Erbfolgestreit in Arinken/Grabreden

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Batiste von Calven-Imirandi

Als erster trat Batiste von Calven-Imirandi aus den Reihen des Begräbniszuges vor. Ihm waren Anspannung und Trauer ins graue Gesicht geschrieben. Vor dem Sarg zog Batiste langsam sein Schwert, eine Geste, die für Gemurmel hinter ihm sorgte. Bei seinen ersten, zögernd vorgetragenen Worten legte sich jedoch wieder borongefälliges Schweigen über die düstere Szenerie. „Vor beinahe 30 Jahren war es, da ich als Knabe auf die Burg, die über Arinken thront, kam und nicht viel von der Welt wusste. Benedict, um den wir heute ehrlich trauern, der Herr von Arinken und der Held von Shenilo – ihn traf ich damals zum allerersten Mal, als er sich soeben aus dem Schlamm des Burghofes erhob, wo ihn bei der Verfolgung eines Kätzleins seine kurzen Beine getragen hatten. Ja, so traf ich den größten Helden, den Arinken, Shenilo, ja vielleicht Yaquirien vorzuweisen haben in diesen Tagen. Wir haben später viel über diese Begebenheit gelacht und vieles weitere in den Jahren seither gemeinsam erlebt – auch das letzte Abenteuer Benedicts, die Wagenfahrt der 1000 Meilen. In all der Zeit ist Benedict nicht nur zu einem großen Manne gereift, sondern ich habe auch die Gnade erfahren, mich sein Freund nennen zu dürfen.“

Batiste ließ sein Schwert, mit der Linken gehalten auf dem schweren Sarg nieder und hob die Rechte wie zum Schwur.

„Und so, da ich nun mit einem Herzen voller Gram wie auch guter Erinnerung am Grab dieses Mannes stehe, der noch so viel hätte vollbringen können, erhebe ich mein Schwert und schwöre, dass ich Benedicts Erbe verteidigen werde um seinetwillen und seiner Familie zur Seite stehen, wie meine Kräfte es vermögen. Möge Rondra Benedict di Matienna von Arinken an ihre Tafel holen, wie er es mit Lust erstrebt hat und wie es kaum einem anderen gebührt!“ Daraufhin wandte sich der Ritter, dem bei den letzten Worten beinahe die Stimme versagt hatte, mit tränennassen Augen ab und trat zurück.


Angrond Menaris

Angrond Menaris umfing seinen Zopf mit der Schwerthand und zupfte daran. Eine Geste, die er von seinem Vater übernommen hatte und die manchmal Zeichen seiner Wut war, in diesem Fall aber eher Zeichen unsicherer Überraschung. Der junge Schwertgeselle hatte nicht damit gerechnet, dass der Prätor es den Anwesenden freistellen würde, dem Toten etwas übers Nirgendmeer mitzugeben. Angrond fragte sich, ob er zu jenen „würdigen Acht“ gehören mochte. Verwandte Benedicts, seine Witwe, seine Mutter, die Schwester womöglich oder aber einer seiner langjährigen Kampfgesellen, ja, das erschienen ihm die Würdigen zu sein. Nicht Angrond Menaris, der Benedict selbst erst kurz vor dem Buhurt und dann auf dem Schlachtfeld kennen gelernt und gesprochen hatte. Benedict di Matienna von Arinken, das war für Angrond zunächst nur ein Symbol gewesen. Ein Symbol dafür, dass das Zaudern seines Großvaters Esindio, ja das Zaudern ganz Shenilos im Angesichts der Wirren des Krieges, nicht die einzige Möglichkeit waren. Benedict hatte sich, voller Stolz, erhoben und denjenigen die Stirn geboten, die Shenilo, die Ponterra, das gesamte Horasreich für ihre eigenen Zwecke auszubeuten trachteten. Benedict hatte Angrond die Möglichkeit geboten, seiner eigenen Familie die Stirn zu bieten. Er hatte den zu Boron und Rondra Gefahrenen später in den Treffen des Schwurbundes als einen manchmal harten und gar hartnäckigen aber stets aufrechten und ehrenwerten Mann kennen gelernt. Nicht, dass er sich dem ersten Gransignore von Shenilo besonders nahe gefühlt hätte, dieses Gefühl war seit der mürrischen Ablehnung seines Großvaters und dem Tod seines Vaters für Angrond in weite Ferne gerückt. Aber er hatte zu Benedict aufgeschaut.
Angrond merkte, dass er in der Tat etwas sagen wollte. Inzwischen hatte sein Schwurbruder Batiste seiner Trauer Ausdruck verliehen. Angrond zögerte kurz, als er sah, wie tief der Schmerz des eigentlich so stolzen Mannes zu sitzen schien. Schließlich straffte er sich, ein Zauderer wollte er auch jetzt nicht sein.
„Dank sei dir, Benedict.“ Angrond räusperte sich und trat an den Sarg, „Dank sei dir, für das, was du für Shenilo, für Arinken, für Côntris, Chetan, Sodanyo, ja sogar Pertakis und all die anderen Städte, Dörfer und Weiler, für die Menschen der Ponterra getan hast.“ Er schluckte „Ich, Angrond Timshal, dein Schwurbruder, danke dir dafür. Der Ewige und seine Schwester, die Himmelsleuin, mögen dir gewogen sein, Benedict di Matienna.“ Der Schwertgeselle neigte Kopf und Brust vor dem Sarg und nahm wieder seinen Platz unter den Trauernden ein.

