Briefspiel:Sternenleere

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen
Beteiligte (irdisch)
Haus della Pena jH klein.png Horasio

Unterfels, 7. Rahja 1032 BF

Im Haus des Astrologen

In dem einstmals beschaulichen Unterfels ist Unruhe ausgebrochen. Seit dem Ende des Thronfolgekriegs im Unteren Yaquirkönigreich haben sich zahlreiche Menschen aus den umliegenden Regionen auf den Weg in die Stadt im Grenzland gemacht und hier auf der Suche nach Frieden und bescheidenem Wohlstand eine neue Heimat gefunden. Auch viele Almadani zog es hierher und wie die anderen Landsmannschaften brachten sie ihre Art zu sprechen, ihren Glauben und ihre Bräuche mit sich. So verwunderte es kaum, dass man im sogenannten Almadinquartier das Fest der Freuden, die höchsten Feiertage der Rahja, mit großer Begeisterung beging. Denn man muss wissen, dass im Oberen Yaquirkönigreich ein jeder, vom einfachen Fellachen bis zum hochgeborenen Magnaten der Göttin des Weins, des Gesangs und der Liebe opfert und ihr zugeneigt ist. Und für wenige Tage, so heißt es, verschwinden die sonst so scharfen Grenzen zwischen den Ständen.

"Rinya, hörst du nicht? Bring mir noch etwas...," Amando Sfandini brach mitten im Satz ab, als ihm einfiel, dass er seiner Haushälterin an diesem Abend freigegeben hatte um die Feierlichkeiten zu genießen.
Lachende Stimmen drangen durch das geöffnete Fenster an sein Ohr, flammende Schemen zeichneten sich auf den Läden ab und konnte er nicht in der Ferne eine Laute und die stampfenden Schritte einer Hazaqi hören? "Argh!" Wütend erhob er sich und schloß die Fensterläden mit einem lauten Knall.
Es reichte ihm schon, dass ihm Rinya immer wieder vortrug, dass es sich für einen Almadaner nicht gehörte dem Fest der Freuden fernzubleiben und sich statt dessen der Arbeit zu widmen, nun mussten auch noch die Einwohner des felsfeldener Viertels direkt vor seinem Haus der Rahja huldigen!
Nunja, zumindest ein kleines Opfer könnte auch ich der Schutzherrin meiner Heimat erbringen, dachte er sich und griff sich die Öllampe von dem Tisch, nachdem er mit einem Quartband die Papiere auf dem Tisch beschwert hatte.
Die Holzdielen krächzten trotz seines bescheidenen Gewichts wie immer erbärmlich auf, als er die Stufen hinunter zur Küche nahm. Er brauchte nicht lange suchen, denn offensichtlich hatte Rinya vor ihrem Aufbruch ebenfalls vom guten Wein gekostet und die Flasche mitsamt eines benutzten Bechers auf dem Tisch stehen lassen. Ein Glas soll mir die Göttin schon wert sein.
Er öffnete die Türe eines Schrankes und nahm ein kunstvoll geschliffenes Glas heraus, eine echte Wertarbeit der veliriser Glasmacher, die ihm Horasio della Pena, einer seiner häufigsten Auftraggeber, einst zum Geschenk gemacht hatte. Wann war dies noch, fragte er sich selbst und meinte sich an die Eroberung Bomeds und die Kür des Grafen zu erinnern, beschäftigte sich jedoch nicht weiter damit.
"Guter Rebenthaler," sprach er während er sich eingoss, "wir zwei werden nun unser ganz eigenes Fest der Freuden feiern." Als das Glas annähernd voll war, nahm er die Lampe, welche er an der Wand aufgehängt hatte, wieder auf und stieg die knarrenden Stiegen zurück in sein Arbeitszimmer. Dort setzte er sich an seinen Tisch, stellte die Lampe ab und roch an dem Wein. Auf Rahja, auf Almada! Er nahm einen ersten prüfenden Schluck und schmeckte die süßlichen Trauben seiner Heimat.
"Mhmmm," entfuhr es ihm. Ein längerer Schluck folgte, ehe er das Glas zur Seite stellte und den Quarto zur Seite schob. Es kamen einige Pergamente zum Vorschein, die in ihren Zentren stets Sternkonstellationen zeigten um die herum Maestro Sfandini eine Reihe von Notizen aufgeschrieben hatte, so lange bis nicht mehr ausreichend Platz an den Seitenrändern zu finden war.
Noch einmal besah er sich den letzten Stand der Gestirne, den er mit seiner Feder festgehalten hatte. Die Namenlose Sternenleere. Sie bereitete ihm seit Tagen Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte, wobei er letzteres auch auf die Betrunkenen schob, die in der Dunkelheit grölend durch die Gassen zogen. Wie jeden Götterlauf strebte die Sternenleere auch dieses Jahr den Meridian an, pünktlich zu jenen fünf unheimlichen Tagen, welche dem Widersacher der Zwölfgötter zu eigen waren. Dies irritierte ihn also nicht, dafür jedoch die Bahnen der Wandelsterne, die wie als würde ein Sog von der unheiligen Leere ausgehen, immer mehr auf sie zu drifteten. Besonders der rote Kor würde erst die Stute Rahjas passieren, dann Sajalana streifen und schließlich in Conjugatio zum Namenlosen stehen. Auch das Schwert und der Held spielten förmlich verrückt, letzterer befand sich in Confrontatio zur Waage Borons, während ersteres der Sternenleere den Griff zuwandte und auf die Eidechse der Tsa wies! Ich müsste ältere Aufzeichnungen haben, dachte er bei sich und schob das oberste Pergament zur Seite und blickte auf ältere Konstellationen, die dem derzeitigen Stand der Gestirne zumindest ähnelten. Doch wirkliche Übereinstimmungen hatte er nicht entdecken können und seine Überlegungen zu einer Deutung dieser Stellungen bereitete ihm ein unangenehmes Gefühl tief in der Brust.
Während er seinen Gedanken nachhing, drückte ein heftiger Windstoß gegen die geschlossenen Fensterläden. Laut quietschend leistete der alte Riegel Widerstand und konnte nur mühsam der anbrandenden Kraft standhalten. Da der nun aufkommende Wind die Sommernacht merklich abkühlte, begaben sich die meisten Feiernden nun in Gastschenken oder Schlafzimmer um der Rahja zu huldigen. Amando Sfandini sann derweil weiter über die Zeichen der Namenlosen Sternenmeere.