Briefspiel:Der Griff nach Yandrigas

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: Rondra-Travia 1033 BF, im Zuge der Marudreter Fehde Schauplatz: zunächst Urbasi, später Strecke von Mardilet nach Yandrigas Entstehungszeitraum: September 2011/2012
Protagonisten: Therengar Aspoldo und Anverwandte, einige Söldner aus dem Mittelreich, das Haus di Grello als Widersacher Autoren/Beteiligte: Familie Aspoldo.png Aspoldo

Prolog

Kurz vor der Parade zum Schwertfest im Palazzo Aspoldo

Therengar Aspoldo

Therengar Aspoldo war vollständig in einer kunstvollen Plattenrüstung gepanzert. Einzig Panzerhandschuhe und Helm fehlten ihm noch. Um ihn herum hatte sich die Familie Aspoldo versammelt, zumindest der kämpfende Teil der Familie, insbesondere seine beiden Söhne Kalman und Ucurio, die Therengar in ihrer bulligen Figur nur wenig nachstanden. Dazu kamen noch einige Neffen und Nichten, sowie einige Soldritter aus dem Mittelreich. Aus den Nordmarken waren sie wohl und hatten sich in den letzten Jahren auf den zahlreichen Schlachtfeldern des Mittelreiches geschlagen. Nicht zuletzt in Albernia.

Da war Friedeswieda von Schleiffenröchte, die trotz ihrer mehr als vierzig Lenzen nicht die Anführerin der Gruppe war. Anführer schien stattdessen Gelda von Stiefelstieg. Sie war wohl nur wenig älter als zwanzig Jahre, aber sie hatte bei den Soldverhandlungen das Wort geführt und lang und hartnäckig verhandelt. Wolfmar von Wildklamm ging wohl ebenfalls auf die Vierzig zu. Seiner Gestalt war Therengar gar nicht so unähnlich und war dem Familienpatriarchen sofort sympahtisch gewesen. Den Abschluss bildete Otgar von Hartsteig. Ein schmächtiges Kerlchen, aber die kleinsten waren ja oft die zähesten, wie sich Therengar eingestehen musste.

Die vier Ritter hatten eine Rotte berittener Reisige im Gefolge und so standen Therengar nun insgesamt eine ganze Schwadron Bewaffneter zur Verfügung. Das würde für das Unterfangen wohl ausreichen. Therengars eigene Leute hatten sich wiederholt bewährt, nicht zuletzt in der Schlacht von Westfar, in der sie zahllose verbissene Angriffe gegen die Brüder des Blutes geritten waren. Doch auch die Nordmärker sahen nicht so aus, als hätten sie ihr Leben bisher mit Blumenflücken und Harfe spielen verbracht. Der martialische Eindruck Mittelreicher wurde von ihren sichtlich gebrauchten Rüstungen unterstrichen. Wolfmar von Wildklamm führte gar seinen Kriegshammer ununterbrochen mit sich herum. Angeblich nahm er ihn sogar auf den Abort mit. Beim Essen war Therengar der Kriegshammer jedenfalls wiederholt aufgefallen.

Langsam verstummten die privaten Gespräche der Versammelten und Therengar rollte eine Karte der Baronie Marudret aus. „Das ist die Baronie Marudret. Graf Croenar hat sie überfallen und wir werden sie uns zurückholen. Doch damit nicht nur die Stadt etwas davon hat werden wir uns endlich ein Stück Land unter den Nagel reißen. Im Krieg der Drachen haben wir für eine verlorene Sache geblutet und es wurde uns nie entlohnt. Nun aber ist unsere Stunde gekommen.“

Schwungvoll rammte Therengar seinen Dolch in die Karte. „Genau hier werden wir uns festsetzen. Nachdem das Heer Urbasis den Übergang über den Mardilo geschafft hat und die ersten Kampfhandlungen abgeklungen sind, werden wir uns absetzen und unserem Ziel zusteuern. Ich kann euch jetzt schon versprechen, dass es nicht einfach wird, aber Croenars Söldner werden sich warm anziehen müssen, wenn sie es mit uns aufnehmen wollen. Und am Ende steht für jeden von uns ein nettes Stückchen Land.“ Bei den letzten Worten war der Zweifel in den Augen der Soldritter verschwunden. Hier ging es um persönlichen Profit, und welcher Ritter träumte nicht von einem Stückchen Land und sei es nur, um es zu verkaufen und sich ein Gut in heimatlichen Gefilden zu kaufen.

