Briefspiel:Kaiserjagd/Am Tag der Volkskunst II: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Rahjada von Urbet|Sie]] musste sich nichts vormachen: Einige der Trophäen im Saal des Abendrots sahen schauerlich aus. Keilerköpfe und Hirschgeweihe „schmückten“ die ganze Wand. Es erschien ihr befremdlich und im ersten Moment auch ein wenig beängstigend, was Generationen der Jagd ihr für einen Trophäenschatz hinterlassen hatten. Denn natürlich gehörten all diese Beutestücke ihr, so wenig sie auch damit anzufangen wusste.<br>
 
[[Rahjada von Urbet|Sie]] musste sich nichts vormachen: Einige der Trophäen im Saal des Abendrots sahen schauerlich aus. Keilerköpfe und Hirschgeweihe „schmückten“ die ganze Wand. Es erschien ihr befremdlich und im ersten Moment auch ein wenig beängstigend, was Generationen der Jagd ihr für einen Trophäenschatz hinterlassen hatten. Denn natürlich gehörten all diese Beutestücke ihr, so wenig sie auch damit anzufangen wusste.<br>
''„Du bist die Herrin von Silvaniesco“'', hatte [[Auricanius von Urbet|ihr Onkel]], der [[Baron von Cindano|Baron]], ihr erst vor wenigen Stunden nochmal – mit einem Schulterzucken – verdeutlicht. Er hatte sie fremdeln sehen, keine Frage, mit [[Herrschaft Silvaniesco|diesem]] ihr vor etwas mehr als einem Jahr früh angetragenen Erbe. Dabei wusste sie, dass ihr Onkel Gesten wie dieses Schulterzucken nie ohne Hintergedanken machte. Seine kalkulierte Art Reaktionen zu provozieren, etwas aus seinem Gegenüber herauszukitzeln, war eine der Fähigkeiten, die sie insgeheim mit am meisten an ihm schätzte. Sie war ganz anders. Impulsiv, direkt, forsch. Wie ihr Vater ... wie oft hatte sie das schon gehört?<br>
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''„Du bist die Herrin von [[Herrschaft Silvaniesco|Silvaniesco]]“'', hatte [[Auricanius von Urbet|ihr Onkel]], der [[Baron von Cindano|Baron]], ihr erst vor wenigen Stunden nochmal – mit einem Schulterzucken – verdeutlicht. Er hatte sie fremdeln sehen, keine Frage, mit diesem ihr vor etwas mehr als einem Jahr früh angetragenen Erbe. Dabei wusste sie, dass ihr Onkel Gesten wie dieses Schulterzucken nie ohne Hintergedanken machte. Seine kalkulierte Art Reaktionen zu provozieren, etwas aus seinem Gegenüber herauszukitzeln, war eine der Fähigkeiten, die sie insgeheim mit am meisten an ihm schätzte. Sie war ganz anders. Impulsiv, direkt, forsch. Wie ihr Vater ... wie oft hatte sie das schon gehört?<br>
 
Eine Weile schlenderte sie gedankenverloren zwischen all den Trophäen durch den Saal, der seinem Namen gerade zu dieser Stunde gerecht wurde. Die [[Praios]]scheibe tauchte das Firmament, direkt über dem Horizont stehend, in ein überwältigendes, rot-orangenes Farbenmeer, das durchs Portal zum Hof im Westen und die Fenster an der Südfassade auch in den Saal strömte. Die Schatten, die die ganzen Geweihe darin warfen, wurden dadurch jedoch eher noch befremdlicher.
 
