In Sachen Ramaúd/Selina Cordur zu Gast auf Gut Zweiflingen

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Dieser Text entstand im Rahmen des Briefspiels In Sachen Ramaúd und schildert die Unterredung Selina Cordurs mit Gishtan re Kust auf Gut Zweiflingen am 30. Ingerimm 1033 BF.

Schon oft hatte Selina Cordur den Ersten Rat der Stadt getroffen. Doch erst an diesem diesigen Sommertag fand sich eine Gelegenheit, unter vier Augen persönlich miteinander zu sprechen.
Bereits im Eingangsportal des Zweiflinger Gutshauses erwartete Gishtan re Kust die Patrizierin, die ihm die Hand zum Kuss reichte. Er folgte dem Blick zum Schwertgurt an seiner Hüfte und klopfte lächelnd auf die Klinge des Rapiers: „Khunchomer Stahl. Habe ich von einer meiner Reisen in Diensten Ihrer Majestät mitgebracht. Weitaus besser als das trahelische Goblineisen, das ich manchmal zu benutzen gezwungen war. Ein beruhigendes Gefühl. Ich trage, wie ihr wisst, in der sheniloer Öffentlichkeit selten eine Waffe. Doch der Anlass Eures Besuchs schien mir eine willkommene Gelegenheit, einmal den Stahl anzulegen.“
Selina erwiderte diese Offenheit mit einem Lächeln. Obgleich sie wusste, dass der mittlerweile 50-Jährige ein ordentlicher Fechter sein sollte, hatte sie ihn noch nie als rondrianisch gesinnte Person wahrgenommen. 'So erfährt man also Neues', dachte sie bei sich, während Gishtan sie durch einen kurzen Lichtgang in den Salon seines Hauses führte. Dort standen zwei Sessel sowie ein Tischlein mit Erfrischungen bereit.
Nachdem sie Platz genommen hatten, ließ der Hausherr Apfeltee mit einer winzigen Prise Safran eingießen. Dann bot er Selina einen Humidor an, in dem kleinfingerdicke Tabakrollen bereitlagen: „Wollen wir ein kleines Rauchopfer bringen? Und dann drängt es mich zu erfahren: Welche Risiken, aber auch Möglichkeiten, seht Ihr darin, mich beim Streben nach einer Lösung der Ramaúd-Frage zu unterstützen?“

Selina Cordur nahm dankbar den ihr dargebotenen Platz sowie die ihr angebotenen Tabakrollen an. Nach ein paar Zügen und einem ausgepustenen Rauchkringel kam sie auf den Grund ihres Besuches zu sprechen. "Einen exquisiten Geschmack habt ihr" und hob die Tabakrolle hoch. "Aber etwas anderes habe ich von euch nicht erwartet, da ihr ein weitgereister Mann seit. Aber kommen wir doch auf Eure Frage zu sprechen. " Sie nahm noch einen Zug aus der Tabakrolle und legte diese dann an die Schale mit der Asche um noch einen Schluck Apfeltee zu trinken. "Ich habe in meinen ganzen Jahren schon viel erlebt und auch meine Familie macht gerade eine Zeit durch, in der einem nicht wohlgesinnte Personen manchen Posten innehat der eigentlich meiner Familie zusteht, wenn ich also euch helfe, helfe ich jemanden dem gleiches widerfährt wie meiner Familie. So hoffe ich, dass euer Streben nach der Herrschaft über die Baronie Ramaúd, von Erfolg gekrönt ist, ihr mir und meiner Familie bei unserem Problem unterstützen könnt."
Sie lächelte den ersten Stadtrat an und nahm noch einen Schluck des Tees. "Weiterhin sehe ich noch ein weiteres Problem, sollte Euer Streben um den Titel erfolgreich sein, so wäret ihr Baron. Aber wer wird euch nachfolgen? Ihr wollt doch sicher sein das eure Familie den Titel auch nach einem möglichen Verscheiden eurerseits - Boron bewahre - behält." Gishtan in die Augen schauend lehnte sie sich zurück, nahm ihre Tabakrolle und erwartete seine Antwort.

Es entging ihr daher nicht, dass bei ihrem letzten Satz ein Anflug von Kümmernis über das Gesicht ihres Gesprächspartners huschte. Ob re Kust sich gelegentlich Gedanken über die Vierte Sphäre machte? Oder war es vielmehr so, dass sie mit ihrer Frage einen ebenfalls offenen Punkt seiner Pläne ansprach?
Gishtan ließ eine Wolke Kolchissya-Rauch gen Alveran steigen, ehe er antwortete: „Mir war nicht bekannt, dass auch der Familia Cordur nach Recht und Gesetz Zustehendes verweigert werde“, sagte er mit verstehendem Bedauern. „Mögt Ihr mir weiteres über diese Umstände berichten? Einem Handeln sollte, wie ja schon Myrdano in seinen Staatskundlichen Blättern schreibt, immer erst eine Kenntnis der Zusammenhänge vorangehen.“
Sein Blick streifte die Ferne, ehe er auf Selinas zweite Frage einging: „In unserem Stand steht es einem früher oder später geradezu zwangsläufig ins Haus, nicht nur an sich selbst zu denken, oder die persönliche Ehre, sondern auch an weitergehende Verpflichtungen, gegenüber Lehnsherren, gegenüber der Familie, an dynastische Fragen, wenn Ihr so mögt. Und von einem Baron von Ramaúd kann erwartet werden, dass er auch an seine Nachfolge denkt. Seid unbesorgt, auch dazu stelle ich Überlegungen an. Und jene Häuser, die dazu beitragen, in Ramaúd wieder Recht und Ordnung walten zu lassen, soll auch mein Erbe in Ehren halten.“

