Briefspiel:Südwärts!!/Aufbruch

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Stadt Sewamund klein.png Briefspiel in Sewamund Uthuria Logo.png
Datiert auf: 1035 BF/1036 BF, ab Herbst 1046 BF (laufend) Schauplatz: Sewamund, Meer der Sieben Winde, Südmeer, Uthuria Entstehungszeitraum: Juli 2013-??? / ab November 2023
Protagonisten: viele (s.u.) Autoren/Beteiligte: Familie van Kacheleen.png van Kacheleen, Familie Luntfeld klein.png Luntfeld, Familie Degano klein.png Marakain, Haus di Piastinza.png DiPiastinza, Familie Cortesinio.png Cortesinio
Haus di Salsavur.png Rondrastein (nur 1035/36 BF), Familie Vesselbek.png Vesselbek (nur 1035/36 BF)
Zyklus: Übersicht - Uthuria-Fieber -

Fahrt ins Ungewisse - Neustrukturierung Uthuria-Konsortium


Südwärts!!   Uthuria-Konsortium   Cusimia   Perlhaven   Neu-Sewamund   Dairons Wacht   Uthuria-Expedition 1035/36 BF   Uthuria-Expedition 1046 BF  
Jährliche Uthuria-Flotten   Sanct Stordian   Sanct Brigon   Raubvogel   Liliendrache   Sturmschwalbe   Sanct Parvenus   Florina Weyringer   Stern von Mylamas   Bastan Munter   Alessandrian Arivorer    

Am Morgen des ersten Efferd im Jahres 1036 nach Bosparans Fall benötigte die aufgehende Sonne wohl eine Stunde, um den Dunst über den Sewakauen aufzulösen, denn die vergangene Nacht war nach den Schauern der letzten Tage eher kühl gewesen. Am heutigen Tag des Wassers, einem hohen Feiertag der Efferdkirche, eignete sich das aber als gutes Vorzeichen. Seit dem gestrigen Morgen war das Endstück des Ostkais des Sewamunder Handelshafens - jenes, das mit dem so genannten Grangorellenturm abschloss - von einem halben Dutzend Rotröcke der Sewamunder Stadtgarde abgeriegelt gewesen, denen ein Schreiber mit einer Personalliste zugeteilt war. Sie hatten jeden kontrolliert, der den Bereich betreten oder verlassen wollte, um sicherzustellen, dass sich keine unbekannte Person den beiden links und rechts des Turms liegenden Schiffen näherte, und um eine größere Zahl von Seeleuten daran zu erinnern, dass ein nicht genehmigter Landgang ab sofort als Desertion geahndet werden konnte. Und erst vorgestern war das leichtere der beiden Schiffe an die Südseite des Kais verlegt worden, wo normalerweise keine Seefahrzeuge festmachten, da auf dieser Seite die Strömung des Sewak an ihnen zerrte. Kurz vor Sonnenaufgang war das Niedrigwasser vorüber gewesen, und bis zum Abschluss der geplanten Zeremonien würde sich die Flut dem Hochwasserstand nähern. Der Sewamunder Hafen gehörte, wohl, weil er an der Mündung eines Flusses lag, dessen Strömung in langen Jahrhunderten eine hinreichend tiefe Rinne ausgespült hatte, nicht zu denen, die vollständig trockenfielen, wenngleich Schiffe mit größerem Tiefgang bei außerordentlichem Niedrigwasser gelegentlich auf dem eigenen Kiel ruhten. Dies geschah jedoch zu selten, um der Stadt deshalb praktische Konsequenzen aufzunötigen.

Die beiden Schiffe am Grangorellenturm, welche drei Götterläufe zuvor auf die Namen »Sankt Brigon« und »Sankt Stordian« getauft worden waren, hatte die Familie Cortesinio (wie sich herumgesprochen hatte und nahezu jedermann glaubte) in Grangor und Belhanka angekauft, nachdem sie bereits ein knappes Jahrzehnt im Dienste anderer Reedereien gefahren waren. Die Taufe war erfolgt, nachdem man die Arbeiten am Rumpf der beiden Fahrzeuge abgeschlossen hatte, und unmittelbar bevor sie vom Stapel der Deganowerft liefen, wo sie gründlich überholt worden waren. Das Unterschiff war von Muschelbefall befreit und die Nähte zwischen den Plankengängen neu kalfatert worden, sodann hatte man einen Anstrich aus Bleiweiß aufgebracht. Letzteres war nur für Schiffe üblich, die das Südmeer oder zumindest die Brabakroute befuhren, da in den wärmeren Gewässern Befall durch den aggressiven Bohrwurm drohte, der von den Substanzen des Anstrichs ferngehalten wurde. Folglich war angenommen worden, dass die Cortesinio verstärkt im Südmeerhandel tätig sein wollten. Und tatsächlich wurde, nachdem die Überholungsarbeiten abgeschlossen waren, auf beiden Seglern nicht nur die Flagge Sewamunds, sondern auch die des Hauses Cortesinio gehißt.

