Briefspiel:Im Auge des Chaos/Isyahadin

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Stadt Efferdas.png Briefspiel in Efferdas Stadt Efferdas.png
Datiert auf: 01. NL 1044 BF Schauplatz: Efferdas Entstehungszeitraum: 15. August - 15. September 2023
Protagonisten: gemäß Übersicht Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png Di Camaro, Haus Efferdas.png Elanor, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie Ventargento.png Silberwind, Familie A'Temelon.png Temelon, Haus ya Pirras.png Ya Pirras, Familie Trenti.png Trenti, Haus Legari.png Legari, Familie Lysandros.png Lysandros, Haus di Malavista.png Malavista, Familie Solivino.png Solivino
Zyklus: Übersicht · Ein Zug über Letrans Felder · Widerstand ist zwecklos · Isyahadin · Aphestadil · Rahastes · Madaraestra · Shihayazad · Senatswahl 1045 BF


1. Namenloser, Isyahadin

Isyahadin

Isyahadin. Der Schenker des Irrsinns, der Nebel der Niederhöllen, der Verwirrer der Sinne. Und Tagesherrscher des ersten Namenlosen Tages.
Die meisten Menschen bemerken sein morgendliches Erwachen kaum, da sie Türen und Fenstern vernageln, damit bloß keine Verderbnis über die eigene Schwelle geraten kann. - Doch in diesem Jahr hatten die Bürger von Efferdas noch viel mehr Grund, ihre Fenster und Türen zu verrammeln.
Es mochte seit dem gestrigen Tag, als die Rondrikan-Löwen Jagd auf die Stadtbevölkerung machten ein wenig Ruhe eingekehrt sein, aber dieser war mitnichten zu trauen. Die Bewohner dieser Häuser warteten eigentlich nur darauf, dass die Schurken der d’Oros wieder auf die Straße geschickt würden, um erneut ihrem schändlichen Tageswerk nachzugehen. Als wäre der erste Namenlose nicht schon unheimlich genug.

Der Morgen bricht in St. Parvenus an

Andere wiederum hatten die Nacht auf den Straßen des Stadtteils Sanct Parvenus verbracht. Sie bewachten einige Straßenblockaden, die sie notdürftig mit ein paar Möbelstücken der umliegenden Häuser errichtet hatten, um so den Weg der marodierenden Löwenmeute etwas Einhalt zu gebieten.
Zu diesen gehörte auch der junge Ole Beryllus. Er zählte gerade mal sechzehn Götterläufe. Er träumte eigentlich davon, in die Fußstapfen seines älteren Bruders Ennio zu treten und für die Rahjaica Hummer Delphinocco zu spielen.
Doch heute träumte er gar nicht. Er bewachte eben jene hölzerne Blockade und hatte sich dazu in einem Verschlag versteckt, von wo aus er die Straße gut im Blick hatte. Jetzt gerade war es ruhig. So lehnte er sich ein wenig zurück. Er war müde. Bald müsste seine Ablösung eintreffen. Die Verfärbungen des Himmels ließen erahnen, dass die Sonne bald aufgehen dürfte. Heute färbte sich der Himmel in Violetttöne. Ja fast purpurn, dachte er bei sich.
Ein entferntes Donnern ließ ihn aufschrecken. Vorsichtig kletterte er die Barrikade hinauf und erhaschte so einen Blick auf die Küstenlinie. Über dem Meer hatten sich dunkle Wolken zusammengezogen, aus der hin und wieder ein Blitz zuckte. Offensichtlich raste ein Gewitter auf die Stadt zu.
„Wie passend“, ging es Ole durch den Kopf. Es war eh viel zu warm für den Morgen, fast schwül. Und irgendwie wusste er, dass dieses ankommende Gewitter nur kurz für etwas Entspannung sorgen würde. Er begann einige Möbelstücke so umzustellen, dass sie ihm Schutz vor dem zu erwartenden Regen gewähren würden. Keine schwere Aufgabe. - Doch es war Isyahadin. Entsprechend fiel die improvisierte Konstruktion beim ersten stärkeren Windzug über ihm zusammen und brach Ole das Handgelenk.

Deutlich Entspannter war die Lage am grünen Tor in den Vorlanden. Hier hatten sich die Rondrikan-Löwen ein gut geschütztes Lager eingerichtet. Auf der anderen Seite des Tores standen einige Söldlinge von Waldberts Wehrhaufen und klopften an das Tor.
„Guten Morgen!“, grüßte der Wachhabende vom Tor herab. „Die Nacht gut überstanden da hinten?“
„Ohne große Mühen. Eure Efferdaser sind gut erzogen. Wenn man ihnen sagt, dass sie die Stadt nicht verlassen dürfen, scheinen sie sich dran zu halten. Wir hatten nur vereinzelte Gefangennahmen.“
„Es sind Efferdasi.“
„Hä?“
„Efferdaser ist die Mehrzahl für Bewohner des Landes Efferdas. Stadtbewohner in der Mehrzahl sind Efferdasi“, verbesserte der Soldat den Söldner völlig unnötigerweise.
Entsprechend genervt war seine Reaktion. „Wie auch immer ihr Fischgräten euch da nennt. Ich hätte auf jeden Fall ein paar davon hier abzugeben. Wenn ihr wollt?“
„Nett gemeint, aber wir brauchen unsere Gefängniszellen hier in der Kaserne. Da werden die verräterischen Senatoren sicher bald eintreffen.“
„Und die haben Vorrang oder wie?“
„Sie brauchen zumindest eine gewissenhaftere Bewachung.“
„Na toll. Und was machen wir jetzt mit euren Flüchtlingen?“
„Uns doch egal. Ihr werdet doch irgendwo ein Zelt haben, wo ihr sie an eine Stange ketten könnt.“
„Sind'n paar zuviel dafür. Außerdem sind es eure Efferdasi. Wir achten nur darauf, dass hier keiner rein oder raus kommt. Was ihr dann mit denen macht, ist nicht unsere Sache.“
Der Wächter seufzte. Diese Diskussion entwickelte sich ähnlich schlecht wie das Wetter. Von Seeseite zog eindeutig ein Gewitter auf. Das würde sicher eine sehr nasse und stürmische Angelegenheit, wenn sie wieder auf die Straßen ziehen würden, um Widerständler gefügig zu machen. „Na gut, dann bringt sie her, packt sie da hinten in die Ecke und brecht ihnen beide Beine.“
„Beide Beine brechen?“
„Naja, wir haben keine freien Zellen für sie, aber so rennen sie halt auch nicht weg. Dürfte ein Kompromiss sein.“
Der Söldner vor dem Tor zuckte mit den Schultern. „Wie ihr wollt, mir egal. Wird ein ordentliches Geflenne hier, das kann ich euch garantieren.“
„Dann knebelt sie halt dabei…“
Kopfschüttelnd gingen Waldberts wilde Mannen wieder zurück in ihr Lager, um den „Gefangenenaustausch“ durchzuführen. Interessante Methoden hatten diese Rondrikan-Löwen. Das war sogar für den erfahrenen Söldling etwas zu ruppig.

Familie Lysandros

Auf der Werft

Die Sonne versinkt in der Zyklopensee westlich von Efferdas am Abend des ersten Namenlosen Tages

Der Tag neigte sich dem Abend entgegen. Die Praiosscheibe hatte gerade begonnen den Horizont hinabzusinken und er hatte hier hinter seinem Schreibtisch gesessen und über die Worte seines Gegenübers nachgedacht. Lange und ausführlich hatte er darüber nachgedacht, doch egal wie er es drehte und wendete, die Schlussfolgerung blieb immer dieselbe. Es war eine bittere Erkenntnis. Eine, die besonders schmerzlich für ihn war, denn sie hatte etwas mit der Frau zu tun, die er von Herzen liebte.
Da trat jemand ein. Aerelaos Lysandros hob seinen Blick, erkannte seine Gattin und musterte diese.
„Liebster“, begrüßte diese ihn freudig und ein vielsagendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Aus ihren tiefblauen Augen blickte sie ihn an. „Was gibt es, dass du unbedingt mit mir alleine zu besprechen hast?“
Einen Augenblick lang glitten seine Gedanken nach Rethis zurück. Ach, dachte er, warum waren sie nicht einfach dort geblieben? Warum nur? Noch weiter glitten sie zurück. Er dachte an ihren ersten gemeinsamen Abend. An ihren ersten Kuss. Es war doch nur ein einziger Kuss gewesen. Ein einziger, nahezu unschuldiger Kuss und doch hatte dieser alles verändert. Er holte Atem und erklärte: „Serafanos Thirindar hat mir einen Besuch abgestattet.“
„Ach“, machte die Degano da nur und trat zum Schreibtisch, „Sieh mal einer an. War das nicht zu erwarten?“ Sie goss sich einen Becher Wein ein, roch anschließend daran, verzog eine Miene und stellte den Becher wieder auf den Tisch ab. „Rethisina“, murrte sie nur angewidert und schüttelte sich, „Er war nicht zufällig auf der Suche nach Verbündeten?“
Noch immer ruhte sein Blick auf ihr. Er nickte und erklärte: „Ganz recht.“
„Darf ich raten?“, sie griff nach dem Becher, setzte sich ihm gegenüber auf einen der Stühle, nahm nun doch einen Schluck des Weines und verzog angewidert ihr Gesicht. Sie war so entsetzlich durstig, dass sie sogar dieses widerliche Gesöff, das die Zyklopäer doch frecherweise tatsächlich als Wein bezeichneten, trank. „Er will ein Bündnis mit uns und bietet uns dafür Macht, Einfluss und Ämter.“
Er nickte. Da lachte sie und schüttelte ihren Kopf. „Was für ein Idiot!“, meinte sie da nur, „Wie er nur davon ausgehen kann, dass das funktioniert.“
Nun blickte er sie fragend an.