Es dauerte noch einige Stunden, bis die Einzelheiten geklärt waren. Es ging darum Wege und Siedlungen zu erörtern, die Strategie beim Angriff und auch mögliche Rückzugsrouten wollten bedacht werden.

Als schließlich zur Parade gerufen wurde waren alle Fragen besprochen und die Männer und Frauen verließen scheppernd den Raum. Es galt Land zu erobern!

Nur der Dolch blieb zurück. Er steckte nach wie vor in einem Stück Land, dass als Yandrigas auf der Karte eingezeichnet war.

Mit oder ohne Therengar

4. Efferd 1033, abends

Kalman und Ucurio Aspoldo blickten sich fragend an. Vor ihnen auf dem Bett lag ihr Vater und war kaum bei Sinnen. Kein Wunder, wenn man sich nur den zerhackten Brustpanzer des Familienpatriarchen ansah. Therengar hatte es sich natürlich, trotz seiner Pläne für die Zeit nach der Schlacht, nicht nehmen lassen persönlich in der ersten Reihe zu kämpfen. Immer wieder hatten die Urabsier sich auf die Truppen der Marvinkos geworfen und doch hatten sie keinen entscheidenden Sieg erringen können. Später würden sie das Hauen und Stechen wohl die Schlacht von Portecorvo nennen, aber die beiden Brüder hatten keine so glanzvollen Erinnerungen an die Schlacht. Ein hart erkämpftes Patt war alles, was die Urbasier hatten erreichen können. Und Therengar war bei einem Vorstoß vom Rest seiner Leute getrennt worden und wäre um ein Haar in Stücke gehauen worden. Nur der beherzte Angriff der Truppen um Kalman hatte ihren Vater vor dem sicheren Tod bewahrt, doch neben Therengar lag auch Friedeswieda von Schleiffenröchte schwer verwundet darnieder.

Leise diskutierten die beiden Brüder, ob sie unter diesen Umständen mit den Plänen ihres Vaters fortfahren sollten, oder ob sie die Sache nicht doch besser abblasen sollten. Bevor sie noch eine Entscheidung treffen konnten hörten sie ihren Vater leise rufen.

„Kalman, Ucurio.“ Therengars Stimme war kaum zu hören. Die beiden Söhne beugten sich zum Krankenbett ihres Vaters herab. „Ihr müsst ohne mich reiten.“ Schnaufte ihr Vater „Eine solche Gelegenheit bietet sich uns so schnell nicht wieder. Holt euch Yadrigas und lasst es nicht mehr los, bis es auf ewig unser ist!“

Ein kurzer Blick zwischen den Brüdern genügte „Wir werden dich nicht enttäuschen Vater.“ Flüsterte Kalmar. Sogleich standen die beiden auf und eilten heraus um ihre Leute zu sammeln und zu inspizieren.

Von den siebenundvierzig Kämpfern ihrer Truppen waren vier in der Schlacht gefallen und sechs weitere waren zu schwer verwundet worden, um an der Expedition teilnehmen zu können. „Das lässt uns Siebenundreißig Leute, und selbst eingeschlossen.“ Resümierte Kalman. Ucurio nickte. „Das sollte hoffentlich reichen. Wir reiten morgen beim ersten Sonnenlicht.“ Kalman nickte zustimmend und so gaben sie die Befehle an ihr Gefolge aus.

Durch Marudret

5. Efferd 1033

In aller Frühe verließ die Reitergruppe das Lager. Ucurio hatte nach lange auf seine Tante Pervalia eingeredet, um sie dazu zu bewegen in seiner Abwesenheit das Kommando über die Bandiera Varia zu übernehmen.

