Briefspiel:Stille Wasser/Prolog

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Der Stimmungstext Auf dem Weg zu Olweren stellt den Prolog zur Briefspielgeschichte Stille Wasser dar und ereignet sich im Phex-Mond 1035 BF.

Auf dem Weg zu Olweren

Olweimo faltete das Ledertuch mit dem er den Pokal poliert hatte und steckte es rasch unter das Wams. Das Silber würde nun zumindest für einige Zeit sauber bleiben, auch wenn der stetige Nieselregen der vergangenen Tage bald wieder Schmutz und Blätter herbeitragen würde. Er tauchte den Pokal, der einst seinem Großvater gehört hatte, in das rötlich schimmernde Wasser des kleinen Teiches, der die Wurzeln des uralten Baumes umspielte, der als Heiligtum von St. Olweren verehrt wurde. Er nahm das Wasser an die Lippen, benetzte diese und schluckte ein wenig von der nach verdünntem Blut schmeckenden Flüssigkeit. Im Geiste bat er Olweren um seinen Segen und den des Waldes in den kommenden Monden. Nach dem Tode der Herrin Ismiane musste zumindest irgendwer die Mächte des Waldes daran erinnern, dass Wanka und seine Menschen des Alten Paktes noch immer gedachten. Auch wenn das Wetter ihm den Weg in den Arinkel zu einem unangenehmen Gang gemacht hatte, war es an ihm, als einer der wichtigsten Bürger Wankas gewesen, das Heiligtum aufzusuchen.
Olweimo erhob sich, seine Arbeit hier war getan, nun galt es, sich auf den Rückweg zu machen. Seine Stiefel quietschen im nassen Boden, das Leder selbst war feucht und roch eigenartig. Sein Wams hatte sich mit Feuchtigkeit vollgesogen und war schwer geworden. Er freute sich auf ein warmes Feuer im Kamin, einen guten Rotwein, einen Kanten Brot und etwas Fleisch. Auf seinem Rückweg nach Wanka passierte der Weg zum Baum Olwerens die Feuchtwiesen, die bis an den Burggraben der Fuldigorsfeste führten. Bei dem Regen wollte Olweimo diese Wegstelle schnell hinter sich lassen. Als er einen großen Schritt machte, um eine Pfütze zu überschreiten sprang ihm etwas Glitschiges gegen das Bein.
Olweimo erschrak, hielt inne und schalt sich einen Narren, als er erkannte, dass das von seinem Stiefel gegen einen Baum getretene Etwas ein Frosch war. Das Tier lag nun mit dem Rücken auf dem Boden und zappelte mit den Beinen. Olweimo schickte sich an, den Frosch wieder in die Pfütze zu setzen, als das Zappeln endete und der alte Wankarer seine Hände mit bläulich-roter, schmieriger Flüssigkeit bedeckt vorfand. Den – offenbar toten – Frosch fallen lassend machte Olweimo ein Geräusch des Missfallens und einen Schritt zurück. Ein Platschen kündete davon, dass er in eine andere Pfütze am Rande des Trampelpfades getreten war. Fauliger Geruch drang an seine Nase. Überhaupt lag über den Feuchtwiesen ein unangenehmer Gestank, als sei ein Teich verendet. Olweimo beschloss, den entsprechenden Flecken ausfindig zu machen, denn es galt Wankas Fischer und Froschfänger davor zu warnen. Man konnte sich schlimmes Bauchgrimmen einfangen, wenn man Tiere aus einem Teich aß, der gestorben war. Mit einem letzten Blick auf den toten Frosch wandte sich Olweimo um, ein Windstoß trieb ihm die Nässe in die Augen und ließ die Blätter tropfen. Ein Ast verfing sich in seinem Wams, als er den Weg verlassen wollte. Er schüttelte den Baum, der ihn aufhielt, ab und begab sich in das Gebiet der Feuchtwiesen.
Schon nach einiger Zeit bedauerte Olweimo seine Entscheidung, denn der Regen hatte die Wiesen anschwellen lassen und es war schwer trockenen Fußes, meist am Rande von Bäumen oder Büschen gehend, über das Gelände zu kommen. Aber nass waren seine Füße ohnehin schon, also setzte er seinen Weg fort. Es würden noch mehrere Stunden vergehen, bevor es dunkel wurde, also hatte er noch Zeit.
Schließlich wurde der Gestank stärker und Olweimo erreichte einen Teich oder eher einen Tümpel, den er noch aus den Tagen Vascamos, Boron möge seiner Seelen gnädig sein, kannte. Der Vater der Herrin Ismiane, Golgari fliege sie sicher über das Nirgendmeer, hatte hier vor Jahrzehnten versucht einen Teil der Wiesen als Fischteich nutzbar zu machen, aber seine Tochter hatte ihre Dukaten für die Bedürftigen verwendet, so dass heute nur noch eine halb eingesunkene Holzhütte von Vascamos Absichten kündete.
Olweimo schob Schilfgras beiseite um eine Handvoll des Wassers schöpfen zu können, von dem, so war er sich sicher, der faulige Geruch ausging. Er hielt mit besorgter Miene inne. Im Tümpel schwammen, mit den Bäuchen nach oben, mehrere Handvoll Frösche, ihre grünen Leiber waren schwärzlich verfärbt. Ein Windstoß ließ das matte Wasser des Teiches in kleinen Wellen auf ihn zukommen, er sah etwas Dunkles unter der Oberfläche. Jetzt hatte Olweimo Angst. Er wandte sich um, trat mit einem Fuß in eine schlammige Pfütze, riss sich los und versuchte weg vom Teich, weg von den toten Fröschen und weg von dem Etwas unter dem Wasser zu kommen. Der alte Wankarer drehte sich nicht um, als etwas das Wasser des Tümpels gegen seine Beine schwappen ließ, etwas, das aus dem Gewässer schnellte. Er versuchte davonzukommen, als ihn etwas im Rücken traf. Ein scharfer Schmerz durchzuckte seine Glieder und ein Körper traf seinen Leib, zwang ihn zu Boden. Olweimo drehte und wandte sich, schlug mit den Armen um sich und zappelte mit den Beinen, aber er konnte sich nicht lösen. Dann war da etwas Scharfes an seinem Nacken, ein Schmerz, Blut, dann hörte er auf zu zappeln. Sein Sichtfeld verengte sich. Ein alter, borkiger Baum, der sich aus den Wiesen hinaufreckte, lag wenige Spann von seinem Gesicht entfernt. Der Regen hatte die Borke nass werden lassen. Olweimo beobachtete mit schwächer werdenden Sinnen, nicht auf das achtend, was in seinem Rücken geschah, wie sich ein einzelner Regentropfen in einem Astloch sammelte und die Borke hinabrann.