Archiv:Ein Tag im Praiosmond (BB 30)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 30, Seite 26 Schildwacht.png Datiert auf: 22. Praios 1029 BF


Ein Tag im Praiosmond

Von der Befreiung und Demütigung eines Grafen

von Alverano ya Paredo
Graf Croenar überreizte sein Blatt im Krieg der Drachen und verlor auch an Ansehen in den Reihen seines Hauses.

"Windkönig" nennen ihn manche, nach der Figur des tulamidischen Inrahspiels, die der Macht des Sultans mit Gerissenheit und Umtriebigkeit beizukommen versucht. Croenar von Marvinko, der Landgraf vom Sikram, gilt als ein Meister der Intrigen und soll Beziehungen zu Hochverrätern wie Answin von Rabenmund oder Kusmina von Kuslik-Galahan gepflegt haben – auch wenn er sich nie etwas nachweisen ließ und gegen ein Scheitern seiner Pläne stets absicherte. Doch die Schwäche der Inrahfigur scheint auch seine zu sein: In der direkten Konfrontation ist er den Kriegern seiner Widersacher deutlich unterlegen und alsbald weht ihm selbst der Wind eisig ins Gesicht. Dass die Firunskälte ihn an einem Tag im Praiosmond besonders hart trifft, dürfte indes auch ihn schockiert haben.

Von der Hatz der Timoristen auf das Heer des Grafen wurde bereits berichtet (siehe Artikel Einhornlande verheert), weswegen hier der Chronologie folgend erst am Vorabend des Schicksalstages mit der getreulichen Wiedergabe des Geschehenen begonnen werden soll.

Beim Dorf Praiadal wenige Meilen vor der Stadt Urbasi gelang den Verfolgern unter Ludiron di Yaladan am 21. Praios nach fast zwei Monaten der Verfolgung schließlich doch die Umzingelung des gräflichen Heerhaufens. Der Herr des Hauses Marvinko saß unweit der eigenen Heimat in der Falle! Noch während sich beide zum Stehen gekommene Heere zur Schlacht sammelten, gelangte der Magier Drakon di Gorfar aber auf unbekanntem Wege aus dem Lager Croenars in die nahegelegene Stadt und konnte die versammelten urbasischen Machthaber ob der Lage des Grafen alarmieren. Allein die Zögerlichkeit Gransignore Travianos, seine mittlerweile wieder ausgehobenen Truppen zur Befreiung seines Verwandten einzusetzen, führte jedoch – so heißt es – zum Vorgehen der Urbasier, wie es dann stattfand.

Strahlender Sonnenschein über den Gipfeln der rahjawärtigen Goldfelsen läutete für die Bewaffneten auf den Feldern von Praiadal den nächsten Morgen ein – dem bevorstehenden Blutvergießen zu spotten, wie es schien. Großkomtur Ludiron, der in der Nacht ob des ungeklärten Gefahrenpotentials Urbasis noch Wachposten in Richtung der Stadt hatte einrichten lassen, wandte sich nun wieder hauptsächlich dem umschlossenen Marvinkoheer zu und es begann ein erster Schlagabtausch zwischen den Kämpfern beider Seiten. Die Festsetzung des Grafen schien nahe und die Hoffnung der Timoristen, in Urbasi auf unterlegene Truppen zu stoßen, sich zu bestätigen, als ein nur wenige Köpfe umfassendes Aufgebot sich bald von der Stadt her näherte – offensichtlich um über eine Verschonung derselben zu verhandeln.

Kaum auf dem Schlachtfeld angekommen, enthüllten die verkleideten 'Gesandten' dann aber sich selbst und ihre List: Unter der Führung der beiden – zuletzt beim Kampf um die Urbasiglia (siehe BB#29) noch verfeindeten – urbasischen Magier Alessandero dell'Arbiato und Drakon di Gorfar stürzten sie ihre Umgebung binnen weniger Augenblicke in ein arkanes Inferno! Umherschwirrende Feuerbälle, aus dem Nichts entstehende, unsichtbare Barrieren sowie plötzlich zu Staub zerfallende Ausrüstungen ganzer Kämpfergruppen ließen die Timoristen voller Entsetzen zurückweichen – und öffneten damit dem eingeschlossenen Grafen die Lücke, die er zum Durchbruch nutzen konnte. Dass die geballte Angriffsmacht der Magier auch diese schnell erschöpfte, wurde den Timoristen erst gewahr, als die Marvinkogetreuen bereits in Richtung Urbasi flohen.

Erst kurz vor der Stadt gelang es den dann entschlossen nachsetzenden Verfolgern, die Flüchtenden einzuholen. Doch hier stellte sich nun auch Gransignore Traviano mit seinen Truppen den Angreifern entgegen, um sie unter dem Beschuss der urbasischen Arbalettiere an der Brücke über die Argenna zurückzuschlagen (siehe auch Carroccio und Rumorella in diesem BB). Dass der junge Landherr seinen sich in seine Stadt rettenden Verwandten Croenar keines Blickes für würdig befand, wollen einige Gemeine dabei bereits bemerkt haben.

Beim Grafen selbst sorgte die Befreiung aus der Umklammerung seiner Verfolger dagegen zunächst für Erleichterung. Das Schlachtfeld hatte er hinter sich gelassen und das Spiel des "Windkönigs" schien von Neuem zu beginnen. Umschwänglich dankte er bereits vor seinem offiziellen Empfang durch die Stadt den Magiern Alessandero und Drakon für ihren Einsatz. Croenar von Marvinko war es gewohnt hierzulande – mal fordernd, mal gönnerhaft – zu herrschen. Dass sich das an diesem Tag ändern würde, ahnte selbst er nicht. Nicht bis zu seinem offiziellen Empfang durch den Herrn des Hauses Urbet-Marvinko ...

Einer Statue gleich saß Traviano von Urbet am anderen Ende der Sala Argenta, als der Graf unter Jubel und Beifall von Alliierten und Honoratioren Urbasis den erst vor einem halben Jahr restaurierten Raum (siehe BB#29) betrat. Auf ein Zeichen der Ehrerbietung durch das Oberhaupt der Nebenlinie wartete Croenar aber vergeblich – und als dies auch dem Letzten im Saal klar wurde, kehrte eine bedrückende Stille ein. Dann trat Comtessa Udora vor, Tante Travianos und bis vor kurzem Erbseneschallya zu Silas, deren Sohn Gonzalo nach dem frühen Rückzug Croenars in der Schlacht von Castarosa fiel. Lächelnd schien der Graf die alte Bekannte begrüßen zu wollen, als diese ihm die Hand mitten ins Gesicht schlug!

Die Begleiter Croenars zückten nun sofort ihre Waffen, wollten die Adlige wohlmöglich gleich erschlagen, bevor die Getreuen Travianos ihnen zuvorkamen und die Comtessa aus der Mitte des Saales fortbrachten. Dann trat endlich Traviano selbst vor, fixierte den Grafen mit beinahe gelangweilt erscheinendem Blick und sprach wie beiläufig: "Es tut uns leid, werter Vetter, aber zu eurem Gefolge können wir uns nicht mehr zählen. Von nun an werdet ihr nur noch unter uns oder an unserer Seite kämpfen ..." Was danach gesagt wurde, ist leider nicht mehr herauszufinden gewesen, da das weitere Gespräch zwischen Graf und Gransignore im aufkommenden Lärm der teils entrüsteten, teils nur überraschten Zuschauer unterging. Croenar verließ die Stadt wenig später mit seinen engsten Getreuen.

Armin Bundt