Die Lagerwachen wirkten überrascht über die frühe Aktivität, aber das Banner mit den beiden gekreuzten Sporen zeigte allzu deutlich, dass es sich hierbei um Reiter aus der Familie Aspoldo handelte und so schritt keine der Wachen ein, um die Gruppe aufzuhalten. Hochgezogene Augenbrauen ernteten die Reiter allerdings, ob der mitgeführten Packtiere. Was plante die streitlustige Familie nur wieder?

Während das Heer der Marvinkos erst langsam erwachte umging die Gruppe weitläufig das Lager und gab dann ihren Pferden die Sporen, um möglichst viele Meilen zwischen sich und das Heer zu bringen. Kalman und Ucurio konnten jetzt vieles gebrauchen, aber eine sie verfolgende Reiterschwadron gehörte ganz sicher nicht dazu.

Den ganzen Tag über ritten sie in zügigem Tempo. Immer wieder ließ sich Kalman zurückfallen, um nach möglichen Verfolgern Aussicht zu halten, aber niemand war zu sehen. So schlug die Gruppe in der hereinbrechenden Dunkelheit das Nachtlager auf.

Auch der nächste Tag verlief weitgehend ereignislos. Die Reiter hielten sich von den Straßen fern und folgten dem Verlauf verschiedener Hügelketten. Zwar wurden sie immer wieder von Dörflern gesehen, aber es herrschte Krieg in der Gegend und niemand wunderte sich über eine Gruppe schwer bewaffneter Reiter. Das Banner hatten sie ohnehin eingerollt.

Es war der dritte Tag, als Kalman auf einem Hügelkamm eine Gruppe Reiter entdeckte. Als die Reiter Kalman erblickten begannen sie zu schreien und gaben ihren Pferden die Sporen. Knapp fünfzig Reiter zählte Kalman, als er seinem Pferd die Sporen gab. Sie wurden verfolgt und die Verfolger waren näher an ihnen dran, als es Kalman lieb sein konnte.

„Wenn wir Valderinko beim Einbruch der Nacht erreichen können wir sie in der Gegen vielleicht abhängen.“ Rief Ucurio. „Sie wissen ja nicht wo wir hinwollen.“ Kalman nickte und hoffte, dass sein Bruder Recht hatte. Doch ihre Verfolger waren verdammt nah an ihnen dran.

Scharmützel bei Valderinko

7. Efferd 1033

Es war bereits dunkel geworden und mittlerweile donnerten die beiden Reitergruppen über eine Straße. Was nutze alle Heimlichkeit, wenn sie verfolgt wurden? Sie könnten genauso gut ihre Geschwindigkeit erhöhen, doch die Verfolger waren hartnäckig. Der sie umgebende Wald dämpfte die Laute, aber Kalman und Ucurio konnten ihre Verfolger bereits hören und ihnen geradezu dabei zusehen, wie sie ihren Abstand verringerten. Sie mussten eine Entscheidung treffen. Die Straße machte in diesem Moment einen Knick. Ucurio reagierte blitzschnell.

„Alles Halt!“ rief er. „Kalman. Nimm die Hälfte und reite weiter!“ Währenddessen gestikulierte er zu einigen anderen Reitern und verschwand mit diesen zwischen den Bäumen. Kalman verstand, gab seinem Pferd die Sporen und wendete es nach kurzer Zeit wieder. Neben ihm formierten sich die übrigen Reiter und machten sich kampfbereit. Visiere wurden zugeklappt und Waffen gezückt.

Als ihre Verfolger wenige Minuten später um die Ecke donnerten und ihre Gegner kampfbereit erblickten erhob sich ein Freudenruf in ihren Reihen. Schwerter und Äxte kamen zum Vorschein und die Übermacht donnerte nach vorne. Kalman meinte noch eine Stimme bei den Verfolgern zu hören, die vor einer Falle warnte, aber die Mehrzahl donnerte auf Kalmans Reiter zu. Auch dieser gab seinem Pferd die Sporen und preschte nach vorne.