Zum Zeitpunkt ihrer Verlegung von der Deganowerft waren die Schiffe nur mit den Untermasten ausgestattet gewesen, und man hatte sie mit Ruderbooten an ihren jetzigen Liegeplatz geschleppt. Im Aufbau der Takelage bestand der größte Teil der dann noch ausstehenden Arbeiten. Die »Sankt Stordian« war eine kleine Schivone von 27 Schritt Länge mit drei Masten, die jeweils zwei Rahsegel an Fock- und Großmast sowie ein Havenasegel am Besan führte, ergänzt um ein Sprietsegel unter dem Bugspriet. Die »Sankt Brigon« war eine havenagetakelte Zweimastkaravelle von 21 Schritt Länge ohne Sprietsegel. Beide Schiffe konnten Geschwindigkeiten von 16 Meilen in der Stunde erzielen, wobei die Karavelle wendiger war und einen geringeren Tiefgang aufwies, was ihr Vorteile in unbekannten Küstengewässern verschaffte. Das stehende und laufende Gut beider Schiffe war vollständig ersetzt worden und hatte der Sewamunder Seilerei einen Großauftrag eingebracht, wie er sonst nur mit Neubauten verbunden zu sein pflegte. Neu angefertigt hatte man auch die beiden Beiboote, von denen jedes Schiff eines auf dem Hauptdeck mitführen sollte, sowie die Riemen, um sie zu rudern. Ebenfalls neu waren die ins Deck der Schiffe integrierten Drehsockel, auf denen die Bewaffnung, vorwiegend Rotzen und Aale, aufgebaut werden konnte.

In den letzten beiden Wochen waren Vorräte an Bord gestaut worden. Allein an Grundnahrungsmitteln verschwanden zwanzig Quader Schiffszwieback, fünfeinhalb Quader Salzfleisch, vier Quader Linsen, ein Quader Mehl, zweihundert Fass Wein und fünfhundert Fass Wasser in den Laderäumen der beiden Fahrzeuge. Hinzu kamen jeweils mehr als Tausend Stück Dörrfisch und Hartwurst, mehrere Tausend Eier, jeweils fünf Fass Öl, Salz, Zwiebeln und Knoblauch und je zwei Fass Branntwein. Des weiteren größere Mengen an Werkzeug: Hämmer, Äxte, Sägen, Stemmeisen, Hobel, Feilen, Bohrer, Haken, Ahlen, Nadeln und eine große Zahl Nägel, außerdem Fässer mit Lampenöl, Kerzen und Wachs und Kisten mit Sturmlaternen. Wertvollere Gerätschaften wie medizinische Apparate und Tinkturen oder Mechaniken zur Navigation gehörten zum persönlichen Besitz der jeweiligen Fachleute und waren in deren Seekisten verstaut, die erst am letzten Tag an Bord gebracht wurden.

Die Schauerleute des Sewamunder Hafens hatten durchaus ein Auge für das, was sie verluden, zumal die Stabilität des Schiffes dabei berücksichtigt werden musste, und so machten bald Gerüchte die Runde: eine solche Zusammensetzung der Ladung, die praktisch keine Tauschwaren enthielt und fast ausschließlich aus Lebensmitteln und Werkzeug bestand, deutete auf eine längere Expedition - die Wetten standen zugunsten einer Güldenlandfahrt, da es sich um eine sehr lange Seereise mit hohem Lebensmittelbedarf handelte und Güldenlandwaren üblicherweise mit Gold bezahlt wurden, welches man nicht in die Hände von Hafenarbeitern gelangen ließ - sein Fehlen also war gleichsam ein Indiz aus eigenem Recht. Und wie um diese Gerüchte zu bestätigen, waren in den Schänken Seeleute anzutreffen gewesen, die Legenden von einer oder mehreren güldenländischen Städten erzählten, die angeblich Belimkontra, Balmakunt oder Palikontaura hießen. Allerdings war keiner dieser Seeleute ein Einheimischer, und sie waren auch bald wieder verschwunden gewesen, sodass diese Gerüchte nicht dem üblichen Seemannsgarn ähnelten und intelligente Bürger sogar den Verdacht äußerten, sie seien womöglich planmäßig gestreut worden. All dem widersprachen wiederum die Seeleute der beiden Schiffe, zumindest diejenigen, die man in den Tavernen antreffen konnte: sie schworen Stein und Bein, für nicht mehr und nicht weniger als eine Brabakfahrt angeheuert zu haben, und manche prügelten sich sogar für die Wahrheit dieser Behauptung.

