Chronik Ramaúds/Alynias Meisterkurs/Abschied: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 7. Februar 2019, 22:04 Uhr

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Überblick   Ankündigung   Begrüßung   Sphärenklänge   Erstes Konzert   Zweites Konzert   Abschied    

Dieser Text entstand im Rahmen des Briefspiels in Ramaúd und schildert eine Begegnung am letzten Tag des Aufenthalts von Alynia Sanja ya Malachis auf Schloss Ramaúd, dem 29. Travia 1042 BF.

Der Herbst war gekommen. Die Abende wurden kühler, die Felder allmählich leer, und das nahe Meer der Sieben Winde rollte unter zunehmend stürmischen Winden gegen den Strand.
Heute war der vorletzte Tag im Travia, Alynias letzter Tag auf Schloss Ramaúd. Die Kutsche der Baronsfamilie war bereits mit den wenigen Besitztümern der jungen Musikerin beladen worden. Morgen früh würde das Gefährt sie auf die Reise nach Marudret bringen, ihre Heimat. Sechs lehrreiche Monde gingen dann zuende.
Alynia stand an der Brüstung auf der äußeren Mauer und blickte über das in der Nachmittagssonne glänzende Meer. Zu ihrer Linken sah sie die Häuser und Befestigungen der nahen Hafenstadt Ramaúd, die sie oft besucht hatte. Und sie wusste: Bei jenen Bürgern, vor denen sie mit Meister Ogdan musiziert hatte, hatte sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Langsame Schritte kamen die schmale Steintreppe hinauf, die zuvor auch sie erklommen hatte. Alynia drehte sich nicht um. Es war noch nicht Zeit für das Abendmahl und sie hatte heute auch keine Verpflichtungen mehr, also suchte der Neuankömmling gewiss nicht nach ihr.

Hochgeboren Gishtan ya Ramaúd

Umso überraschter war sie, als die freundliche Männerstimme erklang: “Worüber denkt Ihr nach, Signorina?” Neben ihr lehnte Baron Gishtan an der Brustwehr und musterte sie.

Überrumpelt davon, vom Baron angesprochen zu werden, trat Alynia einen Schritt von der Brüstung weg und machte einen tiefen Knicks: “Euer Hochwohlgeboren… an nichts Besonderes. Ich glaube, ich hab’ die letzten Monde an mir vorbeiziehen lassen, so wie die Wolken am Himmel…” Alynia verstummte verlegen.

Falls er den Fehler in der Titulatur bemerkte, ließ der ältere Mann sich das nicht anmerken: “Ich hoffe, der Sommer in Ramaúd ist für Euch eine lehrreiche und insgesamt erfreuliche Zeit gewesen? Sicher hat Euch Meister Ogdan vieles wichtige über Eure gemeinsame Kunst gelehrt? Vielleicht hätte ich öfter mit Euch sprechen sollen, um Wissen über Gesellschaft und Staat hinzuzufügen…”
Alynia vermutete, dies hatte ihm seine Gemahlin nahegelegt. Tatsächlich war Gishtan oft abwesend und eigentlich doch er ihr Gastgeber gewesen.
“...aber es ist immer viel zu tun und zu beraten, was für ein junges Fräulein wenig interessant wäre. So scheint Ihr in der Obhut meines Musicus’ und Rahjadas am besten aufgehoben gewesen zu sein. Wie Ihr Euch auch lieb um unsere Kindlein gekümmert habt, die Euch sehr mögen.
Ich persönlich habe die vielen Abendmusiken sehr genossen, auch wenn sie nicht so eindrucksvoll gewesen sein mögen wie Eure Darbietung im Musiktheater. Ich will danach sehen, dass Ihr ab dem kommenden Frühling Gelegenheiten erhaltet, in größeren Häusern und an edleren Höfen zu spielen als hier in Ramaúd.”

Größere Häuser? Vinsalt vielleicht? Edlere Höfe? Alynia schauderte, und wusste nicht ob vor Freude oder Furcht: Meister Ogdan hatte ihr in seiner unverblümten Art erzählt, dass der Baron weder reich noch mächtig sei, aber häufig zu Gast bei den prunkvollsten Festen des Landes (und noch weiter weg), und mit den höchsten Adeligen dieses und anderer Reiche verkehrte. Was mochte das für sie selbst bedeuten? “Was möchtet Ihr”, frug er gerade, als sie wieder aus ihren Gedanken auftauchte. Was wollte der Baron wissen? Alynia war verlegen, nicht zugehört zu haben.
Er schien es zu merken und wiederholte geduldig: “Signora Rahjada hat mir ans Herz gelegt, dass es angebracht ist, als Dank für die viele Musik, mit der Ihr unsere Familie erfreutet, ein für Euch persönlich gefertigtes Instrument in Auftrag zu geben. Welches möchtet Ihr haben?”

