Briefspiel:Schmetterlinge

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Dieser Text entstand im Rahmen der lange andauernden Briefspielgeschichte um die Liebe der Rahjada ya Papilio zu Gishtan re Kust, die schließlich in der Heirat der beiden und der Geburt ihrer Kinder ein (vorläufiges) Ende findet.

Gut Zweiflingen, im Rondra 1037 BF

Rahjada schlenderte durch den Garten ihres neuen Heims. Noch immer schien ihr alles ein wenig unwirklich. Sie war nun eine hochgestellte Persönlichkeit, jemand, auf den sich die Augen der Leute richteten. Das war sehr ungewohnt, und manches Mal wäre sie gerne im Erdboden versunken, wenn Blicke sie durchbohrten. Doch all das ließ sich leichter ertragen, da sie wusste, dass sie nicht alleine war. Gishtan war an ihrer Seite und das allein war unendlich mehr als sie sich je erträumt hatte. Er war ein wundervoller Mensch, das hatte sie ja schon immer gewusst.

Die Sonne schien angenehm warm und Rahjada genoss es, heute einmal frei zu haben. Gemächlich setzte sie den Weg durch den Garten fort. Sie hatte der Magd aufgetragen, ihr ein leichtes Mahl im Garten vorzubereiten. Gishtan hatte heute viel zu tun und so musste sie auf seine Gesellschaft verzichten. Deshalb wollte sie das Wetter ausnutzen und ein kleines Picknick im Garten machen. So schlenderte sie gemächlich den Weg entlang, als ihr plötzlich schwindlig wurde. Sie sank zu Boden. Schwärze.

Lessandra hatte gerade das Mahl für die Herrin gerichtet und machte sich eilends auf den Weg zurück ins Haus, um noch einen Krug Wassers zu holen. Als sie den Weg entlang ging, sah sie, dass die Herrin bereits fast bei der Stelle war, die für das Picknick vereinbart war. Doch was war das? Die Herrin sackte plötzlich zusammen!

Vor Schreck ließ die Magd den Krug fallen und eilte sich. “Herrin!?! Herrin!?! Was ist mit Euch?”, rief sie noch im Laufen. Sie kniete sich neben Rahjada nieder und versuchte herauszufinden was los war. “AAALRIK! Komm schnell!”, rief sie nach dem Knecht, den sie in der Nähe wusste. Gemeinsam bettete sie die Herrin auf einer Bank. “Alrico, lauf schnell und hol den Herrn Gishtan!”, schickte die Magd den Knecht los, während sie selbst sich um die Herrin kümmerte. Leicht tätschelte sie Rahjadas Wange : „Herrin!?! Was ist mit Euch?“, wiederholte sie. „Kommt doch zu Euch! Herrin Rahjada!?!”

Aufgeregt eilte der Knecht laut polternd ins Haus. “Herr Gishtan! Herr Gishtan! Kommt schnell! Die gnädige Frau ist im Garten zusammengebrochen!”, schallte sein Ruf durchs Haus.

Alrico erschrak über die Geschwindigkeit, mit der der ältere Mann sich aus seinem Schreibsessel löste und fast augenblicklich durch den Türrahmen schnellte. Kein Wunder, dass der Baron auf einen Leibwächter verzichtete, solange er innerhalb der Einfriedung des Gutshofs verweilte. Nur sein leiblicher Bruder Kalman war ihm im Zweikampf gewachsen gewesen. Während er an dem Knecht vorbei in den Garten eilte, rief Gishtan Alrico drei Worte zu: "Medicus. Hebamme. Los.“ Der Knecht wusste, was er zu tun hatte und lief zum Pferdestall.

Im Garten hatte Lessandra den Kopf der Signora auf eine aus ihrer Schürze gedrehten Rolle gebettet. Rahjada war etwas blass, aber wieder bei Bewusstsein.

Im Laufschritt, mit wehenden Rockschößen, kam ihr Gemahl heran, kniete neben sie und nahm ihre schmale Hand in die seinen. Mit einer Kopfbewegung scheuchte er die Magd los: „Getränk. Zwei Drittel Wasser – aus der Teuchel an der Kapelle. Ein Drittel Granatapfelsaft. Ein paar Tropfen Zitronensaft. Ein Teelöffel gemahlenen Zucker.“

Als Lessandra davonstob, wurde sein Gesicht milder: „Übelkeit?“ Rahjada nickte wortlos und versuchte, ihn mit einem schwachen Lächeln zu beruhigen. „Ist es das, was ich vermute?“ Sie nickte erneut, worauf Gishtans Miene zwischen Sorge um seine Gemahlin und erkennbarer Freude schwankte: „Wenn die Übelkeit häufig ist, wird es ein Mädchen, sagt Meliada.“ Er streichelte die Wange der jungen Frau, die seine andere Hand zur Erwiderung drückte.

