Briefspiel:Mythraelsturnier/Erste Schritte

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Auge-grau.png

Mythraelsbund.png Städteübergreifendes Briefspiel Mythraelsbund.png
Datiert auf: 17.-22. Rahja 1042 BF Schauplatz: Urbet, insbesondere Turnierfeld und Tafelbergfestung Entstehungszeitraum: Herbst 2019 / Frühjahr 2020 / Spätsommer 2022
Protagonisten: viele Cavallieri aus dem Horasreich, dazu einer aus den Nordmarken und eine Almadanerin Autoren/Beteiligte: Familie Menaris.png Athanasius, Haus Calven.png Calven, Haus di Malavista.png Cordovan, Königreich-Almada-klein.png Dajin, Haus della Trezzi.png Dellatrezzi, Haus di Onerdi.png di Onerdi, Familie Scalior.png Djamilla, Haus Efferdas.png Elanor, Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus di Tamarasco.png Pagol, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Haus Veliris.png Schatzkanzler, Haus Schreyen.png Schreyen, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras, Königreich-Almada-klein.png León de Vivar
Zyklus: Übersicht · Eröffnung · Regeln · Tjost · Einhandwaffen · Zweihandwaffen · Schildstechen · Wagenrennen · Buhurt · Ein unwahrscheinlicher Sieg · Ein zauberhafter Teilnehmer · Erste Schritte · Gekränkter Stolz · Über Nacht genesen

Autoren: VivionaYaPirras, Calven, León de Vivar

17. Rahja

Die Praiosscheibe ging gerade über dem Horizont auf, da begann auf dem Zeltplatz des Turniers reges Treiben. Zelte die aufgebaut wurden, Pferde die versorgt wurden, dazwischen immer wieder Stimmen die Anordnungen erteilten, verschiedene Gerüche die ihr in die Nase stiegen und immer wieder die Gefahr in dieser Hektik einfach umgerannt zu werden.
Gwena ya Pirras kam sich vor als wäre sie am Hafen von Efferdas wenn eines der großen Handelsschiffe seine Ladung löschte. Das einzige was fehlte war der salzige Geruch vom Meer.
'Zum Glück sind wir bereits vor zwei Tagen angereist.', dachte sie. Die Reise über die Efferdstraße verlief ohne größere Schwierigkeiten und der Troß kam schneller voran als gedacht. So konnte man in Ruhe alle Arbeiten bewältigen und war nicht dem Trubel und der Hektik ausgesetzt wie andere.
Nachdem sie ihr morgendliches Training mit ihrem Vater Erdano beendet hatte, schlenderte sie über den Platz um anhand der Wappen an den Zelten die schon anwesenden Teilnehmer zuzuordnen. Sie wollte damit ihr theoretisches Wissen prüfen. Gerade passierte sie das Zelt des Hauses von Urbet als sie hinter sich schnelle sich nähernde Schritte vernahm. Gwena wollte sich umdrehen, aber da war es schon zu spät. Noch in der Drehung spürte sie einen Schlag in den Rücken, den sie nicht mehr auffangen konnte. Sie fiel bäuchlings auf dem Boden, um sie herum fielen Teile einer Rüstung und dann prallte ein Körper auf sie.


Isha saß im Zelt ihrer Herrin, der großen Turnierstreiterin, Questadorin und Cavalliera Yandriga Geronya von Urbet, und polierte deren Rüstung. Am morgigen Tage, wenn der Tjost beginnen würde, sollte jedes Schulterstück, jede Beinschine und jedes Elbogenkachelscharnier im Sonnenlicht glänzen und blinken, als donnere Rondras Blitzgewitter höchstselbst über die Sandbahn.

Wie die Knappin schon seit langem wusste, waren Regen, Schweiß und ihr Aftervasall, der Rost, die schlimmsten Feinde einer Panzerreiterin. Aber sie, Isha, war die ärgste Feindin des Rostes und so scheuerte, bürstete, polierte und ölte sie, dass es nur so eine Freude war. Gerade war der Harnischrücken das Schlachtfeld und Ishas Sieg lag zum Greifen nahe.