“Eine Rebec.” Ohne Nachdenken, ohne Zögern kam es Alynia über die Lippen. “Ich würde mich sehr über eine Rebec freuen Signor, wenn Ihr es wirklich für nötig erachtet mir ein Geschenk zu machen. Ich für meinen Teil bin wirklich glücklich damit, hier gewesen zu sein und bei Meister Ogdan lernen zu dürfen. Ich habe die Monate hier sehr genossen. Eure Gemahlin hat mich mehr wie ein Familienmitglied behandelt als einen Gast. Das alles ist mir schon Geschenk genug.” Alynia wusste nicht, wie man angemessen reagierte, also machte sie vorsichtshalber einen Knicks, das konnte ja nicht falsch sein. “Aber wenn ich einmal wiederkommen dürfte? Das wäre mir eine große Freude.”

Der Edelmann schmunzelte: “Und ich habe gedacht, Ihr hättet Euch hier womöglich gelangweilt. Mich selbst hat es jedenfalls aus Ramaúd in die Ferne getrieben, kaum dass ich alt genug war, für mich selbst zu sorgen. Aber vielleicht ist das Schloss ja etwas anderes als das Hafenviertel, zumal für eine junge Dame wie Euch?
Der gute Ogdan hat Euch ja auch beschäftigt gehalten - und Euch wohl so beeinflusst, dass Ihr ihm auch beim Instrument nacheifern wollt? Eine Rebec also. Ein, nun, traditionelles Instrument. Gut, dann werde ich den Kapellmeister anweisen, dass er eine namhafte Werkstatt beauftragt. Er wird ja wissen, welcher Abmessungen es bedarf.”
Baron Gishtan zwirbelte seinen Kinnbart: “Meiner Gemahlin und mir auch seid Ihr in jedem Fall wieder willkommen, falls Euch Eure Konzertreisen erneut an die Kupferküste führen. Kann ich sonst noch etwas Gutes für Euch oder Eure Familie tun?”

Alynia lächelte und eine zarte Röte überzog ihre Wangen, ob vor Freude oder Verlegenheit, das war schwer zu sagen. “Ich bin mir sicher, meinem Onkel fiele jetzt bestimmt irgendwas ein, was ihr für die Familie tun könnt. Oder meine Mutter hätte sicher ein Anliegen im Namen der Akademie… aber ich weiß jetzt nicht so recht was ich anbringen soll. Ich glaube dafür kenne ich mich nicht gut genug aus mit der Politik.”
Kurz überlegte Alynia. Dann fragte sie: “Kann ich mir euer Angebot aufheben? Für später, wenn mir etwas dazu einfällt?”

Jetzt grinste der Baron breit und ehrlich, als ob sie beide ein lustiges Geheimnis teilten: “Mir scheint, Ihr kennt Euch besser mit Politik aus, als Euch selbst bewusst ist! Und vielleicht habe ich Euch mehr beigebracht, als mir bewusst gewesen ist. Einen Gefallen löst man tatsächlich am besten dann ein, wenn man den größten Nutzen daraus ziehen kann. Ich habe beispielsweise noch immer etwas bei einem gewissen Herzog gut, dessen Gemahlin… ach, dafür seid Ihr doch noch ein paar Jahre zu jung… Jedenfalls… ich bin sicher, zur gegebenen Zeit wird Euch etwas einfallen. Es eilt ja nicht.”
Hochgeboren Gishtan wirkte zufrieden und wandte sich zum Gehen: “Signora Alynia, genießt Eure letzten Stunden auf Schloss Ramaúd. Heute Abend sollt Ihr nicht musizieren, sondern das Abendmahl am Tisch mit uns genießen. Falls ich es richtig verstanden haben”, schmunzelte der ältere Herr wohlwollend, “so hat der Küchenmeister Eure Leibspeise zubereitet.”

Alynia juchzte: “Pici? Mit Carbonara!?” Gishtan nickte - und hatte dann viel Mühe, dem begeistert dem Salon zueilenden Kind zu folgen, so eilig drängte Alynia zu Tisch.

(ka, wus)