„ASPOLDO“ brüllte er und sein Gefolge stimmte ein. „DI GRELLO“ hallte es von ihren Verfolgern wieder. Kalman hatte keine Zeit über diesen Umstand überrascht zu sein, denn schon prallten die beiden Seiten aufeinander. Einer der Reiter preschte geradewegs an Kalman vorbei. Ein anderer hielt direkt auf ihn zu. Schnell tauschten sie einige Hiebe aus, als einer der nordmärkischen Söldner Kalmans dem Pferd seines Kontrahenten sein Breitschwert in den Hals hieb. Das Pferd bäumte sich auf und der Reiter verschwand aus Kalmans Sichtfeld. Durch den engen Schlitz im Schaller konnte er nicht viel erkennen und so rammte er sein Schwert geradezu in einen ungepanzerten Rücken. Die Reiterin begann zu schreien, aber zwischen den beiden Reitern wurde sie gnadenlos niedergemacht. Doch schon waren zwei weitere Gegner heran und so musste sich Kalman beider Gegner auf einmal erwehren.

In diesem Moment hörte er den langerwarteten Ruf „ASPOLDO!“ und Ucurio brach mit seinen Leuten aus dem Wald heraus. Das Gefecht begann sich in wilde Einzelkämpfe aufzulösen. Im Zwielicht der Abenddämmerung war es schwer zu erkennen, wer auf wessen Seite kämpfte. Es dauerte nur wenige Minuten und Kalman stieß dreimal in sein Horn. Seine Reiter lösten sich aus dem Kampf und suchten das Weite. Die Reiter der Di Grellos setzen die Verfolgung in der Dunkelheit nicht mehr fort, aber nicht alle Reiter der Aspoldos hatten es geschafft und zwei verängstigte Reitknechte hatten sich den Angreifern ergeben und so wussten diese jetzt, wohin die Reise ging. Es gab für sie also keinen Grund die Pferde zu Schanden zu reiten mehr, denn wenn die Aspoldos tatsächlich dort bleiben wollten würden sie sie einfach dort auslöschen. Auf dem kleinen Waldweg aber blieben vier leblose Leiber zurück. Viele mehr aber hatten schwere Wunden davon getragen.

Die Befreiung Yandrigas'

9. Efferd 1033

Das Scharmützel bei Valderinko lag zwei Tage zurück, als sich die Reiter der Aspoldos aus dem Morgennebel heraus schälten. Sie hatten einen Toten und sieben Schwer Verwundete zu beklagen und Kalman und Ucurio hatten sich große Sorgen um die Verletzten gemacht, aber bisher waren sie noch am Leben und von den Verfolgern war auch nichts mehr zu sehen. Dafür fehlte von zwei ihrer Reitknechten jede Spur. Ob sie sich in dem Chaos einfach verdrückt hatten, oder waren sie in die Hände ihrer Verfolger gefallen?

Kalman drängte solche Gedanken aus seinem Kopf, als vor ihm endlich Yandrigas aus dem Morgennebel auftauchte. Das Dorf lag auf einem Hügelrücken. Nur ein Stichweg führte zu den Häusern. Die letzten Schritte schlängelten sich als Serpentine den Hügel hinauf. Die Häuser waren derweil eng aneinander gebaut und bildeten somit einen Schutzring vor Angreifern. Ein Wachtturm erhob sich und von dort ertönte in diesem Moment eine helle Glocke. Sie waren entdeckt worden.

„VORWÄRTS!“ brüllte Ucurio. „Jetzt gilt es.“ Die Reiter donnerten auf das erwachende Dorf zu. Schon sprangen die ersten von den Pferden und begannen Pfeile auf den Wachturm abzuschießen. Nach der zweiten Salve verstummte das Läuten der Glocke. Derweil warfen andere Reiter Wurfhaken über das Tor und begannen mit ihren Rössern an den alten Bohlen zu zurren. Aus dem Dorf heraus waren Rufe zu hören, aber noch war keine Gegenwehr abzusehen.