Die Knappin ließ die Hand mit dem Tuch sinken und betrachtete das Antlitz, dass sie aus dem stählernen Spiegel heraus ansah. Einige ihrer dichten schwarzen Locken hatten sich aus dem Zopf gelöst. Grüne Augen leuchteten unter geschwungenen schwarzen Brauen hervor. Hohe Wangenknochen und bronzefarbener Teint verrieten, wie ihre Großmutter immer gesagt hatte, “altes elfisches und junges tulamidisches Blut”. Großmutter hatte eine Vorliebe für altes Blut gehabt, wie Isha wusste, doch das hatte sie nicht vor den Schergen des Einäugigen bewahrt.

Fünf Jahre diente sie nun schon an der Seite Domna Yandrigas – fünf aufregende und ruhelose Jahre, in denen sie beide das Königsturnier zu Arivor nur knapp überlebt, Gareth, Baburin und Khunchom gesehen und in die Dienste eines wahren Erhabenen von Fasar getreten waren. Nicht zu sprechen von den Fährnissen der weiten Reisen, die ihren Leib und Geist gestählt hatten.

Bei ihrem Aufbruch aus Punin war sie sich entsetzlich vorgekommen: Einen Kopf größer als ihr Zwillingsbruder und irgendwie unförmig, mit fettigem Haupthaar und sprießendem Haar an Stellen, wo es nichts zu suchen hatte. Ständig hatte sie mit ihren Fertigkeiten glänzen wollen, doch ständig war es ihr als Prahlerei und Hoffart ausgelegt worden – ausgerechnet von denen, die sie hatte beeindrucken wollen!

Nun gefiel sie sich selbst und wusste, dass sie auch anderen gefiel. Sie neigte den Kopf nach links und nach rechts, und entdeckte Ähnlichkeiten mit ihrer Tante Delilah, der schönsten Frau, die sie kannte. Sie entdeckte die Grübchen ihres Vaters und sie stellte fest, dass sie sich nicht mehr daran erinnerte, wie ihre Mutter ausgesehen hatte, obwohl Vater immer sagte: “Deine Mutter hat Dir zwei Smaragde hinterlassen.” Sie nahm eine Locke, klemmte sie sich zwischen Nase und Oberlippe und entdeckte Rascal im Spiegel – mit dem sie im vergangenen Jahr in Khunchom ein kurzes Wiedersehen gehabt hatte. Ob er nun einen Vollbart –?

Sie unterbrach sich. Was war das für ein scheppernder Lärm gewesen? Eilig trat sie aus dem Zelt, um nachzusehen.


Dreck knirschte zwischen ihren Zähnen. Irgendjemand drückte sie mit seinem gesamten Körpergewicht zu Boden und keuchte ihr in den Nacken. Auch ihr Kopf hatte einen Schlag abbekommen und ihr war etwas seltsam zumute.
Trotzdem oder gerade deswegen stieg Wut in ihr hoch. "Runter von mir du Ausgeburt einer Purpurschnecke.", herrschte Gwena den Unbekannten an und machte einen Buckel wie in einer ihrer Unterrichtsstunden im Ringen gelernt. Dabei nutzte sie die Überraschung und das Gewicht des anderen aus und ließ ihn über ihre rechte Seite abrollen .Es ging leichter als gedacht und sie hörte neben sich den Aufprall eines Körpers und ein leises Stöhnen. Sie musste wegen dem Aufwirbeln von Staub kurz husten und richtete sich auf ihr Knie gebeugt auf um sich einen Überblick zu verschaffen.
Um sie herum waren Teile einer Plattenrüstung verteilt. Ein Helm, Armschienen und ein Halbharnisch mit einem eingebrannten Wappen. Dieses zeigte ebenfalls einen Halbharnisch. Auf die Schnelle war ihr dieses aber unbekannt. Rechts von ihr lag der stämmige Körper eines jungen Burschen von höchstens 15 Lenzen auf dem Rücken. Das Gesicht erst vor Schmerz verzogen, aber nachdem er Gwena ansah von Erschrecken und einer zunehmenden Gesichtsröte gezeichnet. Ein erneuter Schwindel packte sie und sie mußte sich sehr konzentrieren um ihre Umgebung noch wahrzunehmen.
Der Lärm hatte für etwas Aufruhr gesorgt und einen kleine Menschenmenge angelockt. Gesichter die sie zum Teil verhalten amüsiert, erschrocken oder abwartend anstarrten. Man hörte auch leises Getuschel. "Habt Ihr nichts Besseres zu tun als zu gaffen?", brüllte sie die Menge an. "Macht Euch wenigstens nützlich.". Und mit diesen Worten richtete sie sich auf. So ganz sicher stand sie noch nicht und sie spürte auch ein leichtes Ziehen im Rücken, aber das war ihr egal.
Gwena drehte sich in die Richtung des Jungen und reichte ihm die Hand um ihm aufzuhelfen. Völlig erstaunt ergriff er diese in einem Reflex und stand im nächsten Atemzug schon neben ihr. "Ihr solltet nach der Rüstung Eures Herrn schauen. Ich denke, das es ihm nicht gefallenen wird, wenn diese so im Dreck liegt.". Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern hob eine der Armschienen und den Helm auf. Dieses drückte sie dem verdutzten Jungen in die Arme. Von der anderen Seite wurde ihm der Rest der Rüstung überreicht. "Ich…….ich….", fing er an zu stottern, aber Gwena winkte ab. "Geht jetzt, bevor ich es mir doch anders überlege.", sagte sie streng, grinste aber innerlich. "Natürlich. Habt Dank.". Er nickte nochmal in beide Richtungen und sah zu, das er sich so schnell wie möglich vom Ort dieses unglücklichen Zusammentreffens entfernte.
Jetzt hatte Gwena endlich Zeit durchzuatmen. Die Menge hatte sich aufgelöst und nur noch der unbekannte Helfer war da. Sie begann sich den Dreck von ihrem Wappenrock zu klopfen und drehte sich zur Seite.

