Briefspiel:Fehdebrief mit Verspätung

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: 16.-27. Praios 1033 BF, im Vorfeld der Marudreter Fehde Schauplatz: Marvinko und Urbasi Entstehungszeitraum: Herbst 2010
Protagonisten: Croenar, Findualia und Sarissa von Marvinko, der Bote Bonnaro, Macrin vom Rauhen Berg, Alessandero dell'Arbiato u.w. Autoren/Beteiligte: Haus dell'Arbiato.png Dellarbiato, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere

Die vorliegende Briefspiel-Geschichte Fehdebrief mit Verspätung schildert die Hintergründe der verspäteten Fehdeerklärung des Grafen Croenar gegenüber Macrin vom Rauhen Berg, die ersterem zu Beginn der Marudreter Fehde 1033 BF ein (durchaus beabsichtigtes) Überraschungsmoment gab.


Burg Goblareth bei Marvinko, am 16. Praios:

Findualia von Marvinko

Die dicken Mauern ihrer alten Stammburg hielten die Hitze des Praiosmonds draußen. Was sich im Winter in unangenehmer, bitterkalter Zugigkeit ausdrückte, sicherte im Sommer eine erfrischende Kühle. Auch wenn es selbst jetzt für Findualia, die Grafentochter vom Sikram, etwas zu frisch war. Das lag aber mehr an ihrem wenig verhüllenden Kleid.

“Und, was meinst du, wie werden die Hofschranzen zu unserem Vorhaben stehen?”

Die Frage ihres Vaters, des stiernackigen, selbst in dieser Umgebung leicht schwitzenden Grafen Croenar ließ die Comtessa vom Mustern der Gänsehaut auf ihrem Arm Abstand nehmen. Natürlich hatten sie seit ihrer Rückkehr vom Vinsalter Ball anlässlich Horas‘ Erscheinen schon mehrfach darüber gesprochen, doch selbst ihrem Vater schien das gegenseitige Schweigen nun unangenehm zu werden.

“Sie werden es nicht rundheraus gutheißen, aber als gerechte Strafe für die hoffärtigen Urbasier betrachten. Was uns genügen sollte …”
“Ja, das sollte es!”

Es hatte den Anschein, als habe der alte Graf Letzteres mehr an sich selbst als an seine Tochter gerichtet. Ein weiterer Moment des Schweigens folgte.

“Und Corvino, was war mit dem?”
“Er lief mir eher zufällig über den Weg, doch diese Gelegenheit den inneren Frieden der Urbets zu stören, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen”, wiederholte Findualia auch hier, was sie ihrem Vater schon einige Tage vorher verkündet hatte.
“Natürlich nicht!”

Croenar von Marvinko

Es klang so etwas wie Stolz in der Bemerkung des Grafen mit, die wieder mehr sich selbst gegolten hatte. Dann grübelte er erneut vor sich hin.
Irgendwann fing Findualia daher doch an, die aufgestellten Härchen ihrer Gänsehaut zu zählen.


Später:

Die schwere Eichentür zum Gemach, in dem sich Vater und Tochter anschwiegen, knarzte laut, als die jüngere Tochter bzw. Schwester zurückkehrte. Sarissa von Marvinko war wie Findualia eine hübsche junge Dame, die jedoch keinen besonderen Wert auf ein aufreizendes Aussehen legte. Unter ihren Augen zeichneten sich schwarze Ringe ab. Sie hatte in den letzten Tagen wenig geschlafen. Dennoch lächelte sie zufrieden.

“Ist es das? Ist es gelungen?” Croenars Ungeduld war beinahe greifbar.
Sarissa nickte zunächst nur, bevor sie doch anfügte: “Das sollte ihm für exakt 200 Stunden einen so tiefen Schlaf schenken, dass ihn nichts zufällig daraus aufwecken wird.”
Auch Findualia besah die Phiole in der Hand ihrer Schwester aufmerksam. Die Jüngere mochte in mancherlei Hinsicht komisch, mysteriös und unbegreiflich sein, doch solche durch ihre Ausbildung zur Verfügung stehenden Trümpfe wogen all dies wieder auf …


Herberge Goldfelser Stieg in Urbasi, am Abend des 17. Praios:

“Für eine Nacht, mehr nicht!”
Bonnaro, der Bote, gab dem Wirt der Herberge im urbasischen Stadtteil Agreppara einige Münzen als Bezahlung – und begab sich dann an einen der leeren Tische im kleinen Schankraum des Etablissements. Dort ging er die Anweisungen seines Dienstherrn nochmal innerlich durch.