Eine Weile schlenderte sie gedankenverloren zwischen all den Trophäen durch den Saal, der seinem Namen gerade zu dieser Stunde gerecht wurde. Die [[Praios]]scheibe tauchte das Firmament, direkt über dem Horizont stehend, in ein überwältigendes, rot-orangenes Farbenmeer, das durchs Portal zum Hof im Westen und die Fenster an der Südfassade auch in den Saal strömte. Die Schatten, die die ganzen Geweihe darin warfen, wurden dadurch jedoch eher noch befremdlicher.
Das Farbenmeer am Horizont ließ dafür einen anderen Gedanken wieder aufkommen, den sie zwischenzeitlich fast verdrängt hatte: Heute war der Tag der Volkskunst. Aber was für ein Tag war das an einem Ort wie diesem? Sie vermisste das geschäftige [[Methumis]] heute mehr als an jedem anderen Tag ihrer bisherigen Reise. Sie hätte mit ihren Kusinen, mit [[Doriana Lovisa Solivino|Doriana]] und all den anderen die Auftritte der Gaukler und Possenreißer auf dem Kornmarkt anschauen können, sich treiben lassen von all der Lebenslust und Freude, die diesen Tag jedes Jahr wieder zu etwas besonderem machte. Stattdessen verlebte sie einen geradezu tristen Tag … [[Mortecervi|an diesem Ort]], der ihr gehörte … und doch so fremd war.<br>
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Das Farbenmeer am Horizont ließ dafür einen anderen Gedanken wieder aufkommen, den sie zwischenzeitlich fast verdrängt hatte: Heute war der Tag der Volkskunst. Aber was für ein Tag war das an einem Ort wie diesem? Sie vermisste das geschäftige [[Methumis]] heute mehr als an jedem anderen Tag ihrer bisherigen Reise. Sie hätte mit ihren Kusinen, mit [[Doriana Lovisa Solivino|Doriana]] und all den anderen die Auftritte der Gaukler und Possenreißer auf dem Kornmarkt anschauen können, sich treiben lassen von all der Lebenslust und Freude, die diesen Tag jedes Jahr wieder zu etwas besonderem machte. Stattdessen verlebte sie einen geradezu tristen Tag … [[Mortecervi|an diesem Ort]], der ihr gehörte … und doch so fremd war.
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[[Bild:Auricanius von Urbet.jpg|thumb|180px|left|Baron Auricanius von Urbet]]
 
''„Du siehst nicht glücklich aus, Rahjada.“''<br>
 
''„Du siehst nicht glücklich aus, Rahjada.“''<br>
 
Auricanius' schlichte Feststellung riss die [[Comto|Comtessa]] aus ihren Gedanken. Sie war, ohne es selbst zu merken, inzwischen in den benachbarten Saal der Morgenröte geschlendert, der seine farbenprächtigste Stunde zu einer anderen Zeit hatte, doch gleichermaßen mit Trophäen und Beutestücken überladen war. Ein brennender Kamin an der inneren, zum alten Kastell ausgerichteten Wand tauchte ihn jetzt in ein flackerndes Zwielicht. Und der Baron, ihr Hausoberhaupt, schien einen der Tische kurzerhand zu einem Arbeitstisch umgewandelt zu haben. Unter einem Kandelaber lagen mehrere Dokumente, mit denen er sich entweder schon beschäftigt hatte oder dies noch tat. Wenn er sie denn nicht gerade musternd ansehen würde …<br>
 
Auricanius' schlichte Feststellung riss die [[Comto|Comtessa]] aus ihren Gedanken. Sie war, ohne es selbst zu merken, inzwischen in den benachbarten Saal der Morgenröte geschlendert, der seine farbenprächtigste Stunde zu einer anderen Zeit hatte, doch gleichermaßen mit Trophäen und Beutestücken überladen war. Ein brennender Kamin an der inneren, zum alten Kastell ausgerichteten Wand tauchte ihn jetzt in ein flackerndes Zwielicht. Und der Baron, ihr Hausoberhaupt, schien einen der Tische kurzerhand zu einem Arbeitstisch umgewandelt zu haben. Unter einem Kandelaber lagen mehrere Dokumente, mit denen er sich entweder schon beschäftigt hatte oder dies noch tat. Wenn er sie denn nicht gerade musternd ansehen würde …<br>