"Habt Dank für Eure Hilfe", begann sie freundlich und dann stutzte sie. Sie sah in das Gesicht einer jungen Frau, das ihr auf auf eine seltsame Art und Weise vertraut vorkam. Die Gesichtszüge, die Mimik. 'Seltsam…. ', dachte Gwena völlig in Gedanken. Sie merkte überhaupt nicht das sie ihre Helferin wortlos mit starrem Blick musterte.


“Hilfe? Ich?” Isha winkte ab. “Nicht der Rede wert, Domna...tella. Signorina. Wie es scheint, versteht Ihr Euch selbst ganz gut darauf, wieder aufzustehen.” Sie machte mit der Rechten, in der sie einen Lappen hielt, eine unbestimmte Geste, um das Aufstehen nachzuvollziehen und maß sie dabei ebenfalls von Kopf bis Fuß mit ihrem Blick. Dann entsann sie sich ihrer Cortezia und deutete eine Verneigung an. “Isha de Vivar y Viryamun, zu Euren Diensten, Domnatella. Ist Euch... unwohl?”


Gwena löste sich aus ihrer Erstarrung und erwiderte die Verbeugung. "Gwena ya Pirras, Abgängerin der Kriegerakademie Mutter Rondra. Verzeiht mein Verhalten, aber kurzzeitig hatte ich den Eindruck jemand Bekanntes steht mir gegenüber, aber das ist unmöglich. Ich glaube der Schlag auf den Kopf war doch etwas derb.". Sie fasste sich an die schmerzende Stelle. Es war aber soweit alles in Ordnung. "Aber wenn ich mir Euch so ansehe, ist wahrhaftig eine gewisse Ähnlichkeit da.". Gwena schaute auf die Lockenpracht, die Form der Brauen und besonders in die grünen Augen Ihres Gegenübers. "Verzeiht meine Aufdringlichkeit. Eurem Namen und Eurer Ausdrucksweise nach stammt Ihr nicht von hier? Sehe ich das richtig?"


“Nein, von hier bin ich nicht, Domna.” Sie schüttelte den Kopf. “Auch wenn ich schon seit fünf Jahren die Knappin der Caballera Yandriga von Urbet bin” – sie wies auf die grünweiße Zeltbahn hinter sich – “, so stamme ich doch aus Punin, der Capitale Almadas. Gewiss verwechselt Ihr mich mit jemandem.”