Nicht als Gerüchte in Umlauf waren die Berichte über die Offiziere, die die Mannschaften beider Schiffe führen sollten, denn diese hatten deren Ausbesserung und Ausrüstung oftmals persönlich überwacht und waren entsprechend häufig in in eigener Person im Hafen oder an Bord zugegen gewesen. Somit war klar, dass außer den Cortesinio insbesondere die Familien Piastinza und Luntfeld an dem Unternehmen beteiligt waren. Obwohl der Kapitän der »Sankt Stordian«, Damion della Turani, einer Familie aus der Urbasiglia entstammte, waren gleich vier Vertreter der Piastinzas mit an Bord: der in Methumis studierte junge Rimaldo, der bereits mehrere Jahre lang die Ländereien der Familien im Phecadital verwaltet hatte, sowie seine frisch aus dem Almadanischen angeheiratete Gattin Zafira, gebürtig aus dem Umland von Ragath, sodann ein gewisser Muracio aus dem Phecadischen, der als vortrefflicher Kartograph gepriesen wurde, obgleich er keinerlei Erfahrung zur See zu haben schien. Und schließlich sollte auch jener Maraskaner mit dabei sein, der seit mittlerweile fünf Jahren in den Diensten der Piastinzas stand und inzwischen unter seinem »horasierten« Namen »Don Gino« bekannt geworden war. Er war zum Kommandeur eines Halbbanners Seesoldaten bestimmt worden, die man neben all der Ausrüstung und den Seeleuten auch noch irgendwie an Bord untergebracht hatte - zwanzig auf der »Sanct Stordian« und fünf auf der »Sanct Brigon«. Letztere wiederum stand unter dem Kommando von Travinia Luntfeld, einer erfahrenen Kapitänin, die von ihrer jüngeren Schwester Amene als Navigatorin unterstützt wurde. Auf ihrem Schiff war auch ein Vertreter des Hauses Cortesinio mit Namen Enrisco anwesend. Ebenso schienen Efferdgeweihte dabei zu sein, und sogar Bordmagier.

Am Morgen jenes ersten Efferd waren zwei der diensthabenden Wachen bereits an Bord, da zur sechsten Stunde gewechselt wurde. Auf jedem Schiff befand sich jeweils ein gutes Dutzend Seeleute in Bereitschaft an verschiedenen Deckspositionen, um zum Setzen der Segel in die Wanten zu entern, laufendes Gut von den Klampen und Belegnägeln zu lösen und an anderer Stelle wieder dichtzusetzen. Beide Schiffe lagen nicht zu tief im Wasser, aber doch so, dass sie auf den ersten Blick als voll beladen kenntlich waren. Die Segel waren noch aufgerollt und die Flaggen bewegten sich zögerlich im mäßigen Nordwestwind. Die bei Nacht entzündeten Deckslaternen waren beim morgendlichen Wachwechsel gelöscht worden. Die leichtere Karavelle an der Flußseite der Hafenmole rollte sichtbar und mit knarrenden Festmachetauen in den Wellen der Sewakmündung, die schwerere Schivone auf der Hafenseite bewegte sich kaum merklich.

In besagter Stunde, die die Sonne benötigte, um den Dunst über den Sewakauen aufzulösen, wurde im nahegelegenen Efferdtempel der Stadt eine Messe abgehalten. Dort waren nicht nur Geweihte und Schiffsoffiziere zugegen, sondern auch Angehörige der Familien Cortesinio, Degano, Luntfeld und Piastinza, die nicht mit an Bord gehen würden. Spätestens hier wurde deutlich, welche Sewamunder Häuser hinter der anstehenden Seereise standen. Sewamunds Bewahrer von Wind und Wogen gab sich große Mühe, den Anwesenden mit impulsiven Worten Demut vor dem Launenhaften einzubleuen und lobte die Frömmigkeit Kapitän Damion della Turanis, der seit seiner Ankunft vor mehr als einem halben Jahr nahezu jeden Tag, und sei es nur kurz, dem Efferdtempel einen Besuch abgestattet hatte. Auch hatte er dem Tempel ein Votivschiff gestiftet, ein kunstreiches Modell einer Karracke von einem stattlichen halben Schritt Länge, dass an einer Säule des Tempels appliziert worden war. Als letzter Akt der Messe sollte eine Prozession vom Tempel zur Hafenmole stattfinden, in der nicht nur die letzten fehlenden Besatzungsmitglieder an Bord geleitet, sondern auch eine von den beteiligten Familien gestiftete Opfergabe an Bord gebracht werden sollte: ein aus vergoldetem Silberblech gefertigtes und mit blauen Steinen versetztes Halbrelief eines Delphins, das im Augenblick des ersten Versinkens des horasischen Landes hinter den Horizont von Bord der »Sanct Brigon« der See und dem Launenhaften geopfert werden sollte.

