Briefspiel:Nach der Brautschau
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Auf dem Dämonenstieg, 4. Rondra 1030 BF
Die Wimpel der Buntröcke flatterten lustig im Winde, als eine sanfte Brise von Westen aufkam und über die Köpfe der bewaffneten Reiterei hinweg brauste und durch das Sewaktal pfiff. Horasio della Pena warf einen Blick hinüber zu seinem Sohn Ronaldo Sâl. Der achtjährige Bub' saß auf einem kleineren Goldfelser, hielt die Zügel mit lockerer Hand und musterte mit gespannten Augen das Umland. Nicht ohne Wehmut blickte der Vater in das zarte Gesicht seines Sohnes. Sein Kampf um den Yaquirbruch hatte seinem Weib das Leben gekostet, seine Töchter Madalena und Rondralia waren in den Wirren des Krieges verschwunden und vermutlich inzwischen auch tot. Nur seine zwei Söhne, Romualdo und eben auch Ronaldo waren ihm nun noch geblieben. Dabei sah es lange so aus, als würde er auch Ronaldo verlieren. Der Junge war wegen eines versprochenen Traviabundes in der Obhut der Familie Romeroza gewesen, als Horasios Rivale um den Grafentitel, Rimon Sâl v. Oberfels-Phecadien diesen in seine Gewalt brachte, um ihn als Geisel zu benutzen. Auch während der Verhandlungen in Sewamund suchte Rimon Sâl den jungen Ronaldo als Faustpfand zu nutzen, doch dank einiger gewitzter Schwertgesellen war eine Befreiung seines Sohnes gelungen. Dieser Erfolg milderte den Verlauf der sonst so desaströs verlaufenen Brautschau zumindest ein wenig. Horasio war wenigstens klar, dass er nun, da seine zwei Söhne wieder bei ihm waren, mehr denn je für ihre Rechte würde eintreten müssen. Er kämpfte nicht für sich um die Grafenwürde von Bomed, sondern um ihre Zukunft. Um die Zukunft seiner Söhne.
Das zerstörte Bomed, 6. Rondra 1030 BF
"Das könnt ihr nicht machen!", erklärte Vascal ya Berîsac streng und ballte seine linke Faust zornig zur Faust, während er mit rechts die eingetroffene Nachricht aus Sewamund in Händen hielt. "Wenn ihr Bomed verlasst und an den Sewak zieht, dann zeigt ihr, dass ihr Bomed abgebt."
Der junge Graf von Bomed erhob sich von seinem Stuhl. Seine Bewegungen waren von der Eleganz eines Mannes, der die meiste Zeit seines noch jungen Lebens in strenger höfischer Ausbildung genossen hatte. Feinstes Vinsalter Tuch war in neuester Vinsalter Mode geschnitten, Ärmel und Kragen waren von teurer Drôler Spitze geziert.
"Was ist diese Stadt, was ist Bomed noch wert? Wollen wir der Region nicht etwas Ruhe gönnen?", fragte er mit ruhiger Stimme und schritt etwas durch den alten Audienzsaal des Schlosses. Mit geschickten Schritten wich er
dabei den Löchern im Marmorboden aus, die bei den Plünderungen umherziehender Mercenarios verursacht worden waren.
"Außerdem", so fuhr er fort, "haben wir nach der Hilfe unserer Sewamunder Freunde nun allerbeste Aussichten auf eine Bestätigung unseres Anspruchs durch den Landtag."
Vascal ya Berîsac, der keine Rücksicht auf den unebenen Boden nahm, folgte seinem Grafen. "Ihr dürft della Pena nicht einen einzigen Schritt weichen, er und die Bregelsaum werden jede Gelegenheit nutzen, euch euer Erbe streitig zu machen und eine Entscheidung des Landtags werden sie nur akzeptieren, so sie zu ihren Gunsten ausfällt."
Rimon Sâl drehte sich noch einmal zu seinem Feldherrn um. "Hier in Bomed verfügen wir über wenig Mittel und in Sewamund scheinen wir mehr Verbündete, vielmehr Freunde, zu finden."
Comto Berîsac schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf, ehe er schließlich den Blick seines Grafen suchte. "Geht nur. Ich bleibe. Und kämpfe."
Unterfels, an der Bishdarielsspitze, 8. Rondra 1030 BF
Der Junge warf einen Stock den Weg hinunter, auf dem sie den kleinen Hügel erklommen hatten. Grinsend verfolgte er den steilen Sturz des Holzes, das sich erst weit unten in einem Gestrüpp verfing. "Seid vorsichtig Comto Romualdo", erschall die Stimme der ihn begleitenden Söldnerin von den Buntröcken.
Mit kindlicher Stimme versicherte er ihr, dem zu folgen und wich einige Schritte zurück. Seinen Blick ließ er dabei in die Ferne schweifen, direkt über den breiten Yaquirstrom auf das gegenüberliegende Unterfels. Die geschäftigen Arbeiten in der Stadt waren schon von Weitem zu hören und an jeder Ecke sah man von hier fleißige Tagelöhner, die aus den geborstenen Verteidigungswällen der Stadt Steine schlugen und neue Häuser, Mauern und Palazzi errichteten.
"Ich wünschte, ich könnte meinen Stock über den Yaquir bis nach drüben hin werfen", sagte er, griff sich einen Stein und versuchte, diesen mit aller Kraft hinüber zu schleudern.