Briefspiel:Im Auge des Chaos/Shihayazad
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5. Namenloser - Shihayazad
Ein Licht an dunklen Tagen
In der Ruine war es kalt und muffig riechender Wind pfiff durch die Überreste. Sie hatten lange gewartet und mit der Zeit fielen allen die Augen zu. Einzig die beiden Bewaffneten hielten ihre Stellung und beobachteten die Umgebung.
So fiel ihnen auf, dass, nachdem ein weiterer Söldner erschien, in den Reihen der Rondrikan-Löwen eine gewisse Unruhe entstand. Ein Zwiegespräch schien zu beginnen. Letzten Endes verließen die Wachen ihren Posten und ließen die Ruinen unbewacht zurück. Die Bewaffneten nickten sich zu. Einer ging auf die Frauen zu und berührte Avedane saba Festina sanft an der Schulter. “Gelehrte Dame, die Wachen……die Wachen sind fort. Wir sollten diese Gelegenheit nutzen und gehen, wo auch immer euer nächstes Ziel ist.” Die Maga nickte und schickte den Mann mit der Weisung weiterhin wachsam zu sein zurück auf seinen Posten, dann wandte sie sich den anderen beiden Signoras zu, die durch das Gespräch Avedanes mit dem Bediensteten nun ebenfalls wieder völlig wach waren: “Irgendetwas muss geschehen sein, die Wachen wurden abgezogen. Wir sind jetzt die Einzigen, die sich in und um die Ruine aufhalten.” Ihr Blick wanderte von der Maga zur Geweihten und zurück. “Was ist unser Plan, wenn diese Kreatur, von der wir annehmen, sie sei ein Dämon zurückkehrt? Ich kann ein paar Ratten, die es hier ja zu genüge gibt und dem Charakter dieser Kerle entsprechen, als Rondrikan-Löwen erscheinen lassen. Dadurch stehen die Chancen ganz gut, dass das Wesen die Trugbilder nicht gleich als solche erkennt und sich für einige Augenblicke ablenken lässt, aber dann sollten wir einen handfesten Plan haben. Ich habe die Befürchtung, dass ein paar Blitze und Feuerbälle ebenfalls maximal zur Ablenkung taugen und dieses Ding nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen werden.” Fragend blickte sie ihre Gefährtinnen an.
“Ich glaube gelesen zu haben das Zauber aus der Magica Phantasmagorica sind gegen solche Wesenheiten wirkungslos, wogegen Blitze und Feuerbälle Wirkung erzielen können. Auf der anderen Seite, war dieses Ding im Tempel der Rahja gebannt und vielleicht können uns ihre Geweihten helfen. Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert.” Tharinda della Pena wandte sich an die Bewaffneten. “Bringt uns zum Palazzo ya Pirras. Wir müssen den Bruder meines Dienstherrn über die Lage Bericht erstatten.” Aber ihre Begleiter schauten an ihnen vorbei. Nackte Füße erklangen auf dem Marmor. Hinkende Schritte, die sich ihnen näherten. Sie wandten sich um und sahen eine Gestalt auf sich zukommen. Eine Frau, nackt, schwarze, verbrannte Stellen wie eingeschnittene Furchen, auf der Haut verteilt, auf einem Auge blind. Trotz der Entstellungen, strahlte dieses Wesen eine kalte Faszination aus. Sie verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Die Haut am rechten Wundwinkel riss und entblößte weiße Zähne.
In dem Beutel der Praios-Geweihten fing etwas an zu pulsieren. Nevinia ergriff hin und ja, da war es das Ding, das sie unter dem Rahjatempel hervorgeholt hatte. Es pochte regelrecht und hatte sich erwärmt. Eine kratzende Stimme dröhnte in den Köpfen der Frauen. “Ihr…..ihr habt etwas……von mir…..gebt es her…” Es schritt weiter auf sie zu und in Höhe des Bauchnabels öffnete sich ein Maul. Ebenso hörte man ein Rascheln und oberhalb der Schultern zeigten sich die Spitzen von Flügeln. “Gebt es mir….” “Ich schlage vor ihr wirkt euren Zauber, Maga und wenn ihr eure Blitze und Feuerbälle werft, wäre es vielleicht sinnvoll, sie auf das letzte Auge zu konzentrieren.” Nevinia trat für jeden Schritt, den das Ding tat, einen zurück.
Zugegeben Feuerbälle und Blitze waren nicht unbedingt Avedanes Spezialgebiet, aber den ein oder anderen wirksamen Feuerball hatte sie in ihrem Leben bereits gewirkt. So konzentrierte sich die Tulamidin und schickte einen um den anderen Feuerball. Der Erste aus ihrem Stab traf das Maul in Höhe des Bauchnabels, der nächste traf den Kopf. Bei einem Menschen wäre eines dieser magischen Geschosse bereits tödlich gewesen, aber bei diesem Wesen? Dieses heulte auf. Ein Geruch nach verbranntem Fleisch erfüllte die Ruine. Die Haare fingen Feuer, das Maul zog sich wieder zurück und hinterließ eine rötlich schwarz verbrannte Stelle. Ein Schrei löste sich aus dem Mund der Kreatur, und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit stürmte sie auf die Gruppe zu. Tharinda klopfte mit ihrem Stab auf den Boden und das Wesen prallte gegen eine unsichtbare Wand, nein, eine Kuppel. Das Wesen schlug mit seinen Fäusten dagegen, Tentakel fuhren aus dem Körper und klatschen darauf ein. Aber sie waren geschützt. Noch. “Ich kann nicht sagen, wie lange sie halten wird. Wir sollten beten.”
