: „Steh auf!“
Er schaute sie an und sah, dass sie zitterte. Es stand völlig außer Frage, dass der Hauptmann sie meinte und nicht einen ihrer Freunde – ihr Liebhaber sah aus, als ob er jeden Moment in Ohnmacht fallen könnte, und Glatzkopf spielte Statue. Sie stand zittrig auf. Der wacklige kleine Holzstuhl fiel hinter ihr um.
„Raus!“ Ter Braken zeigte zur Treppe. Sein haariger Handrücken bedeckte den Korb des Stoßdegens.
Er hörte, wie seine eigenen Knie vor Spannung knirschten. Er ballte die Hände zu Fäusten.
Das Licht ging aus.
Viel später, als er es zu erklären versuchte, wie es gewesen war, als Astorre seine Illusion auf ter Braken losgelassen hatte, sagte er, es habe wie ein wahnsinniger Geist ausgesehen, der sich auf seinen Peiniger stürzte.
Für ihn war alles auf einmal passiert. Als das Licht ausging, wurde es schlagartig stockdunkel, alle Lampen und Kerzen waren aus, und er stieß den Tisch vor sich einfach beiseite, ohne weiter darüber nachzudenken, und sprang dorthin, wo sie gestanden hatte. Und dann war von der Stelle, vor Astorre gesessen hatte, diese Lichtkugel herangesaust und hatte sich dabei ausgedehnt. Sie hatte die Hautfarbe der Illusion, Honig und Marmor, gemustert vom Schwarz ihrer Haare und Augen, wie ein Wolkenwirbel in einem Sturm. Sie hüllte den Hauptmann ganz ein, eine Kugel von einem Schritt Durchmesser um seinen Kopf und seine Schultern, und als sie sich drehte, wirbelten ihre aufgerissenen Augen und ihr zu einem stummen Schrei geöffneter Mund vorbei, alles stark vergrößert. Jedes Auge war für einen Augenblick so groß wie die Kugel selbst, und die weißen Zähne waren ebenfalls riesig, jeder so lang wie die Hand eines Menschen.
Ter Braken schlug nach der Kugel, und das hielt ihn für einen ganz kurzen Moment davon ab, seine Waffe zu ziehen.
Aber die Kugel gab auch so viel Licht ab, dass er sehen konnte, dass er sie und nicht ihren Liebhaber am Wickel hatte. Er hob sie einfach hoch, wobei er alles vergaß, was er je über Fesseln und Festnahmen gelernt hatte, und rannte zur Treppe, so gut es ging.
Ter Braken brüllte ihm irgendwas nach, aber er verstand es nicht.
Wenn ihm die Art gefiel, wie sich der Hintern einer Frau beim Gehen bewegte, sagte er immer, es sähe aus wie zwei kleine Luchse in einem Leinensack. Das kam ihm in den Sinn, als er die Treppe hinauf rannte und sie dabei wie einen großen Beutel mit Fressalien drin vor sich hertrug. Er war heilfroh, dass sie ihm kein Auge ausschlug und keine Rippe brach.
Draußen zog er sie hinter sich her, es war Mitternacht, im strömenden Regen über die Brücke, fort auf die andere Seite.

1034 BF

Praios

Die Garde ermittelt!

Die Garde ermittelt nicht

Sewamund, Anfang Praios 1036 BF. Vorwürfe erhob Capitan Varsinion Rimendoza gegenüber dem Lilienrat. Es seien vertrauliche Dokumente in den gewöhnlichen Abfall des Magistrates geraten, so sei es der Garde unmöglich gewesen, die obligatorische Geheimhaltung der Ratsgespräche zu gewährleisten, da es in Travias Namen in Sewamund üblich sei, Bettler, Schnorrer und ähnliches Gelichter nicht davon abzuhalten, in den Unrathaufen hinter den Häusern am Wassertor herumzuschnüffeln. Wenn der Lilienrat nicht selbst achtgebe, wie genau er es mit der Geheimhaltung nehme, erwachse daraus kein Vorwurf gegenüber der Garde. Diese wolle lieber wissen, wo die angeblich erhöhten Ausgaben blieben.