Endlich gab das Tor mit einem dumpfen Ächzen nach. Sofort sprengten Kalman und Ucurio, gemeinsam mit den drei Nordmärker Rittern durch das Tor. Die Waffenknechte und Reisigen folgten brüllend. Die meisten zu Pferd, ein paar aber auch zu Fuß. Die Dörfler wussten nicht was über sie gekommen war. Einige wenige versuchten sich den Angreifern zu erwehren, aber die Schlachtrösser wirbelten sie einfach durch die Luft.

„ERGEBT EUCH! LEISTET KEINEN WIDERSTAND!“ brüllte Ucurio und schon begannen die eingeschüchterten Dörfler ihre Mistforken und alten Äxte zu Boden zu werfen. Gegen die dreißig schwer bewaffneten und geübten Kämpfer hätten sie selbst in Überzahl keine Chance gehabt. „Holt alle Dörfler herbei!“ rief Ucurio und seine Leute schwärmten aus um die völlig verängstigten Bewohner Yandrigas zusammen zu treiben. Weit abseits der Kampfhandlungen der Madureter Fehde hatte hier keiner mit einem feindlichen Überfall gerechnet.

Als sich die Menge schließlich zusammengefunden hatte donnerte Ucurios Stimme über den Dorfplatz. „Ich bin Ucurio Aspoldo und im Namen der Fürstlichen Gemeinde Urbasi nehme ich dieses Gut in Besitz. Fortan ist nicht mehr Graf Croenar euer Herr, sondern mein Bruder Kalman, der an meine Vaters Stadt hier herrschen wird.“ Bei den letzten Worten deutete er auf Kalman. Im Morgengrauen konnten die Dörfler unter den Helmen, trotz geöffneter Visiere wenig ausmachen, aber zu widersprechen wagte ohnehin niemand. Und so kam es, dass das Haus Aspoldo Yandrigas in ihren Besitz nahm.

Reiter im Morgengrauen

14. Efferd 1033

Lamea öffnete die Tür des Gesindehauses und blickte verschlafen in den Morgennebel. Trotz der Jahreszeit war es recht kühl. Die junge Magd fröstelte, als sie sich auf den Weg zum Kuhstall machte. Die Herrschaften wollten sicherlich auch an diesem Morgen wieder frische Milch zum Frühstück haben und wenn Udora etwas wollte, dann sollte man ihrem Wunsch tunlichst Folge leisten. Die Vögtin des Grafen von Marvinko war nicht umsonst für ihre harte Hand bekannt, aber letztlich konnte sich Lamea nicht beschweren. Sie hatte gut zu essen und solange sie ihre Arbeit machte gab es keine Schwierigkeiten. Und dann war da ja auch noch Valeran. Im nächsten Rahja würden sie endlich heiraten. Lamea fühlte ein leichtes Kribbeln in der Magengrube, als sie an ihren Verlobten dachte.

Doch dann stutze sie, war das nicht Hufschlag? Mit einem Mal war Lamea völlig aus ihren Tagträumereien gerissen. Der dumpfe Klang den zwei Dutzend schwere Pferde verursachten, während sie den Feldweg zum Hof herauf donnerten, brachte sie brutal in die Realität zurück. Entsetzt ließ Lamea den Milcheimer fallen, als die Reiter auf den Hof preschten. Ein Pferd streifte sie und warf sie zu Boden. Rufe und Schreie waren zu hören, als die Reiter absattelten und in die Gebäude des Hofes eindrangen. Udoras energische Stimme war zu hören und dann ein Schrei.

Lamea rappelte sich auf, aber niemand kümmerte sich um sie. Benommen taumelte sie einige Schritte, während die Angreifer schon damit beschäftigt waren die Kühe aus dem Stall zu treiben und einige Karren mit Weizensäcken zu beladen. Der Trupp schien zur einen Hälfte aus Horasiern und zur anderen Hälfte aus Nordleuten zu bestehen. Das vermutete zumindest Lamea, denn wenn sie sprachen klang es härter und altertümlicher und auch ihre Waffen und Rüstungen wirkten wie aus alten Ritterlegenden. Wie Ritter aus alten Sagen verhielten sie sich aber keineswegs.