"Glaubt mir, wenn Ihr meinen Cousin sehen würdet, könntet auch ihr eine gewisse Ähnlichkeit nicht verleugnen. Gestattet mir bitte noch eine Frage. Ich möchte Euch natürlich nicht von den Pflichten Eurer ….Caballera gegenüber aufhalten. Habt ihr eine Ahnung ob ein Mitglied Eurer Familie sich vor einiger Zeit, ich schätze mal so vor 15 Jahren im Lieblichen Feld, besonders in Belhanka aufgehalten hat?" Gwena schaute in das Gesicht von Isha und sah dort Zweifel aufkommen. Beschwichtigend hob sie ihre Hände. "Ihr seht mich bestimmt schon im Noionitenspital und vielleicht verrenne ich mich gerade in etwas, aber……"


“Puh! Ihr stellt Fragen!” Isha machte große Augen. “Setzt euch neben mich!” Sie wies auf eine Holzkiste, die vor dem Zelt stand. “Mein Vater hat eine zeitlang in Urbasi gelebt, mit seiner... nun, im Hause meiner Stiefmutter, Domna Odina di Salsavûr – vielleicht habt Ihr von ihr gehört? Es gab damals zwei Kaisergeschwister im Reich und just der von beiden, der in Punin saß, war uns Vivar nicht besonders wohlgesonnen. Nun, meiner Tante Delilah schon, die war bei Hofe als Capellmeisterin, aber es gab damals Gefolgsleute des Mondenka..., des Königs, die wollten uns tot sehen – und da hieß es Kerkerhaft für uns und Großmutter und Exil für Vater.

Aber” – sie fuhr sich durch das Haar – “das ist freilich noch keine 15 Götterläufe her, Domna Gwena. Dann gibt’s noch meine Großtante Juana, die sehr abenteuerlustig war und auch viel im Lieblichen Feld. Sie ist aber schon vor meiner Geburt im Hohen Norden verschollen. Und Onkel León – ich meine unseren Soberan, Baron León Dhachmani de Vivar – hat mir erzählt, dass er in seinen ‘Flegeljahren’ auch viel umhergereist sei. Von ihm habe ich erstmals von den großen Städten Aventuriens gehört: Vinsalt, Al’Anfa, Khunchom... – es kann gut sein, dass Belhanka auch darunter war, aber das weiß ich beleibe nicht.” Sie zuckte die Achseln. “So, genug von mir. Woher stammt Ihr und wo liegt diese Kriegerakademie?”


Gwena lächelte. Sie mochte die offene Art von Isha und sie hatte mehr erfahren, als sie gedacht hatte.
"Geboren wurde ich in Rethis auf der Insel Hylailos . Diese gehört zu den Zyklopeninseln westlich vom Festland. In den Wirren des Thronfolgekriegs stand mein Vater in Diensten der Baronin Elanor auf der Seite der Aldarenern und holte uns in das Familienexil nach Efferdas. Ihr müsst wissen, daß meine Familie ursprünglich aus Belhanka stammte, aber bei Aufständen von dort vertrieben wurde. Daher das Exil.", begann sie mit ihren Ausführungen.
"Ich kehrte später nach Rethis zurück, denn dort befindet sich die Akademie an der auch mein Vater seine Ausbildung erhielt. Dort wird besonders im Kampf mit den typisch zyklopäischen Waffen geschult, wie mit dem Pailos, der auch unser Akademiewappen ziert, als auch mit der Glefe und anderen Stangenwaffen. Auch der Ringkampf ist dort hoch angesehen. Die besten Ringer und Kämpfer dürfen bei Festlichkeiten dem Volk in der Arena von Rethis ihr Können zeigen. Diese Ehre wurde auch mir zuteil.
Etwas merkwürdig aus meiner Sicht ist aber das besondere Augenmerk auf die Kunst. Jeder Schüler soll eine Kunstfertigkeit erlernen." Gwena lachte kurz auf. "Nun ja, wenigstens kann man bei mir ansatzweise erkennen was ich da so zusammenschnitze. Es diente aber hauptsächlich der abendlichen Entspannung nach den anstrengen Übungen und der Stärkung des Geistes
Aber nun bin ich zurück auf dem Festland und werde sehen wohin der weitere Weg mich führt. Vielleicht nach Punin."


