Briefspiel:Feuernacht (31)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab 7. Rondra 1035 BF, abends Schauplatz: Stadt Urbasi, besonders Palazzo Casciano Entstehungszeitraum: Juni bis Dezember 2013
Protagonisten: Haus Urbet und viele zum Fest geladene Patrizier Urbasis Autoren/Beteiligte: Familie Aspoldo.png Aspoldo, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus di Onerdi.png Di onerdi, Haus Doren.png Dorén, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie ya Ranfaran.png Ranfaran, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Dalidion.png Storai, Haus di Tamarasco.png Tamarasco, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus della Turani.png Turani, Familie Carasbaldi.png ZarinaWinterkalt


Eulen nach dem Feuer II

Autor: Storai

Nachmittag, 10. Rondra, Medici-Schule zu Urbasi:

Eine Eule beobachtete das Fenster der Schreibstube, in der sie saß.
Zwei durchgearbeitete Tage steckten ihr in den Knochen. Die ganze Zeit war die ganze Schule mit der Versorgung der Verwundeten beschäftigt. Erst jetzt hatte sich die Situation etwas entspannt. Man hatte den Großteil nach einem Tag Vollversorgung entlassen können.
Leonore hatte sich auch gut erholt und war schon wieder zu Hause.
Alles schien sich doch insgesamt recht glücklich gefügt zu haben. Von einigen Schönheitsfehlern abgesehen. Die Stadt war größtenteils verschont geblieben. Es war nur der Palazzo Casciano abgebrannt und nicht die halbe Stadt. Plünderungen waren größtenteils ausgeblieben. Es gab eine überschaubare Anzahl Opfer. Zumindest was die Todeszahl anging. Und der Großteil davon war auch nicht „ex urbis“ sondern „ex ruris“. Also verschmerzbar. Und die Familie Urbet war nun de facto aus der Stadt extrahiert. Gut erstmal nur im Kloster festgesetzt. Aber von da aus war es nur noch ein kleiner Schritt weiter. Entweder in ein Massaker unter Urbets und – hoffentlich - den Praioten oder ins Exil für die Urbets.
Sie kümmerte sich weiter um die Inventarliste. Die Vorräte der Medici-Schule an Brandsalbe waren definitiv überstrapaziert und es würde einige Monate dauern, bis die Medici-Schule ein solches Ereignis erneut so erfolgreich bewältigen können würde. Einige Scholari, aber auch ein gewisser Magister, brauchten dringend noch mal eine Lektion darin, dass „Viel hilft viel!“ meist eine sehr unüberlegte und dumme Herangehensweise ist.
Sie seufzte. Zu den Schönheitsfehlern gehörte allerdings, dass ausgerechnet der widerlichste aller Urbets keine Anstalten machte Urbasi zu verlassen. Nach allem was sie mitbekommen hatte stöberte Auricanius sogar jeden Tag durch die Ruinen des Palazzo, weil ihn seine „ach-so-heilige-Aura“ vor ernsthaften Nachstellungen feite. Sie spürte plötzlich eine gewisse Ermüdung in sich aufsteigen. Nach zwei Tagen mit nur sehr wenig Schlaf war das wohl normal. Trotzdem machte es die Bereinigung der Inventarlisten nicht einfacher. Mit dem Gegenwert von allem was sie schon hatte streichen müssen hätte man locker ein Haus in bester Lage an der Piazza Ferrante kaufen können.
„Magistra? Entschuldigt bitte.“ Eine junge Scholarin trat an sie heran. Sie machte eine müde, leicht widerwillige, aber zustimmende Geste.
„Die Primadottora lässt sich erkundigen, ob wir noch genug Natron und Pottasche und… Si… Se…“ Die Scholarin stockte kurz und kramte in einer Tasche.
„Salpeter?“ fragte sie ohne von den Inventarlisten aufzublicken.
„Ja genau. Salpeter! Also ob wir noch genug Natron, Pottasche und Salpeter für eine Person haben. Ja genau. Danach lässt sich die Primadottora erkundigen.“
Sie schaute von den Listen auf. „Hat die Primadottora die junge Scholarin Abeljazza auch wissen lassen wofür?“ raunte die Bibliothekarin zur Scholarin herüber. „Es ist doch nicht ernsthaft jetzt noch wer im Krankenbett verstorben?! Wessen Patient war denn DAS?“
Es durfte wirklich nicht wahr sein. Als sie zuletzt noch geschaut hatte gab es nur zwei Personen im Hospital die noch ernsthaft hätten zu Boron fahren können und um beide kümmerten sich erfahrene Magister und bei beiden brauchte man bloß alle fünf Stunden einen Kräuterverband wechseln und das Wundfieber wäre in wenigen Tage passé.
„Ni… ni..niemandes Patient, Magistra… es wurde noch ein Corpus Inanimatus … ähm … überführt. Heute Vormittag. Direkt zur Primadottora. Durch Ehrwürden von Urbet.“
Ein wenig besserte sich ihre Stimmung. Vermutlich war noch ein weiterer Urbet ein Opfer der Flammen geworden. Bestimmt nur eine Nebenlinie … aber immerhin. „Aha…“ ein leicht neugieriger Unterton schwang in Ihrer Stimme mit. „Und weißt du auch wer?“ fragte sie.
Schwester Marbadane“, flüsterte die Scholarin.
Durch die Überabreitung war sie schon sehr blass, aber bei diesen Worten wurde sie beinahe kalkweiß. Sie legte den Griffel ab. „Was hast du gesagt?“ fragte sie noch einmal um Fassung ringend und ihre Stimme klang als würde sie bei einer falschen Antwort alles in ihrer Umgebung in kleinste Fetzen reißen.
„Schwester Marbadane“, flüsterte die Scholarin, noch ein wenig leiser und völlig verschüchtert.
Sie schluckte. Alles in ihr schnürte sich zusammen. Sie zwang sich zu völliger Kontrolle Ihrer Gefühle und Worte. „Achso.“ hauchte sie. „Für einen Moment hatte ich etwas anderes verstanden. Bitte richte der Primadottora aus, dass ich alles zusammenstellen und zu ihr bringen werde. Schließ die Tür bitte wenn du gehst.“
Die Scholarin verneigte sich leicht und schloss die Tür, nachdem sie den Raum verlassen hatte.
Sie stand auf und schloss ab. Dann sank sie an der Tür herab und fing an zu weinen. Bitterliche, tieftraurige Tränen … sie brach zusammen und weinte um Schwester Marbadane.
Plötzlich war da nichts mehr von all der Häme und Selbstzufriedenheit. Da war nur noch Trauer.
Und sie wusste: In dem Moment wo sie diese Trauer überwinden würde, wäre wer oder was auch immer dies getan hatte bemitleidenswert. Sie würde jagen und das, der oder die würde sich wünschen alles wieder rückgängig machen zu können. Vielleicht mochte irgendeine höhere Macht Mitleid haben mit der Kreatur in dem Moment wo sie IHR ausgeliefert war. Sie selbst würde keine Gnade und kein Mitleid kennen.