Version vom 22. März 2024, 20:21 Uhr

Auge-grau.png

Kaiserjagd.png Städteübergreifendes Briefspiel Kaiserjagd.png
Datiert auf: 1.-6. Firun 1046 BF Schauplatz: von Aldyra in den Wald von Persenciello Entstehungszeitraum: ab März 2024
Protagonisten: Khadan II. Firdayon, etliche Hochadlige und weitere Noble des Reiches Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Familie Solivino.png Bella, Familie ya Malachis.png Cassian, Horasreich-klein.png Dajin, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus Sirensteen.png Erlan, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus Legari.png Nebelzweig, Wappen fehlt.png Vairningen u.w.
Zyklus: Übersicht · Teilnehmer · Schauplätze · Regeln · Gerüchteküche · Erster Tag

Geschichten vor der Jagd: Firungefällige Fragen I · II · Eine Antwort aus Horasia · Prinz und Prinzessin · Ungewisses Parkett · Folnors Bankett · Die "Minnesängerin" · Der Kalif von Unau · Am Tag der Volkskunst I · II · Eine magische Nacht I · II
1. Firun: Sternenglanz im Sonnenschein · Ein Herz und eine Seele · Kaiserliche Herausforderung · Jagdabsprachen I



Am Tag der Volkskunst II

29. Hesinde 1046 BF (Tag der Volkskunst), Mortecervi

Autoren: Bella, Gonfaloniere

Comtessa Rahjada, die Herrin von Silvaniesco

Sie musste sich nichts vormachen: Einige der Trophäen im Saal des Abendrots sahen schauerlich aus. Keilerköpfe und Hirschgeweihe „schmückten“ die ganze Wand. Es erschien ihr befremdlich und im ersten Moment auch ein wenig beängstigend, was Generationen der Jagd ihr für einen Trophäenschatz hinterlassen hatten. Denn natürlich gehörten all diese Beutestücke ihr, so wenig sie auch damit anzufangen wusste.
„Du bist die Herrin von Silvaniesco, hatte ihr Onkel, der Baron, ihr erst vor wenigen Stunden nochmal – mit einem Schulterzucken – verdeutlicht. Er hatte sie fremdeln sehen, keine Frage, mit diesem ihr vor etwas mehr als einem Jahr früh angetragenen Erbe. Dabei wusste sie, dass ihr Onkel Gesten wie dieses Schulterzucken nie ohne Hintergedanken machte. Seine kalkulierte Art Reaktionen zu provozieren, etwas aus seinem Gegenüber herauszukitzeln, war eine der Fähigkeiten, die sie insgeheim mit am meisten an ihm schätzte. Sie war ganz anders. Impulsiv, direkt, forsch. Wie ihr Vater ... wie oft hatte sie das schon gehört?
Eine Weile schlenderte sie gedankenverloren zwischen all den Trophäen durch den Saal, der seinem Namen gerade zu dieser Stunde gerecht wurde. Die Praiosscheibe tauchte das Firmament, direkt über dem Horizont stehend, in ein überwältigendes, rot-orangenes Farbenmeer, das durchs Portal zum Hof im Westen und die Fenster an der Südfassade auch in den Saal strömte. Die Schatten, die die ganzen Geweihe darin warfen, wurden dadurch jedoch eher noch befremdlicher. Das Farbenmeer am Horizont ließ dafür einen anderen Gedanken wieder aufkommen, den sie zwischenzeitlich fast verdrängt hatte: Heute war der Tag der Volkskunst. Aber was für ein Tag war das an einem Ort wie diesem? Sie vermisste das geschäftige Methumis heute mehr als an jedem anderen Tag ihrer bisherigen Reise. Sie hätte mit ihren Kusinen, mit Doriana und all den anderen die Auftritte der Gaukler und Possenreißer auf dem Kornmarkt anschauen können, sich treiben lassen von all der Lebenslust und Freude, die diesen Tag jedes Jahr wieder zu etwas besonderem machte. Stattdessen verlebte sie einen geradezu tristen Tag … an diesem Ort, der ihr gehörte … und doch so fremd war.