So schwach! Sie wollte etwas sagen, um ihr Glück auszudrücken und ihren aufgeregten Ehemann zu beruhigen. Bevor sie dazu die Kraft sammeln konnte, fuhr er fort – immer Mann der Tat und des vorausschauenden Planens: „Für die kommenden Monde benötigen wir nicht nur eine Hebamme, sondern einen Medicus, der dir Tag und Nacht zur Verfügung steht. Und wir müssen jemanden einstellen, der dir die Verwaltung des Guts abnimmt. Am besten jemanden aus deiner... unserer Verwandtschaft. Außerdem gefällt es mir nicht, dass wir hier nur mit Duldung des Hauses di Côntris logieren; auch da muss ich... müssen wir eine Lösung finden.“

Lessandra kehrte mit dem Erfrischungstrunk zurück. Nachdem Rahjada einige Schlucke genommen hatte, ergriff sie das Wort: „Einen Medicus?....Aber ich bin doch nicht krank“, protestierte sie immernoch schwach, "Mir war nur plötzlich.... so flau." Sie seufzte und richtete sich noch ein Stück weiter auf. Sie fand es erstaunlich, an was Gishtan alles dachte. Erschöpft schmiegte sie sich an ihn und meinte leise: "Was willst du denn dagegen tun? Ach lass uns das nachher besprechen. Im Moment dreht sich mir noch alles!" Sie fasste sich an die Stirn und versuchte, das Schwindelgefühl zu vertreiben, aber so ganz wollte es nicht weichen. Da sie ihrem Liebsten aber nicht noch mehr Kummer bereiten wollte, bemühte sie sich, dennoch aufzustehen. Langsam, ganz langsam richtete sie sich auf und stand dann, zwar noch etwas wackelig aber zunehmend sicher, neben ihrem Gemahl. Sie lächelte Gishtan scheu und verliebt entgegen und stützte sich dann an seinem Arm ab, um nicht umzukippen. "Was würde ich nur ohne dich machen, mein Lieber?" Sie versuchte sich wieder zu sammeln und nicht mehr so schwächlich zu klingen. Schlimm genug, dass sie gerade zusammengebrochen war, da musste sie ihrem Gatten nicht länger als nötig Sorgen bereiten. Er hatte schließlich auch so schon mehr als genug, um das er sich Gedanken machte. Sie wusste ja, dass eine Schwangerschaft, gerade in der Anfangszeit, mitunter Nebenwirkungen hatte. Aber sie hoffte innständig, dass diese sich in nächster Zeit nicht all zu oft bemerkbar machen würden.

Rahjada leerte den Becher. Das Getränk erfrischte sie und tat wirklich gut. Endlich ließ auch der Schwindel deutlich nach und sie stand wieder gänzlich sicher auf ihren eigenen Beinen.

„Lass uns unter die Arangerie sitzen, dort ist es kühler“, bat Gishtan sie. Langsam gingen sie zu dem wieder instandgesetzten Gebäude im Park, das, wie nun auch Rahjada wusste, auf den Grundmauern des vor vielen Jahren bei seiner Einweihung eingestürzten Ballsaals des Matteo Delgravo stand. „Mir scheint“, redete der Baron auf halber Strecke weiter, „seitdem du hier bei mir lebst, tummeln sich mehr und prächtigere Schmetterlinge um die Blüten dort. Kürzlich habe ich sogar einen seltenen Horasmantel gesehen.“

Rahjada lächelte: „Ein liebes Kompliment. Aber du weißt, dass meine Familie sich nach dem Schmetterlingstal nennt, nicht umgekehrt, ja?“ Er nickte. „Sicher nur eine Einbildung von mir.“ Und doch… in jüngster Zeit schien ihm, als ob die bunten Insekten vermehrt dann auftraten, wenn seine Gemahlin besonders glücklich wirkte.

Sie ließen sich auf einer beschatteten Bank nieder und Gishtan reichte Rahjada eine Schale mit vielerlei Obst, ehe er selbst begann, Trauben zu entkernen. Seitdem er ihr zuliebe die Cigarillen aufgegeben hatte, aß er fast ohne Unterlass Obst. Wie süß die Apfel-, Kirschen-, Pfirsichküsse…!

„Der fähigste Arzt in der Stadt ist derzeit wohl der Menaris' Canyzethius“, griff er den Betreff von zuvor wieder auf. „Ihn sollten wir dir in Bereitschaft halten. Zumindest bis zu der Reise nach Ramaúd. Die letzten sechs Wochen sollten wir auf dem… unserem… Schloss leben, auf dass das Kind dort geboren wird und wir unsere Verbundenheit mit Land und Stadt bezeugen. Ja, selbst dabei: Politik“, sagte er, als er Rahjadas bekümmerten Blick sah: „Das sind jene Pflichten und Zwänge, vor denen ich dich gewarnt habe...“ Sie nickte und zerteilte eine Passionsfrucht.