Die Schläge wurden immer schneller und unkontrollierter. Blanker Hass war in dem verbliebenen Auge zu sehen und Lust. Lust auf den Schmerz, den dieses Wesen erfuhr, wenn eine Faust oder ein Tentakel die Kuppel traf. Kleine Risse, wie auf Glas, entstanden. “Es wird nicht mehr lange halten.”, schrie Tharinda. “Macht etwas.” Mit einem triumphalen Brüllen, hob das Wesen die Faust und verharrte. Ein Ast aus Holz begann sich in rasender Geschwindigkeit um das Handgelenk zu wickeln, ein weiterer um den Hals und wieder einer um den Oberkörper. Erschrecken zeigte sich auf dem entstellten Gesicht und die Äste begannen, das Wesen von der Kuppel wegzuzerren. Es begann zu heulen, zu zetern, aber es half nicht. Der Strauch des Tempels wickelte mehr und mehr Äste um die Gestalt, bis sie nicht mehr zu sehen war.
Dann war es ruhig. Eine gespenstische Stille. Die Kuppel hatte sich aufgelöst und die beiden Magas schritten zusammen mit der Geweihten auf das Astgebilde zu. Keine Bewegung, keine Geräusche, nichts. Vorsichtig streckte Avedane ihren Stab aus und berührte mit der Spitze einen der Äste. Dieser begann sich zu verfärben. Er wurde grau und zerfiel zusehens. Dies zog sich durch die anderen Äste fort. Nach und nach zerfiel alles und zurück blieb nur ein großer Haufen Asche.
"War das eine von euch?” fagte die Praiotin. “Nein. Nein. Dies lag nicht an mir.”, antwortete Tharinda. Gehetzt schaute sie sich um. Inzwischen war das Leben in die bewaffneten Begleiter der drei ungleichen Dämonenbezwingerinnen zurückgekehrt und sie traten neben Tharinda. “Signora, wollt ihr noch zum Palazzo ya Pirras?” Der Blick des Sprechers war allerdings noch immer starr auf das Aschehäufchen gerichtet. Von einem Mann dahinter kam ein fassungsloses: “Was war das?” “Nein, ihr Narren, wir gehen nicht zum Palazzo, denn diese Wesenheit wird hier noch irgendwo sein.”, keifte die Magierin beide Begleiter an, um dann direkt zu dem Loch im Boden zu laufen.
Avedane blickte zur Praiotin: “Ich wünschte, ich könnte behaupten etwas…” Sie deutete auf die Asche. ”.... damit zu tun zu haben!” Tharinda kniete sich vor die Öffnung und lauschte. Ihre Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Sie murmelte etwas und schaute dann zu Avedane. “Kreide, wir brauchen Kreide. Dieses Ding ist dort unten. Wir müssen es bannen. Mit einem Bannkreis, wie gelesen. Und holt die Geweihten dieses ehemaligen Tempels. Wir müssen alles versuchen. Arkane Kraft und tiefen Glauben.”
Die Praiotin reichte ihr ein Stück gelbe Kreide. “Das ihr mir damit aber nur Bannkreise malt, das ist gesegnete Kreide, die ich bei meinem letzten Besuch in Gareth, von einem Akoluthen des 3. Ranges des Ordens der sonnenhellen Tränen Praios über das dahinscheiden Dexter Nemrods, persönlich überreicht bekommen habe und gebt mir die Reste wieder.
Es endet vor dem Gerbertor
Beide Tore der Gerberstadt waren nun also in den Händen der Gerberstädter. Glücklicherweise hielt sich der Blutzoll bislang im Rahmen, auch wenn von den Verletzten noch zwei ihren Wunden erlegen waren und sich so die Zahl der Toten auf elf erhöht hatte. Nur die Götter alleine wussten, ob es so bleiben und ob ihr Kampf von Erfolg gekrönt sein würde.
Vereinzelt stiegen Rauchsäulen in der Stadt empor, leider ein gewohnter Anblick in den letzten Tagen. Doch heute nährten sie die Hoffnung, dass es Zeichen des Widerstandes waren und sich auch in den anderen Stadtteilen die aufrechten Bürgerinnen und Bürger erhoben hatten.
Knapp drei Stunden waren vergangen, als ein Hornsignal vom Firunstor zum Gerbertor drang, es war soweit, der Feind rückte an, um die Ordnung wiederherzustellen.
Fraglich blieb, ob auch die Besetzer des Gerbertores seitlich über die Stadtmauer bedrängt werden würden.
Zuerst blieb die Situation relativ harmlos, aus sicherer Entfernung nahmen Armbruster die Männer und Frauen auf der Mauer unter Beschuss. Die Verteidiger verfügten lediglich über Kurzbögen und waren zum Abwarten verdammt. Immer wieder zischte ein Bolzen zwischen den Zinnen hindurch oder knapp über sie hinweg, in der Hoffnung, ein unvorsichtiges Opfer zu finden und die Verteidiger zu zermürben.
Am Gerbertor hingegen blieb alles ruhig.
Dann ein erneutes Signal vom Firunstor, die Rondrikan-Löwen änderten ihre Strategie. Kleine Trupps mit langen Leitern, gedeckt von Schilden und nun intensivem Beschuss der Armbruster liefen auf die Mauer zu.
