Briefspiel:Attentat auf den Graf (1)
|
Müde ließ er seine Hand mit der Nachricht des Cirrention auf den
Schreibtisch sinken. Er rieb sich die Augen. Morgen würde er sich
darum kümmern, dachte er sich und erhob sich schwerfällig von dem
Arbeitsstuhl. Er nickte dem Lakaien zu und befahl diesem das Licht
zu, er selbst suchte den Weg zu seinen Schlafgemächern.
Er streifte seine Kleider ab, warf sie über einen bereitstehenden
Lehnstuhl und warf sich selbst ein leinernes Schlafgewand über. Über
der Armlehne hin ein silbernes Medaillon mit dem Zeichen des
Bishdariel, dass er ergriff und sich um den Hals legte. Der
borongefällige Talisman begleitete ihn seit einiger Zeit des Nachts.
So hoffte er durch göttliche Gunst seinen Albträumen Herr zu werden
oder sie zumindest einzudämmen. Seit Jahren litt er unter einem
leichten Schlaf und wurde in diesem zudem noch von leidvollen
Visionen geplagt.
Er seufzte, löschte die Lampe und begab sich im Licht des Madamals zu
Bett. Zufrieden räkelte er sich noch einmal, ehe er in den weichen
Daunenkissen den Schlaf fand.
Inzwischen hatten sich dunkle Wolken vor das Madamal geschoben, nur
an wenigen Stellen brach das helle Mondlicht durch die grauen
Schlieren hindurch und tauchte die Welt in gespenstische Blässe.
Leise und mit größter Vorsicht wurde in diesem Moment eine Tür
geöffnet, durch die sogleich einige verhüllte Gestalten schlichen.
Ein jeder von ihnen sorgsam darauf bedacht keinen Ton von sich zu
geben. Ihr Anführer wandte sich zu ihnen um, hob seine Hand und
winkte zwei seiner Schergen zu dem Bett herüber.
Eine Frau, die ihr helles blondes Haar unter einem grauen Stoff
verborgen hatte, stand bald neben dem schlafenden Grafen. In ihrer
Hand fasste sie fest ein Dolch, der im Lichte Madas eben
verschwörerisch aufblitzte als sie ihn anhob um zuzustechen. Noch
einmal sah sie hinüber zu ihren Komplizen, die wortlos nickten und
sie erwartungsvoll anblickten. Daraufhin wandte sie sich wieder zu
ihrem Opfer und stach zu...
Ein namenloser Schrecken durchzuckte sie, als sie mit einem Mal eine
kräftige Hand an ihrem Unterarm spürte. Noch einmal weiteten sich
überrascht ihre Augen, ehe Horasio della Pena zupackte und sie quer
über das Bett warf, so dass sie auf der anderen Seite vor die Füße
eines anderen Verhüllten stürzte.
Während dieser sich zu ihr beugte um ihr aufzuhelfen, erkannten die
anderen schneller die Situation und versuchten sich dem fliehenden
Grafen in den Weg zu stellen. Der Nächste von ihnen stellte sich
breitbeinig vor den durch seinen leichten Schlaf geretteten und
verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere, derweil er
drohend seinen Dolch dem Opfer entgegen hielt.
Dieses jedoch, von zahlreichen Kämpfen der letzten Jahre erfahren und
ruhig in Momenten wie diesen, sah sich kurz um im Mondlicht. Wollte
er sich dieser Falle entziehen, so verstand er sofort, musste er
schnell und entschlossen handeln. Also griff er kurz zu dem
Kerzenleuchter auf dem Nachttisch, warf diesen auf sein Gegenüber und
nutzte dessen Ausweichmanöver dafür den Waffenarm zu greifen und ihm
mit einem festen Hieb in den Magen den Dolch abzunehmen. Den
röchelnden Gegner stieß er mit einem Tritt von sich und eilte weiter
zur Tür, die er hastig aufriss. "Wachen!", schrie er lauthals.
Die Verschwörer hatten noch nicht aufgegeben und folgten ihm. Samt
und sonders zogen sie nun Degen, um nun ihre größere Reichweite
auszuspielen, schließlich hatte der Graf lediglich einen kurzen Dolch
in seiner Hand. Ihr Anführer stellte den Grafen in dessen
Arbeitsraum, in dessen Mitte der schwere Schreibtisch der Berîsac
stand. Einige Hiebe des Degens sausten auf den Condottiere zu, die er
noch mit dem Dolch parieren konnte, ehe die schmale Klinge
schließlich doch zu schnell war und sich die Spitze durch das
Nachthemd in die Brust zu bohren schien.