Gwyn ter Leyten für die Stadtgarde

Internes aus dem Sewamunder Wachhaus

Ein Bankraub und seine Folgen

Leute der Sewamunder Stadtgarde fanden bei ihren Ermittlungen zum Bankraub vom Ende 1033 BF ein seltsames Konstrukt, das bei uns nun intern unter dem Namen „Laternenschild“ firmiert. Es handelt sich dabei um einen metallenen Schild mit eingebauter Laterne, deren Lichtstrahl rasch mit einer Klappe verdunkelt werden kann. Offenbar wurden solcherart die Wachleute des Bankhauses van Kacheleen geblendet und alsbald außer Gefecht gesetzt, weshalb wir sie schlafend, recht ahnungslos und verwirrten Geistes vorfanden. Der Schild trägt weiterhin mehrere Klingen und Zacken (ähnlich einem luntfeld’schen Taschenmesser) und birgt die Hand des Trägers in einem Panzerhandschuh.

Fragen über Fragen

Ich komme nicht umhin, zuzugeben, dass es nach wie vor unklar ist, wer hinter der schurkischen Diebestat steckt. Infolge des Schildfundes trägt diese Akte nun den Titel „Bankraub der Laternenbande“ und die Steckbriefe sind ebenso beschriftet (Aushang in Farsid nicht vergessen wie letztes Mal). Sicher ist nach Meinung des hochwürdigen Ingerimmgeweihten zu St. Stordian, dass die Anfertigung des Laternenschildes teuer war und einen versierten Fachmann benötigte. Außerdem braucht das Konstrukt ein gewisses Maß an Übung in der Handhabung, wie es sich am Dienstunfall von Gardist Urensteen gezeigt hat (wie geht es ihm mittlerweile?).

Spuren

Die Verdachtsmomente der Garde weisen in vielerlei Richtung. Einerseits könnte die Mischung eines Schilds mit einer Waffe auf die strengen Grangorer Waffengesetze schließen lassen – zudem stammt das Haus van Kacheleen von dort und es gibt Gerüchte, es habe sich in Grangor Feinde gemacht.
Andererseits erinnert der Laternenschild an eine zwergische Grubenlampe, was zusammen mit dem vorgefundenen Tunnelbau auf zwergisches Fachwissen hinweist. Und Zwerge sind gierig, das weiß jeder. Es ist Vorsicht geboten, möchte man die Beziehungen zu Bergkönig Gorfar Sohn des Gurobead nicht belasten, wie vom Lilienrat kürzlich angemahnt wurde.
Was sicher nicht stimmt, aber Wachfrau Gwyn ter Leyten behauptet es felsenfest, ist eine Beziehung zu Urbasi. Sicher, die Urbasen kennen sich in der hiesigen Bankenwelt mehr als genug aus, sicher, das Haus Marvinko trägt einen Panzerhandschuh im Wappen, aber nun den Bogen zu schlagen zum Laternenschild ist doch allzu gewagt (Wachfrau ter Leyten mit mehr Torwachdienst versehen, damit ihr solche Flusen ausgetrieben werden).

Fußnote

Wenn dieser Tintenkleckser vom Seewind nochmal zu dem Bankraub nachbohren sollte, was ich nicht hoffe, nehmt ihn wegen irgendeiner Kleinigkeit fest und zeigt ihm die Qualität des Sewamunder Kerkers. Der macht mit seinen Schriften sonst nur die Leute verrückt. Und wimmelt den Auenberger ab, der tut immer so, als wüsste er alles.

gez. Capitan Varsinion Rimendoza, Praios 1034 BF

Travia

Sensationelle Funde ans Tageslicht gelangt!