Für die Verteidiger war es äußerst gefährlich, sich aus der Deckung zu wagen, um einen gezielten Schuss auf die Angreifer zu versuchen. Ein Schütze bezahlte den Versuch mit seinem Leben. Sandro Albatre holte die Schützen von der Mauer und ließ sie in zwei Reihen vor dem Tor Aufstellung nehmen. Auf sein Kommando schossen die Frauen und Männer mit ihren Kurzbögen im hohen Bogen über das Tor. Natürlich trafen deutlich weniger Pfeile und ihre Wirkung war nicht so groß wie bei einem gezielten Schuß, aber einige Pfeile fanden doch ihr Ziel und schwächten den Angriff etwas ab.
Der betagte Meister der Kanalinstandhaltung löste die drei besten Schützen heraus und ließ sie mit etwas mehr Abstand zum Tor erneut Stellung beziehen. Sie sollten die Männer und Frauen mit den Nahkampfwaffen auf der Mauer unterstützen und die Feinde, welche über die Mauern gelangten, gezielt unter Beschuss nehmen.
Die ersten Leitern wurden angestellt und die Verteidiger versuchten diese mit langen Stangen wieder umzukippen.
Vereinzelt gelang es, manch einer vernachlässigte dabei seine Deckung und wurde von einem Armbrustbolzen niedergestreckt. Die ersten Angreifer gelangten über die Mauer und wurden von Pfeilen, Speeren, Kurzschwertern und Äxten empfangen. Nun zeigte sich die eigentliche Schwäche der Widerständler, die fehlende Rüstung, die schlechte Bewaffnung und die Tatsache, dass die wenigsten von ihnen im Umgang mit Waffen geübt waren.
Die Rondrikan-Löwen trugen Rüstung, waren besser bewaffnet und verfügten über eine solide Kampfausbildung, teilweise bereits über Schlachterfahrung, was ihre zahlenmäßige Unterlegenheit durchaus ausglich. Da ein Angriff auf das Gerbertor ausblieb, schickte Kilian Gerber einen Teil seiner Leute zum Firunstor, um die Verteidigung dort zu verstärken. Auch die Armbruster änderten ihre Taktik und schossen nun ihrerseits im hohen Bogen über die Mauer. Glücklicherweise waren es nur eine Handvoll, dennoch fand ein um den anderen Bolzen sein Ziel. Sandro peitschte seine Leute mit Rufen wie:
“Kämpft um das Leben eurer Kinder!”
“Vorwärts! Zu viele unserer Freunde sind gestorben, ihr Opfer darf nicht umsonst gewesen sein!”
“Das sind keine Löwen, das sind tollwütige Hunde! Erschlagt sie!”
Doch dem alten Haudegen war inzwischen längst klar, wenn nicht bald etwas geschah, würden sie das Tor aufgeben und versuchen müssen, zum Gerbertor oder zumindest bis zum Alchemielabor zurückzuweichen.
Das Alchemielabor glich einer Festung, dort waren die Alten, Kranken und kleinen Kinder in Sicherheit gebracht worden, die größeren Kinder und die übrigen Einwohner der Gerberstadt waren in die Kanalisation geflohen. Ihnen drohte dort unten zumindest unmittelbar keine Gefahr. Die meisten Bogenschützen waren inzwischen auch in den Nahkampf übergegangen, die übrigen hatten sich verteilt, um nicht zu leicht Opfer der Salven der Armbruster zu werden, während sie weiterhin die Feinde auf dem Wehrgang des Tores beschossen.
Serafanos hatte sich im großen Plenarsaal des Senats auf den Adlatus im Zentrum gesetzt, von runden, abwärts führenden Treppen umgeben. An den Stufen um ihn herum die leeren Sitze und Bänke, die normalerweise von Senatoren und Saaldienern besetzt waren. Heute war hier niemand. Er war alleine, sah man von einigen Gardisten ab, die die halbrunden Sitzungsstufen hinauf, hinter einigen Marmorsäulen im Schatten standen und kommentarlos und mit stoischem Gesichtsausdruck über den Sohn des Hauses Thirindar wachten. Für sie hatte der Lockenkopf keine Beachtung. Etwas verträumt blickte er zur großen Kuppel aus grünem Glas an der Decke, die wie gewohnt das Licht in diverse Grüntöne brach und über besagte leere Plätze, vor allem aber über ihm selbst verteilte. Manchmal brach das Licht kurz, wenn immer ein Vogel oder ähnliches über die Kuppel flog. Und da das Licht der Glaskuppel immer noch von der an diesem Tag nur spärlich scheinenden Praiosscheibe abhängig war, sorgten Kerzenständer und Fackelhalter an den Marmorsäulen oberhalb der halbrunden Treppen für zusätzlich wärmendes Licht. Die Feuer jener Kerzen und Fackeln flackern sanft vor sich hin. Sie waren der Hauptgrund, warum die Gardisten an der Wand des Plenarsaals so im Schatten standen. Doch sie sahen trotzdem sehr gut, wie Serafanos in seinen Gedanken offensichtlich gerade eine Senatssitzung nach spielte. Denn er stand schwungvoll vom Rednerpult auf und schien gerade eine Rede zu halten, die er mit den Armen gestenreich zu unterstützen wusste. Irgendwann mischten sich auch Worte seiner Rede in ausgesprochener Form hinzu. “Wohlgesprochen, Baron. Ich akzeptiere eure Entscheidung und nehme die Wahl zum “Senator Unicus” an. Von nun an soll einzig ein Senator und nur ein Senator über die Geschicke dieser Stadt wachen! Und dieser werde ich sein, Serafanos Thirindar, in der Gnade des Barons von Efferdas und mit dem Seekönig Haridiyon zum Vorbilde. Mit mir beginnt ein Zeitalter in Gold und Purpur und diese Tage werden gefeiert und gefürchtet zugleich, so wie es dem goldenen Gotte gefällt!”
