Briefspiel:Exkursion nach Althosamor/Unter Studiosi II

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Praios 1045 BF Schauplatz: Markgrafschaft Goldfelsen und benachbarte Territorien Entstehungszeitraum: ab September 2022
Protagonisten: Auricanius und weitere Urbets, Kalman della Tegalliani, Doriana Solivino, Nepolemo van Kacheleen, Sumudan Talligon u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie van Kacheleen.png Kacheleen
Zyklus: Übersicht · Kalmans Ermächtigungen · Aurelias Journal I · Im Feuerschein · Unter Studiosi I · Unter Studiosi II · Unter Studiosi III · Unter Dozenten · Überfall · Erstes Blut · Unter Baronen · Braijaan · Fragen und Antworten

Unter Studiosi, Teil II

Autoren: Bella, Gonfaloniere

Fortsetzung von hier.

„Ihr seid alle viel zu fröhlich, so schlimm können die Fechtstunden nicht gewesen sein“, war plötzlich wieder Poldoron zu vernehmen, der seine Runde mit der Fackel wohl abgeschlossen hatte. „Vor allem wenn euch doch nur der Sinn nach Forderungen steht.“
Er machte eine kurze Pause, die aber keiner der überraschten Studiosi für eine Replik zu nutzen vermochte.
„Geht es wieder ums Duell, das meiner Kusine fast den Rausschmiss von der Universität eingebracht hätte?“, fragte er in die Runde, worauf Doriana unvermittelt nickte.
„Jetzt möchte ich aber auch wissen, was passiert ist“, fasste Poldoron nach.
Doriana, Selinde und Rahjada sahen sich kurz gegenseitig an und erzählten ihm dann die Geschichte, doch in einer viel ausgeschmückteren und abenteuerlicheren Version, als sie unter den Dozenten der Universität kursierte. Daraufhin schüttelte Poldoron den Kopf, musste aber dennoch grinsen. „Das ist meine kleine Kusine“, sagte er und klopfte Rahjada auf die Schulter.
Dann ließ er sich im Schneidersitz nieder, schüttelte leicht mit dem Kopf und wandte ein: „Nur, wisst ihr was … jetzt redet ihr hier schon wieder nur über Urbets und deren mal mehr, mal weniger langweilige Geschichten. Es gibt doch sicher andere Heldentaten, von denen ihr zu berichten habt. Signora?“
Erstaunlicherweise war die Aufforderung auch dieses Mal anscheinend zunächst an Doriana adressiert.

Doriana blickte überrascht auf.
„Heldentaten? Ich?“ Sie überlegte einen Moment. „Hm, da kann ich dir höchstens von einem abenteuerlichen, nächtlichen Ausflug durch Methumis erzählen. Am Abend vor meinem ersten Tag in der Herzogenschule habe ich nämlich bemerkt, dass ich vor Aufregung einen Teil meiner Sachen in meinem Quartier in der Horas-Schule vergessen hatte. Ich brauchte sie aber für den nächsten Tag.“ Versonnen blickte sie ins Lagerfeuer. „Den Zwölfen sei Dank, war Tharinda so hilfsbereit, mich im Dunkeln durch die Stadt zu begleiten. Wir schlichen uns also an den Nachtwachen vorbei und dann über die Brücke zur Horas-Schule. Ich wäre alleine wahrscheinlich vor Angst gestorben – vor allem, dass uns jemand sehen könnte, machte mir Sorgen. Zum Glück haben wir es unentdeckt hinaus und hinein geschafft, nur Aventurion hat uns bemerkt, aber natürlich nicht verraten.“ Bedauernd dachte sie an den früheren Mitschüler, der ebenso wie sie an der Abschlussprüfung des Triviums vor zwei Jahren teilgenommen, aber nicht bestanden hatte.
Sie lachte. „Seitdem war ich eine brave Studiosa und habe nichts wirklich Aufregendes mehr erlebt.“

„Na, ob ich das wirklich glauben soll, weiß ich noch nicht.“ Poldoron lachte ebenfalls auf.
„Doriana hat schonmal bei einem Konzert am Hof des Herzogs in Arenkis gespielt“, mischte sich ein anderer Studiosus ein. „Wenn das nicht aufregend war, was dann?“
„Für sie wohl nicht …“, setzte Selinde den Gedanken fort. „Tharinda musste sich die ganze Nacht davor übergeben, weil sie Muffensausen hatte. Die hat auch richtig gezittert, bevor es losging.“
„Oha, seid ihr also eine abgebrühte Musikerin, Signora?“, hakte Poldoron nach.

„Wenn dem nur so wäre“, seufzte Doriana. „Aber es stimmt, dass Tharinda viel nervöser war als ich. Obwohl ich ihr versichert habe, dass wir uns wenn dann zusammen blamieren werden, weil wir an einer Stelle ein Duett vorgespielt haben. Zum Glück ist alles gut gegangen.“ Sie sah Poldoron an. „Ihr habt noch gar nichts von euch erzählt. Habt ihr im Norden etwa gar keine Abenteuer erlebt? Ich bin sicher, wir langweilen euch nur mit unseren Universitätsgeschichten.“
Eine Studiosa flüsterte fast ängstlich: „Ihr wart im Norden? Seid ihr dort etwa schon einmal richtigen Orks oder Goblins begegnet?“
Nach dieser Bemerkung wurde es still ums Lagerfeuer und alle sahen Poldoron gespannt an.