Mit einiger Verwunderung sah Erzpriester Tankred Menaris seinen Neffen an das hölzerne Gehäuse treten, das des Gransignores sterbliche Überreste umgab. Er hatte wohl gewusst, dass Angrond den Matienna geschätzt hatte, nicht aber, dass er ihm gegenüber offenbar persönliche Dankbarkeit empfunden hatte. Hatte der junge Mann in Benedict vielleicht sogar Trost gesehen, Trost für den Tod seines Vaters, Tankreds Bruder? Das Oberhaupt der Menaris schalt sich in Gedanken für seine mangelnde Aufmerksamkeit in dieser Angelegenheit. Er legte seinem Neffen mit ernster Miene, die Mundwinkel aber leicht wohlwollend gehoben, eine Hand auf die Schulter. Der Blick, den ihm Angrond daraufhin zuwarf, verriet nicht, ob er seinem Onkel die Geste dankte oder sie als das durchschaute, was sie war. Der Hesinde-Geweihte zog eine Augenbraue hoch, bevor sich seine Stirn rasch wieder glättete, niemand hatte das kurze Schürzen der Lippen gesehen. ‚Soviel Trauer um Euch, Benedict,‘ dachte Tankred, ‚Boron möge mir verzeihen, dass ich an morgen denke, während Eure Schwurbrüder um ihren Freund weinen. Mit Euch, Benedict, endet das einfache, das ländliche, das adlige Shenilo. Die Zukunft wird anderen gehören.‘ Mit unbewegtem Gesicht, die Hand noch immer auf der Schulter des Neffen, blickte Tankred Menaris auf den Sarg.

Orsino Carson

Mit festem Blick, aber gesenktem Haupt trat Orsino Carson aus der Reihe der Trauernden an den Sarg. Viele Augenblicke verstrichen im stillen Gebet an die Herrin des Krieges, im Gedenken an Kampfesmut und Schlachtenruhm. „Benedict, wie es sich für aufrechte Rondrianer ziemt, waren es die Zeiten des Krieges, die uns zu Gefährten werden ließen, in Pertakis ebenso wie in Shenilo. Nie habe ich an meiner Seite einen besseren Kämpfer erlebt, wie an jenem Tag, als es die Getreuen von Shenilo mit zweifacher Übermacht und dem Glanz eines kaiserlichen Prinzen aufnahmen, um die Heimat zu schützen. Deine Kameradschaft und Treue haben mich bewogen, mich und meine Familie in Shenilo anzusiedeln. Ich gelobe, dass das Haus Carson dem Haus di Matienna dies nie vergessen und immer treu an seiner Seite stehen wird, um Shenilo und die Ponterra vor jedem Unheil zu bewahren, so wie es in den Wirren des Krieges getan wurde. Clameth und Shenilo sollen auch in Zukunft gemeinsam streiten. Rondra kennt die Ihren und so wird der edle Benedict di Matienna seinen Platz an ihrer Tafel finden.“ Mit diesen Worten zog der Gransignor von Clameth sein Rapier, wendete es in der Hand und schlug dreifach nach alter Sitte der Carsons mit dem Knauf auf den Sarg. „Möge dich der Klang einer Waffe, die an deiner Seite focht, auf deiner letzten Reise begleiten!“ Als er sich wieder zu den Trauernden umwandte, fiel sein Blick auf Amaldo di Matienna, der ihn einst in Arinken aus der Bedrängnis half. Und nicht wenige vermeinten ein flüchtiges Nicken wahrgenommen zu haben.