Ein Windzug ließ die Fackeln und Kerzen im Saal tanzen, jemand hatte offensichtlich ein Fenster aufgemacht. Zwei Männer betraten den Senatssaal, einer von Ihnen ein Mann mit wildem Oberlippen und Kinnbart, der andere ein Rahjageweihter, dessen Ornat schon bessere Tage erlebt hatte. Die Gardisten schienen die beiden als Gefährten des Senhor Serafanos zu erkennen und bewegten sich kein Mü von ihrem Posten. Auch der Thirindar schien die beiden zu kennen und unterbrach seine Rede. “Senhor Rondrigo, Euer Gnaden Therengar. Ihr blickt… ernst drein?”
Rondrigo D’Oro blickte in der Tat finster. “Ja, wir kommen mit sehr schlechten Nachrichten. Wir müssen gehen. Sofort.” “Gehen? Wohin?” Serafanos wirkte nicht, als wäre er jetzt sonderlich klüger. “Es gibt Nachrichten vom grünen Tor. Dort fielen dutzende von Spukgestalten in der Stadt hinein und unter den Wachen dort brach Angst und Panik aus. Im Zuge dessen gelang es einigen Efferdasi, die Senatoren aus der Kaserne zu befreien.” “WAAAS?” Das waren in der Tat schlechte Nachrichten für Serafanos. “Wir müssen die Senatoren sofort wieder einfangen, bevor sie untertauchen! Entsendet euren Vater, Giacomo soll sich persönlich darum kümmern!” “Das… hat er bereits. Er… ist tot. Er wurde von Erdano ya Pirras im Zweikampf erschlagen, als er versuchte, den Fluchtversuch zu vereiteln.” ließ auch der Rahjageweihte die schlechten Nachrichten nicht abebben. In Serafanos Stimme wuchs latente Panik heran… “Ausgerechnet ein ya Pirras. Diese faulen Birnen hätten froh sein sollen, wenn man ihnen zu alter Macht verhilft und nun lassen sie so etwas zu.” Hektisch drehte er sich ziellos links wie rechts herum, als würde er irgend einen Gegenstand suchen, der aber nicht da war. Das war wohl Ausdruck seiner Gedanken, die nach einer Lösung suchen. “Wir brauchen diese Senatoren. Ohne diese Geiseln fällt der ganze Plan in sich zusammen. Rodrigo, ihr seid nun das Oberhaupt der Rondrikan-Löwen. Geht raus und findet diese Senatoren, bevor es zu spät ist. Sie werden bestimmt in irgend ein Haus geflüchtet sein. Wir müssen die ganzen Villen in der Region durchkämmen. Jedes einzelne. Und das schnell. Am besten packt ihr euch ein paar Fackeln und macht… ” “Ich befürchte, dafür ist es zu spät.” unterbrach Rondrigo den Zyklopäer. “Erst dieser fliegende Dämon, dann diese Geister… die meisten unserer Leute sind völlig durch. Die Senatoren werden sicher in die Grotten unter der Stadt geflüchtet sein. Da finden wir sie nie. Senhor Thirindar, ich sag es ungern, aber ich befürchte, es ist vorbei. Wir sollten lieber fliehen und uns neu aufstellen, für bessere Tage…”
Rondrigo sprach die ungewollte Realität schonungslos aus. Ohne den Senatoren erfolgreich einen Prozess zu machen und sie wegen Hochverrates zu beseitigen, war der Plan der Herrschaft nicht mehr durchführbar. Serafanos raufte sich das krausige Haar und pilgerte im Redebereich des Senatsplenums herum. “Nein…. nein… wir können nicht aufgeben. Wir müssen die Senatoren einfach finden... Wir sind zu weit gekommen.” Therengar trat an den jungen Thirindar heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Senhor D’Oro hat recht. Wir können jetzt noch fliehen und in Ruhe einen neuen Versuch planen. Der Versuch war gut, vieles lief richtig. Dass sich auf einmal Kreaturen aus Anderswelten sammeln und gegen uns stellen, damit war einfach nicht zu rechnen. Das war einfach Pech.” Therengar schien nicht die richtigen Worte gefunden zu haben, denn auf einmal hielt Serafanos hinne und blickte den Rahjageweihten mit wütenden Augen an. “Pech? PECH?” Er griff in Windeseile an seinen Gürtel und zückte einen Dolch, den er dem Geweihten an die Kehle hielt. “Das ist schlicht und ergreifend deine Schuld. Du wolltest ja unbedingt den Rahjatempel niederbrennen. Schau nur, was du dadurch entfacht hast. Schau nur, was du damit angerichtet hast.” brüllte er ihn an. Therengar versuchte dem Dolch an seiner Kehle nach hinten zu entweichen, doch Serafanos Griff an dessen Gewand war fest und so war kein Entkommen möglich. Seine Augen weiteten sich vor Schreck. “Serafanos, bitte. Tut nichts Unüberlegtes. Dass sich unter dem Rahjatempel alte, niederhöllische Schrecken befinden, konnte doch wirklich niemand ahnen.” “Du hast dich von deinem Verlangen treiben lassen, statt richtig zu forschen und nichts dem Zufall zu überlassen. Das war keine Überraschung, das war Inkompetenz. Und die hat uns alles gekostet. Ich werde das nicht akzeptieren…” zichte ihn Serafanos an und wollte schon ihm die Kehle aufschlitzen, da fuhr neben ihm, am Adlatus aus dem Boden auf einmal eine durchscheinende Spukgestalt. Sie war wie weißer Rauch, nur schemenhaft zu erkennen, doch sie schien eine Toga zu tragen. Erschreckt fuhr Serafanos zurück und blickte auf den Spuk. “Was…”