Er sollte unerkannt nach Urbasi reisen, hatte ihm der Graf eingeschärft, und unbedingt zuerst in der Stadt übernachten, bevor er seine Botschaft überbrächte. Die Urbasier seien ihm nicht wohlgesonnen, hatte Croenar noch erklärend angefügt. Zur Mittagsstunde des Folgetags sollte er dann unverzüglich den Palazzo Magistrale aufsuchen und dort vor Zeugen dem Baron Macrin seine Nachricht verlesen.

Ob der Baron denn überhaupt in der Stadt sei, hatte Bonnaro daraufhin gefragt. Immerhin hieß es doch, er residiere derzeit in Marudret. Er sei, ganz sicher, gab ihm der Graf daraufhin barsch zurück. Naja, danach sollte er bloß schnell zusehen, aus der Stadt wegzukommen und weiter nach Vinsalt zu reisen, um seine weitere Botschaften zu überbringen. War ja eigentlich gar nicht so schwer, pflichtete Bonnaro sich selbst bei.

“He, du! Du siehst so aus, als könntest du Gesellschaft vertragen.” Die Neuankömmlinge fragten gar nicht erst, als sie sich an seinen Tisch setzten. Sie sahen zwielichtig aus – vorsichtig formuliert. Einer von den dreien entblößte kurz einen Dolch, als wollte er Bonnaro zu verstehen geben, dass Widerspruch ihm keine Freude bereiten würde.
“Wirt, eine Runde für unseren Tisch!” Die schwere Stimme des Bonnaro gegenüber Sitzenden polterte laut durch den Schankraum.
“Ach was, bring lieber gleich zwei! So ein Wiedersehen muss doch gefeiert werden!” Die Breitschultrige neben Bonnaro hatte ein ebenso lautes Organ. Doch er kannte sie doch überhaupt nicht, ebenso wenig wie die anderen beiden …


Später:

“Für acht Nächte, richtig! Er wird einen starken Wolf haben, das hat er immer, wenn er soviel trinkt. Weck ihn nicht vor dem Vormittag des 26. und kein Wort zu irgendjemandem, wenn du nicht willst, dass wir dich oder deine Liebsten nochmal besuchen müssen!”
Der Wirt sah ehrlich eingeschüchtert aus und schwor sich, den Anweisungen der drei Fremden unbedingt Folge zu leisten. Immerhin bezahlten sie auch das Doppelte des üblichen Übernachtungspreises für mehr als eine Woche im Voraus.


Palazzo Magistrale in Urbasi, am 26. Praios:

Bonnaro war noch immer, als habe er ewig geschlafen. An das unfreiwillige Trinkgelage mit den drei Fremden erinnerte er sich nur vage. Das musste ihm irgendwann den Rest gegeben haben. Sowas Dummes. Der Wirt hatte ihm auch nicht viel mehr verraten wollen, so dass er sich pflichtschuldig recht zügig Richtung Palazzo Magistrale gewandt hatte. Auf dem Weg dorthin hatte er die Menschen wiederholt über den neuen Gonfaloniere diskutieren gehört. Dabei war die Wahl doch erst in einer Woche, wenn er sich nicht irrte.

Leicht verwirrt, doch nun mit dem Wappenrock des Grafen vom Sikram angetan, hielt er endlich durch die Eingangshalle des Magistratspalastes auf den Baron von Marudret zu. Also hatte der Graf doch Recht gehabt.

