Tagebuch der Amaryll di Camaro

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Das Tagebuch der Amaryll di Camaro

21. Rahja 1031 BF.

Da bin ich nun, ich armes Geschöpf. 11 Jahre. Schreiben kann ich. Lesen. Ich bringe Menschen dazu zu sagen, was für ein schlaues Kind ich bin. Und ich kann eine Flamme über meinem Finger erscheinen lassen. Wenn ich das nur will. Doch das tun, was ich will, das darf ich armes Geschöpf nur selten. Armes Geschöpf nennt mich meine Mutter. Aldaîr. Die Frau, die vor einiger zeit den Efferd-Geweihten in Efferdas, Efferdobal di Camaro heiratet, meinen Vater. Armes geschöpf nennt sie mich, weil sie sagt, dass mich ein Leben erwartet, in dem ich nicht tun darf, was ich will. Sie nennt mich Sklavin des Systemes. Und vergießt dabei eine Träne. Ich weiß nicht, warum.

Und so bin ich nun hier. Amaryll di Camaro. Verlobt. Mit Puppen spiele ich. Und bin selbst eine, mit der andere spielen. Eines Tages werde ich einen Jungen heiraten namens Barabo Prasbert Torrem. Ich kenne ihn nicht. Er wohnt in einer Stadt, weit weg von Efferdas, eine Stadt, die ich nie gesehen habe und nicht sehen darf. Und was ich absofort sehen darf, bestimme nicht ich, nicht mein Vater und nicht meine Mutter. Sondern ein Mann mit spitzem Hut. Sein Name ist Carolan von Calven-Imirandi. Eine hagere Gestalt mit einem durchbohrenden Blick. Mir gruselt vor ihm. Seine Stimme. Er macht mir Angst. Doch er ist die Person, die mir die nächsten 10 Jahre erklären soll, warum ich eine Flamme auf meinem Finger kann erscheinen lassen und andere nicht. Er soll die nächsten Jahre der Führer einer Mirhamionette sein, der Lehrer der an Seilen hängenden Puppe Amaryll. Doch wenn das die Prüfung ist, die mir die Herrin Hesinde auferlegt hat, dann soll es so sein. Doch mit dem ersten Tage dieses Tages verspreche ich - der Tag wird kommen, an dem ich diese Fäden durchtrenne.

23. Rahja 1031 BF

Viellerorts beginnen die Aufbauten für die 7 Tage der Rahja. Festtage. Nicht für mich. Ich sitze in einem stillen Kämmerlein. Und habe meine erste Aufgabe bekommen. Carolan - er wünscht, dass ich ihn mit Meister Carolan anspreche - gab mir eine Aufgabe. Erforsche die Magie in mir sagte er. Und nun versucht er mich etwas zu lehren, dass sich Meditation nennt. Ich langweile mich. Ich sitz in diesem Kämmerlein und habe nichts. Nur mich selber. Alles, was ich habe, bin ich. Und die Flamme auf meinem Finger. Ich sehe zu, wie sie wächst und schrumpft. Wie sie erlicht und wie sie aufs neue geboren wird. Wie sie tanzt und wie sie still hält. Das ist alles, was ich sehen kann und der einzige Gedanke, der mir geblieben ist, ist. Warum kann ich das? Darüber soll ich laut Carolan mir Gedanken machen. Man denkt viel, wenn man alleine ist. Welcher Mensch hat nur Spaß daran, seine Puppe so eine Geschichte spielen zu lassen. Ich bin schon wirklich ein armes Geschöpf.