Baron Auricanius von Urbet

„Du siehst nicht glücklich aus, Rahjada.“
Auricanius' schlichte Feststellung riss die Comtessa aus ihren Gedanken. Sie war, ohne es selbst zu merken, inzwischen in den benachbarten Saal der Morgenröte geschlendert, der seine farbenprächtigste Stunde zu einer anderen Zeit hatte, doch gleichermaßen mit Trophäen und Beutestücken überladen war. Ein brennender Kamin an der inneren, zum alten Kastell ausgerichteten Wand tauchte ihn jetzt in ein flackerndes Zwielicht. Und der Baron, ihr Hausoberhaupt, schien einen der Tische kurzerhand zu einem Arbeitstisch umgewandelt zu haben. Unter einem Kandelaber lagen mehrere Dokumente, mit denen er sich entweder schon beschäftigt hatte oder dies noch tat. Wenn er sie denn nicht gerade musternd ansehen würde …
„Ich musste gerade an das denken, was ich heute in Methumis hätte erleben können“, gab die Hausherrin ihrem Onkel eine unverstellte Erklärung. Das tat sie nicht immer, auch wenn er sie dann viel zu häufig trotzdem durchschaute. Ein etwas widerwilliges Lächeln versuchte den Worten gleich danach die Schärfe zu nehmen.
Auricanius lächelte zurück: „Du hast es dir selbst ausgesucht, junge Dame. Du wolltest mit zur Kaiserjagd.“ Das Aufblitzen seiner Augen verriet ihr, dass er ob genau dieses Umstands gerade wenig Mitleid mit ihr hatte.
„Ich weiß“, funkelte sie ihn an, „und ich bin mir sicher, dass ich es am Ende nicht bereuen werde.“ Ohne dass sie es selbst bemerkte, hatte der Baron sie dabei wieder auf andere Gedanken gebracht. „Was meinst du, welche dieser staubigen Trophäen sollen wir denn mit dem Hirschgeweih ersetzen, das ich von der Jagd mitbringen werde?“ Herausfordernd-trotzig sah sie ihn dabei an.

Beim ersten Anblick des Jagdschlosses hatte Rahjesco nicht geglaubt, sich darin verlaufen zu können. Es war so schön symmetrisch in einem Fünfeck angeordnet. Wahrscheinlich hätte der Cavalliere auch alles auf Anhieb gefunden, wären die Räume nicht allesamt verlassen. Ein Saal reihte sich an den anderen, zwischendurch ein Korridor, doch im Wesentlichen gab es hier nichts Markantes. Nichts, an dem man sich orientieren könnte.
Langsam wurde er ungeduldig, er lief jetzt schon durch den dritten Saal, der absolut gleich aussah wie die zwei davor. Und dann immer diese Jagdtrophäen, die die Wände bedeckten. Der einstige Schlossbesitzer musste vernarrt in die Jagd gewesen sein, doch diese Zeiten lagen sicher schon lange zurück, wenn man die dicke Staubschicht beachtete.
Wenn ihn jetzt jemand sehen würde! Er fuhr sich durch das blonde Haar, das in seiner Familie eher selten vertreten war, und ging zum Fenster. Stirnrunzelnd betrachtete er die Landschaft draußen, über der die Sonne in einem prächtigen Farbschauspiel unterging. Wenn ihn nicht alles täuschte, musste er im Westflügel sein. Hatte der Baron nicht erwähnt, sich dort aufzuhalten? Und den Baron, Auricanius von Urbet, wollte er ja finden, um ihn über die erfolgreiche Verladung der Weinfässer in die Vorratsräume zu informieren.
Wie um seine Vermutung zu bestätigen, hörte er plötzlich gedämpfte Stimmen aus dem Nachbarraum. Rahjesco durchquerte innerlich triumphierend den Saal und betrat den nächsten gerade rechtzeitig, um Rahjadas letzten Satz zu hören.