“Entschuldigt, Hochgeboren, ähm … Signore Macrin vom Rauhen Berg”, wandte er sich schließlich mit lauter Stimme an den Baron und kramte währenddessen die für ihn bestimmte Botschaft aus seiner Nachrichtenhülse. War das Siegelwachs nicht anders verlaufen, als er es dort hinein gesteckt hatte? Gedanken, für die er keine wirkliche Zeit hatte. Und so verlas er:


»Wisset Macrin vom Rauhen Berg, dass ich Croenar von Marvinko, Comto und Graf vom Sikram, wegen Eurer Untreue Euer Feind geworden bin mit dem Tag der Verlesung dieser Erklärung, welcher da ist der 18te des Praiosmonds im 1033ten Jahr nach dem Fall des tausendtürmigen Bosparan. Weil Ihr mir die rechtmäßigen Abgaben aus den von Euch verwalteten Ländereien Marudrets vorenthaltet und auch auf mehrfache Erinnerungen nicht in angemessener Weise reagiertet, noch Euch einer Klärung dieser Streitfrage vor einem ordentlichen Gericht der Krone stellen wolltet, überziehe ich die nämlichen Ländereien Marudrets nun mit Krieg, bis dass Ihr Euch an meinen Hof nach Burg Goblareth bei Marvinko verfügt, Euch für Euer ungebührliches Verhalten in angemessener Weise vor Zeugen entschuldigt und mir die bis zum Tag Eurer Ankunft ausstehenden Abgaben mit Zinseszins ausgehändigt haben werdet.
Wisset auch, dass von diesem Streit Euer Palazzo in der selbsternannten Fürstlichen Gemeinde des Heiligen Agreppo zu Urbasi ausgenommen werde, ebenso alle Eure Ländereien und Besitztümer, die nicht in den Landen Marudrets liegen, sowie selbstverständlich alle Geweihten, die sich Euch in den besagten Landen verschrieben haben sollten.«


Alessandero dell'Arbiato

Palazzo d'Argento, Urbasi, am Morgen des 27. Praios:

Alessandero dell'Arbiato, alter und wiedergewählter Priore structuris der Fürstlichen Gemeinde zu Urbasi, genoß die ersten Stunden des Tages. Die Luft war noch kühl, die Strahlen der Priaosscheibe noch ohne Kraft. Diese würde sich bald ändern, wenn das Praiosgestirn sich weiter über dem Horizont erhob. Ein leichtes Hüsteln hinter ihm veranlaßte ihn, sich seinem Gast zuzuwenden:

"Nun, Scipione, berichte mir", forderte Alessandero seinen Besucher auf. Scipione Gonfarra sah aus, als hätte er die ganze Nacht durchgearbeitet. Was auch der Fall war, denn sein Patron, Alessandero, wünschte Ergebnisse. Schlafen konnte man, wenn man zu Boron ging.

"Padrone", verneigte sich der unscheinbare Spitzel und zog ein kleines Notizbuch aus dem Mantel. "Es war, wie Ihr vermutet hattet. Der Bote kam am 17. dieses Mondes durch das Silaser Tor in die Stadt. Die Wache konnte sich noch gut an den Mann erinnern, war er doch einer der letzten, bevor das Tor für die Nacht geschlossen wurde. Er erkundigte sich nach einer Herberge, die Wache empfahl ihm daraufhin den 'Goldfelser Stieg". Der Bote nahm ein Zimmer, trank ein paar Becher Wein mit Bekannten und wurde schließlich ziemlich betrunken auf seine Stube geführt. Da er im voraus bezahlt hatte, interessierte sich keiner mehr für ihn. Schließlich hatte der Wirt genug und warf in nach einigen Tagen aus der Herberge. Diese Zeit, also fast neun Praiosläufe, verbrachte der Mann auf der Stube, ohne zu essen oder zu trinken."

"Scipione, es ist relativ unnatürlich, daß sich ein Diener fern von seinem Herrn plötzlich als Eremit betätigt. Hat er denn nicht mal nach weiblicher Gesellschaft für seinen Aufenthalt nachgefragt?"

