Archiv:Die Brandnacht von Amarinto (BB 46)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 46, Seite 4 Sewamunder Seewind.png Datiert auf: Travia 1046 BF


Die Brandnacht von Amarinto


von Ranulf Hortemann
Amarinto brennt2.jpg
Amarinto brennt.jpg


Die folgende Beschreibung der aufsehenerregenden Ereignisse vom 4. und 5. Travia 1046 BF erwuchs aus dem getreulichen Augenzeugenbericht der Weibelin Eillyn Baernhold aus dem albernischen Söldnerhaufen Goldene Bruderschaft, welche höchstselbst an der Erstürmung der Feste Amardûn beteiligt war und dem Autoren ihre persönlichen Aufzeichnungen dankenswerterweise zur Überarbeitung und Publikation überlassen hat.

Dicht gedrängt marschierten die Reihen der Waffenknechte und Söldner auf der Kronstraße. Zur Rechten sahen wir die Schaumkronen der Wogen und das grün-blau glitzernde Wasser der Grangorer Bucht hinter den unzähligen Deichen Sewakiens. Vereinzelte Fischerboote und einige größere Segler waren am Horizont zu erkennen. Hinter den Deichen gingen die Schafhirten und Salzknechte ihrer Arbeit nach und blickten neugierig und ehrfürchtig auf unseren mächtigen Heerzug.

Zur Linken blickten wir auf die endlosen Felder und berühmten Windmühlen, wo die phecadischen Bauern der fruchtbaren Erde reiche Schätze abrungen. Am Horizont erstreckten sich die dichten Wälder und massiven Gipfel des Phecanowaldes, wo die Zwerge des Bergkönigreichs nach Ingerimms Schätzen gruben.

Vor uns lag das letzte Hindernis bevor wir unser Ziel, die reiche Handelsstadt Sewamund, erreichen sollten. Der Baron von Sewamund, der charismatische Edelmann Irion von Streitebeck, hatte uns mit seinen Hauptleuten darauf eingeschworen: Nur die Festung Amardûn des aufständischen Hauses Amarinto stand zwischen uns und unserem Ziel. Die überraschend kleine Festung lag auf einer leichten Anhöhe oberhalb der Kronstraße, am Zusammenfluss zweier Kanäle welche schließlich im Meer mündeten. Dahinter erstreckte sich das ansonsten unbefestigte Dorf Amarinto, welches deutlich den Reichtum seiner Bewohner zeigte: Es waren viele Fachwerkhäuser und Steingebäude zu sehen, gepflasterte Straßen und Blumen an den Balkonen.

Als wir das Dorf erreichten wurde uns klar, dass die Einwohner Vorbereitungen getroffen hatten. Die meisten Häuser waren leergeräumt und alles wertvolle davongeschafft, wahrscheinlich nach Sewamund. Kein Einwohner war auf der Straße zu sehen, als wir durch das Dorf marschierten um die Festung einzukreisen. Die Festung war bemannt, wir konnten dutzende Milizionäre und auch einige gut ausgerüstete Bogenschützen und Ritter erkennen. Auf dem Burgfried wehte das Banner des Hauses Amarinto und darunter das der Stadt Sewamund, so erklärte es uns jedenfalls die Signora Praiane ya Talladan, welche unsere Einheit zusammen mit den Söldnern der Boronsottern und einigen eigenen Waffenknechten anführte.