Links wie rechts traten aus den Wänden auf einmal weitere Spukgestalten. Sie alle waberten in menschenähnlicher Form in Richtung der Treppen, als wollten sie ihre Plätze im Senat einnehmen. Die Gardisten an den Wänden war dies offensichtlich nicht geheuer. Panisch warfen sie ihre Speere und Schilde zu Boden und rannten aus dem Plenarsaal. Auch Rondrigo und Therengar gingen ein paar Schritte zurück und betrachteten die Geister. Die Szenerie wirkte wie ein Standgericht. Der Geist am Adlatus bewegte sich langsam, es wirkte wie Armbewegungen und irgendwann konnte man meinen, dass der Geist mit ausgestrecktem Finger auf Serafanos zeigte. Die anderen Geister hatten alle auf den Bänken und Sitzen auf den Stufen des Saals Platz genommen. Es wirkte, als würde jeder von ihnen einen Chiton oder eine Toga tragen. Und es wurden immer mehr Geister, der Schwung an Spuken, die durch die Wände waberten, schien kein Ende zu nehmen. Was sie alle gemein hatten, waren rote Augen, die wie Rubine nun den Senat durchdrang. Grünes Licht brach vom Kuppeldach auf die Wesen und ließ sie so erscheinen als Gestalten aus reinem Gwen-Petrylsstaub. Bald schon erhob sich einer der Geister auf einem der Stühle und streckte ebenso seinen Arm aus. Es wirkte, als würde er dem Zyklopäer einen Daumen entgegen hielt, der nach oben zeigte. Bald tat es ihm ein zweiter nach, ein dritter und nach kurzer Zeit war es ein jeder Geist, der gegenüber Serafanos eine klare Meinung vertrat. Der erhobene Daumen symbolisierte das erhobene Schwert. Ein Zeichen der Soldaten und Senatoren in dunkler Zeit, wo das Leben eines anderen nur errettet werden konnte, wenn der Daumen nach unten ging und das Stecken des Schwertes in die Schwertscheide damit symbolisiert wurde. In diesem Fall schienen die Geister keine Gnade zu kennen. Serafanos spürte einen stechenden Schmerz in der Brust. Umgehend brach er auf seine Knie. Sich das Herz haltend, blickte er auf den Geist am Adlatus auf. “Aber… ich bin doch auf eurer Seite? Euer treuer Diener…” faselte er, offensichtlich verstand er die Welt nicht mehr. Therengar ging sofort auf Serafanos zu und zog ihn hoch. “Kommt, Serafanos. Wir müssen weg von hier. Weg aus dieser Stadt. Jetzt. Deutlicher werden die Zeichen nicht mehr.”
Serafanos blickte auf Therengar, dann auf den Geist vor sich, der scheinbar nun begann, langsam auf ihn zuzugehen und mit beiden Armen nach seinem Kopf zu greifen. Ja, die Zeit der Flucht war in der Tat gekommen. Schnell ließ er sich vom Rahjageweihten hoch ziehen. “Nichts wie weg hier…” Dann nahmen sie alle drei die Beine in die Hand und rannten Richtung Ausgang. Träge folgten die Arme der Geister im Senat den Flüchtenden, als wollten sie ein letztes Mal nach ihnen greifen, doch es war nicht schwer, den durchscheinenden Spuken zu entkommen.
Draußen angekommen sahen sie, wie noch mehr Soldaten der Rondrikan-Löwen auf ihren Anführer gewartet haben, sie alle sahen sich umgeben von weiteren Geistern, die alle Richtung Senat waberten. Ein jeder blickte sich unsicher um, nicht verstehend, was hier gerade vor sich ging. Wann immer zudem ein Geist Serafanos gewahr wurde, steckten auch diese den Arm aus und streckten ihm den erhobenen Daumen entgegen. Serafanos wendete sich wieder an Rondrigo D’oro. “An welchem Tor sind keine Geister anzutreffen?” “Das Firunstor. Aber da sind einige Efferdasi aus dem Gerberviertel dazwischen. Die konnten wir bisher noch nicht ausreichend aufmischen.” “Wir müssen durch dieses Tor. Ab sofort werdet ihr jeden töten, der sich uns in den Weg stellt. Es darf keiner mehr Gnade zeigen. Es kann nur noch ein Ziel geben, nämlich uns durch dieses Tor zu bringen. Alles andere ist Sekundär. Bekommt ihr das euren Mannen beigebracht?” Rondrigo nickte. “Keine Sorge. Die meisten meiner Mannen haben lange genug nur mit Knüppeln gearbeitet. Gerade jetzt werden sie glücklich sein, etwas härtere Methoden anzuwenden. Das bekomme ich ihnen verkauft.” “Sehr gut. Als zusätzliche Motivation lasst uns vorab noch einmal zum Stadtpalazzo gehen. Wir nehmen die komplette, verbliebene Kasse mit und versprechen deinen Mannen ein ordentliches Kopfgeld. Ich erwarte, dass wir an der Quarto Pecora über Leichen zum Tor an der Abdeckerei schreiten können.” noch einmal blickte Serafanos zurück zum Senat, wo ihm inzwischen ein Heer an Geisterdaumen entgegen fuhr. Der Zyklopäer spuckte ihnen entgegen. “Die Geister, die ich eurem Senat nun hinzufügen werde, gehen auf eure Kappe. Ich komme wieder.” rief er ihnen entgegen, dann folgte er dem letzten Haufen der Rondrikan-Löwen, welche nun zunächst die Stadtkasse restlos plündern würden und dann blutige Ernte im Gerberviertel halten würden, würde sich nicht dort ein Wunder einstellen.