“Punin ist immer eine Reise wert, Domna Gwena”, lächelte Isha. Und begann, die Sehenswürdigkeiten, besonderen Speisen und die Gastfreundschaft der almadanischen Capitale in derart farbigen Tönen auszumalen, dass Gwena von jäher Reiselust gepackt wurde. Schließlich unterbrach Isha sich selbst: “Oh, nun bin ich ins Schwärmen geraten. Pardonniert’s mir! Ich muss mich nun dringend wieder der Rüstung meiner Herrin widmen! Gewiss sehen wir uns während des Turniers noch einmal, Domna Gwena!”

Mit diesen Worten nickte die Almadanerin ihr freundlich zu und verschwand wieder im Zelt derer von Urbet.


Auch Gwena wurde wieder bewusst, dass sie hier auf einem Turnier war und stand auf. Sie streckte sich, merkte, dass die Schmerzen im Rücken und am Kopf nachgelassen hatten, und begab sich wieder in die Richtung des efferdischen Lagers. Auf jeden Fall würde sie nach diesem Turnier ihren Cousin Rhymeo in Methumis aufsuchen. Es gab Neuigkeiten zu bereden.


Abends beim Bankett


Gebannt lauschte Gwena den Worten der Cavaliera, reckte ihren Trinkpokal in die Hohe und stimmte bei den Rufen mit ein. Auch nachdem das Bankett eröffnet wurde war sie tieft ergriffen und völlig in Gedanken.
Erst das leise Räuspern ihres Vaters schreckte sie aus ihren Gedanken auf. "So in dich gekehrt mein Kind?", schaute er sie mit einem Lächeln an. Gwena entspannte sich und schaute zu ihrem Vater Erdano. "Es sind so viele neue Eindrücke. Ich fühle mich wie im Rausch. Und das liegt nicht nur an diesem hervorragenden Tropfen.", lachte sie und deutete auf den Trinkpokal. "Diese Rede war so beeindruckend und voller Inbrunst. Ob sie auch so kämpft wie sie spricht?", schwärmte sie. Ihr Vater wurde ernst. "Vielleicht bekommst du schon bald die Möglichkeit dazu. Wie du ist auch sie im Turnierfeld bei den Zweihandwaffen. Wer weiß, wenn es die Leuin will, steht ihr euch bald gegenüber. Aber dann solltest du nicht mehr soviel trinken, sondern lieber noch etwas essen, damit du bei Kräften bleibst.". Die ernste Miene verschwand, und das Väterliche kam wieder hervor. "Natürlich Vater.", antwortete sie mit gespielter Höflichkeit, aber innerlich dachte sie schon daran, wie sie morgen in ihrer glänzenden Bronzerüstung auf das Turnierfeld schreitet und sich ihrem ersten Kontrahenten nähert. Vielleicht sogar ihr - Nevinia ya Stellona.