Während die meisten Bewaffneten sich mit den Vorräten des Hofes beschäftigten überblickte ein schwer gepanzerter wuchtiger Reiter das Treiben. Eine Hundsgugel verdeckte sein Gesicht, aber seine Stimme hallte über den gesamten Hof. „DIESE GÜTER SIND IM NAMEN DER FÜRSTLICHEN GEMEINDE VON URBASI BESCHLAGNAHMT.“ Lamea konnte ihren Blick nicht von dem furchtbaren Kriegshammer abwenden, den der Reiter in der rechten Hand trug. Das mächtige Mordwerkzeug wirkte so leicht in der Hand des Mannes, aber als sich der behelmte Kopf wendete und auf sie richtete gefror Lamea das Blut in den Adern. Der Reiter rief etwas und befestigte den Kriegshammer an seinem Pferd, dann stieg er aus dem Sattel und bewegte sich mit klirrendem Schritt auf sie zu. Lamea brauchte einige Augenblicke um die Gefahr zu begreifen, aber dann begann sie zu laufen, doch es war zu spät.

Als sie um den Schuppen rannte hörte sie schon das Scheppern der Rüstung dicht hinter sich. Mit einem Mal spürte sie eine kräftige Hand in ihren Haaren und sie wurde zu Boden gerissen. Lamea strampelte und schrie, doch ein gepanzerter Fausthieb brachte sie zum Schweigen. Tränen rannen ihre Wangen herab. Erneut spürte sie die gepanzerten Hände in ihrem Gesicht. Sie glaubte zu ersticken, als der Reiter ein Stück Stoff in ihren Mund zwang. Schon begann er an seiner Hose zu nesteln, als Valeran um die Ecke gestürmt kam und den Gepanzerten zu Boden riss. Lamea schöpfte Hoffnung und begann den Stoff aus ihrem Mund zu zerren. Doch oh weh. Nachdem sich der Reiter von der Überraschung erholt hatte gewann er rasch die Überhand. Mit einigen wuchtigen Fausthieben warf er Valeran gegen die Schuppenwand. Während sich Valeran noch aufrappelte griff der Reiter nach seinem Dolch und stach mehrmals auf ihn ein. Blut sprudelte aus Valderans Bauch und er sank in sich zusammen. Den blutigen Dolch noch in der Hand wandte er sich zur immer noch vor Angst erstarrten Lamea um.

Erst als ein dumpfes Horn ertönte ließ er von ihr ab.

Während die Angreifer und mit ihnen auch der Reiter mit der Hundsgugel davon ritten und mit sich alles Vieh und Wagen voller Korn führten, begann sich Valeran zu rühren. Seine Wunden waren schwer, aber nicht tödlich und in ihm erwachte der Geist der Rache, als er seiner Verlobten ansichtig wurde.

Gelda von Stiefelstieg

16. Efferd 1033

Wieder waren sie ausgeritten um Vorräte zu beschaffen und sich auf eine mögliche Belagerung in Yandrigas einzustellen. Diesmal hatte Gelda von Stiefelstieg den Trupp angeführt und wie immer hatten sie in den prall gefüllten Speichern des Umlandes reiche Beute gemacht. Doch als Gelda ihre Leute vom letzten geplünderten Hof herunter führte, erstarrte sie. Vor ihr hatte sich eine gute Halbschwadron Reiter aufgestellt. Ihre Verfolger von Valderinko hatten sie also eingeholt.

Auf ihren Schilden war ein weißer Dachs auf blauem Grund zu sehen, aber Gelda wusste was die Stunde geschlagen hatte. Ihr Trupp war den Angreifern zahlenmäßig unterlegen und dennoch würde Gelda nicht so einfach aufgeben. Das war nicht ihre Art. Sie wurde fürs kämpfen und bluten bezahlt und nicht fürs häkeln und jetzt würden sie bluten den der einzige Weg zurück war durch die Reihen der feindlichen Reiter.

