Briefspiel:Urbasi nach dem Verrat (2)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi: Urbasi nach dem Verrat (1) Stadt Urbasi klein.png


Auricanius von Urbet-Marvinko, 23. Praios:

Der Heroldsstab schlug mehrfach hart auf den polierten Marmorboden, die allseitig erhitzten Gespräche der Anwesenden kaum übertönend. Es dauerte eine Weile, bis unter den weit über fünfzig Versammelten in der Sala Argenta des urbasischen Magistratspalastes Ruhe einkehrte. Signori, Censori und Affiliari, Priori und der Gonfaloniere selbst nebst einigen Gästen und Beratern waren zugegen, als erstmals in großer Versammlung über den Verrat von Torremund debattiert werden sollte. Misstrauen hatte die Stadt selbst und ihre Politiker nach den jüngsten Ereignissen erschüttert und es galt noch einige Fragen zu klären.

„Wir wollen Antworten!“, schallte es indes von der versammelten Menge auf der Piazza di Renascentia vor dem Magistratsgebäude noch durch die Fenster des Saals herauf.

Die Forderung der Fürstlichen Gemeinde Urbasi an die Belhankanische Republik Efferdas

Eingeschüchtert ob dieser Kulisse räusperte sich Selina Deraccini, die sonst so stille Protocollaria, vor den versammelten Edlen: „Signori, ich … äh … wünsche einen guten Morgen.“

Betretene Stille im Saal.

„Ähm ja … und ich eröffne in Vertretung des Gonfaloniere, auf dessen eigenen Wunsch …“

Miguel Flaviora nickte kurz, er hatte dieser außerordentlichen Versammlung beinahe aller Amtsträger bewusst nicht formell vorstehen wollen, da auch Vorwürfe gegen ihn im Raum standen, wie es hieß.

„… also nun diese … ähm … außerordentliche Versammlung … mit der Bitte der Wahrung des Protokolls. Die bereits auf den Weg nach Efferdas gebrachte Forderung sollte den werten Herren und Damen vorliegen … und der Menge auch sogleich verlesen werden … ach, und das erste Wort hat Seine Edelhochgeboren … ähm Ehrwürden … Auricanius von Urbet-Marvinko. Wenn ihr mögt …“

Der ersten Schreiberin aller politischen Gremien der Stadt war die ihr zugedachte Rolle deutlich unangenehm, und dies merkte man ihr unzweifelhaft an, als sie sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden versuchte.

Einige der Anwesenden hatten beim Verweis der Protocollaria sogleich nochmal nach den nun endlich offenliegenden Dokumenten zur ersten Reaktion Urbasis auf den Verrat gegriffen. Beinahe zeitgleich begann ein weiterer Herold vom Balkon des Magistratspalastes mit der Verlesung derselben gegenüber dem ungeduldigen Volk – Wortfetzen, aber auch Zustimmungen und und Unmutsbekundungen drangen immer wieder gedämpft bis in den Saal vor.

Indes strich sich Auricanius, der Signore und Inquisitor, noch einmal seine Geweihtenrobe glatt, bevor er zu reden begann:

„Signori, um das Wohl dieser Stadt Besorgte, Urbasier. Was ist des Praios’ höchstes Gut in diesen Tagen doch noch viel mehr wert als es das schon in anderen Zeiten ist: Wahrheit! Nicht Verrat, nein Wahrheit ist, wonach wir uns sehnen! Antworten wollen wir, auf wichtige Fragen. Auf wen wir uns noch verlassen können und auf wen nicht? Auf wen wir zu schimpfen haben und auf wen nicht? Auf wen wir bei der Bewältigung dieser Krise zählen können … und auf wen nicht …“

„Lauter, so sprich doch lauter“, schallte es plötzlich von draußen herein.

„Ähm, wie? Ach so“, vergegenwärtigte sich Auricanius leicht irritiert, dass diese Forderung wohl nicht ihm, sondern dem Herold auf dem Balkon galt. „Vertrauen ist, was wir nun brauchen“, fand er den Faden rasch wieder, „Vertrauen in uns und unsere Stärke. Ein erster Schritt ist dabei bereits getan.“

Wie zur Bestätigung hielt er sein Exemplar der Forderung an Efferdas hoch.

„Und einen zweiten Schritt hat mein Haus, das Haus Urbet-Marvinko, sogleich folgen lassen. Denn wenige Minuten vor dieser Sitzung hier erst unterzeichnete ich im Namen nicht nur meiner selbst, sondern auch meines Bruders, des Gemahls der Perainia Torrem …“

Leichte Unmutsbekundungen unter den Anwesenden.

„… welcher noch am Morgen nach dem schändlichen Verrat dem falschzüngigen Haus den Rücken kehrte …“

Leise Zustimmung.

„… eine Forderung an eben dieses, welche entweder unverzüglich befolgt zu werden hat … oder mit Praios’ Recht weitere Strafen erlaubt, die es seinen Verrat werden bitterlich bedauern lassen!“

Verhaltener Beifall, von einigen „Ach was …“-Zwischenrufen von Skeptikern durchbrochen.