Für das Überbringen der Opfergabe auf die »Sanct Brigon« war, links und rechts flankiert von einem Geweihten, die junge und schöne Gemahlin Ludolfo di Piastinzas mit dem unaussprechlichen bornländischen Namen vorgesehen, die aufgrund ihres hellblondes Haares, ihrer Herkunft und ihrer gesellschaftlichen Gepflogenheiten mal die »Schneeprinzessin«, mal die »Boltanbraut« und aufgrund ihrer Scharfzüngigkeit gelegentlich auch »Ludolfos Rasiermesser« genannt wurde - vorzugsweise nicht in ihrer unmittelbaren Gegenwart. Sie war dem Anlass entsprechend in ein luftiges, hellblaues Gewand gekleidet, das ihr ausnehmend gut stand und ihren hochgewachsenen Körper in der morgendlichen Brise effektvoll umspielte. Da sich der Efferdtempel im Zentrum des Hafenviertels befand, war die Prozession nur kurz. Auf dem Weg zum Grangorellenturm wurde gemeinschaftlich der »Preis der Seefahrt« rezitiert, sodann scherte Travinia Luntfeld aus der Prozession aus, schritt die Schiffsleiter an Bord der »Sanct Brigon« hinauf, um die dort die Opfergabe entgegen zu nehmen. Ludolfos Gemahlin und die beiden Geweihten sprachen gemeinsam »Sankt Kenderans Hingabe«, woraufhin Osljabja ebenfalls die Schiffsleiter hinaufschritt und den vergoldeten Delphin an Travinia übergab. Diese legte ihn auf einen improvisierten Altar auf dem Vorschiff, hob die Arme und rief dreimal: »Anexei Hephardou«, worauf die versammelte Menge jeweils mit demselben Ausruf antwortete.

Danach löste sich die Prozession in Geschäftigkeit auf. Die letzten auf der Mole verbliebenen Offiziere eilten an Bord, die Mannschaften der »Sanct Stordian« stiegen in die Wanten des Großmastes, während die Havenasegel der »Sanct Brigon« von Deck aus geöffnet werden konnten. Die Hafenarbeiter entfernten die beiden Schiffsleitern. Dann erfolgten die seemännischen Befehle. Die »Sanct Brigon« nutzte die Strömung des Sewak auf ihrer Seite der Mole aus, um als erste vom Kai abzulegen, während die Zuschauer Vivatrufe ausbrachten. Schnell zog es sie in die Mitte der Flussmündung, und das Havenasegel füllte sich mit Wind. Da Nordwestwind wehte, mussten beide Schiffe zunächst am Wind segeln, weshalb auf der »Sanct Stordian« die Großrah entsprechend schräg gefiert wurde. Auch ihre Leinen wurden losgemacht, und allein durch den Wind getrieben, der an ihrem Großsegel vorbeistrich und einen Sog nach vorne erzeugte, kam sie etwas langsamer in Fahrt, passierte den Grangorellenturm und legte das Ruder nach Backbord, um aus dem Hafenbecken in die Sewakmündung zu gelangen. Dann beschleunigte sich auch ihre Fahrt, und wenige Schiffslängen hinter der »Sanct Brigon« strebte sie auf das Meer der Sieben Winde hinaus. Auf beiden Schiffen wurden nun auch die übrigen Segel gesetzt, und mit stabiler Seitenlage nach Backbord arbeiteten sie sich gegen die einlaufende Dünung voran, westwärts aus der Bucht von Grangor hinaus und dem Horizont entgegen, während sich das Licht der Morgensonne gleißend in den Wellen spiegelte.

Sewamunds Uthuria-Expedition war endlich auf dem Weg, ohne dass der Name des Ziels auch nur einmal öffentlich genannt worden wäre.