24. Rahja 1031 BF

Stille. Um mich herum nur Stille. Ich armes Geschöpf. Carolan gab mir den Rat, ich solle versuchen, zu fühlen, wo diese Flamme her kommt, wo ihr Docht liegt. Ich muß gestehen, das stellte sich am ende als weniger langweilig heraus als ich dachte. Was nicht heißen soll, es wäre spannend gewesen. Aber da scheint etwas in mir zu schlafen. Ich kann nicht genau sagen was. Aber wenn diese Flamme auf meinen Fingern erscheint, zu flackern beginnt, dann merke ich, wie auch etwas in meinem Arm flackert. Oder eher pulsiert. Wie das Blut aus einer offenen Wunde strömt, so merke ich, dass da etwas ist. Wo das wohl aufhört? Sicher irgendwo beim Herzen. Ein seltsames Gefühl. Und anstrengend. Irgendwann hatte ich Kopfschmerzen. Carolan erlaubte mir daraufhin den rest des Tages mit anderen Sachen zu verbringen. Lesen. Ob er kleine Kinder mag? Sein Blick sagt mir nein. Ich grusele mich immer noch vor ihm. Er macht mir Angst, mit seinem Blick, seinem KÖrper, seinen kurzen krauseligen Haaren, seine spindeldürren Finger, die wirken, als wären sie dafür gemacht, sich um meinen Hals zu legen. Morgen soll ich wieder mich diesem Gefühl in meinem Arm widmen. Sagt er. Und lächelt dabei nicht. Ich kann nicht sagen, was er von mir erwartet. Es fürchtet mich. Ich armes Geschöpf.

25. Rahja 1031 BF

Es ist überall. Erstaunlich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich habe Carolan meine Entdeckung mitgeteilt, doch erhielt keine Reaktion. Irgendetwas in mir lässt mich wünschen, ihn zufrieden zu sehen. Meine Angst vielleicht? Er sieht immer aus, als wolle er mich bestrafen. Dabei meine ich hätte er Grund dazu. Ich armes Geschöpf. Dabei ist diese seltsame Kraft in mir zu erspüren schon ein erhebendes Gefühl. Und ich glaube, sie ist nicht nur in mir. Sie ist in dem Buch, dass ich lese, in dem Tisch, welche das Buch trägt. In der Kerze, welche mir Licht spendet. Doch vor allem in mir. Es fühlt sich an, als könnten Blitze aus meinen Fingern schießen, als wäre ich schwerelos. Es fühlt sich irgendwie... greifbar an. Wie Sand. Wie als wenn man am Strand von Efferdas in den Boden greifen würde und seinen Griff in die Höhe halten würde. Das Gefühl der abertausend Sandkörner, die in diesem Moment zwischen deinen Fingern schlüpfen und den Weg zurück zu Bruder und Schwester Sandkorn finden. Es scheint eine große Kraft darin zu liegen. Und die Herrin Hesinde gab es mir kleines Geschöpf als Geschenk.

27. Rahja 1031 BF

Astrale Kraft. So nennt Carolan das, was ich entdeckt habe. Und sie fühlt sich nicht nur greifbar an. Sie ist es. Sie ist wandelbar. So wie nasser Sand. Nur, dass ich damit keine Sandburgen baue, sondern eben... tja, wenn ich armes Geschöpf dies nur wüsste. Aber dass es greifbar ist, ist schon ein seltsames Gefühl. Ich denke mir diese Astralkraft wie Sand und versuche sie in meinen Gedanken zu formen. Und ich merke, wie das, was ich denke manchmal Einfluss auf meine Umgebung hat. So steht da mir gegenüber eine einfache Kerze. Meist blickt sie mich in aller Seelenruhe an. Ich konzentriere mich auf ihr lodern und versuche mit aller kraft sie zum züngeln zu überreden. Ich versuche so viel wie möglich dieser Kraft zusammen zu knoten und die Kerze mit meinen Matschbällen zu bewerfen. Doch sie will mir den gefallen nicht tun und bleibt eine Kerze mit ruhigem Schein. Doch einmal. Da hat sie gezüngelt. Ich könnte wetten, dass sie dies tat, das war nicht einfach mein Atem. Ich armes Geschöpf werde wohl noch einige Sandburgen bauen müssen, bis die Kerze meinem Willen gehorcht. Aber sie wird mir meinen Wunsch nicht mehr lange verwähren können.