Der goldene Greif der Lysandros

„Na ja“, meinte sie da und nahm noch einen Schluck, „Medeia sagte, dass seine Söldlinge mit den Hylailer Seesöldnern zusammenarbeiten. Es ist also davon auszugehen, dass er bis zum Hals im Dreck steckt, natürlich sucht er da Leute die ihm heraushelfen. Und wer wäre da besser geeignet als die eigenen Landsleute?“
„Hm“, machte er da nur und musterte sie skeptisch, „Das Haus Thirindar ist bei uns sehr angesehen, Alesia, vergiss das nicht. Sie sind ehrbar, getreu und solide.“

Sie seufzte schwer und zog die Augenbrauen nach oben: „Immerhin scheinen sich die Hylailer Seesöldner nicht an den Kämpfen in der Stadt zu beteiligen, ansonsten sähe es wohl inzwischen ganz anders aus. Mir würde es allerdings nicht behagen zu den Namenlosen Tagen dort draußen auf See zu sein...“
„Vermutlich behagt es ihnen auch nicht, aber sie haben verstanden, dass der Zorn der Götter keine Unschuldigen getroffen hat“, entgegnete er ihr mit fester Stimme und unbeugsamen Blick..
„Ja“, meinte sie da nur kopfschüttelnd, „Mir ist nicht entgangen, dass manche von euch Zyklopäern eine gewisse Genugtuung angesichts der Ereignisse und auch der Streitigkeiten empfinden.“ Sie schenkte ihm einen langen, vielsagenden Blick und war sich absolut sicher, dass auch er zu diesen Zyklopäern gehörte.
„Wer den Zorn der Götter auf sich zieht“, damit hob er mahnend seinen Zeigefinger und deutete in Richtung Residencia, „der sollte nicht um Gnade bitten, sondern nur demütig sein Haupt senken“ Er senkte sein Haupt. „und erdulden.“
„Das ist wie der Rethisina hier“, sie schwenkte den Becher, „Ungenießbar für uns Festländer.“ Einen Augenblick hielt sie inne. „Keiner von uns erduldet oder erträgt. Wir sind es gewohnt unser Leben in unsere eigene Hand zu nehmen und nicht alles ausschließlich den Göttern zu überlassen. Was wir schufen, schufen wir aus unser selbst Willen, weil wir uns nicht mit dem begnügen wollten, was uns bereits gegeben war.“
„Und was ihr von eurer Art, immerzu mehr zu wollen, habt, dass haben euch die Götter bereits im Phex deutlich gezeigt. Erkenntnis hat jedoch bei keinem von euch eingesetzt. Stattdessen habt ihr alle so weitergemacht wie bisher und was haben wir nun davon?“
Angespannt leckte sie sich über die Lippen: „Was willst du damit sagen, Aerelaos?“
„Mehr und mehr begreife ich, dass du die Art wie wir leben einfach nicht verstehst“, musste er sich eingestehen, „und mehr noch, einfach nicht verstehen willst, dabei könnte die zyklopäische Lebensart für Efferdas ein großer Segen sein. Es gäbe Frieden und Wohlstand. Für alle.“
„Hat dir das der Thirindar eingeredet?“, wollte sie daraufhin wissen.
„Nein“, ganz langsam schüttelte er seinen Kopf, „Aber er hat gesagt, dass du das sagen würdest.“

Aerelaos Lysandros

Da seufzte die Degano schwer, stellte den Becher Wein ab und blickte zu ihrem Gatten: „Glaubst du wir schaffen es mit der Lysia an den Hylailer Seesöldnern vorbei aus dem Hafen heraus?“
Er lachte kehlig: „Am Eingang der Bucht liegen zwei zyklopäische Triremen. Selbst wenn wir einen Augenblick abpassten, an denen die Riemen nicht besetzt wären, die Geschütze sind es gewiss. Binnen weniger Augenblicke hätten sie mindestens ein riesiges Loch in den Rumpf der Lysia geschossen und sie würde sinken. Und in dem unwahrscheinlichsten Falle, dass gerade niemand da sein sollte, der uns Löcher in den Rumpf schießen kann, so würden ihre Triremen im Handumdrehen unsere Bireme einholen und wenn sie uns in voller Fahrt seitlich rammen wird die Lysia auseinanderbrechen.“
„Hm“, machte sie, griff nach dem Becher und nahm einen kräftigen Schluck des für sie viel zu bitteren, harzigen Weines, „Klingt äußerst riskant.“
„Das ist es“, bestätigte er, „Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass wir ausreichend geübte Ruderer fänden, die sich auf so einen Wahnsinn einließen.“
Sie atmete schwer und nickte nachdenklich: „Wohl wahr, wohl wahr.“
„Es sind eben keine Belhankaner Schiffe“, fügte er hinzu, „Eine Karavelle oder dergleichen könnte man bei Flaute gewiss mit der Ruderkraft einer Bireme überlisten. Mit voller Besetzung und so wenig zusätzlicher Last wie möglich, wäre das gewiss denkbar, obgleich auch reine Segelschiffe natürlich Geschütze haben, doch in einem guten Augenblick...“ Er hielt einen Moment inne. „Abgesehen davon, was wäre dein weiterer Plan?“
„Die Schiffe der di Camaros suchen. Im Efferd-Tempel sagte man mir, dass sie irgendwo in der Zyklopensee kreuzen“, sie deutete auf die See hinaus.
Er lachte: „Vielleicht ist dir das nicht ganz klar, aber die Zyklopensee ist verdammt groß, Alesia. Wie willst du sie finden?“
„Die Götter werden mir beistehen“, lautete ihre Antwort trotzig, dabei reckte sie das Kinn stolz nach oben, ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht eingestehen wollte, dass sie keinen richtigen Plan hatte, „Ich kann doch nicht einfach nur abwarten und nichts tun?“
„Das verstehe ich“, versicherte er ihr da, „Aber was dir vorschwebt, wird so nicht funktionieren. Das wird Menschenleben kosten und die Lysia obendrein und alle die es überleben, werden ganz sicher der Komplizenschaft bei der Verschwörung angeklagt werden.“

Ungewisses Schicksal: Alesia Degano

„Verschwörung“, spottet sie da nur, „Es gab nie eine Verschwörung, verstehst du das? Das ist alles nur dummes Geschwätz.“
„Es gibt eindeutige Beweise, Alesia“, widersprach er ihr.
Sie lachte: „Welche denn? Mir sind keine bekannt.“
„Eindeutige Beweise, die bei einem Prozess im Namen des Herrn Praios offen gelegt werden. Serafanos war dahingehend sehr eindeutig.“
„Serafanos?“, wiederholte sie kehlig und starre ihren Gatten mit einem abschätzigen Blick an, „Serafanos also?“
„Ja, Serafanos“, bestätigte er und nickte erschreckend langsam, „Wenn es nach ihm geht sollen die Verschwörer baldmöglichst ihrer gerechten Strafe zugeführt werden – dem Herrn Praios zum Wohlgefallen.“
Da war sie wieder, die Ergebenheit dem Götterfürsten gegenüber, etwas das Alesia bis zum heutigen Tag nicht verstand. Wie konnte ein Schiffbauer den Herrn Praios über die Herren Efferd und Ingerimm stellen?
„Aerelaos“, hob sie so ruhig und gefasst an, wie sie es angesichts der derzeitigen Situation konnte, „Ich kann dir versichern, es gab keine Verschwörung.“ Ihre Worte untermalte sie mit einem sehr langsamen, aber deutlichen Nicken. „Meine Quelle ist sehr verlässlich und war dahingehend absolut eindeutig: Es gab keine Verschwörung um den Baron zu stürzen. Zumindest nicht vom Senat. Es scheint aber... hm... andere Kräfte zu geben, die wollen, dass jeder das denkt. Darunter auch dein Serafanos.“