„Ich würde das da austauschen, Comtessa.“, sagte er schmunzelnd in einer Lautstärke, dass Auricanius und seine Nichte auf der anderen Seite des Saales ihn verstanden haben mussten. Als sie sich zu ihm umdrehten, deutete er auf eine uralte, zerfledderte Trophäe, die kaum mehr erkennen ließ, von welchem Tier sie stammte. Vermutlich war es der gewaltige Kopf eines Keilers, der seine besten Zeiten lange vor Amene-Horas hinter sich hatte.
Der Cavalliere kam mit einem geradezu ausgelassenen Lächeln näher und bedachte Rahjada mit einem anerkennenden Blick. „Das ist genau die richtige Einstellung für die Jagd! So ein ausgeprägter Sportsgeist ist heutzutage selten geworden. Wer weiß, vielleicht werdet Ihr ja diejenige sein, die den Hirsch erlegt, wenn Firun mit Euch ist.“ Er zwinkerte ihr freundlich mit seinen blitzenden, blaugrauen Augen zu. „Doch seid gewarnt, ich habe dem Gott der Jagd in letzter Zeit reichlich geopfert und hoffe ebenso, ein Hirschgeweih mit nach Hause zu bringen.“

“Nun, das Heranpirschen habt Ihr anscheinend auch schon geübt, Cavalliere”, antwortete Rahjada, wobei zunächst offen blieb, ob dies mehr Lob oder Rüge sein sollte. Ihr Gesichtsausdruck blieb trotz des freundlichen Zwinkerns Rahjescos starr. “Und allein dafür gebührt Euch eine Trophäe. Sollten Eure Opfer am Ende vergebens gewesen sein, würde ich Euch darum gerne eine aus meiner reichhaltigen Sammlung aussuchen. Wir haben hier eine große Auswahl, wie Ihr schon gesehen habt. Lasst mich kurz überlegen …”
Auricanius beobachtete das Spiel seiner Nichte mit ihrem Gast derweil interessiert und machte keine Anstalten, sich einzumischen.
Die Comtessa ging wenige Schritte durch den Saal, wandte dem Cavalliere dabei den Rücken zu, und beeilte sich dann doch hinzuzufügen: “Dieses schöne Exemplar soll Eures sein, so Ihr mit geringerer Beute von der Jagd wiederkommt als ich.” Natürlich zeigte sie dabei auf dieselbe Trophäe, die ihr auch Rahjesco gerade gewiesen hatte. Erst als sie sich wieder umdrehte, verrieten ihre nach oben gezogenen Mundwinkel, dass sie an der Herausforderung, die sie damit mindestens aussprach, vielleicht auch nur erwiderte, durchaus Gefallen fand.

Rahjesco war zuerst ein wenig überrascht über ihre Erwiderung, fing sich aber schnell wieder. Als Rahjada nun seinen spaßig gemeinten Kommentar umdrehte, hob er leicht die Augenbrauen. War sie etwa so schnell pikiert, wenn er eine dieser alten Trophäen beleidigte? Doch nur weil die junge Dame eine Comtessa war, bedeutete das nicht, dass er sich alles von ihr gefallen ließ.
Er erwiderte ihr Lächeln und mit einem leisen, ironischen Unterton, der kaum herauszuhören war, sagte er: „Das ist zu großzügig von euch, Comtessa. So ein altes Relikt, aus der Zeit eurer geschätzten Ahnen. Doch wenn ihr es wünscht, so soll es sein. Ich werde Euch im Gegenzug auch ein Relikt meiner Ahnin anbieten. Solltet Ihr weniger erfolgreich sein, lade ich Euch gerne auf ein Treffen mit einer exquisiten Weinauswahl des Cassianti ein.“
Langsam begann es, ihm Spaß zu machen – und in einer Wette den Einsatz einer Comtessa zu übertrumpfen, das war schon etwas, dachte sich Rahjesco.