18. Rahja

"Hier Knappin , bringe meinen Harnisch zum Rüstungsbauer. Er solle ihn schnellstens richten. Er wird bald wieder benötigt.", sprach Gwena ya Pirras und drückte ihr den Bronzeharnisch in die ausgestreckten Hände. Danach widmete sie sich ihrer Waffe und ließ ihre bisherigen Kämpfe in Gedanken an ihrem geistigen Auge vorüberziehen.
Die Herrin Rondra war ihr wohlgesonnen und Nevinia ya Stellona nahm ihre Forderung an. Es war schon ein erhabenes Gefühl in der eigenen glänzenden Bronzerüstung auf das Turnierfeld zu schreiten, in den Rufen der Menge zu baden und auf die Gegnerin zuzuschreiten. Natürlich war ihr Nevina durch ihre Erfahrung überlegen, ebenso wie ihre zweite Forderung Cyrille ya Scalior , aber sie war auch hier um zu lernen und wann hat man schon die Möglichkeit gegen solche Gegner anzutreten als hier? Ihr Kampf gegen Ranara ya Torrini war schon ausgeglichener, aber sie wusste das Einhandwaffen nicht so ganz das Richtige für sie waren. Sie streichte kurz über das Blatt ihrer Glefe.
Die Plane am Eingang wurde zur Seite geschlagen und ihre Knappin betrat das Zelt. Sie war völlig außer Atem. "Werte Esquiria. Euer Harnisch. Ich hoffe es ist alles zu eurer Zufriedenheit.". Gwena blickte kurz auf die ehemals beschädigten Stellen und sah, daß der Rüstungsbauer in dieser kurzen Zeit gute Arbeit geleistet hatte. Sie nickte kurz in die Richtung des jungen Mädchens.
Die Knappin lächelte und sprach: "Und euer Herr Vater der werte Esquirio ya Pirras wartet vor dem Zelt und bittet um ein kurzes Gespräch.". "Dann lasst ihn nicht zu lange warten sondern führe ihn herein, Mädchen", antwortete Gwena. "Hole auch eine Karaffe Wein und zwei Pokale, aber bitte den etwas leichteren Weißen.".
Sie legte den Brustharnisch beiseite und erwartete ihren Vater Erdano in strammer militärischer Haltung. Erdano ya Pirras betrat das Zelt und lächelte seine Tochter an.
"Entspanne dich Kind. Ich werde dich auch nicht lange belästigen.". Mit einem Kopfschütteln lehnte er den dargereichten Weinpokal ab und wurde ernst. "Ich möchte dich nur daran erinnern, daß wir auch familiäre Verpflichtungen haben. Wir haben jetzt beide unsere ersten Erfahrungen bei diesem Turnier gemacht, aber es gibt auch Absprachen an die wir uns halten sollten. Bei unseren bevorstehenden Forderungen solltest du dich vorrangig für das Haus Urbet und seine Verbündeten entscheiden. Aufgrund unserer Verbundenheit zum Haus Efferdas ist es für uns eine Pflicht die efferdischen Farben in unseren jeweiligen Disziplinen würdig zu vertreten. Ich wünsche dir für deine heutigen Entscheidungen eine gute Hand und Rondras Segen.". Mit diesen Worten nahm Erdano seine Tochter in den Arm und verließ danach das Zelt. Zurück ließ er eine nachdenkliche und zwiegespaltene Kriegerin.


Später beim Turnier


Die Enttäuschung war Gwena anzusehen. Missmutig stapfte sie zu ihrem Zelt und warf böse Blicke um sich, auf das gar niemand auch nur auf den Gedanken kam sie anzusprechen. Ihre Knappin lief vor, hielt gebührenden Abstand zu ihr und sorgte dafür das nichts und niemand sich Gwena näherte.
Der heutige Tag war wahrhaftig ein verlorener Tag. Nach dem Ratschlag ihres Vaters auch an die Verbundenheit mit dem Haus Efferdas zu denken, forderte sie mit Arissa und Poldoron zwei Mitglieder des Hauses Urbet und verlor beide Kämpfe, so daß sie im Turnierfeld der Einhandwaffen ohne Erfolg blieb. Dabei wußte sie nicht, was für sie ärgerlicher war. Die eigene Unfähigkeit mit Schwert und Schild umzugehen oder ihre Taktik, die im Nachhinein viel zu zögerlich war, so daß ihre Kontrahenten schnell ihre Schwächen ausmachen konnten.
Sie betrat ihr Zelt und als erstes warf sie ihren Schwertgurt achtlos in eine Ecke und den Schild direkt hinterher. Ihre Knappin half ihr beim Ablegen der Rüstung. "Reinige sie schnell mein Kind, denn für mich steht heute noch eine Herausforderung an.", sagte sie ihrer ihr dabei. "Sofort, Hohe Dame." Das Mädchen nickte und machte sich an die Arbeit.
Gwena wusch sich ihr Gesicht mit eiskaltem Wasser ab und zwang sich zur Ruhe. Sie atmete tief ein und aus und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen. Ihre Gedanken kreisten um ihre nächste Aufgabe gegen Darian von Calven und der letzten Möglichkeit heute zumindestens ein erfreuliches Ergebnis zu erzielen. Diesen Kampf würde sie mit ihrer geliebten Glefe führen und in Gedanken ging sie schon einige Waffengänge durch. Auch rief sie den Kampf von Darian und Timor di Salsavûr in ihr geistiges Auge zurück, den sie sich angesehen hatte um sich ein Bild von dem ihr unbekannten Krieger zu machen. Sie hörte schon das Geklirre der Waffen und das Raunen der Menge, nur eine Stimme im Hintergrund störte sie.
"Hohe Dame, hohe Dame,...", hörte sie die aufgeregte Stimme ihrer Knappin immer lauter werden. Mit einem Mal stand sie wieder in ihrem Zelt, ihr Körper angespannt und in abwehrender Geste festgefroren. "Ein Herold des Turneys steht vor dem Zelt und bittet um Eure Aufmerksamkeit.". Gwena zog schnell ihren Wappenrock über und deutete ihrer Knappin mit einem Nicken an den Herold herein zu bitten. Dieser betrat das Zelt, räusperte sich kurz und sprach, "Werte Esquiria ya Pirras. Zu unserem Bedauern verletzte sich Esquirio Darian von Calven bei seinem letzten Gefecht und ist außerstande eurer Forderung nachzukommen. Eine weitere Forderung ist leider nicht mehr möglich. Das Turney wird morgen fortgeführt werden." Damit verbeugte er sich vor Gwena und verließ das Zelt.
Gwena sah ihre Knappin an und verzog ihre Lippen zu einem schiefen Grinsen. "Gutes Kind, laß die Rüstung Rüstung sein. Wie du gehört hast, benötige ich sie heute nun doch nicht mehr. Du begibst dich jetzt gleich in das Lager des Hauses Calven und versuchst in Erfahrung zu bringen wie schlimm diese Verletzung ist.". Ihre Stimme begann zu zittern. "Und dann sprichst du vor und erbittest für mich eine Audienz beim Herrn von Calven. Und nun eile dich." Ihre Knappin verbeugte sich mit einem "Natürlich Hohe Herrin." auf den Lippen und verließ das Zelt. "Und im Namen der Herrin Ronda, laß es etwas Schwerwiegendes sein.", grollte Gwena innerlich.