Nach etwa einer Stunde kamen einige Unterhändler, drei schwer gerüstete Ritter, darunter ein Veteran mit schlohweißem Haar und eine junge schwarzhaarige Ritterin mit hasserfülltem Blick aus der Burg. Sie trafen sich mit dem Baron am Fuße der Straße hinauf zur Festung. In Anbetracht unserer Überzahl machten meine Kameraden Branwin und Siona bereits Wetten, wie schnell die Burgbesatzung kapitulieren würde. Doch die Verhandlungen zogen sich in die Länge und beide Seiten schienen zunehmend mehr erregt und wild gestikulierend zu diskutieren. Dann stieß mir mein Kamerad Branwin den Ellenbogen in die Seite und fragte: „Riechst du das auch?“ und zuerst glaubte ich er hätte nun den Verstand verloren, doch dann kroch mir ebenso der vertraute Geruch in die Nase: Feuer! Wir blickten und alle fragend an und um und dann sahen wir die Flammen und den Rauch über Teilen des Dorfes aufsteigen. Das Ganze Dorf stand in Flammen. Unsere Hauptleute begannen wild Befehle zu brüllen und wir zogen uns in sichere Bereiche zurück. Die Unterhändler hatten ebenso das Feuer bemerkt und ihre Verhandlung verwandelte sich in Geschrei und gegenseitige Vorwürfe. Als letztes sah ich noch die schwarzhaarige Ritterin, wie sie dem Baron mit aller Kraft ihre Lederhandschuhe ins Gesicht schlug. Danach zogen sich beide Parteien zurück.

Einige Stunden später in der Abenddämmerung, das Dorf brannte immer noch an vielen Stellen, erhielten wir den Befehl die Festung zu stürmen. Wir bekamen den Auftrag zusammen mit diesen unheimlichen Söldnern aus Drôl, Neunte Kohorte wurden sie genannt, das Torhaus zu stürmen. Zwei Kampfmagier aus Venga, Signor und Signora Madaloni, sollten uns vor den Pfeilen der Feinde schützen, während wir die mitgebrachten Sturmleitern anlegten und das Torhaus erklommen.

Die Magie der beiden Kampfmagier war mächtig und wir eroberten das Torhaus mit nur geringen Verlusten. Die Drôler Söldner vornweg, angepeitscht von ihrer Hauptfrau Zûna kämpften diese wie von Sinnen. Oben stellten sich uns nur wenige Verteidiger entgegen, darunter der alte Veteran mit dem weißen Haar. Die Hauptfrau Zûna drängte sich vor und schrie: „Überlasst ihn mir, mein Schwert hat heute noch kein blaues Blut gekostet.“ Wir überwältigten die wenige Milizionäre schnell, sie waren mehr Bauernburschen als richtige Kämpfer, wenn auch relativ gut gerüstet. Auch der Kampf zwischen der Condottiera und dem alten Ritter währte nur kurz. Nachdem sie ihn entwaffnet hatte stieß sie ihn mit einem Fußtritt hinunter in den Burghof, wo er gurgelnd liegenblieb und kurz darauf seinen Verletzungen erlag.

Einige Waffenknechte aus dem persönlichen Gefolge des Barons nahmen nach diesem schnellen Sieg die Banner der Amarinto und Sewamunds ab und hissten stattdessen das Banner des Barons und seines Hauses Streitebeck.

Aber auch in den folgenden Tagen herrschte Ratlosigkeit unter meinem Kameraden. Wer hatte das nun das Dorf in Brand gesteckt? Die einen sagten: „Es war der Baron, er wollte ein Exempel statuieren“, die anderen vermuteten einen Versuch der Verteidiger unser Heer in der Feuersbrunst zu vernichten.

Als ich jedoch am Tag nach der Schlacht durch die verkohlten Ruinen des Dorfes wanderte stieß ich auf eine seltsame Szenerie: In den Ruinen von Amarinto, dort wo das Feuer am heftigsten gewütet hatte, stand ein alter Mann, dessen Gesicht von Ruß geschwärzt war. Nur einige Tränen rannen sein Gesicht hinab und vermischten sich mit dem Ruß. “Nicht der Baron war es, der den Befehl gab”, murmelt er vor sich hin, während er durch die Asche wühlte. “Die Drôler, sie handelten eigenmächtig, ein Funke, der zur Flamme wurde und nun alles verzehrt, was wir kannten.”

Niedergeschrieben im Heerlager zu Amarinto am 10. Travia 1046 BF