Archiv:Graf Croenar in Urbasi (BB 48)
Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 48, Seite 36 | ![]() |
Datiert auf: Praios 1046 BF |
Silberstadt empfängt Croenar zum ersten Besuch nach 17 Jahren mit großem Empfang
von Sinjara Acciaioli
Urbasi/Agreppara. Das neue Jahr war noch keine Woche alt, als dessen wohl wichtigste Entscheidung für die Zukunft Urbasis fiel. Mit großem Gefolge zog am 7. Praios 1046 BF, dem Horastag, Graf Croenar von Marvinko in die Silberstadt ein. Wenige werden sich nur noch erinnern: Im Praiosmond 1029 war er überhaupt das letzte Mal hier, als die Patrizier unserer Stadt ihn inmitten des Thronfolgekriegs beim Durchbruch von Urbasi aus der Umzingelung der Timoristen befreiten (und der spätere Tyrann Traviano von Urbet ihm noch am selben Abend die Gefolgschaft kündigte, vgl. BB#30). Eine ganze Generation Urbasier kannte den im nahen Marvinko residierenden Comto nur noch aus Gerüchten, Verwünschungen und Anekdoten. Seine Kinder hatten ihn in all den Jahren auch gegenüber den Amtsträgern der Fürstlichen Gemeinde stets vertreten. Sein Besuch allein war darum eine Sensation.
Doch Croenar kam aus gutem Grund: Die Verhandlungen über das Schicksal Agrepparas, im Vorjahr von der 'Kleinen Delegation' aufgenommen (BB#45), Urbasi vor eine Zerreißprobe stellend (BB#46), waren abgeschlossen. Die bisherige Vorstadt Urbasis am linken Sikramufer sollte an diesem Tag eine eigene Stadt werden! Und Zeugen dieses historischen Ereignisses gab es schon im Gefolge des Grafen zahllose, angefangen bei seiner Erbtochter Findualia, der Baronin von Marudret, über Baron Jodok von Onjaro und Comtessa Syrella, die jüngere Tochter des Marchese der Goldfelsen, bis hin zum berüchtigten Cavalliere Torreon de Torri, dem gräflichen Connetabel. Auffällig, wenn auch nicht verwunderlich, war das Fehlen des Barons vom Mardilo, Macrin vom Rauhen Berg, dessen Sohn Fevon den Feierlichkeiten als Gast der Familie ya Malachis aber beiwohnte.
Empfangen wurden sie zunächst in Agreppara von vier der sieben Priori der Gemeinde: Miguel Flaviora, Leomar della Pena, Sanjana ya Malachis und Istirde von Urbet; die dem Zeremoniell der Stadtgründung beiwohnten. Croenars Auftritt selbst, im Vorfeld Gegenstand mancher Spekulationen, sei würdevoll gewesen, beglaubigten Zeugen, wenn auch die Spuren des Alters nicht zu übersehen waren, wie jene hinzufügten, die ihn noch aus jüngeren Tagen kannten. Seine Tochter und der Connetabel, ein wahrhaft gegensätzliches Paar, waren stets an seiner Seite, wenn er die prunkvolle Kutsche verließ. Findualia war es auch, die an seiner statt den neuen Patriziern Agrepparas, zuvorderst der Familie Flaviora, einen silbernen Schlüssel als Symbol der vergebenen Stadtrechte übergab. Aus Vinsalt war dazu der Persevant Tresimont als Vertreter des Comto Seneschalls und Ersten Wappenkönigs, Croenars Sohn Cordovan, angereist, um einen ersten Entwurf eines Stadtwappens vorzustellen – mit dem die anwesenden Patrizier aber noch nicht glücklich waren, wie es heißt.
Die neue Stadt – als solche durfte sich Agreppara nun bezeichnen – ließ es sich im Gegenzug nicht nehmen, für die hochrangigen Gäste im Rahmen eines mittäglichen Buffets aufzutischen, was die gerade erst aufgefüllten Keller hergaben. Dabei war der Besuch des Grafen in Urbasi an dieser Stelle erst zur Hälfte absolviert. Oder anders gesagt: Sein Besuch im nunmehr verbleibenden Urbasi stand erst noch an.
Nach kurzer Pause brachen Gäste und Gastgeber am frühen Nachmittag auf, querten über den Ponte Phecchio den Sikram und erklommen unter den Augen bestimmt der halben Stadt die Serpentinen nach Magistralia. Begleitet wurde dieses Spektakel von mannigfachem Jubel, der Hoffnungen auf eine friedvolle Zukunft Ausdruck verlieh, aber auch manchen Schmährufen, deren Urheber von den Bütteln schnellstmöglich abgeführt wurden. Angekommen auf dem Renascentia-Platz vor dem Magistratspalast, spielte ein Orchester die Urbasi-Hymne, bevor (mit auffälliger Verzögerung, wie Beobachter bemerkt haben wollen) die drei bislang fehlenden Priori, darunter Gonfaloniera Duridanya, sich zu den anderen vier gesellten und den Grafen nun im Silbernen Saal selbst empfingen (in dem Traviano ihn einst demütigte).
„Seid uns willkommen, Comto“, begrüßte die Gonfaloniera mit einem wohl aufgesetzten Lächeln den Gast und versuchte ihrer markanten Stimme noch etwas Warmes zu entlocken, wird berichtet. Dass sie ihre Freude nur spielte, wusste indes jeder der anwesenden Signori. Der Graf hatte sich seinen Triumph hart erstritten. Was folgte, war ein einstudiertes Schauspiel, das dem im abgelaufenen Jahr Ausgehandelten Legitimation verlieh. Croenar gestattete den Stadtoberen Agrepparas mit der Silberstadt Urbasi ein Bündnis zu schließen, das fortan als Fürstliche Gemeinde des Heiligen Agreppo auftreten solle. Für dieses Zugeständnis sicherte ihm die gemeinsame Signoria der neuen, doch einen alten Namen tragenden Gemeinde Sonderrechte zu. Artig bedankten sich Vertreter aller Seiten dann für den „historischen Kompromiss.“
Erleichterung wollen Anwesende – zumindest bei Teilen von ihnen – erst beim abschließenden Bankett ausgemacht haben. Besonders Monsignore Rahjalin, der Gastgeber der Leidenschaft, der schon in den vergangenen Götterläufen als Seneschall der Mark Silbertal ein häufiger Repräsentant Urbasis gegenüber dem Grafen war, bemühte sich um Harmonie. Sein Tanz mit Comtessa Findualia wurde gar als „außerordentlich“ und „herausragend“ beschrieben. Doch auch eine Szene zwischen dem Grafen und Monsignore Auricanius blieb Beobachtern im Gedächtnis; jene nämlich, in der der Comto den Turaniter und Bruder seines einstigen Widersachers mit gleichermaßen stechendem Blick und amüsiertem Lächeln musterte.
Noch vor Einbruch der Dunkelheit löste sich die Feierlichkeit dann auf. Der Graf und sein Gefolge bestiegen ihre Kutschen – und ließen ein für immer verändertes Urbasi zurück ...