Da änderte sich sein Verhalten plötzlich vollkommen. Finster blickte er sie an, verschränkte die Arme vor seiner Brust und verlangte zu erfahren: „Und wer genau hat dir das eingeflüstert? Dein Liebhaber? Bevor, währenddessen oder nachdem du dich mit ihm vergnügt und mich damit betrogen hast? Habt ihr über mich gelacht? Über den gehörnten Ehegatten?“
Fassungslos über die Worte ihres Gatten starrte sie ihn an, öffnete den Mund um diese unverschämten, vollkommen haltlosen Behauptungen zurückzuweisen und brachte doch kein einziges Wort über die Lippen. So klappte sie ihren Mund zu, presste ihre Lippen fest aufeinander und starrte ihn aus funkelnden Augen an. Er beobachtete sie schweigend. Sie schluckte schwer, hielt seinem Blick jedoch unbeugsam stand.
„Ich weiß alles, Alesia. Ich kenne jedes einzelne, widerliche Detail“, angeekelt blickte er zur Seite, „Du hast mich angelogen. Mich hintergangen. Mich betrogen. Du wirst dich an den Efferd-Tempel wenden und darum bitten, dort die verbleibenden Namenlosen Tage verbringen zu dürfen.“ Seine Stimme war kalt. „Deine Familie steht dem Launenhaften sehr nahe und für den Rest können sie sich einer großzügigen Spende sicher sein.“ Die Degano wurde zunehmend blasser. Zwar verstand sie, was hier vor sich ging, aber sie begriff es noch nicht recht. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Sobald sich die Situation in Efferdas beruhigt hat, werden wir über deine Zukunft sprechen.“ Das klang wie eine Drohung in ihren Ohren. „Bis dahin wünsche ich nicht, dass du mir unter die Augen trittst. Ich werde dich zu gegebener Zeit aufsuchen.“
Alesia schaute ihn nur an. Regungslos, wobei nahezu regungslos. Nur das Glitzern in ihren Augen und das Zittern ihrer Hände wurde kontinuierlich mehr. Einen Moment dachte sie darüber nach, wie sie ihrem Gatten von diesem Wahnsinn abbringen konnte, doch dann begriff sie, dass er ihr kein einziges Wort mehr glaubte. Ganz gleich was auch immer sie sagte, wie sehr auch immer sie beteuerte, die Anschuldigungen zurückwies, er würde sie doch nur mit diesem kalten Blick mustern und ungläubig seinen Kopf schütteln. Und mehr noch: Wie hätte sie auch glaubhaft versichern, vielleicht sogar schwören können, gänzlich unschuldig zu sein, wo sie es doch gar nicht war?

Auf dem Absatz machte sie kehrt. Eine Träne rann ihr über das Gesicht.
„Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich dich trotz allem noch so sehr liebe, dass ich mit Serafanos besprochen habe deine Rolle bei der Verschwörung unter den Tisch fallen zu lassen“, erklärte er ihr verbittert, „Trotz allem.“

Im Efferdtempel

„Ah Alesia - schön dich zu sehen. Geht es... geht es dir gut?“ Adaon wirkte ganz unüblich tatsächlich besorgt.
Die Degano schniefte, wischte sich die Tränen eilig vom Gesicht und schüttelte den Kopf, wobei sie den Blick senkte: „Aerelaos hat sich auf die Seite der Thirindars gestellt.“
„Auf die Seite der Verräter?“, fragte Adaon und wirkte irritiert, „Warum?“ Er reichte ihr ein Taschentuch. Dankend nahm sie das Tuch mit dem eingestickten Wappen des Hauses di Malavista entgegen und tupfte sich die verbliebenen Tränen ab. „Dieser Serafanos“, würgte sie hervor und konnte ihn noch immer nicht ansehen, „Der hat... der hat...“ Sie schluchzte. „Der hat ihm eingeredet, dass ich ihn nur ausnutze. Dass ich ihn nicht liebe. Dass ich...“ Nun wurde ihre Stimme brüchig. „Mit dir an der Verschwörung beteiligt sei. Mit dir, meinem...“ Sie schluckte. „... Liebhaber.“
„Liebhaber? Soso...“ Adaon nickte leicht. „Welche Verschwörung soll das denn sein? Die Einzigen, die sich einer Verschwörung schuldig machen, sind doch die Thirindar und die d’Oros!“ Jetzt wirkte er regelrecht aufgebracht. „Diese Hundlinge haben die Senatoren festgesetzt und planen nichts weniger als einen Staatsstreich! Als ob mein Vater an einem Umsturz beteiligt wäre. Und dann noch so stümperhaft. Pah!“ Adaon wirkte nun aufgebracht.
„Ich weiß“, versuchte Alesia da zu beschwichtigen, „Das weiß ich doch. Deine Schwester, Leandra, hat mir versichert, dass ihr nichts, aber auch gar nichts damit zu tun habt“ Sie nickte energisch. „Und ich glaube ihr, glaube euch, aber... aber... aber er will das nicht hören! Er glaubt mir… glaubt mir kein einziges Wort mehr. Der Thirindar hat ihm von uns erzählt, von…“ Sie verstummte einen Augenblick. „Du weißt schon.“
„So ein Unsinn, das kann der doch gar nicht wissen. Der hat sich doch bestimmt irgendwas aus den Fingern gesogen nur um deinem Gatten irgendwelche Flausen in den Kopf zu setzen und an die gemeinsame Herkunft zu appellieren. Klar, würde ich ja auch tun, wenn ich einen Umsturz plane und niemand mein schändliches Tun unterstützen will. Was wollen die Thirindars denn? Neue Herren werden in Efferdas? Nie im Leben, dazu müssten sie vorher das ganze Haus Efferdas ausrotten mit Stumpf und Stiel, so wie die sich an ihr letztes bisschen Macht klammern. Und die d’Oros mit ihren unsinnigen und wahnwitzigen Nachforschungen sorgen doch schon lange für Unordnung und Aufruhr in der Stadt. So ein Wahnsinn, als ob Efferdas nicht schon genug Unruhe erlebt hätte in den letzten Jahren.“
„Bei den Zwölfen, das weiß ich doch alles!“, erwiderte sie ihm ebenso aufgebracht wie er, „Aber was mach ich denn jetzt? Mein Mann glaubt mir kein einziges Wort mehr, ich komme nicht mehr an ihn heran und ich kann… kann ihn doch nicht anlügen und behaupten, dass da nichts mehr zwischen uns gewesen sei, wenn... wenn... wenn es doch anders war und... und...“ Sie seufzte schwer. „Was nun?“ Die Degno wirkte verzweifelt.
„In Efferdas werden die Senatoren entführt und ein Staatsstreich nimmt seinen Lauf und dein Gatte regt sich deswegen auf? Als ob wir keine dringenderen Angelegenheiten klären müssten!“ Adaon hielt einen Augenblick inne, um sich zu sammeln. „Das Problem wird sein, dass dein Mann von den Thirindars eingespannt wurde. Bei allem, was wir ihm vortragen wird er stets dagegen argumentieren, wenn man ihm schon so einen Floh ins Ohr gesetzt hat. Wir brauchen also einerseits Beweise dafür, dass der Thirindar ein hinterhältiger Emporkömmling ist und andererseits jemanden, der das deinem Mann erzählt, denn auf dich oder auf mich wird er wohl kaum hören...“
Nun nickte sie: „Ja, du hast recht, aber... aber auf wen sollte er dann hören?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann doch nicht einfach so zusehen, wie er alles ruiniert, was auch ich geholfen habe hier in Efferdas aufzubauen.“ Alesia hielt inne. „Er will mich ja noch nicht einmal mehr sehen.“
„Hm.“ Adaon schüttelte bedächtig den Kopf. „Ich sehe zwei Möglichkeiten: du wartest bis morgen und schaust, ob er dich wirklich nicht mehr sehen will, besuchst ihn morgen gegen Mittag oder am Nachmittag. Vielleicht tust du ein wenig reuig - jaja, guck mich nicht so böse an.“ In der Tat funkelte sie ihn finster an. „Ein wenig reuig, denn wenn er dir verzeiht, hast du die Gelegenheit ihn auszuhorchen und so mehr über die Pläne vom Thirindar zu erfahren. Das könnte uns helfen, den ganzen Zauber zu beenden. Wenn man hinterher weiß, dass die Familie Lysandros dabei half, den Aufstand zu beenden und die Ordnung wiederherzustellen, wird man das der Familie sicherlich danken. Falls das nicht funktioniert, brauchen wir eine neutrale Person, die deinem Mann unter dem Vorwand ‘Ich habe Gerüchte über Eure Ehefrau zu berichten’ aufsucht und ihn so neugierig macht. Wenn dein Gatte dadurch bereit ist, dieser Person zuzuhören, könnten wir ihm darüber interessante Dinge berichten, die er aus dem Mund einer neutralen Person vielleicht eher akzeptiert.“
„Reuig tun“, wiederholte sie seine Worte, „Was soll ich ihm denn sagen?“
„Ist das dein Mann oder meiner? Du kennst ihn wohl um einiges besser als ich, da kann ich dir nur wenig weiterhelfen, fürchte ich...“
Alesia zog die Augenbrauen nach oben und machte: „Hm.“ Dann zuckte sie mit den Schultern. „Und wer sollte es sein, der ihn da aufsucht. Es muss schon eine integere Person sein. Ein Diener der Unsterblichen?“ Nun zuckte sie mit den Schultern. „Oder so.“
Adaon überlegte kurz. „Wir könnten Rahjabella fragen, vielleicht hört er ja auf eine Rahjageweihte.“
„Rahja...?“, hob sie an, „Ich kenne sie nicht. Kommt sie aus Efferdas? Meinst du sie würde mir helfen? Mit meinem Mann sprechen? Es ist ja durchaus...“ Sie nickte langsam, sehr langsam. „... eine rahjanische Angelegenheit. Kennst du sie... gut?“
„Och, wie man sich so kennt nach einer Nacht.“ Er hielt kurz inne und schaute Alesia schelmisch an, die vielsagend mit den Augen rollte. „Sie ist eine gute Freundin von Rahjalin Legari, beide sind seit gestern Abend zu Gast bei uns - sie haben Zuflucht gesucht vor dem Chaos. Möglicherweise würde sie uns bei dieser Angelegenheit ja helfen.“
Ernst nickte sie: „Auch wenn du das jetzt nicht hören willst, Adaon, ist für mich erst einmal das Wichtigste, dass er wieder mit mir spricht und auch...“ Sie wirkte ernst. „dass er mir verzeiht. Alles andere muss erst einmal warten. Bitte. Ich liebe ihn, ich kann nicht mehr ertragen ohne ihn zu sein.“
Jetzt war er es, der mit den Augen rollte.