„Gebt die Karren auf!“ rief sie daher „FORMIERT EUCH.“ Hallte ihr Kommando über den Hof und ihre Reiter kamen dem Befehl nach. „Jetzt müssen wir unsere Haut retten und durchbrechen.“ Brüllte Gelda, lachte Wolfmar von Wildklamm wild zu und trieb ihr Ross geradewegs auf die feindlichen Reiter zu. Hinter sich hörte sie die Schreie ihrer Leute und den Hufschlag ihrer Pferde als sie ihr folgten.

Da tauchte plötzlich ein feindlicher Reiter in ihrem Blickfeld auf und noch bevor sie ihr Ross herumreißen konnte, prallten sie geradewegs in das Pferd des feindlichen Reiters. Ihr Ross strauchelte und mit ihr Gelda. Ein wuchtiger Hieb traf ihren Schild und sie stürzte seitwärts auf dem Sattel. Der Aufprall auf den Boden trieb ihr alle Luft aus den Lungen. Für einen Moment war der Drang groß einfach liegen zu bleiben, aber sie rappelte sich wieder auf und schlug mit ihrem Schwert wild um sich, um sich Platz zu verschaffen. Sie traf ein Pferd am Bein und das Tier stieg wiehernd auf und warf seinen Reiter ab. Gelda machte einen Satz nach vorne um dem Mann den gar aus zu machen, aber da hörte sie ein Rauschen in der Luft und wusste das sie einen Fehler gemacht hatte. Knirschend drang der Reiterhammer durch ihren Helm und ihre Kopfhaut. Als Gelda auf dem Boden aufschlug, war bereits alles Leben aus ihr gewichen.

Kalman

18. Efferd 1033

Kalman Aspoldo ging benommen durch das beschlagnahmte Gasthaus Yandrigas'. Viel zu viele Männer und Frauen aus seinem Gefolge lagen verwundet auf notdürftigen Bettstätten. Andere Bettstätten waren seit dem letzten Scharmützel völlig leer geblieben. Gelda von Stiefelstieg war gefallen und mit ihr vier andere. Es war die bisher blutigste Auseinandersetzung der Kampagne gewesen. Von zwei der nordmärkischen Streiter fehlte derweil jede Spur. Kalman vermutete, dass sie sich in den Wirrnissen des Kampfes aus dem Staub gemacht hatten. Kurz nach ihrer Flucht aus dem Scharmützel waren sie jedenfalls noch gesehen worden. So ganz verdenken konnte er es ihnen nicht. Es war schließlich nicht ihr Krieg und es war bereits mehr als genug Blut geflossen.

Immerhin waren sie nach den Requirierungen der vergangenen Tage gut versorgt. Das Tor Yandrigas' war repariert und verstärkt worden und so würden sie hier abwarten können, bis das Heer Urbasis den Krieg entschied. Dass Urbasi siegen würde, stand für Kalman außer Frage. Sie verfügten über mehr Truppen und hatten das Recht auf ihrer Seite. Das versuchte Kalman sich zumindest einzureden. In den vergangenen Tage hatten sie immer wieder Vieh und Vorräte beschlagnahmt und mehr als einmal hatten sie den Widerstand gewaltsam brechen müssen. Mehr als ein Dörfler war zu Schaden gekommen, aber immerhin war es zu keinen anderen Ausschreitungen, oder gar Vergewaltigungen gekommen, so glaubte zumindest Kalman.

Kalman hielt am Lager von Wolfmar von Wildklamm an. Der wuchtige Ritter war beim letzten Scharmützel ebenfalls verwundet worden. Kurz unterhielten sich die beiden ungleichen Männer und Kalman lieh sich die Hundsgugel des Nordmärkers, da sein eigener Helm beim Kampf gegen die Reiter der di Grellos in Stücke gehauen worden war.

