In Sachen Ramaúd/Tankred Menaris zu Gast auf Gut Zweiflingen

Aus Liebliches-Feld.net
Version vom 1. Januar 2017, 17:40 Uhr von Gishtan re Kust (Diskussion | Beiträge) (→‎Link)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Dieser Text entstand im Rahmen des Briefspiels In Sachen Ramaúd und schildert die Unterredung Tankred Menaris' mit Gishtan re Kust auf Gut Zweiflingen am 26. Ingerimm 1033 BF, die zur Aussendung einer Exkrusion nach Ramaúd führte.

Ein Schriftstück von überraschender Tragweite

Tankred Menaris hielt mit einer Hand seine Robe fest, als er der Kutsche entstieg, die ihn kurz vor dem Aufgang zu Gut Zweiflingen abgesetzt hatte. Dann öffnete er die Pergamententasche, ließ den Inhalt hinausgleiten und achtete noch einmal darauf, dass das Dokument in gutem Zustand war. Oder zumindest in bestmöglichem Zustand. Dann schritt er zielstrebig, jedoch nicht eilig in Richtung des Gutes - er war gespannt, was die Unterregung erbringen würde.
Einige Zeit später saß der Hohe Lehrmeister von Shenilo in einem gepolsterten Stuhl und lauschte den Klängen, die der blinde Rebec-Spieler Ogdan Zahin seinem Instrument entlockte. Er hätte in diesem Augenblick trotz durchaus versierter Kenntnisse im musikalischen Bereich nicht sagen können, was Zahin da spielte. Er benutzte die Musik vielmehr als Rhythmus, seine Gedanken zu ordnen.
Endlich erschien der Hausherr, Vogt Gishtan re Kust, Erster Rat von Shenilo, zumindest dem Titel nach Herr von Ramaùd - und seit kurzem wieder aktiver Erbrechtspolitiker in eigener Sache. Der Geruch glimmenden Tabaks begleitete den Ersten Rat und es entstand eine steile Falte zwischen Tankreds Augen. Er räusperte und erhob sich, blickte auf seine Hände und bemühte sich, seine Züge zu glätten. "Exzellenz, Erster Rat, ich bin Euch sehr verbunden, dass Ihr mich so rasch empfangen konntet. Ich hoffe, Euch nicht von wichtigen Geschäften abgehalten oder gar dabei unterbrochen zu haben?"
Er legte eine Hand auf die Pergamentrolle, die um seine Schulter hing und gestattete sich ein Lächeln. Er war ein wenig gespannt, ob Gishtan seine eigene Aufregung ob dieses Fundes teilen würde. Er war stolz, dass den Novizen und Geweihten des Tempels wirklich gelungen war, in nur wenigen Wochen die Archive von Stadt und St. Brigon zu durchforsten und tatsächlich etwas ans helle Licht des Tages zu fördern.
Er blickte den Ersten Rat an. "Exzellenz, ich muss Euch bitten, Eurem Tabakgenuss ein andermal zu fröhnen, was ich Euch zeigen werde, darf nicht beschädigt werden, wenn Ihr eine gute Chance auf Euer Erbe nicht verspielen wollt." Er öffnete ohne weitere Umschweife die Pergamententasche und reichte dem verdutzt dreinblickenden Gishtan behutsam ein faseriges, stockfleckiges Schriftstück.

Tankred wartete ab, bis Gisthan das Dokument einmal gelesen hatte und erklärte dann: "Was ihr vor Euch habt ist das Konzept eines über zwei Jahrhunderte alten Briefes, den meine Ahnin Gylduria Menaris während der Herrschaft Kusmara Galahans an Euren eigenen Ahnen, Midor Trabbacantes gesandt hat. Das Original des Briefes ist nicht aufzufinden, es liegt oder lag wahrscheinlich in Ramaùd. Die Bedeutung des Fundes ist Euch sicher klar, ob wir..." Er verbesserte sich. "Ob Ihr damit jedoch Eurem Ziel näher kommen könnt weiß ich nicht. Vielleicht mögt Ihr Esquirio Leophex zu Rate ziehen? Er wird am besten wissen, wie nutzbar ein solcher Hinweis auf das Hausgesetz der Trabbacantes sein kann." Er lächelte untypyischerweise ein weiteres Mal und ging einige Schritte.
"Es gibt eine Möglichkeit, sicher zu gehen: Es muss gelingen, eine Ausfertigung des Hausgesetzes zu finden." Er hob drei Finger. "Es gibt drei Stellen, an denen wir eine solche finden könnten." Er ging wieder einige Schritte. "Meine Novizen und die Geweihten des Tempels suchen noch zur Stunde nach dem in dem Schreiben meiner Ahnin erwähnten Extrakt. Aber wir müssen realistisch sein - niemand weiß, ob Midor Trabbacantes jemals geantwortet hat. Aber der Brief gibt uns einen Hinweis auf das Hausgesetz vom 1. Praios 817 BF. Wenn sich davon Ausfertigungen erhalten haben, dann an zwei Stellen." Ein Finger senkte sich. "Entweder im Archiv der Trabbacantes in Ramaùd. Ich weiß nicht, wie hoch Eure Ahnen Hesindes Sorgfalt in Ehren halten und wie weit die Aufzeichnungen dort zurückreichen. Aber solch ein zentrales Dokument wird häufig kopiert, in Rechtsbücher übertragen oder in Chroniken oder Briefbücher aufgenommen. Wenn Ihr Möglichkeiten seht, im Archiv von Ramaúd zu forschen, sollten wir dem nach gehen." Nur noch ein Finger war erhoben.
"Es gibt noch eine dritte mögliche Quelle: Damit ein solches Hausgesetz auch in strittigen Situationen, etwa im Erbfalle Geltung hat, wird es Midor an externe Fürsprecher oder Gewährsleute geschickt haben. Im Falle einer solchen Neuordnung der dynastischen und familienrechtlichen Verhältnisse bieten sich die Kirchen der Travia und vor allem des Praios an." Er fixierte Gishtan. "Ich würde im Archiv von San Meracio in Kuslik suchen."