Saliceria

Dieser Beruf war wirklich der einfachste der Welt. Khadovan konnte sein Glück immer noch nicht fassen. Er wurde bezahlt, um ein uraltes Grabmal zu bewachen, auf dass niemand hinein ginge. Eine von einer Palisade umrundete Ruine mitten im Ranafandelwald. Die Menschen betraten so schon den Ranafandelwald nicht. Ein Grabmal mit einer Palisade noch viel seltener. Und aus irgend einem Grund schienen die Menschen dieses Gebiet noch viel mehr zu meiden, seit Isaura di Camaro die nahegelegene Casa las Gayumbas bezogen hatte. Mit Ausnahme seiner Ablösung sah er oft Wochenlang keine anderen Menschen. Dafür dürfte er Waffen tragen und Rüstungen und ganz gefährlich aussehen, auch wenn es hier niemanden interessierte. Ja, es war oftmals langweilig, aber eben gut bezahlt. Einzige Voraussetzung war, dass er niemandem von diesem Ort erzählen durfte. Aber naja… das war einfach, hier war ja auch sonst niemand.
Er ging seinen ersten Patrouillerundgang des Tages. Langsam erkannte er erste Sonnenstrahlen am Horizont. Der Himmel war…. Purpurfarben.
„Hm. Namenlose Tage?“ wunderte sich Khadovan. Er hatte über die letzten Wochen an diesem Ort doch etwas sein Zeitgefühl verloren. Er merkte, wie ihm urplötzlich ein starker Wind um die Ohren blies. Überall stieg Laub auf und wirbelte umher. War das ein entferntes Grollen? Jetzt also auch noch ein Gewitter? Khadovan entschied sich, seinen rundgang zu beschleunigen, um bald schon wieder in der Wachhütte sein zu dürfen. In der nähe eines kleinen Brunnen sah er auf einmal eine Gestalt stehen. Oder mehr eine Silhouette. War das denn die Möglichkeit? Ein Einbrecher?
„Halt! Stehenbleiben.“ senkte Khadovan seine Hellebarde. Da war eindeutig ein… Schatten. Er schien jedoch nicht zu reagieren.
„Jüngelchen, ich kann dich sehen! Was machst du da?“ Bald schon erkannte der Wächter die Person etwas besser. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht, es wirkte wie ein in Fellkleidung gehüllt. Schüttete die Person etwa etwas in den Brunnen? Dabei war dies gar kein Brunnen, sondern der Einstieg in die Krypta. Noch einmal ermahnte Khadovan die Gestalt.
„Geh da mal schön weg, du hast hier nichts verloren!“
Keine Reaktion. Aber auch kein Fluchtversuch. Khadovan setzte die Hellebarde ab und griff zu seiner Sturmlaterne. Kaum, dass das Licht der Laterne die Gestalt traf, bemerkte der Wächter, dass hier etwas nicht stimmte. Er leuchtete die Gestalt vor dem Brunnen direkt an, doch im Lichte der Laterne konnte er den Brunnen trotzdem sehen. Spielten ihm seine Augen einen Streich? Er stellte die Laterne auf den Boden und griff nun mit beiden Händen zur Hellebarde. „Was… bist du?“ Khadovan bemerkte, wie neben der Person etwas aus dem Boden stieg. Bald schon hatte sich dieses „etwas“ manifestiert und wirkte wie eine zweite Person in einem dunklen Fellumhang. Beide drehten sich nun herum und Khadovan musste mit erschrecken feststellen, dass sich die Optik der Gestalten nicht geändert hatte. Die beiden setzten sich in Bewegung.
„Halt! Kein Schritt weiter!!“ Ein Kommando, dass die beiden Gestalten offensichtlich ignorierten. Als sie in Reichweite seiner Hellebarde angekommen waren, stich der Wachmann zu. Doch sein Stich gings in Leere. Jetzt erkannte er, dass die beiden Gestalten schemenhafte Gesichtszüge besaßen. Da waren zwei tot dreinblickende, rot leuchtende Augenpaare. Man konnte immer noch durch sie hindurch blicken, aber sie selbst blickten tief in Khadovans Seele. Als würden sie ihn mustern und sich von all seinen Sünden ernähren. Wieder stocherte er mit seiner Hellebarde in deren Richtung, doch da war kein Widerstand. Und es stoppte den Weg der beiden Gestalten auch nicht. Als die Beiden direkt vor seinem Gesicht angekommen war, ließ sich Khadovan zu einem Schrei hinreißen und kauerte sich zusammen. Doch die beiden Gestalten gingen einfach nur durch ihn hindurch und weiter. Es dauerte eine Weile, bis sich der Wächter aus seiner gehockten Stellung wieder richtig auf beide Beine begab.
Er schüttelte sich. „Geister…“ er drehte sich um und sah so direkt in Richtung der aufgehenden Sonne. Sie war bereits zum Teil von dunklen Wolken verhüllt. Was er aber noch sah, war, dass es nicht bei zwei Gestalten geblieben war. Hinter ihm waren sicher zwei dutzend dieser Silhouetten aus dem Boden gestiegen und bewegten sich gen Südwesten, in Richtung Efferdas. Verdattert sah Khadovan ihnen hinterher, während ein weiterer Schemen durch ihn durchwanderte. „Das… sollte ich vielleicht melden…“


Haus di Malavista

Unruhe im Revier

Was mochten nur all diese übergroßen Zweibeiner hier wollen? Seit gestern trieben sie sich, übellaunig und übel riechend, in MEINEM Revier herum! Und einer von ihnen hatte es gar gewagt, nach mir zu treten. Nach MIR! Natürlich hatte ich diesem Großling eine Lektion erteilt, als der übel riechende Zweibeiner nur wenig später schon schlafend zu Boden lag. Aus dem Tonkrug neben ihm war das Zeug, das manche dieser Großlinge in sich hinenschütteten, noch zu riechen - widerlich! Jetzt stank er nicht mehr nur nach Mensch und Fusel, so!

