Briefspiel:Roter Mann/Resident und Vogt

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png
Datiert auf: Phex 1038 BF Schauplatz: Shenilo und die Ponterra Entstehungszeitraum: ab März 2016
Protagonisten: der Rote Mann, Horasio Madarin ya Papilio, Francidio di Côntris, Dozmano Kaltrek, Ingalfa Dalidion, Ilsandor von Hauerndes, Geronya , Kvalor und Valeran Menaris, Sulman Schattenfels und weitere Autoren/Beteiligte: Athanasius, Calven, Di Côntris, Gishtan re Kust, Randulfio
Zyklus: Übersicht · Vorspiel · Resident und Vogt · Horasios Vademecum · Horasios Verschwinden · Auf der Spur des Roten Mannes · Brand im Kloster Helas Ruh · Erste Entdeckungen · Kriegsrat · Totgeglaubte · Magokrat und Dorén-Halle · Am seidenen Faden · Epilog



Die Briefspielgeschichte Resident und Vogt behandelt den Briefverkehr zwischen Horasio Madarin ya Papilio, dem Residenten seines Hauses in Shenilo und dem mit ihm gut bekannten Vogt der Burg Fuldigorsfeste. Der Resident stößt dabei auf ein düsteres Geheimnis das sich wie ein roter Faden durch die letzten Götterläufe der Sheniloer Geschichte zu ziehen scheint.

Phex 1036 BF

Dozmano Kaltrek an Horasio Madarin ya Papilio

Worin der Resident vom Wiederauftauchen der Maske Fyordo Haltheras erfährt, deren einstige arkane Macht jedoch genauso versiegt zu sein scheint, wie die Wasser der Feuchtwiesen um die Fuldigorsfeste
Signore Resident, hochverehrter Horasio,
die Gefälle, Abgaben und Zahlen des Majordomus findet ihr, wie üblich, in dem kleinen Paket anbei. Erlaubt mir jedoch, dass ich den Bericht in diesem Phex-Mond für eine persönliche Bemerkung nutze. Vor einiger Zeit, es kann nicht mehr als eine Woche vergangen sein, hat ein Gast die Fuldigorsfeste besucht, den ich seit einem Götterlauf nicht mehr gesehen habe: Signore Francidio di Côntris besuchte Wanka und die Feste um Pflichten aus dem vergangenen Jahr nachzugehen.
Ich habe lange mit mir gerungen, denn mit dem Signore Francidio verbinden mich gemeinsame Erlebnisse – und schreckliche zudem – aber mir schien, als habet Ihr ein Recht auf jenes Wissen, nicht zuletzt deshalb, weil Ihr einen Teil jener Geschehnisse miterlebt habt. Abt Olwid, vom Orden des Heiligen Badilak, hatte – als wäre dies bei seiner Person an diesem Ort nötig – für den Pertakiser gebürgt. Nach einigen Vorbereitungen sind wir noch einmal hinabgestiegen in die Gänge unter der Burg, deren Geheimnis ihr mit eigenen Augen sehen konntet. Ich sage Euch, wiewohl es mir nicht zum Ruhme gereicht, dass ich nicht gern jene Stufen hinab in die nassen kalten Gemäuer gestiegen bin, die der gute Gransignore Miano einst aus gutem Grund hat zumauern lassen. Aber Signore Francidio wollte dort nach jener Maske suchen, die doch offenbar Ursache für den Wahn der Kräuterfrau und den Tod allzuvieler Menschen gewesen ist. Die Suche war nicht leicht, denn immer wieder mussten wir uns vor herabgehendem Gestein und durch tiefes Wasser mit üblen Gerüchen kämpfen.
Wir fanden sie schließlich an jenem Ort, wo wir sie zuletzt sahen, und Francidio sie in die Obhut jenseitiger Kräfte gegeben hatte – auf dem Sarkophag des Schlächters von Wanka.
Stein und Larve waren jedoch in schlechtem Zustand. Beide waren sie von Rissen durchzogen, als wären sie aus Lehm gefertigt und nicht aus härterem Material. Verzeiht mir meine schwerfällige Wortwahl, Signore Horasio, aber ich vermag es Euch nicht anders zu beschreiben, als dergestalt: Als die Sümpfe im letzten Jahr eintrockneten, sah der Boden genauso aus, wie jetzt Sarkophag und Maske.
Ich will Euch nicht mit Erzählungen von unserer Rückkehr martern, sondern Euch nur jenes mitteilen, was Abt Olwid hernach mit der Hilfe der gütigen Travia erkundete: Von der Maske geht – die Zwölfe seien gepriesen – heuer keinerlei Bedrohung mehr aus. Jede Spur einer jenseitigen Befleckung ist verflogen, sei sie nun aus der vierten oder der siebten Sphäre. Mit dieser Erläuterung verbleibe ich, in der tiefgehenden Hoffnung, dass wir nun endlich jene Vorkommnisse aus dem vergangenen Jahr hinter uns lassen können.
Dozmano Kaltrek, Vogt der Burg Fuldigorsfeste
Wanka, im Phex-Mond 1036 BF