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Abends, 16. Rondra, Tempel St. Francidio

Der Tag war anstrengend gewesen. Ingalfa nahm seufzend einen Federkiel und tauchte ihn in ihr Tintenfass. Die Tempelchronik fortzuführen war ihr immer noch eine der liebsten Arbeiten. In aller Ruhe den Tag oder - wie heute - die Tage noch einmal an sich vorbei ziehen zu lassen. Noch einmal über alles reiflich nachzudenken. Die letzten Tage hatten es erst durch den Fund Marbadanes und dann durch die „Fehdeerklärung“, oder was auch immer aus Urbet an di Salsavûr gegangen war, für viel Unruhe gesorgt. Die Signoriasitzung vor zwei Tagen war ein Spektakel der Eitelkeiten zwischen di Salsavûr und Auricanius von Urbet gewesen. Ingalfa selbst hatte zweimal versucht zu vermitteln und war dabei selbst fast unter die Räder gekommen. Dabei wollte sie doch nur helfen! Und heute war auch noch Cinzia tot gefunden worden. Bei dem Gedanken wurde Ingalfa ganz mulmig. Boron- und Ingerimm-Kirche waren schwer geschwächt worden. Der einzig annehmbare Praiot war durch persönliche Verluste verstört und offenbar … in seinem Urteilsvermögen beeinträchtigt. Auch mit Rahjalin war in letzter Zeit immer seltener noch zu rechnen. Oh Götter, hoffentlich kämen bald bessere Zeiten. Diese Stadt kam einfach nicht zur Ruhe. In den letzten Tagen hatten demzufolge auch vermehrt Gläubige um Seelsorge und den Rat der weisen Herrin ersucht.
Es klopfte.
„Herein!“ rief Ingalfa, während sie den letzten Eintrag des Tages vollendete.
Ein Novize trat ein. „Hesinde zum guten Abend Hochwürden. Ich soll euch ausrichten lassen, dass die Aufgaben des Tages erledigt sind und alles bereit ist zum Vesper.“
„Danke Bernardo.“ Sie legte Löschpapier auf die frisch beschriebene Seite und klappte das Buch zu. Dann legte sie den Federkiel sorgfältig zurück und erhob sich. „Dann lass uns gemeinsam gehen.“ Sie gab dem Novizen ein freundliches Lächeln und ging an ihm vorbei in Richtung Mensa.