von Geron Einhand

Sewamund, Travia 1034 BF. Maestro Romun Tamarisco, Sewamunder Urgestein und Privatgelehrter der Geschichte der Stadt, verweist auf interessante Dinge, die Baumeister Guldon Dollbreck im Zuge der Nachforschungen des Bankraubs gefunden habe. Die Inventarliste nennt mitunter ein seltsames Knotenamulett, mehrere fischig riechende Amphoren bosparanischer Macht ebenso wie verrostete und im Schlamm festgebackene Wurfspeere, altertümliche Helme und einen silberpurpurn glänzenden Dreizack.
Der Lilienrat beauftragt hiermit Romun Tamarisco, die Funde auszuwerten und die Stadtchronik zu konsultieren und gegebenenfalls zu revidieren. Die Garde ermittelt weiterhin in alle Richtungen ob des Bankraubes von Ende 1033 BF.

Tatwerkzeug

1035-1036 BF

Todesanzeigen

Sewamund, 1035-1036 BF

Romun Tamarisco, langjähriger Stadtmeister von Sewamund und Privatgelehrter der urbanen Historie, erlag leider der seltsamen Krankheit, die ihre Finger nach ganz Sewamund ausstreckte. Er wurde 90 Götterläufe alt.

Drugon di Yaladan von Oberfels und Lumiân, ehemaliger Landvogt von Sewamund, wurde auf dem Nachtlager am 30. Rahja 1035 BF von Boron abberufen. Mit ihm stirbt das verarmte Haus aus. Graf Rimon Sâlingor, ein entfernter Vetter Drugons, übernimmt pflichtbewusst die Bestattungskosten und verwaltet Hab und Gut des zu Boron gegangenen Signores.

Als auf See verschollen gilt Hochwürden Oswin ter Beer. Es trauern seine Schwester Oswylla ter Beer (Vinsalt), seine Witwe Branda und die junge Sturmfriede (beide Sewamund). Hohe Wellen, Sturm und Braus, so schickt’s Herr Efferd tagein, tagaus.

Am 26. Praios 1036 BF verstarb unser langjähriger Schreiber Malmo ter Leyten. Es raffte es ihn schleunig dahin, als sein Herz stehenblieb, nachdem ihn die Nachricht eines heftigen Piratenüberfalls auf den Ort Calven erreicht hatte. Die Redaktion und Mannschaft des Sewamunder Seewinds fühlt mit der Familie.

Der Leibdiener Ageno Camirossa wurde mit einer Axt im Rücken an der Küste vor Ruthor angespült tot aufgefunden. Er gehörte zuletzt zur den Passagieren der Sankta Maralita, auf der er in der Entourage des Hochgeweihten Oswin ter Beer gen Bethana reiste.

Verlustmeldung

Sewamund, Mitte Praios 1036 BF. Wo ist die Sankta Maralita? Die stolze Karavelle stach unlängst von Sewamund aus in See. Mit wertvoller Fracht beladen – es heißt, der halbe Familienschatz der Familie ter Beer habe sich ebenso an Bord befunden wie eine Orgel des Konstrukteurs Trebenfurt und einige noch nicht identifizierte Objekte des Bankraubfundes – hatte sie vor, den Hafen von Bethana anzufahren, um von dort aus ihren Weg die Küste hinab gen Kuslik fortzusetzen. Kapitän Oswin ter Beer gilt als erfahrener Schiffslenker und befuhr diese Strecke zum 120. Male. Mit Kapitän Oswin geht auch der oberste Efferdgeweihte von Sewamund verschollen. Möge der göttliche Wogenbringer seiner Seele gnädig sein.

in Vertretung, Thuna Acosto, Grauling

Sewamunder Dukaten für Thorwal?

