Briefspiel:Maestro Marciano
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Marciano fuhr sich müde mit der Hand durch die krausen Haare, trocknete seine Feder und legte sie neben der Kerze nieder, die seinen Arbeitstisch beleuchtete. Er stand auf und ließ einen Blick durch die Werkstatt schweifen, die chaotischen Zustände hier störten ihn wenig, doch vermutete er, dass seine Kundschaft von solch einem Bild nicht besonders angetan sein würde.
Wer ihn allerdings zu dieser späten Stunde noch störte, sollte sich nicht über Unordnung beklagen, sondern darüber nachdenken ob es nicht geschickter sei zu einer Zeit zu erscheinen, da das Praiosmal noch kräftig am Himmel von Sewamund stand.
Als erneut gegen die Tür geklopft wurde, ließ er solche Gedanken fahren. Er konnte zur Zeit jede Silbermünze gebrauchen, auch wenn es sich dabei wohl wieder nur um die Anfertigung eines kleinen Heiligenbildchens für irgendeinen kleingeistigen Bürger handeln würde. "Ja, habt Geduld!" rief er und stakste zur Tür, die er vorsichtig entriegelte und einen Spalt öffnete.
Im Licht des Mondes erkannte er nur eine dunkel gekleidete Gestalt.
"Handelt es sich bei Euch um jenen landesweit bekannten Maler namens Marciano?" fragte sie mit tiefer Stimme und statt ein Wort zu finden, nickte Marciano nur.
Die Person legte eine Hand auf die Tür und schob sie nun einfach auf.
Der schlaksige Künstler hielt anfangs dagegen, doch seinem offensichtlich kräftigeren Kontrahenten konnte er nichts entgegenhalten, so dass er bald aufgab und statt dessen einen Schritt zurückwich. Dafür fand er jedoch nun seine Stimme wieder.
"Wer seid ihr? Was verschafft ihr euch einfach Zugang zu meiner Wohnung?", fragte er verärgert, erblasste jedoch, als er erkannte, dass der Mann nicht alleine gekommen war und zwei Komplizen nun ebenfalls eintraten. Schnell schlossen sie die Tür hinter sich, während derjenige, welcher scheinbar ihr Anführer war, durch die Werkstatt schritt.
Interessiert betrachtete er, soweit dies bei dem schlechten Licht möglich war, die Kunstwerke, welche Marciano angefertigt hatte. Seine unfertigen Projekte waren samt und sonders mit weißen Laken verhangen.
"Was wollt ihr?" fragte der Künstler erneut, wenn auch zögerlicher und leiser. Besonders da er erkannte, dass die Eindringlinge Rapiere mit sich führten.
Der Anführer drehte sich zu ihm herum und breitete die Arme einladend aus.
"Ich habe euch ein Angebot zu machen, dass ihr nicht abschlagen könnt."
Etwas irritiert wich Marciano zurück, aus einem Reflex heraus die Arme schützend vor sich haltend. Dann erst wurde er der Worte gewahr und seine Miene wandelte sich zu einem misstrauisch-interessierten Blick. "Was für ein Angebot?" Die Zähne des Anführers blitzen zu einem raubtierhaften Lächeln auf. "Unser Herr wünscht ein Bild...ein ganz besonderes Bild, von einem besonderen Künstler, wie ihr es seid!" Langsam wich das Misstrauen aus dem Gesicht des jungen Künstlers und ein wenig Empörung machte sich in seinen Gesichtszügen breit. Ein wenig übertrieben platzte er heraus: "Und warum kommt ihr dann nicht, wenn des Herren Praios Antlitz auf uns herabsieht, so wie es anständige Leute zu tun pflegen? Anstelle dessen stürmt ihr des Nächtens in meine Werkstatt und jagt mir einen niederhöllischen Schrecken ein! Wenn ihr euch angemessen für euer rüpelhaftes benehmen entschuldigt, bin ich vielleicht bereit euer Angebot anzuhören..." Die Worte klangen weitaus mutiger als Marciano sich fühlte, aber anscheinend hatten sie ihr Ziel nicht verfehlt. "Nun, entschuldigt, hochgeschätzter Maestro, aber die Umstände zwangen uns zu dieser eher phexgefälligen Art des Besuches. Unser Herr wünscht, dass wir euch nach Unterfels geleiten, damit ihr dort persönlich mit ihm über das anzufertigende Kunstwerk parlieren könnt. Nur um euch zu beruhigen, die Entlohnung dürfte eurem Ruf und Ansehen als Künstler durchaus angemessen sein." Marciano blickte etwas unentschlossen...die Art und Weise dieses ungewöhnlichen Auftrags erschien ihm überaus seltsam, doch konnte er es sich momentan kaum leisten einen so vielversprechenden, in künstlerischer wie auch monetärer Hinsicht, Auftrag abzulehnen. Er blickte kurz auf die verhüllten Gemälde in seiner Werkstatt, unter denen sich so manches kleingeistiges Auftragswerk befand, welches er am liebsten heute noch verbrennen würde. Dann war seine Entscheidung gefallen. "Nun, werter Herr, auch wenn ihr euch noch nicht vorgestellt habt, klingt euer Angebot wahrlich interessant. Gerne würde ich den Auftraggeber selbst aufsuchen, um mir seine Idee anzuhören..."