Begeisterung des Ersten Rates

Gishtan re Kust wirkte beeindruckt und – wie Tankred mit gewisser Zufriedenheit feststellte – tatsächlich ein wenig aufgeregt , hatte auch sogleich den kurzen Anflug von Missmut vergessen, weil er die geliebte Tabakrolle auf drei Vierteln ihrer Brennlänge hatte in einer bereitstehenden Messingschale ausdrücken müssen. Begleitend zu den Ausführungen des Hesindedieners war seine Miene zwischen erstaunt, erfreut, hocherfreut und besorgt gewechselt.
Erst als Blick und Gesten des Gastes verdeutlichten, die Erläuterungen seien abgeschlossen, ergriff der Hausherr das Wort: „Darf ich Euren letzten Satz als Angebot verstehen – oder als Vorschlag an mich?“
Er wartete jedoch gar keine Antwort ab, sondern fuhr gleich mit weiteren Überlegungen fort, wie es unter Gelehrten und wohl auch in diplomatischem Umgang nicht ungewöhnlich war, auf dass der Angesprochene seine Erwiderungen zu verschiedenen Dingen gemeinsam geben möge. Während er sprach, schob er ein Porcellan-Schälchen mit kandierten Ingwerstäbchen über das zwischen ihnen befindliche Tischlein, auf dass der Lehrmeister sich von der Süßigkeit nähme.
„Die Kunde, die Ihr mir heute bringt, ist weit mehr, als ich erwartet, doch so viel, wie ich erhofft hatte. Es versteht sich, dass es für mich im Moment kaum wichtigere Geschäfte gibt, denen ich höhere Priorität einräumen müsste als dieser – es sei denn, die Stadt bedürfte unverzüglich meiner Dienste.“ Er wirkte einen Moment abwesend, während er die Worte Tankreds noch einmal im Kopf durchging.
„Die Depesche Eurer Ahnin wird, wie Ihr Euch fraglos bereits zu erschließen vermochtet, zentraler Ausgangspunkt für weitere Nachforschungen werden. Die erste Stelle wird sicherlich das geringste Problem sein; falls Ihr Eure Tempelbediensteten nicht zu lange mit dieser Sache beschäftigen könnt, obgleich Hesindediener in solchen Dinge die erste und beste Wahl sind, so werde ich Secretaria Weltinskvant für die Nachforschungen in St. Brigon freistellen. Um weniger gelehrte Belange wie die Verwaltung des Gutes kann ich mich solange auch selbst kümmern.“
Seine linke Hand griff nach einem Ingwerstäbchen, das er einen Moment gedankenverloren wie eine Rauchrolle zwischen den Fingern drehte, ehe er es genüsslich verzehrte. „San Meracio... ich denke, da wird es ein Diener der Zwölfe tatsächlich leichter haben als ein einfacher Gläubiger, Zugang zu den historischen Schriften zu erhalten. Falls ich Euch somit nicht falsch verstanden habe, und es Euch danach dürstet, die dort gelagerten Dokumente selbst in Augenschein zu nehmen, so wäre das gewiss von Vorteil. Sobald Ihr wünscht, werde ich in einem angemessenen, ruhigen Haus ein Zimmer für Euch vormerken lassen.“
Dann verdüsterte sich die Miene des Ersten Rats: „Das Archiv der Trabbacantes... gut möglich, dass dort das Original der besagten Depesche zu finden wäre. Oder gar eine Praiosschrift, welche das Inkrafttreten des Gesetzes belegt. Allein, es wird für mich schwer, um nicht zu sagen unmöglich, ohne größeres Aufsehen das Haus des Ramaùder Rates, in welchem des Landvogts Leute logieren, oder gar das Wasserschloss der Trabbacantes' aufzusuchen, um Nachforschungen zu betreiben. Es steht zu erwarten, dass noch immer einstige Gefolgsleute der Gebrüder in der Stadt Einfluss haben und mein Ansinnen nach Kräften vereiteln würden, sobald offenbar würde, wer es ist, der Zugang zu den alten Schriften verlangt. Es wäre natürlich möglich, eine Verkleidung anzulegen – aber bei einer Frage von Recht und Ehre kaum angebracht.“
Re Kust ya Ramaùd drehte den Siegelring an seiner Linken einmal um den Finger, während er überlegte. Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen: „Es wäre indes möglich, einen oder mehrere, vertrauenswürdige Personen an meiner Statt zu entsenden, welche die entsprechenden Nachforschungen unternähmen, ohne dass sogleich der Bezug zu meiner Person ersichtlich würde. Ja...“, er stand erfreut auf und ging beim Planen zwischen Sessel und Tür zum Garten auf und ab.
„Ja..., ich denke, das wäre ein guter Weg. In der Tat...“, er blieb so abrupt in der Nähe seines Gastes stehen, dass der Lehrmeister fast erschrak. „In der Tat ist es so, dass ich die vergangenen Wochen eine Reihe Angebote der Unterstützung erhalten habe. Teils, wie in Eurem Falle, für ein hesindianisches Vorgehen, teils Versprechen, mit Leumund und Fürsprache das praiosgefällige Recht zu fördern. Aber auch...“, Gishtan lächelte fast versonnen, wie ein sanftmütiger Vater über einen Spross, der einen guten Streich augeheckt hatte, „...Vorschläge, auf Pfaden des Fuchses zu wandeln. Vielleicht wäre dies nun eine gute Gelegenheit, auf entsprechende Ansinnen zurückzukommen. Anders gesagt: Man könnte einen oder mehrere phexsinnige Geister dazu anleiten, die Sache Hesindes und Praios' mit einer unverfänglichen Reise gen Ramaùd zu fördern. Wie denkt Ihr darüber?“

