Briefspiel:Exkursion nach Althosamor/Fragen und Antworten

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Praios 1045 BF Schauplatz: Markgrafschaft Goldfelsen und benachbarte Territorien Entstehungszeitraum: ab September 2022
Protagonisten: Auricanius und weitere Urbets, Kalman della Tegalliani, Doriana Solivino, Nepolemo van Kacheleen, Sumudan Talligon u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie van Kacheleen.png Kacheleen
Zyklus: Übersicht · Kalmans Ermächtigungen · Aurelias Journal I · Im Feuerschein · Unter Studiosi I · Unter Studiosi II · Unter Studiosi III · Unter Dozenten · Überfall · Erstes Blut · Unter Baronen · Braijaan · Fragen und Antworten

Fragen und Antworten

Autoren: Bella, Gonfaloniere

Erdstag, 12. Ingerimm, in den Goldfelsen oberhalb der Tegalquelle

Die Schritte Auricanius' verlangsamten sich, als er sich dem provisorisch erweiterten Spitalzelt der Exkursion näherte. Links und rechts waren die Spuren des Angriffs aus der vorigen Nacht noch immer deutlich zu sehen. Vor den materiellen Schäden standen aber die Verluste unter den Exkursionsteilnehmern und -mitgliedern selbst schwer zu Buche. Drei Soldaten des Alten Regiments hatten bei der tapferen Abwehr der Ketzer ihr Leben gelassen, zwei weitere Bedienstete diesen ebenfalls nicht überlebt. Die Gedanken des Geweihten waren im Angesicht der Spuren des Angriffs bei diesen, auch wenn er dankbar war, dass diese Opfer folgenschwerere Übergriffe auf die Studiosi verhindert hatten. Unvermittelt ging sein Blick zum Himmel, an dem die Praiosscheibe ihren Zenit an diesem Tag bereits durchschritten hatte – um seinem Herrn für die Nachsicht gegenüber den jungen Teilnehmern der Exkursion zu danken.
Dann hatte er das Spitalzelt erreicht, in dem den schwerer Verletzten des Angriffs nach Dozenten-Beschluss vom Morgen ein, zwei Tage der Regeneration gewährt werden sollten, bevor die Reise der Exkursion weitergehen würde.
Mit einem Nicken begrüßte er die ihm zuerst entgegentretende, fortgeschrittene Studiosa der Peraine-Schule wortlos, lächelte dann einem der verwundeten Soldaten des Herzogs aufmunternd zu und kam schließlich zur von Vorhängen abgetrennten Lagerstatt seines eigenen Vetters Poldoron.
„Monsignore“, grüßte ihn eine weitere Medica, die gerade nach dem Cavalliere gesehen hatte und machte ihm den Weg frei.
Dies ließ jedoch die Studiosa aufschrecken, die offensichtlich schon etwas länger auf einem Hocker an der Seite Poldorons gesessen hatte. Es schien, als wollte sie sich sofort zurückziehen, fast verschüchtert und möglicherweise der Meinung, selbst fehl am Platz zu sein, wenn der Baron seinen Anverwandten besuchte. Eine beschwichtigende Geste Auricanius‘ unterband dies aber zunächst.
„Signora“, sprach er Doriana mit gedämpfter Stimme an, als er näher trat, „bleibt sehr gerne noch eine Weile, wenn es euch beliebt. Euch gebührt mein Dank für eure Tatkraft in der vergangenen Nacht. Vor allem um meiner Nichte willen!“

Die junge Signora lächelte etwas verlegen. „Das war doch… na ja, selbstverständlich. Rahjada rettete mir gestern Nacht sicher auch mehr als einmal das Leben.“
Ein leises Murmeln Poldorons im Schlaf ließ die Blicke der beiden sofort zu ihm wandern. Doch er wälzte sich nur auf die andere Seite und atmete gleichmäßig weiter.
„Cavalliere Poldoron habe ich am meisten zu verdanken“, fuhr sie fort, während ihr Lächeln verflog und einer zutiefst bekümmerten Miene wich. „Er ist nur in dieser Lage, weil er den für mich bestimmten Speer abgefangen hat.“
Es war offensichtlich, dass ihre großen Schuldgefühle sie mehr plagten, als sie zugeben wollte und dass sie dies noch niemandem anvertraut hatte.