„Meine Knappschaft hat mich tatsächlich bis nach Trallop geführt. Das liegt an der Nordgrenze des Mittelreichs und ist die Hauptstadt des Herzogtums Weiden.“ Poldoron wusste, dass viele Städte des Mittelreichs den Horasiern wenig sagten, und umschrieb den Stadtnamen deshalb schon unbewusst. Der Ritter, dessen Knappe ich war, nahm da am Turnier teil. Also eigentlich ich auch. Am Ringstechen, gegen viele der anderen Knappen. Aber das war ja gar nicht die Frage …“ Er räusperte sich. „Ja, ich habe da Orks gesehen, aber nur zwei. Und die waren das Zusammenleben mit den Menschen wohl gewohnt. Feindselig waren sie jedenfalls nicht. Eine Gruppe Goblins war sogar unter den Gauklern, die das einfache Volk am Rand des Turniers mit unterhalten haben.“
Poldoron machte eine kurze Pause, und sprach dann etwas leiser: „Aber unter uns, Goblins habe ich erst vor zwei Tagen gesehen. Die gibt es nämlich auch hier in den Goldfelsen noch.“

Beunruhigtes Gemurmel machte sich breit. Unwillkürlich drehten sich einige Studiosi um und starrten in die Dunkelheit der Goldfelsen um sie herum. „Haben sie dich angegriffen?“, fragte Doriana an Poldoron gewandt. Vor Aufregung vergaß sie völlig die richtige Anrede.
„Es gibt noch Goblins in den Goldfelsen?“, warf ein anderer erstaunt ein. Eine Studiosa flüsterte änstlich: „Meint ihr, wir werden welchen begegnen?“

Poldoron machte eine beschwichtigende Geste, als wolle er keine weitere Aufregung aufkommen lassen.
„Nein, sie haben mich nicht angegriffen“, beantwortete er zunächst Dorianas Frage. „Sie sind mir nicht einmal nahe gekommen, jedenfalls nicht näher als jedem hier. Aber ja, es gibt noch Goblins in den Goldfelsen – und wenn man so will seid ihr ihnen auch schon begegnet, selbst wenn ihr es nicht bemerkt habt.“
Der Cavalliere sprach all dies ruhig, mit gedämpfter Stimme aus – und machte nicht den Anschein, als wollte er sich mit diesem Bericht irgendwie in den Vordergrund drängen.
„Aber wo? Wo war das?“ Rahjada fragte, was sicher mehrere der Studiosi gerade brennend interessierte.
Poldoron legte sich kurz den Finger etwas schräg über den Mund. Diese Geste stand natürlich für ‚Silentio‘ – ein paar der Dozenten in Methumis verwendeten sie auch, wenn sie die Studiosi zur Ruhe und Aufmerksamkeit ermahnten.
„Beim Geröllfeld, auf dem die Dottora ins Straucheln und Rutschen gekommen war“, umschrieb der Cavalliere es kurz und doch so prägnant, dass jeder der Anwesenden sofort wieder wusste, wo es gewesen war. „Halblinks am gegenüberliegenden Hang war eine Lichtung im Wald. Da konnte man sie im Schatten der Bäume ausmachen. Sie sind dann aber schnell verschwunden.“
„Hast du unserem Onkel davon erzählt?“ Diesmal war es Selinde, die nachbohrte.
Poldoron sah sie kurz mit einem ‚Was denkst du wohl …‘-Blick an, antwortete dann aber wieder ruhig: „Ja, habe ich, natürlich.“
„Und, was hat er dazu gesagt?“ Rahjada schien sich mit ihrer Kusine nun abzuwechseln …
„Nun, er schien tatsächlich überhaupt nicht überrascht zu sein davon. Er hatte einen Tag zuvor auch schon welche gesehen, sagte er. Und dass von dieser Seite keine Gefahr ausginge …“
Poldoron schien seinen Satz an dieser Stelle etwas verfrüht abzubrechen, so dass eine unerwartete Stille aufkam.

Während der Stille fröstelte es Doriana ein wenig. Auch die anderen Studiosi schienen zu begreifen, dass sie hier in der Wildnis und nicht im Schutz der Universität waren. Trotz der beschwichtigenden Worte fühlten sich einige sichtlich unwohl. Dann sprach Doriana den Satz aus, der ihnen wohl gerade allen durch den Kopf ging. „Was machen wir, wenn die Goblins oder irgendeine andere Kreatur uns angreifen sollte?“ Kaum einer bemerkte den schnellen, besorgten Blick, den sie Poldoron zuwarf, der ja zu ihrem Schutz dabei war.
Ein Studiosus flüsterte: „Jetzt wissen wir, warum sie den Fechtunterricht nicht aussetzen.“ Doch niemand kicherte oder zuckte auch nur mit dem Mundwinkel.