Rat des Hohen Lehrmeisters

Tankred Menaris hatte eine Zeit lang geschwiegen und nachdenklich die Hände aneinandergelegt. Er war vorsichtig und mit zusammengepressten Lippen aufgestanden und dann langsam einige Schritte auf und ab gegangen, seine Robe machte dabei leise Geräusche auf den Dielen des Salons. Seit seiner Verwundung fiel es ihm nicht immer leicht längere Zeit zu sitzen und die Kutschfahrt hatte ihn nicht von Shenilo, sondern von Helas Ruh nach Zweiflingen geführt.
"In der Tat ergäbe sich in näherer Zukunft für mich die Gelegenheit nach Kuslik zu reisen, wo ich in familiärer Angelegenheit gebraucht werde, Exzellenz. Wenn Ihr mir in dieser Frage Euer Vertrauen schenken möchtet", er neigte leicht den Kopf in Richtung des mit seinem unangezündeten Cigarillo spielenden Gishtan, "dann werde ich soviel Zeit, wie mir meine anderen Verpflichtungen gestatten der Suche nach dem Hausgesetz oder nach einer Gegenüberlieferung zu den bisher gefundenen Urkunden und Korrespondenzen widmen."
Er hielt einen Augenblick inne und fuhr sich scheinbar ohne es zu bemerken mit der Linken über die Hüfte, griff dann mit einem angedeuteten Lächeln nach der Ingwersüßigkeit und kaute kaum vernehmlich. Süßes linderte den Schmerz häufig für eine kurze Zeit.
"In der Sache Ramaúd bin ich ganz Eurer Ansicht: Es wird lokale Kräfte geben, denen keineswegs an einer Änderung der derzeitigen Situation gelegen ist, die gar vom Untergang der Trabbacantes profitiert haben. Wiewohl Hesindens Wahrheit nie des schattigen Umhangs des Herren Phex bedürfen sollte, mag es in dieser Angelegenheit der weisere Weg sein, nicht allzu offen vorzugehen. Wie mir zugetragen wurde stehen für die Belange des Herren Praios ohnehin ein anderer Sohn unserer Stadt zur Verfügung, der Eure Sache vor den Reichsgerichten zu vertreten im Stande wäre."
"Welchen Verbündeten und Freunden", eine eigenartige Betonung des Wortes war nicht zu überhören, "ihr darüber hinaus Euer Vertrauen schenken möchtet, vermag ich nicht zu raten. Wenn ich Euch jedoch einen letzten Vorschlag unterbreiten dürfte? Mein Vetter Asteratus wäre womöglich eine gute Ergänzung für die Gruppe, die Ihr andeutet. Er hat eine von Hesinde und Nandus verliehene Gabe Verlorenes wiederzufinden und Verborgenes zu entdecken. Zudem wird ihm seine Weihe einerseits vermutlich die ein oder andere ansonsten verschlossene Pforte öffnen, andererseits wird aber hinter den Fragen eines Dieners Nandus' niemand unmittelbar eine politische Absicht vermuten. Asteratus war zudem in den vergangenen Jahren nur selten in unserer Heimatstadt und ist deshalb auch Denjenigen, die sich vielleicht mit den Mächtigen Shenilos auskennen mögen und ein Interesse daran haben, Euer angestammtes Recht zu bestreiten, nicht bekannt."

(ts, wus)