„Doch das nur, um von Beginn an klarzustellen, auf welcher Seite mein Haus steht. Viel wichtiger aber ist doch, dass Urbasi als Ganzes einig steht und Handlungsfähigkeit zeigt. Und daher fordere ich: Verlängert die Amtszeit der Priori und unseres ehrenwerten Gonfaloniere – in welchen wir dasselbe Vertrauen haben wie am ersten Tag, da wir ihn wählten. Lasst uns nicht politischen Schacher betreiben, wenige Tage nach einem solchen Verrat und mit ihren Aufgaben vertraute Politiker in der Stunde austauschen, in der sie am Nötigsten gebraucht werden!“


Alessandero dell'Arbiato, 23. Praios:

Gelangweilt lauschte Alessandero dell'Arbiato den Ausführungen, während neben ihm seine Gattin Aliena wie üblich den Sitz als Patron der Steinzunft belegte. Wahrscheinlich würde der Praiosgeweihte noch weiterhin von Vertrauen und ähnlichem faseln. Alessandero fragte sich, wie lange wohl dieses Theaterspiel von Empörung, Verrat und Rache noch dauern würde.


Leomar Romualdo della Pena, 23. Praios:

Leomar della Pena

Nun erhob sich Leomar Romualdo della Pena. Er hatte in den vergangenen Monaten einen scharfen Gegenwind in diesem Gremium erfahren und tiefe Gräben waren zwischen den Signori aufgebrochen. Sicher, er war nicht gänzlich unschuldig an diesen Verwerfungen und einen manchen einflussreichen Signor hatte er sich schon zum Feind gemacht, aber Leomar wollte die neue Ordnung – und von Ordnung zu sprechen schien ihm in diesem Zusammenhang beinahe praioslästerlich – in den Stadtherrschaften, in der Geldadel und dahergelaufene Emporkömmlinge ebensoviel galten wie die alten Rittergeschlechter, nicht einfach widerstandslos akzeptieren. Also arbeitete er wo er konnte für die Rechte der Landadligen und hatte damit auch schon eine recht treue Anhängerschaft gewinnen können, auch wenn das in den vergangenen Götterläufen oft gehießen hatte sich gegen den Gonfaloniere und seine Speichellecker zu stellen.

Aber nun war unvorhergesehen dieser erneute Konflikt um Torremund aufgeflammt. Die Fronten waren dabei schwer durchschaubar und noch hatte Leomar nicht klar erkennen können, wer dabei auf welcher Seite stand, aber wenn es ihm gelänge, den Zorn und die Empörung auf die wahren Schuldigen zu lenken, könnte er von der Angelegenheit vielleicht sogar profitieren:

„Zunächst wollen wir hier vor diesem Gremium, den ehrwürdigen Priori und Signori, aber auch vor Praios und den übrigen Alveranischen geloben, dass das Haus della Pena von den verwirrenden Vorgängen um Torremund und Geschlecht Torrem nicht mehr weiß, als die übrigen Versammelten. Unsere Beteiligung besteht allein darin, dass wir dem Bündnisfall im Sikramtaler Ritterbund genüge getan haben und zum Schutze der Rechte der alten Rittersgeschlechter unsere Truppen mobilisiert haben.

Nicht mehr und nicht minder, das geloben wir vor diesem Hause und den Göttern.

Die plötzliche Kehrtwendung des Hauses Torrem können wir uns nicht erklären, vermuten dahinter jedoch intrigante Winkelzüge der Efferdischen Pfeffersäcke und Wucherer, die offenbar durch geschickte Manipulation von den angeblichen niederen Absichten Urbasis überzeugt haben. Aber was soll man von dieser praioslästerlichen Republik auch anderes erwarten.

Schuldzuweisungen gegenüber dem alten Geschlechte Torrem werden wir uns zunächst nicht voreilig anschließen, bevor wir nicht unseren Bundesgenossen die Möglichkeit gegeben haben sich uns ehrenhaft zu erklären und ihr Verhalten zu rechtfertigen.“

Bevor empörte Zwischenrufe laut werden konnten fuhr Leomar lächelnd fort:

„Wir erlauben es uns jedoch hier an dieser Stelle einmal das Gebot der Bescheidenheit zu überschreiten und auf unsere Weitsicht hinweisen, in der wir bereits zu gegebener Zeit eine Flussflotte aufzustellen uns angeschickt haben. Leicht ersichtlicher Weise die beste Sicherung gegenüber Aggressionen aus Richtung Torremund, Toricum und von Seiten der efferdisch-belhankanischen Räuberbande.

Desweiteren loben wir die Weisheit von Ehrwürden Auricanius, wenn er fordert unsere Fürstliche Gemeinde nicht in diesen Zeiten von Wirrnis und Anfeindung durch einen Wechsel der führenden Köpfe zu schwächen. Die Verlängerung der Amtszeit erscheint uns in dieser Situation der richtige Vorschlag.

In dieser Situation muss Urbasi zusammenstehen um den efferdischen Angriffen geschlossen entgegenzutreten. Wie die Anwesenden wissen haben wir mit dem Gonfaloniere und seinen Parteigängern in der vergangene Zeit so unsere Zwistigkeiten gehabt, aber wir sind gewillt diese für den Moment zu vergessen und uns ein weiteres Jahr mit ihm herumzuschlagen, um … also… um der Situation angemessen entgegenzutreten.“

Der letzte Teil seiner Rede war ihm nicht ganz geglückt, das wusste Leomar selbst, konnte es aber auch den gerunzelten Stirnen der Zuhörer entnehmen, aber ihm war selbst erst in diesem Moment klar geworden, dass er bei einer Verlängerung der Amtszeit des Consiglio vor Jahresfrist keine Möglichkeit hätte, den ungeliebten Miguel vom Amt des Gonfaloniere zu entfernen…


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