Meine Leute waren alle ganz aufgeregt, das konnte ich spüren. Irgendwas war anders als sonst. Und vor allem: alle Menschen ignorierten mich! Wo waren meine mir zustehenden Streicheleinheiten? Der Schoß, auf dem ich mich zusammenrollen und ein Schläfchen halten konnte? Was immer das war - wenn ich den- oder diejenige erwischte, die dahintersteckte, dann würde diese Person meine Krallen zu spüren bekommen, jawohl!

Schon gestern Nachmittag hatte ich mich gefragt, wo mein Lieblingsmensch war - der alte Mann, den sie Cordovan nannten. Bei ihm auf einem seiner Sessel lag ich abends ganz gern, um mich noch ein wenig auszuruhen, bevor ich meine zahlreichen Verehrerinnen aufsuchte und mein Revier kontrollierte. Unter anderem auch deswegen, da es dann gelegentlich noch ein paar Leckerlies gab, die ich huldvoll entgegen nahm. Eine kleine Stärkung war immer willkommen, waren meine zahlreichen Verehrerinnen doch stets ausgehungert und fordernd… Letzten Abend war er allerdings nicht da und erst in der Nacht hatte ich ihn in seiner komischen Decke gesehen. Gerade wollte ich mich zu ihm gesellen und ihn zur Rede stellen als ich sah, dass er gemeinsam mit anderen unterwegs war, die auch solche Decke trugen, die wiederum von anderen Menschen mit langen Stöcken begleitet wurden. Mit solchen Menschen musste man vorsichtig sein, das wusste ich zu gut.

Die Gruppe ging zu einem anderen dieser großen Menschengebäude. Dort roch es ganz merkwürdig… harzig? Glücklich wirkte er nicht und um seine Hände lag ein Halsband. Ein Halsband?

Ich versuchte, meinem Lieblingsmenschen etwas näher zu kommen und stellte dabei fest, dass auch einige der anderen Halsbänder um die Hände trugen. Sie wirkten auch alle unglücklich, teils ängstlich, teils wütend. Was war denn da los? Was machten denn diese Großlinge schon wieder?

Oh, da hinten war ja noch einer seiner Menschen! Ich huschte herüber und maunzte leise, als ich meinen zweitliebsten Lieblingsmenschen erreichte. Selbiger strahlte eine gesunde Vorsicht aus, auch wenn man ihn meilenweit riechen konnte. Doch das konnten diese Großlinge ja nicht so gut, schien es. Gut für ihn. Ich strich ihm um die Beine und ließ es zu, dass er mich kraulte - jaaaaa, da im Nacken, das ist gut! Die anderen Menschen verschwanden dann in diesem anderen Haus mit dem merkwürdigen Gerüchen - Moment! Waren das die mit den… aber ja doch! Zufrieden schnurrte ich und schlug einen neuen Weg ein, um meinen Lieblingsmenschen vielleicht doch noch zu sehen. Ich kannte mich ja aus.

Ein Tag als Bauer

Palazzo di Malavista - Residencia, Efferdas

“Aurelio, was ist mit dir passiert? Du bist ganz außer Atem!”, rief Donatella aufgeregt, als der Angesprochene durch die Tür zu einem Sessel wankte und sich in eben diesen fallen ließ, dabei laut seufzend.

“Ah, dieses feige Lumpenpack! Überall in der Stadt lungern sie rum - und den Palazzo belagern sie auch! Sie sind überall, diese Verräter? Diese ganzen d’Oros, sie lungern überall herum, drangsalieren jeden und jede, die ihnen über den Weg läuft. Anstand? Patrizische Tugenden? Keine Spur! Was sind das nur für Leute!”, rief dieser, noch immer empört.

“Wo warst du denn überhaupt? Du siehst ja aus wie ein Bauer!”

“Genau das war der Plan, Donatella. Ich hatte gehofft, dass ich verkleidet etwas mehr Ruhe hätte vor den Halunken, die uns hier seit gestern belagern. Doch weit gefehlt! Auf dem Hinweg bin ich so viele Umwege gelaufen, dass ich dreimal so lange gebraucht habe wie sonst. Einen der Häscher konnte ich erst dadurch abschütteln, indem ich einen Abstecher in den Efferdtempel gemacht habe. Wobei das auch noch einen interessanten Nebeneffekt hatte, aber das muss ich nachher Adaon berichten. Es war auf jeden Fall gar nicht so einfach, dieses Packvolk abzuschütteln. Aber ein Lutenente der Garde ist nunmal kein phexischer Schleicher, das habe ich wohl bemerkt - und es hat mich einen guten Teil Zeit gekostet. Die eigentlichen Besuche bei meinen guten Männern und Frauen von der zweiten Eskadron waren eher ernüchternd. Viele sind verunsichert. Nachdem die Garde schon seit Wochen keinen Sold mehr erhalten hat, mussten sich einige meiner Leute nach neuen Anstellungen umsehen. Andere sind irritiert und wissen nicht, was sie von den Vorwürfen halten sollen, die auf einmal in der Stadt die Runde machen. Die Senatoren Verräter? Ihr Cordovan ein Verräter? Das wollten viele nicht glauben, dazu verehren sie den Alten viel zu sehr. Mit den meisten von ihnen konnte ich reden, ihnen mitteilen, dass nichts dran war an den Lügen, die diese Aufrührer verbreiten und ganz im Gegenteil dieser Thirindar und der d’Oro sich des Hochverrats schuldig machen mit ihrem Umsturzversuch. Das sind ja Zustände wie in Al’Anfa! Ich werde morgen und übermorgen weitere Leute besuchen. Der eine oder andere hat heute schon signalisiert, dass er bereit steht, wenn er oder sie gebraucht wird, andere wiederum sind noch zögerlich. Einen großen Teil von denen können wir vielleicht überzeugen wenn sie sehen, dass sich auch andere anschließen. Das Gefühl, etwas tun zu können, fehlt vielen von ihnen. Ein beherzter Griff in die Familienkasse wird das seinige beitragen, den einen oder anderen zu überzeugen und den fehlenden Sold auszugleichen!”

“Glaubst du, das bringt was? Die Garde hat man schon seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Da draußen herrschen Chaos und Aufstand.”

“Ich bin mir sicher, dass wir diesem Wahnsinn etwas entgegenstellen können. Die Gardistinnen und Gardisten sind gute Leute mit dem Herz am rechten Fleck. Viele von Ihnen brauchen nur ein wenig Führung, jemanden, hinter dem sie sich versammeln können. Und das sind besser wir als die d’Oros. Viele von den Leuten sind gute Leute, sie stehen treu zur Republik, zum Haus Efferdas - und zu Cordovan und mir. Das wird helfen.”

“Und wie geht es weiter?”

“Als nächstes werde ich mich mit Adaon zusammen setzen und Ideen austauschen, außerdem möchte ich gerne hören, wasa unsere Boten, die wir zu den anderen verbliebenen Senatorenfamilien geschickt haben, berichten. Morgen werde ich eine weitere Runde drehen, wenn ich die Halunken wieder abhängen kann. Ich werde noch ein paar weitere Angehörige der Garde besuchen und dann mal sehen, ob ich einen Blick auf das Arsenal werfen und sehen kann, ob sie es besetzt haben. Wenn wir einen Widerstand aufbauen, brauchen wir Zugang zu den Waffen. Aber das ist ein Problem für den morgigen Tag - einen Schritt nach dem nächsten.”