„Das ist nicht richtig“, widersprach Auricanius der jungen Solivino mit sanfter Stimme. „Er ist in dieser Lage, weil jemand meinte, uns allen mit vergifteten Waffen nachstellen zu müssen.“
Der letzte Satz klang sehr bestimmt, schien jedoch keinen Tadel Dorianas ausdrücken zu wollen. Sein Blick wanderte kurz zwischen dem Cavalliere und der Studiosa hin und her.
„Dass es überhaupt soweit gekommen ist, ist mehr als bedauerlich, Signora. Letztlich dürfte auch meine Anwesenheit auf dieser Exkursion mit ein Grund für den gestrigen Angriff gewesen sein. Ihr müsst aber verstehen, dass selbst kausale Zusammenhänge nicht unbedingt denjenigen Beteiligten anzulasten sind, die nur unfreiwillig zu ihrer Entstehung beigetragen haben.“
Er sah sein Gegenüber dabei versöhnlich an, war sich aber nicht sicher, ob diese Ausführungen ihr wirklich helfen würden.

Doriana runzelte nachdenklich die Stirn. „Wer waren die Angreifer, Euer Gnaden? Dieser Baron, was wollte er von Euch und Rahjada, dass er es wagt, eine ganze Exkursion anzugreifen? Und was ist gestern Nacht noch mit den Rotpelzen passiert? Auf wessen Seite standen die? Ach, es ging alles so schnell…“
Die Studiosa schüttelte leicht den Kopf und sah dann Auricanius fragend an. Sie schien gar nicht zu merken, dass sie ihn mit Fragen löcherte.

Die Fragen Dorianas kamen wie ein Schwall aus der jungen Signora heraus, als wäre soeben ein Damm gebrochen. So kam es Auricanius jedenfalls vor. Es waren, ob dessen was sie in der Nacht zuvor an der Seite seiner Nichte erlebt hatte, aber gerechtfertigte Fragen, beschied er.
„Dieser Baron, Signora, war ein Gotteslästerer und Ketzer, der zu Jahresbeginn als exakt solcher rechtmäßig verurteilt wurde. Sein Name ist Sumudan. Er ist … oder war das Haupt eines einflussreichen Vinsalter Gründergeschlechts. Und meine Anklage hat … nein, hätte ihn seiner gerechten Strafe zugeführt, wenn er nicht vor jetzt einem halben Jahr von gleichermaßen gottverlassenen Kreaturen noch auf dem Weg zur Hinrichtung dem Zugriff der Krone entrissen worden wäre.“
Die Ausführungen des Barons fielen umfangreich aus. Die ihm gegenüber sitzende Signora starrte ihn scheinbar entsetzt an.
„Was will so jemand?“, stellte Auricanius eine eher rhetorische Frage. „Sich rächen vermutlich. Am Ende kann kein gottesfürchtiger Mensch sich in einen solch verqueren Kopf hineindenken, aber der Verdacht liegt zumindest nahe. Natürlich wusste er auch um die Bedeutung, die Rahjada für meine Familie, ja mich selbst hat … und hätte sie gewiss für seine niedersten Gelüste – der Rache – missbraucht, wenn er ihrer habhaft geworden wäre.“
An dieser Stelle hielt der Praios-Geweihte und Baron kurz inne. Dass Doriana noch eine weitere Frage gestellt hatte, war ihm sehr bewusst. Er wollte ihr aber erstmal Gelegenheit geben das soeben Gehörte zu verarbeiten.

Doriana sah ihn mit weitaufgerissenen Augen an. Ein Ketzer, der Rache an seinem Ankläger üben wollte, an dessen ganzem Haus. Der dabei über Leichen ging und auch sie aus einer Laune heraus gerne ermordet hätte, obwohl sich ihre Wege vorher nie gekreuzt hatten. Ihr Blick fiel auf Poldoron, der noch lange mit den Folgen dieses Angriffs zu kämpfen haben würde und sie dachte an die Todesopfer der gestrigen Nacht. Sie schluckte.
„Ist er gefasst worden? Also, ich meine, sind wir jetzt sicher oder schleicht er noch immer irgendwo dort draußen herum?“
Bei dem Gedanken lief es ihr kalt den Rücken herunter.

„Es steht zu befürchten, dass er ein weiteres Mal entkommen konnte“, seufzte Auricanius, „jedenfalls war seine Leiche in der Umgebung des Lagers heute nicht aufzufinden. Irgendwie muss er sich gestern Nacht, nachdem sich das Blatt für ihn gewendet hatte, noch davongemacht haben. Diese Kreaturen, gottesfürchtige Menschen sind es nicht, haben ihren ganz eigenen Verhaltenskodex, Signora, der mit rondrianischer Ehre so gar nichts zu tun hat. Die laufen, wenn sie ins Hintertreffen geraten.“
Auricanius meinte mit „Kreaturen“ natürlich die Ketzer um Baron Sumudan – und war sich gar nicht gewahr, dass Doriana gerade nach der letzten Nacht dabei auch an eine andere Kampfpartei denken mochte …