Sewamund, Anfang Praios 1036 BF. Es wäre lieber verborgen geblieben, will man meinen. Doch dem scharfen Auge des heiligen Nandus oder zumindest seines Stellvertreters Malmo ter Leyten auf Sewamunds Sanden entging es unlängst nicht.
Der Lilienrat beauftragte in Sachen Seeschlangenjagd also sehr spezielle Spezialisten und bezahlte sie sogleich speziell im Voraus, so so! Als ob die Geldspeicher der Stadt überquellten von Reichtum und Pracht! Ist das denn die Möglichkeit?
Erinnert sich denn niemand mehr des Bankraubs von Ende 1033 BF? Erinnert sich denn niemand mehr der teuren Überfahrt nach Uthuria, von der man weiter nichts mehr hörte?
Der teuren Hofhaltung des zwar zögerlichen, aber opulent lebenden Grafen Rimon Sâlingor? Der jüngsten Bauvorhaben am Rande der Neustadt? Der gestiegenen Gardeausgaben?
Das Vergessen hat Sewamund im festen Griff!
Das ändert sich nun, denn leset:
Die Großkopferten des Lilienrates bezahlten Thorwaler (in Worten: THORWALER) Piraten (klein Alrike, du fragst, was Piraten seien, wisse: Mörder und Diebe des Meeres) dafür, dem Phänomen einer angeblichen Seeschlangensichtung auf den Grund zu gehen. Wir wissen doch alle, worauf diese Sichtung basiert. Wer es nicht weiß, frage in der Brauerei des Bethaner Weizengoldes nach.
Ja, möchte man einwenden, es seien sicherlich nicht dieselben Thorwaler Primitiven gewesen, wie sie gerne Grangor überfallen, sondern vertrauenswürdige, halb horasische Menschen, den Gepflogenheiten der Zivilisation nicht abgeneigt, vielmehr eine Theatertruppe, mit dem Bilde des seeschlangenwürgenden Nordmordmenschen kokettierend.
Mitnichten!
Ein Name liest sich ausnahmsweise gut auf der Abschrift des Kontraktes, die vorliegt. Thurske Weißhaar. Thorwalscher geht es nicht, möchte man meinen.
Dabei stammt er aus Drôl (wir danken an dieser Stelle Käpt’n Tschutschuk, es ist uns jedes Mal eine Freude, von Ihnen zu hören), besser gesagt aus einem kleinen Vorort von Drôl, eigens erbaut für Thorwaler, denen es im Norden verständlicherweise zu kalt ist und die sich an der südlichen, hiesigen Lebensart von ihrem Erbleiden kurieren möchten.
Allerdings liegt dort einiges im Argen, liegt besagter Thurske doch seit Jahren in derart heftigem Streit mit Gerjanna Eldgrimsdottir, einer an sich vernunftbegabten Frau, wie es nur ein berserkender Thorwaler treiben kann!
Es heißt, er befahre nun rachedurstig die Meere. Und mit so einem verhandelt der Lilienrat, das ist geradezu grandios. Was kommt als nächstes? Die Wiedereinladung der Silbertaler Bank? Ein uthurisches Lilienratsmitglied? Entwicklungshilfe für Veliris?

Malmo ter Leyten

1037 BF

Notiz aus der Wachstube

Verdächtige in Sachen Bankraub:

  1. Laternenbande – aber hallo!
  2. Seilschaft – gut möglich
  3. Freisegler – agiert angeblich außerhalb der Stadt
  4. Kult des erleuchteten H’Dusak – nie gehört
  5. Schleusenschieber – seit Jahren inaktiv
  6. Orden vom Kleeblatt – hauptsächlich harmlos
  7. Bruderschaft vom Geselligen Leben – sympathisch
  8. Vanithkontor – bitte?

Die Leserschaft des Seewindes wird um Aufklärung und weitere Informationen zu oben genannten Gruppierungen gebeten. Es winkt eine Belohnung! Aussteigern wird Asyl und Anonymität gewährt.

gez. Capitan Varsinion Rimendoza, Stadtgarde von Sewamund, 1037 BF

Quellen