Obra Tuachall

Welche Ironie, eine Trauerfeier erfüllt Arinken mit Leben. Obra Tuachall ordnet die Namen und Titel den Anwesenden zu. Die Matiennas achten sehr auf die Etikette, da darf sie sich keine Fehler erlauben. An der Ansprache hat sie lange gefeilt. Wie häufig hat dieser Benedict mit seinem Wagen die Ernte der Bauern kaputt gefahren? Und wie unsorgfältig er sein Land führte, wenn er doch nur zugehört hätte. Er hätte viel mehr Ertrag erwirtschaften können. Jetzt hat seine kindische Vernarrtheit in Streitwagen ihn das Leben gekostet. Ob es ein Zeichen der Götter war? So weit wollte sie doch nicht gehen. Immerhin hat er der Familie einen lukrativen Vertrag angeboten. Ob dieser verlängert wird, wird sich zeigen. Jetzt hängt alles vom Nachfolger ab. Wie konnte Benedict vergessen seine Nachfolge zu regeln? Jetzt war Obra an der Reihe. Der Kranz, den die Arinker Bevölkerung spendierte, darf nicht zu nahe an dem Sarg sein, es muss die Rangfolge gewahrt bleiben. Zum Glück ist die Rede gut eingeübt. - Unfassbar – Tiefe Trauer – Großer Verlust - . Obra schaut nun in die Gesichter der Anwesenden. Wer wird der Nachfolger? Große Taten – Ehrte die Tradition – Hoffentlich werden sie sich einig, ein langer Nachfolgestreit ist schlecht fürs Geschäft. - Heldenhafte Taten – Rondras Ehre – Epoche ist beendet. Sie darf nicht länger sprechen als die Vorgänger, die Herrschaften sind sehr feinfühlig. Obra ging zurück in die hinteren Reihen, froh, niemanden verärgert zu haben.

Panthino von Urbet-Marvinko

Es fiel Panthino schwer, sich in der eigentümlichen Gesellschaft Arinkens – zumal bei diesem Anlass – wohlzufühlen. Natürlich waren rein politische Gründe für sein Erscheinen ausschlaggebend gewesen. Im Grunde kannte er den, der hier zu Grabe getragen wurde, kaum. Was aber kein eigenes Versäumnis war: Der Gransignore hatte sich bis weit in den Thronfolgekrieg hinein abgeschottet. Selbst Yandriga hatte ihn bei den 1000 Meilen nicht wirklich näher kennen gelernt. Er selbst, Panthino, war Benedict nur einmal begegnet – nach der Befreiung von Urbet nämlich, als der Arinkener zum Heer Königin Salkyas gehörte. Und dennoch: Irgendetwas musste Panthino nun sagen, schon weil er offensichtlich der höchstrangige Adlige hier war. Zumindest hatte ihn das Gesinde bei seiner Ankunft als solchen begrüßt. Und viele der Anwesenden schienen nur darauf zu warten, was der ferne Gast von sich geben würde ... Die wenigen Schritte zum Sarg waren schnell gemacht. Der ernsten Miene eine Spur tiefere Betroffenheit mitzugeben, daran haperte es – Panthino war in dieser Hinsicht nicht Schauspieler genug. „Benedict ...“ Ja, wie nun? „... ich ... wir danken dir für deine Taten. Du hast uns unsere Heimat – Urbet – wiedergegeben, als wir selbst dies nicht zu tun vermochten ...“ Und weiter? „Ein Verdienst, der längst nicht abgegolten ist, auch wenn wir uns bemühten, dir über den Strom zu verhelfen, als andere ihre Tore ... und Herzen ... vor solchem Heldenmut verschlossen.“ Manchmal war er, Panthino, auch nicht Redner genug ... „Über das Nirgendmeer musst du nun alleine ziehen. Ein Platz an der langen Tafel der Herrin ist dir wohl gewiss ... ähm ja ...“ Schnell, ein Ende musste her! „Wir werden dich nicht vergessen!“ Die reuige Selbstermahnung des Redners war ebenso herauszuhören wie ehrlich empfundener Respekt für einen Krieger, der doch bei aller Eigenart stets seinen eigenen Weg gegangen zu sein schien. Flüsternd, eng über den Sarg gebeugt fügte Panthino noch hinzu: „Und grüß meinen Bruder Gonzalo von mir. Bei allem was ich von dir hörte, solltest du seine Bekanntschaft noch machen und dich mit ihm wohl verstehen.“