17. Phex 1038 BF

Worin Horasio ya Papilio von einer blutig weinenden Totenmaske berichtet, der er im Hause Gabellano nachspüren will - auch weil sie ihn an das weit blutigere Ableben eines Mimen erinnert
Geschätzter Signore Dozmano,
gestern habe ich dem Palazzo des Signore Gabellano und seinem Haus meine Aufwartung gemacht. Der Anlass meines Besuchs war der Heilige Tag Phexens, dem das Haus schon aufgrund seiner Grangorer Wurzeln, in tiefer Verehrung verbunden ist.
Allerdings hätten mich meine Schritte vielleicht auch ohne jenen Phexenstag in den Palazzo geführt, denn mich trieb jene Angelegenheit, von der ihr mir vor nunmehr fast zwei Götterläufen berichtet habt. Von einer Dienstfrau meines Hauses, die mit einer Magd des Palazzo bekannt ist, erfuhr ich von eigentümlichen Veränderungen an einer Totenlarve. Nicht jener, von der ihr mir berichtet habt, aber doch steht jene Totenmaske mit dem düsteren Antlitz des Schlächters in Verbindung. Ich rede von der Totenmaske Gregoran Gabellanos, eines der Opfer der Kräuterfrau – oder jener Maske, das mögen die Götter oder weisere Männer, als ich es bin, entscheiden. Sie soll kürzlich rote Tränen geweint haben, ob es sich dabei nur um einen üblen Scherz handelte oder doch um blutige Wahrheit, wollte ich mit meinem Besuch in Wahrheit ergründen. Schon alleine aufgrund meiner eigenen Rolle beim Ableben Gregorans erschien – und erscheint – mir das meine Pflicht zu sein.
Mit meiner Opfergabe – ich hatte einige Zeilen verfasst und in den Sockel einer hölzernen Statuette ritzen lassen – gelangte ich auch tatsächlich, nach einigem Verhandeln mit dem Hausherrn – und nach einer längeren Unterredung mit dem Majordomus – ins Allerheiligste. Ich war zunächst, fast schäme ich mich, es zuzugeben, enttäuscht vom Anblick der Totenmaske. Denn zwar war sie zweifellos wohl gefertigt; auch zeigte mir die Galerie der Totenmasken der Gabellano die besondere Bedeutung, die das Haus auch für unsere Heimat mittlerweile erlangt hat. Aber von den roten Tränen, von denen die Magd erzählte, war doch wenig zu erkennen. Halb ernst und halb im Spaße sprach ich hernach den Majordomus Varese an, der mich zuvor mit Hartnäckigkeit ganz von Maske und Schrein hatte fernhalten wollen. „In der Stadt erzählt man sich abergläubische Schauergeschichten über die Maske. Vielleicht mögt Ihr Eurem Herrn, Signore Leomar, die Arbeit abnehmen und vermeiden, dass weiterhin Lügen über weinende Totenmasken in Umlauf geraten?“