Doriana atmete hörbar aus. Das hieß, dieser Sumudan konnte erneut angreifen. Sie erschrak, als sie mit plötzlicher Gewissheit erkannte, dass es ja nicht nur diesen einen Ketzer gab. Nein, es gab sehr viele Menschen, die sich vom zwölfgöttlichen Glauben abgewandt hatten und ihr Unwesen trieben, von Nicht-Menschen wie den Goblins ganz zu schweigen. Auf einmal verstand sie Rahjadas Standpunkt zum Fechtunterricht. Auch wenn solche Situationen wie dieser Überfall selten vorkamen, sie passierten dennoch, und es war nicht ihre Absicht, so zu sterben. Sie musste immer gewappnet sein und bereit, sich zu verteidigen.
‚Ich werde mich in Zukunft mehr beim Fechten anstrengen, auch wenn es unangenehm ist‘, dachte sie und freute sich dabei überhaupt nicht auf die schmerzhaften Fechtstunden.
„Also sind die Rotpelze ebenfalls geflohen?“, fragte sie den Praios-Geweihten, wobei sie fälschlicherweise Bezug auf seine Aussage über die ‚Kreaturen‘ nahm.

„Nein, die Ketzer sind geflohen, nicht die … Goblins“, korrigierte Auricanius Doriana, bevor er des erst durch seine vorige Wortwahl möglichen Missverständnisses gewahr wurde. Er lächelte die Studiosa erst verstehend, dann aufmunternd an.
„Die Goblins sind wohl … man kann es nicht anders sagen … scheu. Aber an sich ist das hier ihr Reich, ihr Zuhause jedenfalls. Für sie gibt es gar keinen Grund wegzulaufen. Sie haben uns geholfen, die Angreifer zurückzuschlagen. Und mit dem Segen der Götter werden sie es verhindern, dass diese hier, in ihrem Reich, noch einmal zuschlagen werden.“

Goblins und Segen der Götter? Doriana hob erstaunt die Augenbrauen. Sie verstand noch immer nicht ganz, warum sie ihnen helfen sollten. Das konnte nur bedeuten, dass die Rotpelze gegen unheilbringende Eindringlinge in ihrem Territorium waren und sie zufällig als harmlos erachtet wurden.
„Heißt das, die Exkursion wurde vorher bei ihnen ‚angemeldet‘, damit wir nicht angegriffen werden, aber die Ketzer haben das vergessen?“, fragte sie, wobei sie zaghaft und ein wenig schadenfroh lächelte. Die Vorstellung von Sumudan, der kurz vor seinem Ziel zurückgeschlagen wurde, weil er den ‚Einheimischen‘ nicht Bescheid gesagt hatte, war zu gut.

Auricanius sah Doriana nun auch etwas erstaunt an. Ihre Schlüsse nahmen gerade eine interessante Wendung.
„Ich fürchte, ihr denkt da ein wenig zu 'städtisch', zu bürokratisch, Signora.“
Er setzte ein versöhnliches Lächeln auf. Natürlich kannte sie die Geschehnisse des vergangenen Winters nicht, wusste nichts von den Wochen, die Aurelia und er, als der Schnee sie im Hochgebirge festhielt, an der Seite ihrer unverhofften 'Glaubensbrüder' verbracht hatten. Und auch nichts von den Entdeckungen, die sie dabei machten. Woher sollte sie von all dem auch etwas ahnen?
So setzte er zu einer anderen Erklärung an: „Es war nicht ihr Versäumnis, etwas 'anzumelden', das den gotteslästerlichen Verschwörern gestern zum Nachteil geriet. Es war vielmehr ihre lästerliche Arroganz und Ignoranz, ihr Unglaube, dass das Wirken unserer Götter vielschichtig sein und über die uns vertrauten Verehrungsformen hinausgehen kann, die sich für sie rächten. Erinnert ihr euch noch an den 'Schlachtruf', unter dem die Rotpelze gestern in den Kampf eingriffen? Seht euch diesen Hinweis beizeiten, in der Bibliothek in Methumis vielleicht, einmal an, wenn ihr diesem Rätsel nachgehen wollt. Ich verspreche euch, wenn ihr erst eine Idee zur Bewandtnis dieses Schlachtrufs habt, beantworte ich, soweit ich kann, gerne alle weiteren Fragen, die sich daraus ergeben könnten.“
Mit diesem Schlusswort nahm der Baron und Geweihte die rechte Hand Dorianas, hauchte bei angedeuteter Verbeugung einen Kuss der Ehrerbietung, wie er Monarchen von ihren höchsten Vasallen geleistet wird, darauf und legte sie dann sanft auf den auf dem Bauch verschränkten Händen seines Anverwandten Poldoron ab. Danach stand er auf und verließ das notdürftige Krankenzelt wieder ... um sich anderen Pflichten zu widmen.