Die Antwort von Gishtan war wie immer sehr kryptisch gehalten, aber nichts anders hatte Selina von ihrem Gastgeber erwartet, kannte sie ihn doch noch aus ihrer Zeit als Maestra sehr gut. „Mit Sicherheit wisst ihr, dass meine Familie seit dem unseligen Thronfolgekrieg an Macht verloren hat, auch da ich freiwillig mein Amt als Maestra frei gemacht habe.“ Das Wort 'freiwillig' hatte eine deutliche Betonung von ihr erhalten.
„Und diesen Umstand nutzte eine andere Familie schamlos aus um ihre Macht in Shenilo zu festigen und Ämter zu horten wie Phex seine Schätze. Dass sie dabei die Unterstützung des Gransignors hatte war deutlich zu sehen. Es wäre schön wenn diese Familie wenigstens ein Amt zurückgeben müsste.“ Selina hielt ihren Gesprächspartner für schlau genug selbst seine Schlüsse daraus zu ziehen.
„Aber erst einmal geht es ja hier nicht um die Probleme der Familie Cordur sondern um die des hoffentlich baldigen Herrscher über die Baronie Ramaúd. Und somit kommen wir zu der Hilfe die meine Familie euch gewähren kann. Primo könnten wir euer Anliegen natürlich mit Horasdor unterstützen, Secundo könnte ich die ehrenwerte Maestra Pechstein aufsuchen um in Eurer Sache zu werben. Vielleicht hört sie auf eine lebenserfahrene Frau, die weiß, wie schwer die Last des Maestraamtes einem auf den Schultern liegen kann. Was haltet ihr davon?“

Bei den letzten Worten der älteren Dame verfinsterte sich der Blick re Kusts. Er zog mehrmals an der Cigarille, atmete den Rauch tief ein und blies ihn dann in Richtung des offenen Flügelfensters, ehe er antwortete: „Pechstein. Die Stadtmeisterin von Ramaúd. Diese Funktion gehört zu den Schlüsselämtern im Gefüge der Stadt. Ihr tut gut daran, mich an sie zu erinnern. In der einen oder anderen Weise muss sie in den Plänen zur Konsolidierung der Ordnung des dortigen Gemeinwesens berücksichtigt werden.“
'Schon wieder diese vorsichtige, samtpfötige Ausdrucksweise', dachte sich seine Gesprächspartnerin. Doch der alte Diplomat wurde gleich deutlicher: „Euer Angebot ist höchst ehrenvoll, ich danke Euch dafür. Indes gebe ich mehrerlei zu bedenken: Erstens wäre es wohl wünschenswert, Frau Pechstein auf Seiten des künftigen Barons zu wissen. Zweitens ist es nicht an der Stadtmeisterin, darüber zu entscheiden, wer Stadt und Land Ramaúd regiert. Die neu geschaffene Baronie ist Teil der Horasdomäne, ihr Herrscher wird folglich direkt von Seiner Majestät respektive dem Comto Protector belehnt. Drittens rufe ich Euch in Erinnerung, dass Frau Pechstein in der Vergangenheit als verlässliche Verwalterin in den Diensten des damaligen Signors von galahanistischen Gnaden wirkte und die bestehenden Verhältnisse nie in Frage stellt. Viertens lässt sie sich meiner Meinung allein durch die Macht der Fakten, nicht jene der Worte überzeugen. Ein Gespräch mit ihr würde daher allein Eure wertvolle Zeit verrinnen lassen. Es wäre mir sehr betrüblich, wenn Ihr dieses Unterfangen meinetwegen auf Euch nähmet, obgleich es absehbar ohne Nutzen wäre.“

Ob sie durch die Ablehnung eines Teiles ihres Angebotes gekränkt war, ließ sich die ehemalige Maestra von Shenilo nicht ansehen. Die Gründe dafür hatte er ihr gründlich genannt und es gab nichts dagegen einzuwenden. „Solltet ihr aus welchen Gründen auch immer eine neuen Maestro oder eine neue Maestra einsetzen müssen. Stehe ich euch gerne mit Rat und Tat zur Seite und biete mich im Sachen meines Angebotes an, die ersten Schritte zu begleiten.“
Neben den Cigarelloduft mischte sich auch der Duft eines köstlichen Essens, das ihr Gastgeber von seinem Koch vorbereitet lassen hatte. Selina wartete höflich darauf, das ihr Gastgeber das Mahl eröffnete.

Und der ließ sich nicht lange bitte, nun, da alles Wichtige besprochen war. „Ich danke für dieses Angebot. Auf Eure reiche Erfahrung greife ich gerne zur richtigen Zeit zurück. Bis dahin wollen wir Schritt nach Schritt tun. Und der nächste Schritt soll nun sein, dass Euch Zweiflinger Gastfreundlichkeit zuteil werden wird. Wartet einen Augenblick, den edlen Perlwein will ich selbst für Euch aus dem kühlen Keller holen.“

(sw, wus)