Meine Rede – oder die Unterstellung – schien den Majordomus nicht zu erfreuen und er bat mich sogleich von meiner Behauptung, die Sache sei reine Erfindung, Abstand zu nehmen. Als ich nachfragte, wie er zu dieser Überzeugung gelangt sei, zeigte er mir ein Tuch das von einem getrockneten Fluidum verunreinigt war und das inzwischen ebenfalls in einer Silberkasette im Schrein der Gabellano aufbewahrt wird. Maestro Varese war offenbar der Meinung, dass es eine boronfrevlerische Tat sei, die Tränen der Totenmaske mit dem häuslichen Unrat zu entsorgen. Entsprechend war es mir nicht möglich, eine Probe jener Substanz zu nehmen. Aber es braucht Lupe und Glaskolben eines Alchimisten nicht: Ich erinnere mich noch daran, wie ich das Blut Signore Gregorans von meinem Wams wusch, in jener verregneten Nacht auf der Fuldigorsfeste, weil keine Magd bereitstand, mir diese Arbeit abzunehmen – um einen Rotweinfleck handelte es sich gewisslich nicht.
Ich verließ hernach den Palazzo wieder und stellte mir die Frage, was ich mit der nun bestätigten Geschichte um die weinende Maske anfangen wollte. Natürlich wanderte mein Geist nicht nur zum Tode Gregoran Gabellanos, sondern zu einem viel jüngeren Ereignis: Es ist nicht lange her, da musste ich mitansehen, wie sehr natürliches Blut aus dem Gesicht eines Maskierten rann. Ich will Euch die Einzelheiten ersparen, denn vermutlich habt ihr es dem Hesindeblatt entnommen oder bereits von einem Reisenden erfahren. Ich spreche von jenen Unruhen am 17. Boron des vergangenen Götterlaufs und zwar nicht von jenen auf dem König-Khadan-Platz, sondern von denjenigen im Theater zur Maske. Schon wieder eine Maske...
Inzwischen habe ich beschlossen, dass ich dem Ereignis weitere Aufmerksamkeit schenken muss. Des Nachts träume ich entweder vom Tod jenes Mimen im immer noch nicht umbenannten „Theater zur Maske“ oder vom bleichen Gesicht des Gabellano, von seinem roten Mühlsteinkragen und freilich wieder von dem schrecklichen Antlitz der Maske des Schlächters von Wanka. Die Worte des Majordomus, der den Herre Boron ins Spiel brachten, ließen mich als erste Adresse einen Geweihten des Boron als Ansprechpartner erwählen. Denn sicherlich muss doch ein Diener des Raben Kenntnis über solcherlei Dinge haben? Bedauerlichweise ist eine Sitzung des Consilium Draconis derzeit nicht in Sicht und darum weilt Prätor Boronir nicht in der Stadt. Ich trage mich deshalb mit dem Gedanken, den Totengräber, einen Mann namens Schattenfels, aufzusuchen. Sicherlich hat er schon Kontakt mit Sarkophagen und Totenlarven gehabt und kann daher weiteres erzählen. Die Zwölfe mit Euch, werter Dozmano.
Horasio ya Papilio