Amaldo di Matienna

Nach einer kurzen Zeit allgemeinen Schweigens trat nun Amaldo di Matienna hervor, der Onkel des Verstorbenen. Gemessenen Schrittes bewegte sich der alte Ritter, der auch heute im Trauergewand – ohne Rüstung – Respekt und Würde ausstrahlte auf den Sarg zu, und umschritt ihn langsam, wobei er sehr nachdenklich wirkte. Am Kopfende angekommen, stützte er sich mit beiden Armen auf den Sarg und bückte sich herunter, so dass sein Gesicht ganz nahe am Gesicht des Toten sein musste, und brummelte etwas in seinen prächtigen Vollbart. Nur die in der Nähe stehenden konnten hören, wie Amaldo sich von seinem Neffen verabschiedete, nämlich mit den Worten: „Da hast du ja ein schönes Desaster angerichtet! So viele neue Feinde, falsche Freunde, und dann entfliehst du, wenn am meisten gebraucht!“ Etwas lauter, für alle hörbar folgte ein „Möge Gevatter Boron dir verzeihen! Und die anderen auch.“ Daraufhin schlug Amaldo mit der Faust an den Sarg, und trat von ihm zurück.

Khadan von Serillio und sonstige Matiennas

Nachdem auch andere Gäste, darunter Leute von Stand wie die Aurandis, aber auch einige einfache Bürger Arinkens, ihren Abschied von dem Toten genommen hatten, kamen seine entfernteren Verwandten an die Reihe, von denen die meisten allerdings nicht viel nennenswertes sagten. Benedicts Jungendfreund und Adjutant Khadan Aurentian von Serillio schwor recht vieldeutig, dem nächsten Herrn Arinkens ebenso treu zu dienen wie dem bisherigen. Benedicts Tante Daria, vom Krieg gezeichnet und auf einen Stock gestützt, verblieb schweigend am Sarg. Als letztes dann machten sich die nächsten Verwandten des Toten gemeinsam auf. Guiliana wirkte gefasst, das Gesicht maskengleich erstarrt, so dass nicht eine Gefühlsregung zu erkennen war. Sie schritt zum Sarg Arm in Arm mit ihrer Mutter, die das gegenteilige Abbild ihrer Tochter abgab, mit tränenverhangenen Augen und nicht in der Lage, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Etwas abseits kam Yasmina von Streitebeck hinzu, unsicher in der ihr immer noch neuen Umgebung und umgeben von ihr unbekannten Würdenträgern. Wohl deshalb trug sie einen schwarzen Schleier, um sich wenigstens teilweise vor den Blicken zu verbergen. Während Guiliana ihrem verstorbenen Bruder nur unhörbar etwas zuflüsterte bekam Ingrimalda kein Wort über ihre Lippen, und Yasmina erbat schlicht Borons Segen für ihren toten Gemahl, den sie dennoch kaum gekannt hatte.

Prätor Boronir, der während der Abschiedszeremonie in schweigendem Gebet am Rande der Trauergesellschaft verblieben war, blickte nun auf und richtete das Wort an die Anwesenden: „So haben wir nun Abschied genommen. Wer sich für würdig erachtet, Benedict di Matienna zu seinem letzten Ruheplatz zu tragen, geleiten und zu schützen, so wie Golgari seine Seele zu Boron tragen wird, der möge dies nun tun.“

Schweigend traten Guiliana und Ingrimalda zum Sarg, dann Amaldo, der Yasmina von Streitebeck mit sich an der Hand führte, als nächstes Khadan von Serillio. Noch drei Plätze waren frei...

Siehe auch