"Nein, Padrone", erwiderte Scipione nach Konsultation seiner Notizen, "allerdings...", er zögerte etwas. "Wie gesagt, der Mann kam in die Stadt, traf ein paar Freunde und da fragte ich mich, wer diese wohl waren? Es gibt keine Spur von ihnen und ihr 'Freund', der Bote des Marvinko, war ihnen wohl ziemlich egal. Jedenfalls kann sich niemand erinnern, sie nach dem 17. noch einmal gesehen zu haben. Eine Schankmaid sagte aber, daß es diese waren, welche dem Wirt eine fette Börse für die Übernachtung in die Hände drückten." Scipione zuckte mit den Schultern: "Die Auskunft war nicht billig, eine Aufstellung der Kosten lasse ich Euch zukommen, Padrone."

"Ich verstehe", nickte Alessandero und ließ ein leichtes Lächeln erkennen. "Scipione, warum unterhältst Du Dich nicht mit diesem Wirt? Weise Ihn darauf hin, daß Unfälle passieren können. Ein Brand zum Beispiel und der gute Mann eingeschlossen im Keller seiner Schänke. Tragisch, diese Unglücke. Oder statte seiner Familie einen Höflichkeitsbesuch ab. Vielleicht ist der Keller dieser Herberge groß genug für die ganze Familie, Scipione."

Scipione nickte leicht: "Der Bote ritt gestern noch durch das Siburer Tor, auf der Via Sikrama entlang."

Alessandero winkte leicht ab, immer noch lächelnd: "Wie alles zusammenfällt, Scipione. Denn die alte Spinne jenseits des Sikram kann nunmehr die Hände in Unschuld waschen." Scipione schaute verständnislos. "Ach komm, Scipione. Wir kennen doch alle die Ränke von Croenar. Das Datum der Fehdeerklärung stammt vom 18. Praios, aber durch widrige Umstände, welche der Marvinko nicht zu verantworten hat, wird sie erst am 26. bekanntgegeben. Und damit ist der Siebentagefrist des Fehderechtes Genüge getan."

"Ich verstehe, Padrone", meinte Scipione immer noch verwirrt, "Und was werdet Ihr nun tun?"

"Nun, Reichtum und Ehre meines Hauses mehren. Denn ich bin der Padrone des Hauses dell'Arbiato und nicht der des Hauses Marudret. Außerdem hat er in der Signorie sowieso nicht für mich gestimmt."


Aliena di Taresellio

Später:

"Du hast wieder diesen grüblerischen Ausdruck, mein Gemahl", mahnte Aliena di Taresellio ihren Mann. "Es ziemt sich nicht, wenn man die Stirn in Falten legt. Am Ende hält man Dich noch für einen dieser sauertöpfischen Grangorer Kaufleute, die keinen Spaß am Leben haben, wenn sie nicht ihre Dukaten zählen können. Oder hat es etwas mit dieser dummen Fehde zu tun?"

"Ah, ich sehe, der Vorfall von gestern ist bereits das Tagesgespräch", erwiderte Alessandero. "Und was sagt der öffentliche Klatsch denn über den Marvinko und den Marudreter?"

"Seit wann interessiert Dich die Meinung des Pöbels, Alessandero? Deinen eigenen Worte zufolge ist das Volk doch undankbar, wankelmütig, falsch, feige in der Gefahr und gewinnsüchtig. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn der Pöbel die Fehdeschrift an den Marudreter als Herausforderung Urbasis ansieht und nach Blut ruft. Vorzugsweise fremden, natürlich."

"Natürlich."

"Und deshalb konsultierte ich bereits meine Notizen zum damaligen Torremund-Konflikt. Du weißt schon, die Ahnen, die aus ihren Gräbern kriechen und in Blut baden wollen. Vergeltung, Rache, Genugtuung, eben alles, was Du damals in dieser zauberhaften Rede zum Ausdruck brachtest. Du mußt nur die Namen austauschen, etwas mehr Empörung in Deine Stimme legen und erwähne unbedingt die Stadtheiligen. Das Volk liebt so etwas."

"Du bist ein Schatz."