29. Rahja 1031 BF.

Schau her, du armes Geschöpf einer Kerze. Mein Willen ist es, der dein Meister ist, so wie es der Willen der anderen ist, wen ich Meister oder Ehemann nennen soll. Wer hätte es gedacht, die Kerze gehorcht tatsächlich meinem Willen. So wie ich es will. Ich greife einfach nach ihr. Also Gedanklich. Ich versuche einfach ihr astrales Gewicht zu erahnen und greife dieses Stück Gewicht aus diesem Sand heraus, den Carolan Astralenergie nennt. Wenn ich dann daran ziehe, ziehe ich auch ihre Flamme in die Richtung, die mir gefällt. Inzwischen kenne ich das Gewicht dieser Kerze. Ich weiß, wie viel Astrale Kraft ich greifen muss, um die Kerze zu greifen. Und weiß, wie ich diese passende Menge Astralkraft dazu greifen kann. Interessant ist es schon, was da für eine Kraft in mir ruht.

30. Rahja 1031 BF.

Ich armes Geschöpf. Ja, diese Kraft ist wahrlich überall. Ich kann Bücher im Regal wackeln lassen. Ich kann dem Teppich auf dem Boden eine Falte verpassen. Ich bewege die Astrale macht in mir. Knote sie wie ein Wollknäul, entknote sie wie ein Seefahrer ein Tau, spiele mit ihr wie eine Katze mit der Maus. Doch warum schien dies nicht richtig so? Carolan verbot mir strikt, die nächsten Tage mit dieser Maus zu spielen, die ich wie eine Katze vor mir hin scheuchte. Wütend war er und sagte, dass er noch viel wütender werden würde, würde ich seinem Wort nicht gehorchen. Aber wenn das nicht die Astrale Kraft war, welche mich eines Tages der Zauberei befähigen würde, was dann? Oder zog hier Carolan bereits an meinen Mirhamionettenfäden? War er vielleicht schon neidisch darauf, dass ich all diese astrale Kraft auf meine Weise greifen konnte? Er sprach davon, dass dies alles Kräfte wären, die viel mehr Geheimnisse in sich bürgen würden als damit ein Buch im Regal zum Wackeln zu bringen. Kräfte, die ihren eigenen Willen hätten, den ich noch nicht verstehen würde. Von ihm lernen solle ich, welche Kräfte ich da walten lasse, dies wolle er mir langsam lehren. Und dann lehren, wenn er es wolle. Ich armes Geschöpf. Ich habe einen Lehrer, der mir das lernen verbietet. Ich armes Geschöpf.

2. Namenloser 1031 BF.

Oh, ich armes armes Geschöpf. Ja, diese Astrale Kraft lässt sich nicht so leicht Beherrschen wie man mich beherrschen kann. Was war heute nur los? Ich saß da, die Tage abwartend, in denen die Götter ihr Gesicht von uns abgewendet haben. Still und wartend. Doch da war diese Kerze und forderte mich heraus, sie zu bändigen. Ihr züngeln verhöhnte mich und ließ mich die Worte Meister Carolans vergessen. Ich schätzte ihr astrales Gewicht, griff in diesen hesindegeiligsten Sand in meinen Gedanken... doch was dann geschah, erfüllte meine Gedanken mit schrecken. Meine Gedanken verklebten sich in der Astralen Kraft, ich zappelte wie die Fliege im Netz der Spinne, doch je mehr ich zappelte, um so mehr ward mein Körper gefangen in den klebrigen Strängen der Magie. Ich sah, wie um mich herum Bücher aus den Regalen fiel, wie die Teppiche sich auf dem Boden drehten und das darauf befindliche umwarf. Und ich sah die Kerze, deren Flamme züngelte wie der Atem eines Drachen und alles um sich herum in Feuer hüllte. Ich begann zu schreien vor Angst, doch immer mehr um mich herum fing an zu wackeln, zu fallen und zu zerbersten. Ich blickte auf meine Hand, welche lichterloh brannte. Und wo immer ichmeine Hand auflegte, da griff das Feuer über und drohte, mir armen Geschöpfe das Leben zu nehmen. Doch Carolan war auf einmal neben mir und beendete das ganze mit einem festen Klapps auf meinen Hinterkopf. Bis auf den durch meine in Flammen geratene Vorhang am Fenster war der Spuk beendet und ein Eimer Wasser tat danach das übrige. Doch für mich sollte die Pein noch nicht beendet sein, denn nun traf mich Carolans Blick, schneidend wie ein scharfes Messer durch meine kleine Brust, mitten ins Herz. Er sagte kein Wort, er blickte mich nur mit seinen Augen an, doch nie zuvor hatte ich solch eine Angst vor ihm. "Meister Carolan" sagte ich und bat um Verzeihung. Er hatte mich doch davor gewarnt, er warnte mich, was geschehen könnte, wenn ich die Magie in mir nicht ehren würde. Ich blickte um mich und wurde gewahr. Mir armes Geschöpf wurde nicht die große Macht der Magie zu teil, sondern auch ihre Bürde. Ihre Verantwortung. Oh, ich armes Geschöpf. Warum gab Hesinde nur mir dieses Geschenk. Es findet sich in großen Schuhen, die zu tragen ich noch nicht in der Lage bin. ich armes armes Geschöpf.