Haus ya Pirras

Im Senatsgebäude

In einem Zimmer des Senatsgebäudes saßen sich Valerio ya Pirras und Serafanos Thirindar gegenüber. Während auf dem Gesicht des Zyklopäers ein siegessicheres Lächeln das sonnengebräunte Gesicht zierte, schaute der Efferdier seinen Gegenüber misstrauisch an.
"Verzeiht dieses Treffen zu so früher Morgenstunde und unter diesen Umständen, Senator ya Pirras." Dabei deutete er auf die Hand- und Fussfesseln, welche durch eine Kette miteinander verbunden waren und Valerio in seinen Handlungsfähigkeiten einschränkten. "Was wollt ihr, Thirindar?", fragte dieser unwirsch.
Serafanos nahm sich eine Karaffe Wein und füllte seinen Becher damit auf. Dann prostete er Valerio zu. "Nun." Theatralisch machte er eine Pause und ging in langsamen Schritten um den Sessel, in dem sein Gast saß, herum. "Wir sind hier, weil ich Euch die Möglichkeit dazu geben möchte, Teil einer neuen Zeitrechnung in Efferdas zu werden." Valerio lachte auf. "Das Haus ya Pirras soll sich auf Eure Seite stellen? Auf die eines Verräters? Unsere Häuser hatten bisher nichts miteinander zu tun und werden das auch weiterhin nicht. Außerdem seid ihr nicht das Oberhaupt und habt daher…." ".... trotzdem alle Fäden in der Hand.", brüllte ihn Serafanos an und kippte den Sessel halb um. Dabei starrte er Valerio in die Augen. Er fing an zu Lachen und richtete den Sessel wieder auf. "Und so ganz stimmt es nicht. Unsere Häuser hatten schon miteinander zu tun." Fragend schaute Valerio ihn an. "Oh. Ihr wusstet davon nichts? Solltet ihr noch einmal die Möglichkeit dazu bekommen, haltet einmal eine Unterredung mit Eurer Schwägerin. Sie war damals Feuer und Flamme, als ihr Verwandter sie um Unterstützung bat. Ja, der gute Stoëllios . Sein Ableben hat uns alle sehr getroffen." Er nippte noch einmal an seinem Wein. "Aber seid beruhigt. Eure Dukaten fanden eine andere Verwendung. Ein Teil davon ist in unsere Truppen geflossen."
Serafanos lachte wieder auf. "Da wir also schon einmal unbewusst einen guten Anfang hatten, biete ich Euch noch einmal einen Platz an unserer Seite an. Euer Haus war doch bisher nicht gut auf die Volksherrschaft hier in Efferdas zu sprechen und auch mit dem Haus Efferdas gab es zuletzt einige Differenzen. Ich biete Euch hiermit die Möglichkeit Neues zu schaffen. Nicht als Exilanten oder als ungeliebtes Haus innerhalb des Senats. Überlegt doch einmal. Euer Haus wäre prädestiniert dafür, die Judikative zu führen. Eure Standfestigkeit und Euer Gerechtigkeitssinn sprechen für sich."
Diesmal war es Valerio, der ein schiefes Grinsen aufsetzte. "Und Eure Bagage soll die Legislative und die ruchlosen D'Oro die Exekutive sein. Verzeiht, aber ich glaube ihr überschätzt Euch maßlos. Ihr denkt, Ihr kommt mit allem schadlos davon? Wegen der gewaltsamen Entmachtung des Senats müsst Ihr dem Volk Beweise vorlegen, welche Ihr nicht habt. So viele könnt ihr überhaupt nicht haben, selbst wenn Ihr den Fuchs höchstselbst auf Eurer Seite hättet. Vor Gericht wird nichts davon standhalten." "Da spricht der Justitiar. Euer Lachen wird Euch aber noch vergehen. Wer weiss, vielleicht wird kein Prozess benötigt. Ein wütender Mob. Ein Unglück." "Das wagt ihr nicht." "Seid Euch da nicht so sicher." "Auch den Baron werdet ihr nicht ewig verstecken können." "Wir verstecken ihn nicht, wir schützen ihn. Vor den Menschen, die ihm nach dem Leben trachten." "Und der Gipfel der Unverfrorenheit, ihr nutzt die unheiligen Tage zum Schutz Eurer Machenschaften, weil Ihr Angst habt Euch vor der Wahrheit und dem Herrn Praios zu verantworten. Schande über Euch." Mit einen Aufschrei warf Serafanos den Weinbecher an die Wand. Die Tür zum Amtszimmer wurde aufgerissen und zwei Soldaten der Republikanergarde stürmten mit gezogenen Waffen hinein. "Schande über mich. Nein, Schande über Euch. Ich habe Euch die Hand gereicht und Ihr schlagt sie auf Eure arrogante Art und Weise aus. Ihr scheint Eure Situation nicht so recht einschätzen zu können. Aber das kann man ändern." Er schnappte schwer nach Luft und wandte sich an die Soldaten. "Begleitet unseren Gast zu seinem neuen Transportmittel. Und schickt mir Euren Kommandeur."
Umsanft zogen die Soldaten Valerio aus dem Sessel hoch. Mit kleinen Stößen trieben sie ihm den Gang entlang bis zur Eingangshalle. Dort deutete man ihm an stehen zu bleiben. Ein kurzer Tumult entstand, als die noch verbliebenen Senatoren aus ihren Zellen gebracht wurden. Rondrigo d'Oro betrat die Halle. Er zwirbelte an seinem Schnurrbart. "Werte Herren Senatoren, wir sind dazu übereingekommen Euch, zu Eurer eigenen Sicherheit, von hier zu deportieren. Wir werden Euch jetzt die Augen verbinden, damit ihr keinerlei Rückschlüsse auf Euren neuen Aufenthaltsort bekommt." Dettmar Gerber begehrte lautstark auf. Mit einem Schlag in die Kniekehlen wurde dieser zum Schweigen gebracht.
Rondrigo trat langsam auf den am Boden liegenden Senator zu. "Nur Eurem Stand als Senatoren habt ihr es zu verdanken, bisher so wohlwollend behandelt worden zu sein und nicht wie gemeine Verräter, die Ihr allesamt seid. Verscherzt es Euch also nicht und verhaltet Euch dementsprechend. Er reichte dem Gerber die Hand und half ihm auf. "Wie gesagt, wir werden Euch nun die Augen verbinden. Soldaten." Er klatschte in die Hände und die Soldaten setzten sich in Bewegung.

Deportation

Dünne Nebelschwaden zogen durch die Gassen der Stadt und erschwerten die Sicht. Die Luft war, obwohl es Nacht war, drückend und stickig. Ein seltsamer Geruch wie faulende Algen kam vom Meer her und legte sich über die Stadt.
Die meisten seiner Soldaten hatten sich, auf seinen Befehl hin, zur Ruhe begeben. Nur jeweils zwei Paare hielten den Hafen und das Senatsgebäude unter Kontrolle. Erdano grübelte. Die Schiffe standen, der Flaggen nach, unter dem Kommando der Hylailer Seesöldner. Natürlich hatten diese eine Kaserne in der Stadt und sie hatten schwere Verluste durch den Piratenüberfall erlitten, aber so recht konnte er sich diese starke Präsenz mit zwei solchen Schiffen nicht erklären. Außer, dass sie in Diensten der Usurpatoren standen. Aber das würde er hier nicht in Erfahrung bringen können.
Er stand auf und begab sich in das Zimmer mit Blick auf das Senatsgebäude. Die wachhabenden Soldaten nahmen kurz Haltung an. "Ich wollte Euch gerade holen, Capitan. Dort scheint etwas vorzugehen. Seht…" Der Soldat deutete auf den Platz der efferdischen Libertät. Aus dem Nebel schälen sich drei vergitterte Karren, mit denen normalerweise Verbrecher vom Gefängnis zum Gericht gebracht werden. Diese hielten vor dem Eingang des Senatsgebäudes und das große Tor öffnete sich. Heraus traten Soldaten, die anhand ihrer Uniform der Republikanergarde angehörten. Sie bildeten das Geleit für sechs Gestalten deren Augen verbunden waren und nun auf die Karren verteilt wurden. "Weckt die Kameraden", zischte Erdano. "Sie bringen die Senatoren im Schutz der Dunkelheit an einen anderen Ort. Beeilt Euch." "Jawohl, Capitan." Schnelle Schritte entfernten sich und Erdano beobachtete die Situation weiter. Es versammelten sich knapp fünfzehn Soldaten auf den Platz und deren Anführer betrat gerade die Szenerie. Erdano knirschte mit den Zähnen. Rondrigo d'Oro. Selbst auf diese Entfernung war er zu erkennen. Schwere, schnelle Schritte waren auf dem Gang zu hören. "Achte weiter auf die Geschehnisse auf dem Platz.", wies er seinen Getreuen an und wandte sich dann den ankommenden Soldaten zu. Mit kurzen knappen Worten erklärte er die Situation und seinen Plan diesen Trupp zu verfolgen, um vielleicht eine geeignete Möglichkeit zu bekommen die Senatoren zu befreien, auch wenn der Feind zahlenmäßig überlegen war. "Capitan, der Zug bewegt sich. In Richtung Residencia."