Poldoron nickte bestätigend angesichts des letzten Kommentars, wandte sich dann aber wieder Doriana zu: „Das Wichtigste in einer solchen Situation wäre nicht in Panik zu geraten, Signora. Die Angst tötet in der Schlacht … mithin jedem Kampf mit vielen Kombattanten … mehr Beteiligte als der scharfe Stahl, wie die gute Gräfin Tharinda einst sagte.“ Seine Antwort war wieder betont ruhig. „Ihr habt ja in den letzten Wochen schon einige der Verstecke unserer Vorfahren, die einst die Unabhängigkeit vom Garether Joch errangen, gesehen. Die haben sich da aber nicht vor den Gefahren des Gebirges versteckt, sondern vor der Übermacht an Gegnern im Tiefland. Und diese Übermacht haben sie am Ende mit deren eigener Furcht besiegt. Als die Garether angefangen haben zu glauben, dass sie verlieren könnten, war der Krieg gewonnen.“
Der Cavalliere sah sich unter den Studiosi um, abschätzend ob seine Worte die aufgekommene Angst, die er gar nicht auslösen wollte, genommen hatten. Einige nickten ermutigt. Rahjada schien ihn gar mit einem entschlossenen ‚Komme was wolle‘-Blick anzusehen. Anderen konnte er die Verunsicherung so leicht noch nicht nehmen.
„Seid ganz unabhängig davon“, setzte er wieder an, „aber versichert, dass eure sichere Rückkehr nach Methumis nicht nur mein Anliegen, sondern das von mehr als einem Dutzend weiteren erfahrenen Kämpfern ist. Darunter einigen der besten des Alten Regiments des Herzogs.“
Auch wenn er sein bestes versuchte, war sich Poldoron nicht sicher, ob er allen Studiosi unbenommen von der Wahl seiner Worte mit ihrer Angst helfen konnte. Sein Blick ging unwillkürlich zum Himmel, wo mittlerweile einige Sterne auszumachen waren, nach dem Untergehen der Praiosscheibe das nur spärliche Licht der beinahe Toten Mada um sie herum aber dennoch eine fast schwarze Nacht hereinbrechen ließ.

Doriana atmete einmal tief durch. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie sich nicht aufregen sollten, bevor überhaupt etwas passiert war. Doch das leise Gefühl der Angst und die Unsicherheit ließen sich nicht so leicht kontrollieren. Irgendwo erklang ein Eulenschrei, der sie und einige andere Studiosi zusammenfahren ließ.
Als sich kurze Zeit später dem Anschein nach alle wieder beruhigt hatten, brach endlich jemand das Schweigen.
„Wenn wir wirklich so viele erfahrene Krieger dabeihaben, wer würde es dann überhaupt wagen, uns anzugreifen?“, warf eine Studiosa leicht unsicher ein.
„Du hast Recht. Wir sind über hundert Exkursionsteilnehmer und -begleiter“, stimmte Doriana zu. Auch die anderen wirkten angesichts ihrer großen Gruppe erleichtert.

Poldoron sah sich unter den Studiosi am Feuer um. Soweit er es beurteilen konnte, hatten sie sich alle nach dem Schrecken wieder beruhigt. Dass er selbst der Auslöser der Angst gewesen war, war ihm richtig unangenehm. ‚Natürlich kann niemand diese Jugendlichen für immer davor bewahren‘, dachte er, sah sich selbst aber auch nicht in der Position sie damit konfrontieren zu müssen.
„Signora“, wandte er sich erneut an Doriana, „hier Angst zu verbreiten war gewiss keine meiner Heldentaten. Dafür muss ich mich entschuldigen. Und würde mich auch gleich empfehlen, um mich auf meine Wache vorzubereiten.“
Er deutete dabei eine Verbeugung an, stand in einer Bewegung aus dem Schneidersitz auf … und stoppte diesmal beim Umdrehen kurz bevor er Rahjada erneut angerempelt hätte.
„Diesmal nicht, Baronin“, lachte er, verbeugte sich noch einmal im Stehen und stapfte dann schnurstracks zur Mitte des Lagers.
„Mordmärker Manieren“, kommentierte Selinde den Umgang des Cavallieres mit ihrer Kusine ironisch und grinste.
„Ach komm, weil er sich einmal benehmen kann, ist er nicht plötzlich Gransignor der Etikette“, wandte Rahjada ein.
„Er kann immer, wenn er will“, zwinkerte die Tochter des Valvassors zurück, fing sich von der Tochter des Fürsten dafür jedoch nur einen finsteren Blick ein.
„Aber Doriana hat Recht“, wandte sich Rahjada ihr zu. „Wer eine so große Gruppe wie unsere selbst hier draußen attackieren will, der muss schon vollkommen verrückt sein!“
„Wohl wahr“, pflichtete ihr ein anderer bei.
„Und wisst ihr was? So verrückt wie ich kann sowieso niemand sein.“ Ein verschmitztes Lächeln zog über Rahjadas Gesicht, die dann noch verkündete: „Ich nehme es mit allen Verrückten dieser Welt auf, um euch zu beschützen!“

Hier geht es weiter.