Archiv:Eine Wahl mit Symbolwirkung (BB 48)
| Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 48, Seite 38 | Datiert auf: Praios 1047 BF |
Urbasi/Agreppara. Fürst Ralman war kaum außer Sichtweite, da kannten die Mächtigen Urbasis wieder nur ein Thema: die anstehende Consigliowahl. Der Wahltermin am 25. Praios rückt nun mit riesigen Schritten näher, doch Prognosen wagt sich trotzdem fast niemand zu machen. Sicher scheint nur, dass Gonfaloniera Duridanya nicht wiedergewählt wird. Die Gerüchteküche um ihre Zukunft – und auch die Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit, die ihre Zukunft überhaupt in Frage stellen – ist jedenfalls ein heißes Thema.
Wir erinnern uns: Die schon länger bestehenden Korruptionsvorwürfe gegen die Gonfaloniera nahmen vor etwas mehr als einem Götterlauf wieder Fahrt auf, als Priora iuris Istirde von Urbet um Unterstützung unter den Censori warb und als Drahtzieherin der Kampfkandidatur Valdor Micinnos in Torneocampo gehandelt wurde (BB#45). Wie wir wissen, scheiterte diese Kandidatur, was der Gonfaloniera zeitweilig Auftrieb gab, bis ihre eigene Base Eronia, die wiedergewählte Censora, sich plötzlich hinter die Untersuchungen Istirdes stellte. Das dadurch ausgelöste Erdbeben in der Politik Urbasis wirkt seither nach.
Gerade nach dem Besuch Ralmans, der dem Bündnis Urbasis und Agrepparas in der neuen Fürstlichen Gemeinde nun auch seinen Segen gab, hört man vielfach Stimmen, die sich nach „einem Neuanfang“ sehnen, nach „unbelasteten Köpfen“, die eine neue Ära einleiten können. Wer dies sein sollte, darüber besteht gleichwohl weniger Einigkeit. Wenn es überhaupt Favoriten für die Nachfolge Duridanyas gibt, dann sind dies wohl am ehesten Miguel Flaviora, unser erster Gonfaloniere nach der Tyrannei Travianos im Thronfolgekrieg, immerhin Zweitplatzierter auch der letzten Wahl, und die umtriebige Priora structuris Sanjana ya Malachis, deren Rolle hinter den Kulissen bei der Entscheidung Eronias weiterhin Rätsel aufgibt. Schon hinter dem Favoritenstatus Miguels steht aber ein großes Fragezeichen: Was, wenn er gar nicht mehr selbst zur Wahl antreten, sondern seinem Sohn Niccolo den Vortritt lassen sollte?
Dessen Vorteil, so sagen Beobachter des politischen Geschehens der Silberstadt, sei seine Vernetzung mit den anderen 'Architekten der neuen Fürstlichen Gemeinde', die in zahllosen Tavernenbesuchen, privaten Ausflügen und irregulären Treffen der letzten zwei Götterläufe wesentliche Einigungen über die nun feststehende politische Struktur des Städtebündnisses herbeigeführt haben. Sanjana habe diesen Vorteil ebenso, wie auch Istirde. Ob letztere langfristig überhaupt in Urbasi bleibt, stellen ganz neu aufgekommene Gerüchte aber in Zweifel. Mit dem absehbaren Sturz Duridanyas habe sie ihr Ziel erreicht, behaupten manche. Dass Baron Auricanius seit seiner jüngsten Rückkehr von der Trollpforte zweimal an der Seite seiner Gemahlin Aurelia an den Sitzungen der Signoria teilgenommen hat, wird als mögliches Zeichen für einen Rückzug Istirdes aus der urbasischen Stadtpolitik gedeutet.
Gute Chancen werden gleichwohl auch den zuletzt weniger aktiv die Politik der Silberstadt mitbestimmenden Familien eingeräumt – nicht zuletzt, weil gerade mutmaßliche Nichtverstrickungen dem Wahlwunsch nach „unbelasteten Köpfen“ unzweifelhaft zuträglich wären. So gibt es mehr als eine Stimme, die sich die Rückkehr der für ihre Versöhnungspolitik bekannten Familie Solivino ins Consiglio wünscht. Ob dies mit dem Familienoberhaupt Rahdrigo, dem Hochgeweihten Rahjalin oder etwa der 'Architektin' Rahjabella passieren könnte, ist indes noch völlig unklar. Dass die della Pena ä.H., über viele Jahre durchgehende Mitglieder im Priorium, ihren Sitz aus bekannten Gründen nicht wieder besetzen könnten, gäbe diesem Ansinnen zumindest Vorschub.
Und auch wenn die Autorin dieser Zeilen selbst sich des Einflusses der Familie Dalidion, vorweg der Matriarchin Leonore, auf die Werke der neuen Druckerei am Argennahafen, darunter dieser Postille, mehr als bewusst ist, sei zumindest erwähnt, dass manche Beobachter in den kommenden Tagen einen geradezu inflationären Ausstoß an Eilmeldungen, Pamphleten und „letzten Mitteilungen“ vor der Wahl erwarten, die ebendiese noch entscheidend beeinflussen könnten. Sicher ist deshalb nur: In einer Woche wird es einen Gonfaloniere geben – der erstmals als Vertreter zweier Städte gewählt worden sein wird.