Heimlich und mit genügend Abstand folgte man dem Tross. Dieser bahnte sich seinen Weg über die Silem-Horas-Straße. War diese bis vor kurzem noch Schauplatz heftiger Straßenkämpfe, war es jetzt mit Anbruch der Namenlosen Tage totenstill. Nur die Folgen davon waren noch zu sehen. Es dauerte nicht lange und man erreichte Residencia. Linker Hand erhob sich die Residenz. Auch dort waren Spuren des Aufstandes zu sehen. Scheiben waren zerstört und Möbelinventar lag zertrümmert auf der Straße. Auch eine ausgebrannte Kutsche des Postendienst Pertakis war zu sehen. Hinter einigen noch intakten Fenstern sah man Kerzenschein und flüchtige Bewegungen. An der vorderen Front des Gebäudes patrouillierten Söldner der Rondrikan-Löwen, welche den Sohn ihres Condottiere sofort nach dem Erkennen grüßten. < br> Diesen offenen Weg konnten Erdano und seine Soldaten nicht gehen. Sie schlugen einen Bogen und umrundeten den Hesinde-Tempel. Dieser war anscheinend verschont geblieben. Es waren keinerlei äußerliche Beschädigungen zu sehen. Das Eingangstor war verschlossen. Dies beruhigte Erdano etwas, denn schien seine Schwester bei ihren Glaubensbrüdern in Sicherheit zu sein.
Im Schatten der Villa Vinarii konnten sie sehen, wie der Zug vor dem Palazzo Thirindar zum Stehen kam. Das Haupttor öffnete such. Mehrere Söldner erschienen und nach einer kurzen Unterredung wurden die Gittertüren der Karren geöffnet und die Senatoren mehr oder weniger grob in den Palazzo gezerrt. Ihr Begleitschurz betrat ebenfalls das Gebäude. Das Tor wurde wieder geschlossen und zwei Rondrikan-Löwen bezogen dort Position, während vier weitere begannen um den Palazzo zu patrouillieren.
Viele Gedanken rasten durch Erdanos Kopf. Wenn es bei dieser personellen Stärke im und außerhalb des Palazzo bleibt, und wenn das überhaupt alle sind, werden sie es alleine nicht schaffen die Senatoren zu befreien. Zumindest nicht offen und frontal. Sie brauchen ganz dringend Verbündete und am Besten welche mit einer eigenen Hausgarde. Auch benötigen sie einen neuen Stützpunkt, von wo aus sie ihre nächsten Züge planen können.
"Hört zu, Kameraden. Zwei Freiwillige von uns, werden hier genauso wie unsere Freunde dort drüben patrouillierten und den Palazzo so lange im Auge behalten, wie es die Dunkelheit und die Witterungsverhältnisse zulassen. Der Rest kommt mit mir. Es wird Zeit meine Familie zu beruhigen. Der Palazzo ya Pirras ist unser neues Hauptquartier."

Familie Trenti

Die Weidenloge

Lessandero Trenti atmete tief durch. Es sollte nicht zu schwer werden, obwohl sich die Weidenloge damit rühmte, politisch neutral zu sein. Doch er hatte es geschafft, viele Mitglieder von der heutigen -- außerordentlichen und überaus kurzfristigen -- Versammlung zu überzeugen. Vielleicht hätte er sich doch eine Rede zurecht legen sollen. Dann grinste er. Cassiopeia hatte schließlich auch keine gehabt, als sie vor ihre Familie trat und sie war sehr überzeugend gewesen. Nun galt es also, seine Logenbrüder vom Widerstand zu überzeugen. Viele von ihnen waren doch ohnehin schon gegen die Schergen d'Oros auf die Straße gezogen. Mit diesem Gedanken schlug er die Augen wieder auf, hob den Kopf und blicke in die Gesichter der Handwerker von St. Parvenus im großen Versammlungsraum der Loge. Vor ihm zwei lange Tischreihen, nahezu voll besetzt, er mit dem Rest des Vorstandes am Tisch quer vor Kopf. Es hingen laute Gespräche in der Luft, jeder wollte etwas zur aktuellen Situation sagen und wissen. Alle Gesichter waren zornig und aufgebracht. Er erblickte auffallend viele frische Verbände und Blessuren und fürchtete, dass er seinen Freunden und Kollegen in Kürze noch weitere abverlangen würde. Er läutete die Glocke und die Gespräche verstummten.

Die Legende

Cassiopeia hatte soeben mit den di Camaros besprochen, welchen Ort man als Treffpunkt der Widerständler nutzen konnte. Die Wahl war auf den Freiheitsgong gefallen. Allein schon von der Symbolik war dieses Monument nicht zu übertreffen, aber auch -- eine Bemerkung ihres taktisch offenbar begnadeten Gatten -- der gute Überblick über Stadt und Umland, die Einsehbarkeit des Platzes der Freiheit und die noch andauernde Verteidigung der Barrikaden um selbigen waren Pluspunkte, die man nutzen wollte. Nun war sie zurück auf dem Weg zu den Trentis, um die Nachricht weiterzutragen. Währenddessen grübelte sie vor sich hin: ihr Onkel versuchte die Handwerker auf ihre Seite zu ziehen, die di Camaros versuchten ihr Glück bei den Familien in Residencia... Das war gut, aber ob es reichen würde? Sie bräuchten einen Fürsprecher, der dem Volk bekannt war, einen Helden, der Vertrauen genoss. Einen... "BINDER! Hierher! Hier ist noch einer!" scholl es aus der Gasse zu ihrer linken. Cassiopeia blickte Neugierig hinein. Ein Trupp von drei Personen machte sich an einer der Barrikaden zu schaffen, warf Möbel und Trümmer beiseite. "Kollaborateure!" schoss es Cassiopeia durch den Kopf und sie wollte schon verschwinden, als sie sah, das der größte von ihnen einen jungen Mann aus den Trümmern hob. "Er lebt noch! Nur sein... Handgelenk sieht scheiße aus. Götterverflucht, das ist Ole! Ole! Hey, Ole!" der Große schüttelte den jungen Mann unwirsch "Komm zu dir. Sonst schaffst du nie deine vier Renze." Alrik Binder drehte sich zu den anderen um. "Baut die Barrikade wieder auf. Und dann sehen wir zu, das wir das hier" er zeigte auf Oles Hand "wieder in Ordnung bringen."

Cassiopeia eilte zu ihnen, nachdem sie nun erkannte, das dies Verteidiger und keine Kollaborateure waren. "Wohin bringt ihr ihn?"

"Nach Hause, Parveneo. Seine Mutter soll sich um ihn kümmern. Hier kann er so nichts tun."

Cassiopeia schüttelte den Kopf "Der Haselnussmarkt liegt näher. Kommt mit."

Alrik legte den Kopf schief. "Du bist doch die Trenti, die keinen Plan von Blumen hat?"

"Das war einmal, Meister Binder. Dennoch habe ich heute leider keine Nelke für Euch."

Alrik lachte schallend. "Na du machst mir spaß! Also auf! Der Fisch ist im Wasser."

In der Casa Trenti in der Nähe des Haselnussmarkts angekommen, wurde Ole erst einmal versorgt. Derweil fragte Cassiopeia Alrik, wie er zum Widerstand gekommen ist.

"Die Jungs da in der Gasse, das sind Delphinocco-Freunde von mir. Ich war in der Nähe, als die Barrikade angegriffen wurde. Ich hab die Faxen so dicke! Die verfluchten Söldner greifen wahllos alles an, was denen im Weg steht. Wir müssen was tun."

Cassiopeia grinste ihn an.

Alter Feind, älterer Freund

Es klopfe an der Tür. Cassius warf seine Dokumente auf den Tisch, wo sie alle durcheinandergerieten und brummte ein unwirsches "Herein!". Welchen Sinn hatte es denn, Bauvorhaben für eine Stadt zu prüfen, die auf der einen Seite im Meer versank und auf der anderen Lichterloh brannte? Er sah zu seinem Gast auf und stockte! "DU? Was willst denn ausgerechnet DU hier?" "Ich freue mich auch, dich zu sehen, mein alter Freund." erwiderte Avincenzo Pecuna und grinste. "Was macht die Arbeit? Unbefriedigend in diesen Zeiten, möchte ich meinen." und zeigte auf die Stadt hinaus, wo noch der Rauch des Vortages hing. "Na du hast Nerven!" schnaubte Cassius. "Seit Jahren redest du nicht mit mir, schickst höchstens deine Gesellen vor, um deine Anträge einzureichen und jetzt platzt du hier rein als ob nichts wär?" Avincenzos Blick wurde ernst und streng. Er ballte beide Hände zu Fäusten und stütze sie auf Cassius' Schreibtisch, beugte sich zu ihm herunter und zischte ihn an: "Mitnichten werde ich so tun, als sei damals nichts vorgefallen! Doch ich sprach gestern mit Meister Arnax. Er überzeugte mich, das wir uns aussöhnen müssen. Nicht nur als Erben seines Genies. Dem Hass der hier wütet ist es egal, wessen Gebäude er verbrennt. Welche Familien und Leben zerstört werden. Angesichts dessen sollten wir doch wohl in der Lage sein, über unsere Schatten zu springen und uns wieder zu vertragen. So wie es früher war." "Früher. Du sagst es. Das ist lange her..." Cassius war so überrumpelt vom auftauchen seines früheren Freundes. Seit anbeginn ihrer Ausbildung bei Meister Arnax waren sie zerstritten. Niemand wusste, was damals vorgefallen war. Cassius brauchte Zeit. "Lass uns gemeinsam zum Meister gehen. Ich will aus seinem Mund hören, was er zu sagen hat."