3. Namenloser 1031 BF

Ich armes Geschöpf. Kaum einer Bewegung traute ich mich, in mir die Furcht, mit jeder Bewegung wieder ein Feuer zu entzünden. Doch es schien, als würden die Feuer auch ganz ohne mein Zutun brennen. Ich durfte zumindest wieder an die Orte, welche mit Tageslicht gänzlich erhellt wurden. Oder erhellt worden wären. Violett war der Himmel, verhangen von vielen schwarzen Wolken, welche wie Ruß in der Luft hingen. Die Namenlosen Tage. Etwas in mir wünschte sich zurück in den Keller und gleichzeitig an den am weitesten davon entferntesten Ort zugleich. Denn alleine in diesem Keller, dort war ich armes Geschöpf wohl sicher vor dem Namenlosen. Aber welches arme Geschöpf wäre dort noch sicher vor mir? Fragen, die sich Meister Carolan wohl nicht stellte. Er schlief lange. Nicht nur an diesen Tagen. Vielleicht wäre Schlaf ja in der Tat auch für mich das richtige, um solch unheiligem Tage zu entfliehen. So legte ich mich ins Bett, doch an Schlaf war nicht zu denken. In jedem ruhigen armen Moment spürte ich diese astrale Kraft in mir. Wie sie in mir tanzte und mich armes Geschöpf in Versuchung führen wollte. Ich begann an meinen Armen zu kratzen, als wäre dies ein Weg, diese Magie los zu werden. Doch unnachgiebig brannte die Kraft in mir weiter und führte mich in Versuchung. So stand ich bald wieder aus dem Bett auf und wendet den Blick wieder nach draußen. Die Verzweiflung trieb mir armes Geschöpf die Tränen in die Augen. Die Magie, sie wollte raus aus mir. Doch wie sollte ich dies erlauben? Oder gar verhindern können? Meine Unruhe trieb mich nach draußen, zu einer Pferdetränke. Ich hielt zunächst meine Hände hinein, dann meine Arme. Als dachte ich, man könne die Magie in mir von mir Abwaschen. Doch so sehr ich an meinen Armen wusch, die Kraft blieb in mir. Ich merkte, wie das Wasser immer Wärmer und Wärmer wurde und erste Bläschen vom Boden herauf stiegen. Ich wusste... ich war es, welche das Wasser wärmte. Tränen liefen von meinen Wangen. Oh ich armes Geschöpf. Ich wollte mir die Tränen aus dem Gesicht waschen, doch ich merkte nur den Schmerz. Meine Finger waren heiß wie glühende Kohle. Erschreckt schrie ich auf und fuhr mit den Händen wieder ins Wasser. Wo war nur Meister Carolan? Verzweifelt rief ich nach Hilfe. Doch scheinbar wollte keine kommen. Ich weinte bittere Tränen. Ich weiß nicht wie lange. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis Meister Carolan mich fand und einen Zauber wirkte, der mir half und mich beruhigte. Oh ich armes Geschöpf. Schon wieder war ich eine Mirhamionette...