Rahjada verzog bei den Worten ihres Gastes scheinbar beleidigt das Gesicht: “Meine Schwäche für Solivino-Wein hat euch doch Doriana verraten … gebt es zu!”
Dass sie dabei mit dem Finger auf Rahjesco zeigte, schien ihre Anklage noch zu untermauern. Bevor ihr Gegenüber etwas erwidern konnte, fasste sie sich dann aber ans Kinn.
“Nur sagt, Cavalliere, wenn ihr die halben Vorräte eurer Familie gerade in meinen Keller verladen habt … und diese letztlich sogar für den Kaiser bestimmt sind … was sollte mich davon abhalten, mich dort direkt an euren besten Tropfen zu bedienen?”
Der Baron im Hintergrund, weiterhin gefesselt vom Schauspiel, das sich ihm gerade darbot, konnte sich offensichtlich ob der Dreistigkeit seiner Nichte ein verschmitztes Lächeln nun nicht mehr verkneifen.

„Nun, davon abhalten kann Euch wohl niemand. Ich bezweifle jedoch, dass nach der Jagd auch nur ein Tropfen übrig sein wird, und bis zur nächsten Kaiserjagd wird es eine lange Durststrecke. Außer natürlich, Doriana nimmt die eine oder andere Karaffe mit nach Methumis, was ich mir nach Eurer Aussage sehr gut vorstellen kann…“
Bei dem Gedanken an seine Kusine, die höchstwahrscheinlich ohne das Wissen ihres Vaters des Abends in Methumis eine Karaffe Wein zwischen ihren Freundinnen herumreichte, musste er schmunzeln.
„Es freut mich, dass Euch der Wein meiner Familie so gut schmeckt.“

“Natürlich tut er das”, kam Auricanius seiner Nichte mal mit einer Antwort vorweg, “Comtessa Rahjada ist eine wahre Weinkennerin.”
Trotz seines Lächelns ließ die Betonung des letzten Satzes es fraglich erscheinen, ob dies mehr Lob oder Rüge sein sollte. Auch das leichte Schmollen der Hausherrin konnte ihrem Gast darauf keine eindeutige Antwort geben, weil es ebenso vom unterbrochenen Schauspiel zwischen ihr und Rahjesco herrühren mochte.
“Es sei euch, Rahjesco, darüber hinaus versichert, dass ihr jeden Tropfen, den ihr hier vorübergehend eingelagert habt, zum Zeitpunkt der von euch bestimmten Verwendung auch noch vorfinden werdet. Sind die Räumlichkeiten, die wir euch anbieten konnten, denn zu eurer Zufriedenheit?”

Einerseits war Rahjesco erleichtert, als sich nun der wesentlich reifere Auricanius einmischte. Andererseits hatten sich die Bälle, die er und Rahjada sich zugespielt hatten, zu einem spannenden Spiel entwickelt. Er sah die nun schmollende Rahjada noch einmal nachdenklich an. Es würden sicher... interessante Zeiten werden, wenn diese unverfrorene junge Dame das Haus Urbet übernahm.
Er wandte sich lächelnd Auricanius zu und überlegte kurz, welche Anrede er wählen sollte. Der Baron war ja auch Praiosgeweihter.
"Oh ja, eure Gnaden, es sind sehr schöne Räumlichkeiten und auch die Bediensteten leisten exzellente Arbeit. Gerade haben sie die Fässer erfolgreich verladen.”

“Das freut mich zu hören. Dann ist unsere Arbeit für heute wohl getan.”
Dabei sammelte der Baron und Geweihte auch die vor ihm liegenden Dokumente ein, verstaute sie in einer ledernen Mappe und erhob sich.
“Wohlan, die Küche dürfte noch eine Kleinigkeit für uns vorbereitet haben, für die wir aber nicht diesen riesigen Saal benötigen werden.”
Mit einer einladenden Geste forderte er Comtessa und Cavalliere auf, ihm zu folgen.
“Hier darf sich das Gesinde dann die Tage nochmal nützlich machen, um Trophäen zu entstauben und die unansehnlichsten mit besseren aus den weniger repräsentativen Teilen des Schlosses auszutauschen.”