Der Druck war zu groß, immer mehr Rondrikan-Löwen, die immer aggressiver kämpften drängten über die Mauer! “RÜCKZUG! RÜCKZUG!” Sandro Albatre könnte es beim besten Willen nicht mehr verantworten, noch länger zu warten. Schon zu viele Frauen und Männer lagen vor, auf und hinter dem Firunstor. Sie brauchten jetzt wirklich ein Wunder oder kaum jemand aus der Gerberstadt würde das Madamal lebend erblicken. “Die Bogenschützen zum Labor! Seht zu, dass ihr aus dem obersten Stockwerk noch ein paar dieser Namenlos-Löwen in die Niederhöllen schickt!” Die vier verbliebenen Bogenschützen eilten zum Labor. Die Gerberstädter hatten einen kleinen Vorsprung, da die meisten ihrer Gegner sich nach dem Abstieg von der Mauer an das Beseitigen der Barrikaden am Tor machten, um es für die davor Wartenden öffnen zu können. Die Nahkämpfer folgten den Bogenschützen, um ihren Rückzug zu decken. Der Weg zum Labor bot außerdem den Vorteil, nicht mehr im Schussfeld der Armbruster zu sein. Endlich waren die Bogenschützen in dem gut befestigten Alchemielabor verschwunden und die schwere Eingangstür wieder verriegelt, da hatten die Nahkämpfer auch schon Aufstellung vor der Färberei genommen, gut sichtbar für jeden der die Straße hoch blickte. Erste Rondrikan-Löwen stürmten in Richtung des Gerbertores. Dann wurde jemand auf die Gruppe Bewaffneter aufmerksam, doch auch das führte nicht zum gewünschten Ergebnis, die Rondrikan-Löwen kannten nur ein Ziel, das äußere Stadttor. Da wurde es Sandro Albatre schlagartig bewusst, ihren Gegnern ging es nicht mehr darum, den Aufstand niederzuschlagen, sie wollten lediglich aus der Stadt. Er gab seinen Leuten das Zeichen zum Aufbruch. Zwischen dem Haus der Kanal- und Stadtreinigung und der Gerberei hindurch, an der Markthalle entlang und bei der Abdeckerei auf die Hauptstraße und mittenrein in einen Schwung Rondrikan-Löwen. Nur eher widerwillig wich ein Teil der Söldner vom Hauptstrom Richtung Stadtausgang ab und attackierte die Aufständischen, die sich schnell wieder in die Seitenstraße zurückgezogen hatten. Aber sie kamen, mehr als Sandro lieb war. Mit etwas Glück würden sie wenigstens einen schnellen Tod finden. Bevor sich der Meister der Kanalinstandhaltung in den Kampf stürzte, warf er noch einen kurzen Blick zum Gerbertor. Dort tobte bereits ein erbarmungsloser Kampf. Soweit er sehen konnte gab es auf beiden Seiten viele Verluste. Die Gerberstädter um Kilian Gerber hatten sich auf die Mauer und in den Turm zurückgezogen und kämpften von dort gegen den, in allen Belangen überlegenen Gegner. Oben vom Turm schoss der Turm- und Uhrenwärter, Rabagasch, Sohn des Radebrum mit seiner schweren Armbrust auf den Feind. Von der Mauer schossen die Bogenschützen hinter eilig aufgebauten Deckungen hervor und vereinzelt schütteten die Verteidiger ätzende Lauge aus Eimern hinab. Aber immer wieder fand ein Armbrustbolzen der Söldner ein Ziel, so dass die Zahl der Toten und Verwundeten rasch stieg. Kilian Gerber glaubte Serafanos Thirindar und Rondrigo d‘Oro in einem Pulk Rondrikan-Löwen ausgemacht zu haben. Sein linker Arm hing schlaff herunter, im Schultergelenk steckte ein Armbrustbolzen. Vor den Toren zog die Reiterei der Belagerer auf. Kilian hatte Weisung gegeben, nur die Feinde innerhalb der Stadt zu bekämpfen. Ein bisschen war die Hoffnung dabei, dass der Feind von Außen, wenn er keine Verluste erlitten hatte auch gegenüber der Bevölkerung der Stadt keine Grausamkeiten verüben würde. Für die, die bewaffneten Widerstand geleistet hatten würde der Tag wohl eh in Borons Hallen enden. Die Feinde waren bereits dabei, das Tor zu öffnen. Kilian beschloss, es sollte schnell gehen, sterben würden sie ja sowieso. Also sammelte er die verbliebenen Kämpferinnen und Kämpfer im Turm. “Ich bin kein Krieger oder Cavaliere, so wie ihr keine Soldaten seid!” Doch ihr habt tapfer gekämpft und euer Bestes gegeben. Leider war die Übermacht zu groß! Ihr habt euch nicht gebeugt und die Freiheit der Republik verteidigt, darauf könnt ihr stolz sein. Ich möchte nicht von einem Thirindar oder d’Oro in einem Schauprozess des Verrats beschuldigt und zu deren Ergötzen aufgehängt oder enthauptet werden, lieber sterbe ich jetzt und heute kämpfend und ich hoffe, ihr steht an meiner Seite!“ Zustimmung und erste „Für die Gerberstadt, für die Republik!“ erklangen. “Dann lasst uns jetzt da raus gehen und so viele dieser tollwütigen Kampfhunde des d’Oro erschlagen, wie wir können, bevor uns Golgari übers Nirgendmeer bringt.” Mit einem letzten “Für Efferdas!” öffnete Kilian das kleine Tor und die stürmten hinaus in den Kampf.