Zur gleichen Zeit, andernorts im Turnierlager.


Der Knabe, den Darian von Calven für einige Silber in der Stadt als Pagen angeheuert hatte, zeigte sich wenig geschickt beim Verbandswechsel. ‚Eine tulamidische Mumie könnte nicht straffer gewickelt worden sein‘, dachte Darian grimmig, ‚und gleichzeitig fallen die Binden bei jeder kleinen Bewegung des Arms ab‘.
Er stieß den Burschen unsanft weg, und begann, mit der linken Hand und unter Zuhilfenahme der Zähne den Arm selbst zu verbinden. Eine Übung, auf die seine Lehrherrin nicht zu Unrecht einige Zeit des Unterrichts verwandt hatte. Darauf konzentriert, hörte er erst beim zweiten Mal, wie der Bursche schüchtern Besuch ankündigte. Mit dem Stoffstreifen zwischen den Zähnen knurrte Darian: „So‘ ‘einkomm‘“ und dachte ‚Immer zum passendsten Zeitpunkt...‘ Er zurrte mit einem letzten Ruck den frischen Verband fest und richtete sich auf. Dabei merkte er, wie auch in seinem rechten Knie Schmerzen zu pulsen begannen.
Die Knappin der Signora ya Pirras, die ihn gefordert hatte, betrat das Zelt. Offensichtlich ein Versuch, um nochmals abzuschätzen, ob eine Ablehnung gerechtfertigt war oder er sich nach all den schmählichen Niederlagen nunmehr nicht mehr traute, auf dem Turnierfeld anzutreten. Während des kurzen Gesprächs – mehr ein Austausch von Höflichkeiten - wurde Darian immer sicherer, dass sein Weg hier nicht zu Ende sein durfte.
‚Verwechsele Mut nie mit Tollkühnheit, den diese teilt mehr als einige Buchstaben mit der Torheit‘, so hörte er seine Lehrmeisterin mahnen. Gleichwohl: Ohne Sieg würde er sich nicht verabschieden und einen Feigling wollte er sich noch weniger nennen lassen.
„Sagt Eurer Herrin, Signora, dass ich ihre Forderung als Ehre betrachte und ihr selbstverständlich einen rondragefälligen Kampf bieten werde.“ Trotzig tätschelte er mit der Hand den Knauf seines Kusliker Säbels. Als die Knappin sich verabschiedet hatte, sah Darian, dass der Verband schon wieder von frischem Blut durchnässt war.