20. Phex 1038 BF

Worin Horasio nicht nur den Totengräber Sulman Schattenfels, sondern auch einen Überlebenden des Brands im Magierturm findet, dessen Bericht die Vermutung ermöglicht, dass es einen magisch begabten Verursacher hinter der Katastrophe auf dem König-Khadan-Platz und beim Turmbrand während des Besuchs Alessandro ya Ilsandro gibt
Signore,
ich habe einige Tage gebraucht, bis ich mich an das Schreiben dieser Nachricht begeben habe. Ihr werdet Euch über die Art und Weise, mit der ich sie verschicke, gewundert haben. Bitte nehmt sie als Anhaltspunkt für die Ernsthaftigkeit meiner Sorgen. Vernichtet meine Zeilen, nachdem ihr dasjenige memoriert habt, das Euch von Bedeutung scheint. Weiht niemanden ein, wir wissen nicht, ob unser Gegenspieler Aug‘ und Ohr‘ auf der Fuldigorsfeste hat. Manches spricht dafür.
Aber lasst mich erläutern: Wie ich Euch schrieb habe ich den Boronanger Shenilos aufgesucht, um mit dem Totengräber zu sprechen. Ich hatte einige Geschäfte in der Stadt zu erledigen und zudem wurde ich in Porta Pertakia aufgehalten, sodass es schon beinahe dämmerte, bis ich die Bruchsteinmauer durchquerte, die das Areal umgibt. In gebotener Stille begab ich mich zur Behausung des Herrn Schattenfels, dessen Familie hier schon seit Generationen den Totengräber zu stellen scheint. Ein schwarzgefiederter Vogel, gewiss eines von Borons Tieren, begleitete mich mit seinem Ruf.
Ich klopfte an die windschiefe Tür der Behausung, aber niemand antwortete. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, umrundete ich das hölzerne Heim des Totengräbers. Vielleicht war Schattenfels irgendwo dabei, ein Grab auszuheben? An der Hinterseite fand ich ein schmieriges Fenster, wischte es mit dem Handrücken sauber und spähte hindurch. Fast schon hätte ich mich wieder abgewendet, da sah ich plötzlich eine Bewegung in der Dunkelheit des Zimmers hinter dem Glas. „Signore Sulman, auf ein Wort?“
Wieder reagierte niemand. Ich beschloss, der Sache nachzugehen, und öffnete die schmale Hintertür der Behausung. Es war dunkel, obwohl ich den Geruch einer verlöschenden Kerze in der Nase spürte, aber ich wusste, dass dort irgendwer war. „Gebt Euch zu erkennen...“
In jenem Augenblick schlang sich etwas um meinen Hals und zog mich mit schmerzhafter Kraft zurück. Der Angreifer hatte mich überrascht, doch ich versuchte mich zu wehren. Ich schlug um mich, wurde aber nur mit einem dumpfen Laut belohnt, während es immer dunkler um mich wurde. Die Luft war mir abgeschnürt, ich zappelte und ging unter der Kraft meines Gegners auf die Knie. Glaubt meinen Worten, Signore, ich war in jenem Augenblick sicher, dass ich sterben würde. Eigentümlicherweise kam mir jener Tag vor zwei Götterläufen in den Sinn, als ich schon einmal – von den Ereignissen, nicht von einer Henkersschnur – zu Boden gedrückt wurde und in der Küche der Fuldigorsfeste zusammenbrach, neben mir der verletzte Gregoran Gabellano...
Ich weiß nicht, wann ich bemerkte, dass der Druck um meinen Hals fehlte, wenn auch noch immer ein scharfer Schmerz durch Hals und Kehle pulsierte. Irgendwo hatte jemand eine Kerze entzündet. Ich kauerte auf einem Bett, das um vieles bequemer wirkte, als der Rest der Henkersbehausung. Die Gestalt des Hausherrn vermochte ich aus dem Augenwinkel zu sehen, aber ich blickte nicht zu ihm hoch, um ihn nicht zu einem neuerlichen Angriff zu reizen.
„Ihr müsst dem guten Sulman verzeihen, er hat sich die Bewahrung meines Geheimnisses zur Aufgabe gemacht.“ Die Stimme, die ich nun vernahm, flüsterte nicht, klang aber so leise, wie die eines Kranken oder gar Sterbenden. Ich will, denn man hat mir einen Schwur abverlangt, das Geheimnis dieser geschundenen Gestalt nicht lüften. Aber ich will Euch davon berichten, welche Schrecken ich in jenen Abendstunden, die sich schließlich in die Nacht hinein senkten, erfuhr.