Bei Angrosch

In Arnax' Haus am Pilgertorweg, wo seine beiden Schüler noch einen eigenen Raum nutzten, war noch alles ruhig. Die Haushälterin Tsalina öffnete den beiden. "Der Meister ist in einer der Werkstätten, aber sein Mittagessen ist überfällig. Bringt ihn doch bitte gleich mit ins Esszimmer." Die beiden früheren Freunde begannen mit der Suche. Sie fanden Meister Arnax im Bildhauer-Atelier. In der Mitte des Raumes stand eine wundervolle, unvollendete Statue aus Grangorischem Marmor, die offenbar ein Reiterstandbild werden sollte. Das Gesicht des Reiters wirkte beinahe lebendig, so fein war es gearbeitet. Auch die Flanken des Pferdes waren so geschickt in die Maserung des Steins gearbeitet, das es so aussah, als würde es Atmen, wenn sich der Betrachter bewegte. Doch Meister Arnax bewegte sich nicht. Leblos lag er am Boden, den Meißel in der einen Hand, den Hammer neben der anderen. Die Augen offen, der Blick leer. Er atmete nicht. Meister Arnax Silberfinger war tot!

Familie Legari

Daria Legari saß im Salon und starte auf die Briefe vor ihr, die unterschiedlichen Stadien der Zerknitterung aufwiesen.Ihr Sohn Kahadan lehnte am Türrahmen, seine Kleider wirkten als hätte er darin geschlafen und die Haare hatte er nachlässig nach hinten gebunden. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragte er und deutete auf die Briefe auf dem Tisch. Seine Mutter seufzte „Ich habe es dir doch schon ausführlich erklärt, es ist einfach nicht klar wer die besten Chancen hat. Die d'Oro haben es geschafft sich auf einen Schlag fast alle wichtigen Familien der Stadt zum Feind zu machen, selbst diedi Malavista und die ya Pirras, die ja fast schon offen Feinde der Republik sind, haben sich gegen sie gestellt“, meinte sie und deutete auf zwei der Briefe, „anderer Seitz haben sie alle Trümpfe in der Hand, der Senat ist außer Gefecht, die Senatoren als Geiseln genommen, die Truppen sind übergelaufen und die Tempel schweigen. Wenn wenigstens Efferdobal Positionen gegen sie beziehen würde, aber der sitzt in seiner Höhle und nimmt übel. Ich mag die Familien dieser Stadt und ich mag auch das Konzept der Republic, aber ich bin nicht bereit mit ihren unter zu gehen. Das Problem mit dem Heldentot ist nämlich, egal wie stielvoll oder heroisch man abtritt, man ist danach halt Tod. Also da wir nicht wissen welches Pferd das Rennen machen wird setzten wir halt auf alle. Ich habe den di Malavista den Vorschlag gemacht zu den Thirindar zu gehen und mal zu schauen was sie vor haben und den Thirindar werde ich das Angebot machen ihr Ohr in den Reihen des Wiederstandes zu sein. Wobei wir offiziell natürlich an der Seite der di Malavista stehen. Also können wir im Notfall immer behaupten, wir hätten für die entsprechende Seite gearbeitet.“ Kahadan seufzte: „Und bietest damit jeder Seite einen Grund dich als Feind zu betrachten. Das was du da vorschlägst ist ein wahnsinnig gefährlicher Balanceakt. Aber ich habe hier ja eh nichts zu melden, also was kann ich tun?“Daria hielt ihre Augenbraue im letzten Moment davon ab sich zu heben. War das eben ein winziger hauch von Verbitterung gewesen? „Nun ja“, begann sie etwas verunsichert, sie hatte nicht erwartet, dass er sich an der Sache beteiligen wollte, normalerweise ging er jeder sozialen Interaktion aus dem weg. Vermutlich hätte er auch den Putsch verpasst bis das Dach über seinem Kopf abgebrannt worden wäre, wenn Daria ihn nicht von seinen Büchern weg geschleift hätte. „Ich dachte du bleibst hier und hellst die Stellung. Jemand muss schließlich auf die ganzen Leute aufpassen und Nachrichten entgegen nehmen.“ Das war noch so ein Punkt, als Daria ihren Bediensteten erlaubte, ihre Familien mit ins Haus zu bringen, hatte sie an Ehepartner und vielleicht Kinder gedacht. Ihre Diener anscheinend nicht.

Es klopfte höflich an die Tür, es war ein Klopfen, das ungefähr folgende Botschaft vermittelte „Wenn es niemanden stört, hätte ich eventuell etwas zu sagen, aber nur wenn es euch gerade passt.“ „Herein“, sagte Daria, es gab nur eine Person die so klopfte. Ihr Battler trat ein. „Die Dame, der Herr vor der Tür stehen drei Delphinoccospieler, einer von ihnen ist der junge Mann den sie zum einkaufen geschickt haben, ein anderer ist verletzt, sie möchten wissen ob sie herein kommen können.“ Kahadan nickte:„Bring ihn in die Küche. Dort kann sich Averdane um ihn kümmern.“ Als er die hochgezogene Augenbraue seiner Mutter bemerkte zuguckte er die Achseln: „Einige unserer Gäste waren ziemlich angeschlagen als sie hier ankamen. Ich musste herumfragen wer Ahnung von Heilkunde hat. Im Haus gibt es eine Wundärztin, dass ist Averdane, die Schwester deiner Zofe, einen Zahnreißer und zwei Hebammen. Ach ja und noch einen Bader, den eine der Hebammen empfohlen hat um Averdane zu assistieren. Einer der Söhne des Battlers musste ihn her holen, aber er macht seinen Arbeit sehr gut. Nur leider haben wir nicht ausreichend Material, also habe ich jemanden losgeschickt, der Kräuter, Verbände und sowas besorgen soll. Anscheinend hat er seine Freunde mitgebracht.“ Darias Augen wurden immer schmaler während sie zuhörte. „Du hast dieses Haus in ein Hospital für Proleten verwandelt?“, fragte sie mit betont ruhiger Stimme. Ihr Sohn begegnete ihrem Blick mit verschränkten Armen „Wenn du es so nennen willst. Es sind unsere Gäste, also müssen wir uns so gut wie möglich um sie kümmern und es wäre unmenschlich anderen diese Hilfe zu verwehren, wenn sie sie am dringendsten brauchen. Unsere Leute hier sind vielleicht keine Medici, aber sie können für einige der Unterschied zwischen, Heilung oder dem Leben als Krüppel oder vielleicht sogar dem Tot sein. Außerdem willst du gerade einen Tanz auf der Rasierklinge versuchen. Was immer da am Ende rauskommt, ein paar dankbare Proleten können bestimmt nicht schaden. Wir waren uns noch nie zu schade, jemanden Marmelade um den Mund zu schmieren, also was spricht dagegen?“ Seine Mutter setzte zu einer scharfen Antwort an, überlegte es sich aber anders „Du bist erwachsen, tu was du für richtig hältst. Versuch einfach nicht aus einem dummen Grund zu sterben.“ Der Verwalter wirkte im ersten Moment überrascht und nickte dann. „Pass du, auch auf dich auf. Unter unseren Gästen hier sind auch ein paar kräftige, junge Männer sie können dich auf deinen Ausflug zu den Thirindar begleiten.“ „Du machst dir wirklich Sorgen um mich oder?“, in die Augen der alten Frau war ein schelmisches Funkeln getreten, „keine Angst ich bin nicht so alt geworden, um jetzt mit eingeschlagenem Schädel im Rinnstein zu landen und dir meine Hunde zu überlassen.“ , sagte sie und stich einem neben ihr liegenden Exemplar über den schneeweißen Kopf.