1. Praios 1032 BF

Hesinde und Praios sei Dank für einen solchen Tag wie diesen, der sogar mit solch armen Geschöpfen wie den meinigen ein Mitleid kennt. Sonnentrahlen kitzelten meine Nase, als ich erwachte, ich vernahm Vogelgezwitscher. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir den Blauen Himmel, den ich 5 Tage lang so schrecklich vermisste. Vor allem die letzten zwei Tage hatte mich Carolan mit irgend einem Zauber ruhig gestellt. Nun war dieses unheimliche Verlangen in mir vergangen. Alles schien wie vor dem ersten Tag des Namenlosen. Ich sah nach Meister Carolan, in der Hoffnung, dass er mir nun wieder Sachen auf normalem Wege lehren könnte. Doch er schlief. Bis weit nach Mittag. Schmollend vergrub ich mich in die Bücher, welche in meinem Zimmer auf mich warteten. Der Codex Albyricus. Ich konnte ihn nicht mehr sehen. Er war staubtrocken. Wie gerne hätte ich lieber die Geschichte von Unicornia, dem Schimmel aus dem Thangolforst gelesen. Ich armes Geschöpf

13. Praios 1032 BF

Seit zwei Wochen nun schon verbringe ich armes Geschöpf die Zeit mit Büchern, Büchern und noch einmal Büchern. Hier und da prüft mich Meister Carolan, doch an einigen Tagen ist er überhaupt nicht da. Vielbeschäftigt ist er, immer wieder hört man die Worte Urbasi, die Worte Krieg... und auch die Worte Camaro. Vor allem den Namen meines Großonkels Esteban. Doch unser Soberan hat keine Zeit für mich. Und ich nicht für ihn. Denn ich muss mir den Codex verinnerlichen, den ich so furchtbar finde. Wohlan, dass ich meine Magie nicht in Tavernen einsetze, nicht in Tempeln, nicht leichtfertig damit umgehe, das weiß ich wohl nun. Und auch, dass ich wohl scheinbar nie die Gelegenheit dazu erhalte, dahingehend überhaupt noch einmal in Versuchung zu geraten. Ja, bis zu den Namenlosen Tagen hatte es den Eindruck, als wolle man mich das Zaubern lehren. Doch ich armes Geschöpf scheine meinen Meister arg enttäuscht zu haben, denn seitdem ist alles, was er mich lehrt das Lesen eines Buches. Langsam frage ich mich, ob magisch begabt sein nicht doch vielleicht eine Strafe der Herrin Hesinde ist für diejenigen, die sich an Madas Frevel bedienen.

22. Praios 1032 BF

Er ist weg! Verschwunden! Oh ich armes Geschöpf. Da sitz ich nun in diesen Büchern und bin ohne einen Lehrmeister. Doch er selbst schien nur eine Mirhamionette, ein Diener zweier Herren, beziehungsweise eines Vaters und einer Frau. Nun sitzt er in einer Festung fest... und ich in einem Lehrzimmer weit entfernt ohne Lehrer. Mir armen Geschöpf ist es wohl vergönnt, je die Zauberei zu lernen. Noch 338 Tage bis zu den nächsten Namenlosen Tagen. Doch ich armes Geschöpf fürchte bereits jetzt ihr Eintreffen und mein Leben. Immerhin erhalte ich eine Einladung nach Hause. Nach Efferdas zu meinen Eltern. Sie wollen „solange der Efferdasisch-Urbasische Zwist“ anhält mich in Sicherheit wissen. Was soll ich ihnen nur sagen, was ich seitdem gelernt habe? Dass ich eines Tages mit einem spitzen Hut und einem Wanderstab herum laufen werde? Dass ich mit etwas Können in der Lage sein könnte, mit einer Glaskugel ein Gedankenbild festzuhalten oder es wie eine Lupe einzusetzen? Dass ich meinen Wanderstab in eine brennende Fackel verwandeln könnte? Dafür braucht es keine Magie. Was nutzt mir eine Schale, von der ich weiß, dass sie dem Alchimisten das heiligste Gut ist, wenn es für mich doch immer nur eine Schale bleiben wird. All die vielen Bücher, die einst meinen Namen zieren sollten, ihre Seiten bleiben wohl zunächst leer. Ich armes Geschöpf... wie erkläre ich das nur meinen Eltern...

