Briefspiel:Der Krieg der Farben/Aldan im Ingerimm 1041

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Weiße.png Geschichten am Rand des Kriegs der Farben Weiße.png
Datiert auf: Anfang Ingerimm 1041 BF Schauplatz: Stammfeste der ya Torese zu Aldan Entstehungszeitraum: Januar 2019
Protagonisten: Auricanius von Urbet, Cinzia und Acina ya Torese, Imperia von Tomrath Autoren/Beteiligte: Haus Urbet.png Gonfaloniere

Aldan im Ingerimm 1041

Es würde ihre erste Begegnung seit dem schicksalhaften Duell im einen halben Götterlauf zurückliegenden Traviamond werden. Dieser Umstand allein schon wühlte den Praios-Geweihten auf, machte ihm abwechselnd Angst und doch auch wieder Hoffnung. Denn wie Cinzia, die Witwe des in der Gefangenschaft seines Hauses ermordeten Barons Reon, auf sein Ersuchen reagieren würde, hing von so vielen unbekannten Faktoren ab. Trug sie ihren südlichen Nachbarn die Umstände des Mords trotz ihrer erwiesenen Unschuld am selbigen noch nach? Wie hatten sie selbst, aber auch ihre Zeuge des Mords gewordene Tochter, die traumatischen Wochen damals bis hierhin verarbeitet? Und hatte sie, die Ardaritin, das Unentschieden im Duell gegen ihn, den Praioten, das sich für sie möglicherweise wie eine Niederlage angefühlt haben mochte, überhaupt verwunden … das Urteil Ancuiras‘ als das ihrer Göttin akzeptiert?
Auricanius wischte diese Gedanken beiseite, als das Tor zur Stammfeste des Hauses ya Torese endlich in Sichtweite kam. Zu lange hatte die Erztruchsessin auf die Baronswitwe einwirken müssen, damit es überhaupt zu diesem Treffen kommen konnte. Imperia hatte er die Beweise für die Unschuld seines Hauses bereits vor zwei Monaten ebenhier vorgelegt. Das hatte die eigentliche Hausherrin aber nur geduldet, nicht befürwortet, wie es hieß, und sich ihm gegenüber währenddessen nicht blicken lassen. Nun war es an ihm, die sich bietende Gelegenheit zur Versöhnung zwischen ihren Häusern endlich zu ergreifen. Er straffte sich, als die Hufe des Kutschgespanns auf die dicken Bohlen der Zugbrücke schlugen, und glättete die von der langen Fahrt doch etwas in Mitleidenschaft gezogene Geweihtenrobe ein letztes Mal. Dann kam die Karosse zum Stehen. Er atmete einmal tief durch. Ein Lakai öffnete die Kutschtür. Auricanius stieg aus, aufrecht wohl, doch bemüht nicht arrogant zu wirken. Hier war er der Bittsteller … ein Bittsteller von Stand zwar … aber ein Bittsteller allemal.


„Es ist entschieden, Ehrwürden.“
Cinzias letzte Worte klangen hart und bestimmt. Auricanius wollte noch etwas erwidern, besann sich aber eines Anderen, als die Hausherrin ihren Blick unmissverständlich von ihm abwandte und seitlich zum ihr nächstgelegenen Fenster des Saals lenkte, einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne fixierend. Der Geweihte sah stattdessen die während der ganzen Audienz im Hintergrund gebliebene Erztruchsessin an. Diese schien ihm zu bedeuten, es beim Erreichten zu belassen, den offensichtlichen Versuch einer echten Versöhnung zu vertagen – und sein Glück mit Cinzia nicht überzustrapazieren. Sie hatte wohl Recht.
„Habt Dank“, erwiderte Auricanius nach einem Moment des Schweigens fast flüsternd.
Dann ging er. Und obwohl die Baronin seinem vordergründigen Anliegen, der für den weiteren Kriegsverlauf so wichtigen Erlaubnis zur Durchquerung ihrer Ländereien, zugestimmt hatte, war es vor allem ein Gefühl der Enttäuschung, das Besitz von ihm ergriff. Seiner Versuche, auf die letzten Gespräche, die er mit ihrem verstorbenen Gemahl geführt hatte, einzugehen, hatte Cinzia sich beharrlich verwehrt. Ebenso möglichen Ausführungen zu seinen Nachforschungen zum Verbleib der Mörderin. Auricanius vermochte nicht einmal abzuschätzen, ob sie ihm allein die Versuche schon würdigte. Es fiel ihr offensichtlich immer noch schwer, ihm die Rolle seines Hauses in dieser Angelegenheit zu verzeihen. Soviel war sicher.


Niedergeschlagen lenkte der Geweihte seine Schritte zurück auf den Burghof, darüber grübelnd, wann sich ihm wohl wieder die Gelegenheit ergeben würde, das Unausgesprochene endlich auszuräumen.
Und dann sah er sie … Reons Tochter Acina. Die Neunjährige, die Zeugin des Tods ihres eigenen Vaters wurde. Das Mädchen, das den Anschlag damals selbst nur schwer verletzt überlebte. Deren Blut ihm selbst durch die Hände gequollen war … und die ihn so sehr an seine eigene ältere Tochter erinnerte. Ihr Anblick ließ ihn alles Grauen erneut durchleben. Wie zu einer Statue gefroren starrte er sie an, für einige Augenblicke unfähig, weitere Gedanken zu fassen.
Ins Spiel mit zwei anderen Kindern, wohl aus der Bedienstetenschaft, vertieft, bemerkte Acina den Gast selbst erst, als ihre nahebei stehende Zofe sie plötzlich an sich zu ziehen versuchte. Widerwillig protestierend, fiel ihr Blick auf den Geweihten, den sie wohl auch wiedererkannte.
„Lass mich“, blaffte sie die Zofe an und riss sich schließlich los. Dann rannte sie unversehens auf den erstarrten Praioten zu.
Auricanius war von alledem völlig überfordert. Er rechnete geradezu damit, dass ihm die junge Adlige nun Vorwürfe machen würde, ihn vielleicht gar wegen seiner Verwicklung in den Tod ihres Vaters schlagen könnte. Je näher sie ihm kam, desto langsamer wurden ihre Schritte aber wieder. Und desto deutlicher zeichnete sich für Auricanius die große Narbe in ihrem Gesicht ab, vom Kinn über die Wange bis fast ans rechte Ohr reichend, die sie von damals noch übrigbehalten hatte. Der Blick des Geweihten blieb daran haften, vermischte sich mit Erinnerungen an den verhängnisvollen Tag.
Als Acina eine Mannlänge vor ihm zum Stehen kam, knickten Auricanius plötzlich die zitternden Knie weg und schlugen hart auf dem Pflaster auf.
„Es tut mir … so leid …“, stammelte er, während ihm Tränen kamen.
Die junge Adlige schien seinen an der Narbe haftenden Blick zu bemerken und kratzte sich dann unvermittelt selbst daran.
„Weint doch nicht“, versuchte sie ihn zu trösten, „das ist nichts. Alles schon verheilt.“
Dann war ihre Zofe heran, die sie diesmal mit Bestimmtheit von dem Gast wegzog, dem sie wohl gar nicht hatte begegnen sollen.
„Alles schon verheilt“, rief sie dem Geweihten nochmal zu, bevor sie mit der Zofe in der nächsten Tür verschwand.
Auricanius brauchte noch einige Momente länger, ehe er überhaupt den Sinn dieser Worte verstand. Und er weinte daraufhin auf dem Burghof der ya Torese kniend noch ebenso lange weiter … Freudentränen!