Ja, das Tor hatte sich nach einem sehr einseitigen Kampf für die Bande der Urspurpatoren geöffnet und draußen trafen sie auf den verbündeten Trupp des Tarquinio della Pena. Das Banner der Söldner flatterte mit sechs silbernen, zum Rad angeordneten Piken auf rotem Grund im Wind. Yaquirtaler Pikeniere, die Tarquinio angeworben hatte, nachdem er einen lukrativen Vertrag mit den D’Oros und Serafanos Thirindar abgeschlossen hatte. Sie hatten bisher ihre Aufgabe hervorragend erfüllt. Nicht eine Brieftaube hatte ihren Weg in die Ferne gefunden, geschweige denn Botenreiter oder andere Flüchtlinge. Serafanos atmete auf, seine Körperhaltung lockerte sich. Jetzt, da sein Plan, die Geschicke der Stadt zu übernehmen, so bitter gescheitert war, war wenigstens die Flucht gelungen und er konnte einen neuen Plan generieren, um die Stadt doch noch dem Seekönig zu übergeben. Kurze Zeit blickte er zurück. Auf Efferdas, auf das hinter sich wieder geschlossene Stadttor, auf das, was von den Rondrikan-Löwen noch übrig geblieben war. Noch einmal fluchte er auf Thenengar und seine dumme Idee, den Rahjatempel nieder zu brennen. Diese Entscheidung hatte einen erheblichen Blutzoll gekostet, der so wahrlich nicht eingerechnet war. Immerhin, diesen Fehler konnte man kaum ein zweites Mal begehen. Sein Blick ging nun sein Pferd hinab, auf die mit Gold prall gefüllten Satteltaschen. Natürlich, das war kein Vergleich zu den Möglichkeiten einer prosperierenden Stadtkasse, aber diese sogenannten Slin-Dukaten würden für den Neuaufbau sicher helfen. Und wer wusste schon, wie viel Schaden dieses geflügelte Dämonenwesen noch anrichten konnte. Vielleicht kam er schneller als erwartet zurück. Sein Blick ging nun also wieder nach vorne. Er sah, dass Rodrigo D’Oro bereits nach vorne geritten war, um mit einer Offizierin der Yaquirtaler Pikeniere zu sprechen. Schnell schloss er auf und hörte schon, wie die beiden sich unterhielten. “Wir sind Rodrigo D’Oro und Serafanos Thirindar. Wir sind eure Auftraggeber. Natürlich dürft ihr uns durchlassen, wenn wir das verlangen.” schien der neue Herr der Rondrikan-Löwen gerade nicht sehr gut gelaunt. Serafanos war seine Verwunderung anzusehen. “Was ist hier los?” erkundigte sich sogleich. “Das ist Ovarka Vanzoli, Condottiera der roten Kompanie. Sie scheint ihren Auftrag etwas zu genau zu nehmen und will uns nicht durchlassen. Signora, dies ist Serafanos Thirindar, Senator Unicus in spe zu Efferdas. Euer Auftraggeber. Reicht euch seine Anwesenheit nicht, um uns nun durchzulassen?” “Ist er das?” zichte Ovarka scharf. “Das letzte Mal, als ich in meinen Söldlingsvertrag blickte, stand dort noch Tarquinio della Pena als Auftraggeber für unsere kleine Expedition hier. Und sein Auftrag war klar - lasse NIEMANDEN durch.” “Jetzt kommt doch nicht mit Vertragkleinigkeiten daher, ihr tut ja so, als wäret ihr eine Buchhalterin aus dem Sangral. Dass dieser Passus nicht für die Auftraggeber eures Auftraggebers gelten soll, ist ja wohl selbsterklärend. Jetzt tretet gefälligst aus dem Weg und lasst uns durch.” zeigte sich Rondrigo weiterhin ungehalten. Ovarka ritt direkt neben den Condottiere. “Oh, ich denke, hier geht es um etwas mehr als nur Kleinigkeiten im Vertrag. So hat mich seine Wohlgeboren della Pena noch vor fünfzehn Minuten zuletzt daran erinnert, hier bloß niemanden durchzulassen. Und wenn ihr wirklich Serafanos Thirindar seid, so bin ich in der besonderen Lage, euch noch etwas auszurichten.” In einer flüssigen Bewegung griff sie einen Dolch aus ihrem Reiterstiefel und stach ihn dem Verblüfften Rondrigo in den Hals. Völlig überrascht und entgeistert blickten sie Rondrigo D’Oros Augen an, als eine große Fontaine aus Blut ihn wie auch die Condottiera besprenkelten. Ovarka riss den Dolch wieder aus dem Hals heraus, die eilig an den Hals fahrenden Hände des Anführers der Rondrikan-Löwen konnten das unvermeidbare aber auch nicht mehr verhindern. Seine Augen brachen, ein letztes Röcheln, dann rutschte er seitwärts vom Pferd und war tot. Ovarka hingegen blickte mit strengem Blick auf Serafanos Thirindar. “Beste Grüße von Tarquinio della Pena. Er habe nicht vor, sich zum Spielball für Diener des Namenlosen machen zu lassen. Ihr seid verhaftet. Langsam trabte Serafanos rückwärts. “Ist das ein Scherz? Er hat sich schon einmal in den Dienst des Namenlosen gestellt und da hat es ihm angeblich noch gefallen.” “Welche purpurne Seele hat euch denn dieses Ammenmärchen erzählt?” grinste Ovarka, dann wendete sie sich an ihre Pikeniere hinter sich. “Kompanie, zum Angriff! Wir brauchen diesen Verräter! Lebend!” Serafanos wendete sein Pferd und gab ihm die Sporen. Als er die ersten verblüfften Soldaten erreichte, keifte er schnell erste Befehle. “Rückzug! Wir müssen zurück in die Stadt! Und haltet mir den Rücken frei!” Irritiert blickten sie zunächst auf den dann einfach weiter reitenden Stadtherren, dann wieder nach vorne, von wo die Pikeniere auch schon herangestürmt kamen. Eilig zogen sie die vorhin schon eingesteckten Schwerter wieder aus, aber die erste Reihe bereits war den Piken der Pena’schen Söldlinge hoffnungslos ausgeliefert. Die hintere Reihe der Rondrikanlöwen hatte aber schon erkannt, dass es galt, wieder in die Stadt hinein zu marschieren. Sie drehten sich um und mussten erkennen, dass das Stadttor sich von ganz alleine öffnete. Dahinter Kilian Gerber und eine Meute wirklich schlecht gelaunter efferdischer Milizen.