17. Rondra 1032 BF:

Schon seit fast einem Monat fehlt es mir armen Geschöpf an einem Lehrmeister. Dennoch, vielleicht bin ich heute weniger ein armes Geschöpf als je zuvor. Meine Eltern versuchen das beste aus dieser Situation zu machen, meine Mutter lehrt mich einiges über die Pflanzen, welche eines Tages wohl für mich wichtig sein könnten. Vor allem viel über die Alraune. Die schreiende Wurzel, dessen schriller Ruf einem schier den Kopf zerplatzen lässt. Über Wirselkräuter aus dem Norden und ihre heilende Wirkung, über den Thonnys, dem Kraut für den Magier und über seine Unbezahlbarkeit. Und über Kräuter wie Schlangenzünglein, die sich verfärben, sobald sie die Präsenz etwas magischem erspüren. Zudem erwähnt mein Vater immer wieder das Kajubo-kraut, mit dem man unter Wasser atmen kann. Sicherlich ein Geschenk des Herren Efferd. Das Geschenk, dass mir hingegen zu teil wurde ist nun nicht nur das Geschenk der Herrin Hesinde, sondern wohl nun auch das des Herren Aves. Denn ich bin frei. Mein Großonkel hat sich wohl mit irgendjemandem so verkracht, dass meine Hochzeit mit Prasbert Torrem aufgelöst wurde. Ich mag meine Zukunft nun nicht kennen, doch wenn die Gegenwart meiner Mutter Freudentränen verleiht, so kann diese zumindest nicht die eines armen Geschöpfes sein.

9. Efferd 1032 BF:

Heute habe ich Rûmar Kanbassa und Salia Changbari kennen gelernt. Beides junge Magier. Ganz anders als Ex-Meister Carolan. Vor allem Rûmar zeigte mir, wie nützlich und schön Magie sein kann. Er hat seine Magie in Gegenstände gebunden. In Spielzeug. Er schenkte mir eine Puppe. Diese war mit einem Knopf versehen und immer, wenn ich diese drückte, erklang eine liebliche Melodie von irgendwoher. Er hatte noch viel mehr dieser Spielzeuge. Saria war eine etwas stillere Person, doch auch aus ihrer Zurückhaltung heraus schien sie eine sehr freundliche Person zu sein. Auch wenn sie ab und an mit den Augen rollte, wenn Rûmars Papagei sie aufforderte, die Lupe zu holen. Das arme Geschöpf. Ja, die beiden waren wirklich... ich will nicht sagen witzig. Aber sie wirkten wie eins. Und wie jemand, die erfahren hatten, dass Magie mehr ist als nur Lesen in Büchern. Mit ihrem Umgang mit Magie verkörperten sie eine Unbeschwertheit. Dort, wo ich die Magie fürchtete. Nun, ich hatte die beiden nicht umsonst kennen gelernt. Sie sollten meine neuen Lehrmeister werden. Doch nicht nur dies, sie schienen große Pläne mit mir zu haben. Mit ihnen sollte ich nach Shenilo zu den Draconitern gehen, welche meine Fähigkeiten als angehende Magierin kategorisieren und einschätzen sollten. Shenilo war so weit weg von meinen Eltern. Ein wenig betrübte mich armes Geschöpf dies. Fast hatte ich mich wieder an meine „alte“ Heimat gewöhnt. Doch all zu arg betrübt wollte ich nicht sein. Ich würde ja sicher bald zurück kehren. Und so weit entfernt von Efferdas würde mir die Anwesenheit Rûmars und Salias sicher wesentlich angenehmer sein als die des Carolan. Also. Die Koffer sind gepackt. Hört her, ihr armen Geschöpfe Shenilos. Hier kommt Amaryll di Camaro. Sie kann Feuer aus ihrem Finger schießen lassen und Bücher wackeln lassen. Hört her, ihr armen Geschöpfe. Hört her.