Getroffen sank der Graf zu Boden, kniete vor dem Stuhl und fasste
sich ungläubig blickend an die Brust, aus welcher der Attentäter
zögerlich seine Waffe zog. Es mag sein, dass jener in diesem Moment
schlicht zufrieden ob der Vollendung der infamen Tat war, es mag aber
auch sein, dass er durch die Wolke welche sich vor das Madamal schob,
nicht sah, was der Graf mit seinen Händen spürte.
Dieser tastete nämlich, fühlte jedoch... nichts! Mit einem Mal wurde
er sich des Medaillons bewusst, welche an einem ledernen Band um
seinen Hals hing. Seine Finger ertasteten in dessen Mitte eine Delle
und mit einem Mal wurde ihm klar, dass der Degen sein Ziel verfehlt
hatte. Mit aller Kraft, die ihm diese Erkenntnis hatte zuteil werden
lassen, warf er sich schnell auf den Feind, der in seiner
Überraschung seine Waffe nicht mehr heben konnte.
Horasio riss ihn zu Boden und versetzte ihm zwei feste Faustschläge,
ehe er sich den Degen griff und noch auf den Knien den ersten Hieb
eines Attentäters parierte. In diesem Moment öffnete eine Wache die
Tür und stürmte mit Rapier in das Gemach, wo sie sogleich von einem
Bolzen niedergestreckt wurde.
"Lasst uns verschwinden!", schrie die Frau, welche im Türrahmen zum
Arbeitszimmer stand, ihre Balestra sinken ließ und sich umdrehte um
zur Geheimtür zu rennen, durch die sie Gemächer betreten hatten. Ihr
Opfer war jedoch nicht bereit sie entkommen zu lassen und erhob sich,
setzte seinen fliehenden Kontrahenten nach und verwickelte einen von
ihnen in ein kurzweiliges Duell, an dessen Ende er ihn gegen die
geöffnete Tür schleuderte und bei dessen Versuch eines Kreuzblocks
mit einem Tritt in die empfindlichsten Teile eines Mannes zu Boden
stieß.
Zwei der Schergen waren neben der Frau, welche bereits durch den
geheimen Gang entkommen war, noch übrig und stellten sich Horasio,
der sich inzwischen auch des Degens seines zweiten Kontrahenten
bedient hatte und nun beiden Händen focht. In stiller Übereinkunft
nur fliehen zu können, wenn sie ihn niederstreckten, ließen sie ihre
Klingen auf den Grafen sausen und trieben ihn durch den Raum. Dieser
parierte mal mit rechts, mal wich er aus und mal stieß er voller
Verzweiflung mit seiner schwächeren linken Hand zu, verfehlte jedoch
sein Ziel. Doch er bot den beiden Paroli, hielt die Deckung hoch bis
weitere Wachen eintrafen und die Angreifer dank ihrer Übermacht
schnell überwältigten.
Erschöpft sank das Opfer dieses Attentats zu Boden und hielt sich die
linke Schulter, wo ihn im Eifer des Gefechtes einer der Degen
getroffen hatte.
Am kleinen See des Schlosses Tsadanja traf die überlebende
Attentäterin völlig außer Atem auf einen Mann, dessen höfische
Gewandung durch einen schwarzen Umhang verborgen blieb. "Wo sind die
anderen?" fragte er sie verräterisch flüsternd und zog sich hinter
einen Busch am Seeufer zurück.
"Sie... wir... haben es nicht geschafft", sprach sie und japste nach
Luft, derweil sie der Mann stützend in den Busch zog. "Der Graf?"
fragte er sie neugierig, obwohl er die Antwort zu kennen glaubte,
während sein Blick zu dem Schloss ging, wo inzwischen helle Aufregung
herrschte.
"Hat überlebt," röchelte sie und stützte sich auf den eigenen
Oberschenkeln ab um wieder zu Luft zu kommen. Er legte die Stirn in
Falten, schüttelte kurz den Kopf. "Der steht doch mit dem Namenlosen
im Bunde", flüsterte er und griff unter seinen Umhang.
"Ich kann wieder, wir müssen fliehen", wandte sie sich an ihn und zog
ihn ängstlich weiter. Doch statt ihr zu folgen, zog er einen Dolch
aus seiner Klinge und ließ die Klinge in den Leib der Frau fahren.
"Wenigstens ich bringe die Dinge zu Ende wie geplant", sprach er in
die Dunkelheit der Nacht und zog sein Opfer zum Ufer, von wo er es in
den See stieß."