Ein wenig später ritt Ucurio gemeinsam mit Kalman aus Yandrigas aus. Noch einmal wollten sie das Dorf von außen auf seine Wehrhaftigkeit inspizieren. Den Helm hatte Kalman zwar auf dem Kopf, aber mit einem Angriff der di Grellos war wohl nicht zu rechnen und so hatte er das Visier geöffnet. Soeben wies ihn Ucurio auf das Flachdach eines Hauses hin und begann über eine mögliche Verstärkung zu sprechen, als Kalman leise das charakteristische Klicken einer Armbrust hörte. Nur einen Lidschlag später riss ihn die Wucht des Einschlags aus dem Sattel. Schmerz durchflutete ihn. Entsetzt musste er feststellen, dass der Bolzen seinen Hals durchschlagen hatte, und obwohl er versuchte die Blutung zu stoppen, spürte er wie das Leben immer schneller aus ihm heraus pulsierte. Mit schwindender Kraft sah er wie Ucurio einen jungen Mann verfolgte und ihn aus vollem Galopp mit dem Schwert niederstreckte. Kalman glaubte den Mann schon einmal gesehen zu haben und seine letzten Gedanken galten den Plünderungen auf einem der Güter.

Als Ucurio zu Kalman zurück geeilt kam war dieser bereits tot. Ucurio konnte für einen Moment nicht klar denken. Zorn und Verzweiflung durchfluteten ihn gleichzeitig. Hätte er den verdammten Schützen doch bloß nicht erschlagen. Jetzt war nicht mehr zu erfahren, wer oder was ihn zu dieser Tat gebracht hatte. Wie ein Söldner hatte der milchgesichtige Bursche jedenfalls nicht gewirkt. Vielleicht einer der Bauern dem sie die Vorräte geraubt hatten?

Die Belagerung Yandrigas'

Anfang Travia 1033

Nun wehte das Banner der Familie di Grello nun schon seit Tagen vor den Toren Yandrigas' und Ucurio konnte doch nichts daran ändern. Die Überzahl ihrer Feinde war klar gewesen, aber das blutige Scharmützel, das mit dem Tod Geldas geendet hatte, hatte ihnen klar gemacht, dass es nun Zeit war, die Füße still zu halten. Ihre Belagerer hielten derweil einen gebührenden Abstand und hatten auch nicht versucht sie zu umzingeln, aber das war auch gar nicht nötig. Es gab nur den einen Ausgang aus Yandrigas und den bewachten nun die Reiter mit dem Dachswappen. Bisher hatten sie aber auch keine Anstalten gemacht das Dorf zu erstürmen und so lebten die Belagerten in aller Gelassenheit von ihren erbeuteten Vorräten und warteten darauf, dass der Krieg und die Belagerung vorüber gingen.

Und so kam es dann auch. Die di Grellos hatten wohl auf Verstärkungen gewartet, aber anstatt Unterstützung zu erhalten, war das urbaische Heer erneut im umkämpften Gebiet einmarschiert und hatte die Truppen Croenars dazu gezwungen sich zurück zu ziehen. Ucurio brach sofort auf um sich wieder an die Spitze der Bandiera Varia zu setzen und Rache für seinen toten Bruder zu nehmen. Viele der Kämpfer die mit ihm in Yandrigas gewesen waren folgten ihm nicht. Mit Kalman waren zwölf weitere Streiter gefallen. Dreiundzwanzig waren schwer verwundet worden, zwei hatten das Hasenpanier ergriffen und nur sieben waren unverletzt aus den Kämpfen hervor gegangen.

Es sollte noch Wochen dauern, bis die Friedensverhandlungen in Gang kamen, und dann konnte sich die Familie Aspoldo sogar mit ihren Ansprüchen durchsetzen. Yandrigas würde in ihrem Besitz verbleiben, aber sie würden das Land nicht unter urbasischer Herrschaft erhalten, sondern sich der Baronin Findualia von Marvinko unterstellen. Ein Umstand der, dem unterdessen genesenen, Therengar Aspoldo fast die Zornestränen in die Augen getrieben hatte. Geweint hatte er dann aber wirklich und zwar um seinen Sohn Kalman, der doch nun sein Erbe gewesen war, aber ebenso wie sein Erstgeborener Nestor einst war er einem Krieg zum Opfer gefallen.


E N D E