Der Kampf um das Gerbertor war neu entbrannt. Den Widerständlern war klar, sie mussten schnellstens das Tor öffnen, wenn sie auch nur den Hauch einer Chance haben wollten Serafanos Thirindar und Rondrigo d’Oro noch zu erwischen und einer gerechten Strafe zuzuführen. Den Rondrikan-Löwen, welche in der Stadt verblieben waren, war klar, dass sie nur eine Chance zu überleben hatten, ihre Angreifer schnellstens erschlagen und dann raus aus der Stadt. Der Vorsprung musste Serafanos und den anderen reichen. So war dieser Kampf noch einmal um einiges härter und gnadenloser als die bisherigen Kämpfe des Tages. Kilian Gerber war sich sicher, die Rondrikan-Löwen hätten ihnen den Garaus gemacht, wenn nicht Rahjácomo Gravelli mit dem Widerstand des Hafenviertels und wenig später Alrik Binder mit den Widerständlern von Sanct Parvenus aufgetaucht wären und sich mit in den Kampf geworfen hätten. Vor allem das Erscheinen Alriks, dem Helden des Delphinocco, dem besten Delphinoccospieler seiner Zeit, dem Wühler, dem als einem der wenigen das Kunststück gelang, in einem Spiel vier Renze zu erzielen. Mit solch einem Helden an der Seite wuchsen die Widerstandskämpfer über sich hinaus und rasch waren die letzten Rondrikan-Löwen niedergemacht und das Tor frei. Noch weitere Bewaffnete aus Miseria und anderen Stadtteilen kamen immer noch hinzu. Sie würden die Verantwortlichen für dieses Blutvergießen holen und die Söldner vor der Stadt taten Wohl daran, sich ihnen nicht in den Weg zu stellen. Als sich das Tor öffnete, bot sich jedoch ein überraschendes Szenario. Alrik und Kilian tauschten verwunderte Blicke ehe sie sich rasch auf die Situation einstellten. Dort war Serafanos Thirindar und wie es schien, war es ihm gelungen, sich bei den Söldnern, welche vor der Stadt gelagert hatten, ebenso unbeliebt zu machen wie bei der Bevölkerung innerhalb der Stadtmauern. Alrik und Kilian formierten in Windeseile die Leute und traten Serafanos und seinen in die Enge getriebenen Rondrikan-Löwen entgegen. Serafanos musste sich nun gut überlegen wo seine Überlebenschancen besser standen, bei den Söldnern aus Urbasi unter dem Befehl Tarquinio della Penas oder bei dem aufgebrachten Mob aus Efferdas? Kilian Gerber und Alrik Binder würden ihn am liebsten vor Gericht stellen, aber wären sie auch in der Lage, ihre Leute von dem Wunsch, Freunde und Verwandte selbst zu rächen, abzuhalten? Einige der Rondrikan-Löwen stürzten sich auf die Efferdier, rechneten sie sich doch größere Chancen aus, gegen die ungeübten Handwerker und Tagelöhner zu bestehen als gegen die Pikeniere des della Penas. Noch einmal wurde am heutigen Tag Blut vergossen, dann war es ausgestanden. Urbasi und Efferdi standen sich gegenüber. Kilian und Alrik traten auf die berittene Offizierin der Pikeniere zu, die abwartend vor ihrer Truppe auf ihrem Pferd saß. “Ich bin Signor Kilian Gerber und das Signor Alrik Binder, wie es aussieht, sind wir die Anführer der Schar Widerstandskämpfer. Ich habe nicht die Absicht Forderungen zu stellen.” Er blickte an der Offizierin vorbei zu einem Pulk Pikeniere die Serafanos im wahrsten Sinne des Wortes von seinem hohen Ross gezerrt hatten und ihm gerade Fesseln anlegten. “Aber dieser Mann dort…” Kilian zeigte auf den Zyklopäer “...ist Serafanos Thirindar und hat sich zahlreicher Verbrechen gegen Republik und Stadt Efferdas und seiner Bewohner schuldig gemacht und er gehört hier in Efferdas vor ein offizielles Gericht gestellt. Daher ersuche ich euch ihn in Gewahrsam zu nehmen, bis sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben und er ohne Gefahr für sein eigenes Leben nach Efferdossa gebracht werden kann, wo er in einer Zelle auf seine Verhandlung warten kann.”