„Ja… nun… bei der Verwaltung des Guts dachte ich an deinen… hm… Vetter?… Haakan aus Wanica. Er hat sich ja seinerzeit in Scaletta bewährt, und einem Esquirio bricht als Gutsverwalter eines Barons sicher auch kein Zacken aus dem Krönchen. Zumal Shenilo ein deutlich interessanteres Umland ist als das kleine Wanka, wo er jetzt lebt. Was denkst du? Würde er diese Aufgabe annehmen?“

Aufmerksam lauschte Rahjada den Ausführungen und Ideen ihres Gatten. Dabei ließ auch sie sich das Obst schmecken und genoss es sichtlich, Gishtan gelegentlich eine Traube wegzuschnappen, um ihn zu necken. Mit einem kleinen Löffelchen naschte sie genüsslich das süß-säuerliche Innenleben der Passionsfrucht und bot auch ihrem Liebsten, als Ausgleich für die "gemopsten" Trauben, ein Löffelchen davon an.

"Nun, so wie ich ihn kenne, wird er froh sein, wenn er etwas mehr Leben um sich hat. Es wird dich wohl nicht allzuviel Überredungskunst kosten, ihn dafür zu gewinnen." Sie lächelte zufrieden und schob vorsichtig einen Citronenfalter weg, der ihr um die Ohren flatterte.

"Also, ich weiß auch nicht: So schön sie ja anzusehen sind, aber manchmal sind diese Flattertiere geradezu aufdringlich. In der Stadt war das nie so. Muss wohl an den schönen Blumen hier liegen." Dann kam sie gedanklich wieder zurück zur Politik und zum Medicus. "Du weißt ja, dass ich mit der Politik nicht so viel am Hut habe. Aber ich kann mir Schlimmeres vorstellen, als unser Kind... zuhause zur Welt zu bringen. Ich hoffe nur, dass die Reise nicht gar so beschwerlich ist. Gegen Ende ist das lange Sitzen irgendwann auch nicht mehr so angenehm. Aber... ich werd's schon schaffen. Vorausgesetzt das kleine Würmchen hier - sie strich liebevoll mit der Hand über ihren langsam praller werdenden Bauch - hat keine anderen Pläne. Nicht, dass es am Ende im Straßengraben zur Welt kommen muss."

Die letzte Worte waren eher im Scherz gesprochen. Dennoch spiegelten sie auch ein wenig die Ängste Rahjadas wider. Was, wenn unterwegs etwas passierte? Was, wenn sie ausgeraubt würden, oder das Kind einfach ein paar Wochen zu früh auf die Welt kommen wollte?

"Lass uns wieder reingehen. Du hast noch viel Arbeit zu erledigen. Ich möchte dich nicht aufhalten. Außerdem muss ich noch einen Brief an Tante Sharane schreiben. Sie weiß doch noch gar nichts von unserem Glück..." Ohne auf Gishtans Reaktion zu warten, wandte sie sich ihm zu und küsste ihn - etwas, was sie eigentlich sowieso viel zu selten tat.

Nachdem Rahjada sich wieder von ihm gelöst hatte – ihre übergroße Zuneigung beschämte ihn mitunter beinahe -, nahm der Baron schützend ihre zarten in seine schwieligen Hände: „Sorge dich nicht. Wir können ein Flussschiff nehmen, um bequem und standesgemäß zu reisen. Zudem nicht alleine: Meister Canyzethius soll uns begleiten, deine Magd, dein junger… hm… Vetter?… Poldoron, dazu Manjum als dein Leibwächter. Und falls Gelichter uns zu behelligen trachtet, so ist mein Rapier immer scharf.“

Er stand auf: „Ehe du dich wieder ans Schreiben machst, ruhe dich noch ein wenig aus. Alrico wird gleich mit dem Medicus kommen, Lessandra ist in Rufweite. Ich selbst will mich gleich an den Sekretär stellen und das Schreiben an Haakan ya Papilio aufsetzen...“ „...aber das kann ich doch...“, warf seine Gemahlin ein und versuchte aufzustehen.

„Nein.“ Gishtan legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ich habe auch früher selbst korrespondiert, und wenn ich wollte, könnte ich einen eigenen Schreiber einstellen, statt meiner schwangeren Gattin zu diktieren. Du bleibst hier und ruhst dich aus“, schloss er. Sein Blick ließ keinen Widerspruch zu, und mit leisem Seufzen folgten Rahjadas Augen seinem Weg ins Gebäude.

Ja, sie würde sich schonen, vor allem wegen des Kindes. Denn tief in ihrem Herzen wusste sie: Der von Gishtan ersehnte Erbe Ramaúds würde ihren Gemahl noch fester an sie binden. Und sie wollte ihn niemals wieder freigeben.

(cd, wus)