Die Gestalt, die mir dort in ein weites Gewand gehüllt gegenübersaß, war unzweifelhaft körperlich versehrt. Seine Hände waren in schwarze Handschuhe gehüllt, zumindest glaubte ich das zu Anfang noch. Der Geist meines Gegenübers war jedoch scharf. Denn sobald sich meine Kehle etwas vom Angriff des Henkers erholt hatte, entlockte er mir den Grund meines Besuchs. Die Erzählung von den blutigen Tränen der Totenmaske Gregoran Gabellanos schien ihn zu faszinieren. Der Gast wusste davon, dass manche Heiligen nach ihrem Tode weiter geblutet hatten, als „Signum ihres Fortwirkens jenseits der dritten Sphäre“, aber von einer blutenden Totenmaske hatte er bisher nichts gewusst. Wohl aber war ihm bekannt, dass manche vornehmen Familien die besondere Nähe von Totenmaske und Verstorbenen betonen, indem sie die Masken schon zu Lebzeiten, und dann aus dem heiligen Holz von Buche oder Linde, anfertigen lassen oder gar in einer Zeremonie mit Öl geweiht werden.
Zu dieser Gelegenheit sprach auch der Gastgeber, der Henker Sulman Schattenfels, zum ersten und einzigen Mal, soweit ich weiß. Er berichtete davon, dass es am Meer der Sieben Winde, wie auf der anderen Seite Aventuriens, am Perlenmeer, Geschichten gebe, dass die Berührung oder die Nähe eines Mörders, die tödlichen Wunden seines Opfers auch nach dem Ableben noch zum bluten bringen könne. Von einer Übertragung auf die Totenmaske des Verstorbenen habe er allerdings noch nichts gehört. Vielleicht war es meine zerschundene Kehle oder die Dunkelheit, die sich schließlich über die Holzbehausung senkte, die die Erinnerung an meine Ohnmacht auf der Fuldigorsfeste und das Blut, das zwischen dem Mühlsteinkragen Gregoran Gabellanos zurückbrachte. Jedenfalls erzählte ich dem Henker und seinem Gast von jenen Tagen auf der verregneten Burg der Haltheras am Arinkel. Ich weiß nicht, was an meiner Geschichte nun den Fremden selbst zum sprechen brachte. Aber was er erzählte, ließ mich – nicht zum ersten Mal – wünschen, ich hätte meiner Neugier über die Erzählung der Magd der Gabellanos an jenem Tag hinuntergeschluckt und wäre stattdessen in den Salon Mondlicht gegangen, um die Würfel rollen zu lassen.
Bitte denkt nicht, dass ich euch nicht zum äußersten Dank verpflichtet bin, für eure Bereitschaft, meine Briefe zu lesen. Aber es war doch befreiend, einmal mit einem Menschen – ich vergaß fast, dass auch der Henker noch da war – über jene Dinge direkt zu sprechen.
Vermutlich erzählte ich darum auch von meinen eigenen Gedanken zum Vorfall im Theater zur Maske, jenem blutigen Antlitz des Schauspielers, das Gesicht von einer Maske hinfortgezogen...
Da endlich begann der fremde Gast mir seine Geschichte zu erzählen. Er berichtete mir davon, wie er einem Feuer entkommen war, dass sein Leben hätte verzehren sollen – und einen Teil seines Körpers auch verzehrt hatte, wie mir das schwache Licht der Kammer enthüllte. Einem Feuer, das er selbst entzündet hatte, wie es schien: Briefspiel:Hoher_Besuch/Magierturm#Feuerausbruch|„Ich weiß noch, dass ich eine der Spielfiguren zur Hand nahm]] und dann war da jene Stimme in meinem Inneren, die mir gebot, den Schrank zu öffnen. Ich vermochte mich nicht zu wehren, obwohl ich ahnte, dass ein Übel in dessen Inneren auf uns wartete.“ Er erzählte weiter von einer arkanen Falle, die er durch sein unaufhaltsames Tun ausgelöst und „uns alle damit den Flammen ausgesetzt“ habe. Er hob die Hände, deren schwarz ich erst in diesem Augenblick als das erkannte was es war: Wunden, die heiße Flammen gerissen hatten, als die Finger das Gesicht der Gestalt vor Schlimmerem zu bewahren versuchten!
Es sei nur zwei Menschen zu verdanken, so erzählte der Versehrte weiter, dass er dem Flug übers Nirgendmeer entkommen sei: Seiner Begleiterin, die ihn mit einem Zauber aus den ärgsten Flammen befreit, das sie selbst jedoch verzehrt habe. Er sei am Rande des Ritzelsteins umhergestolpert, verbrannt, blutend und vom Leid des Ereignisses geplagt.
Ich weiß nicht mehr zu sagen, ob ich schon an jener Stelle wusste, von welchen Ereignissen er sprach. Der Turmbrand war mir schließlich nicht neu. Erst später erinnerte ich mich dann vermutlich daran, dass ein Knecht des Gutes Zweiflingen, meiner Schwester damals, im Boron-Mond des vergangenen Götterlaufs von Spuren berichtet hatte. Blutigen Spuren, die man am Tag nach jenem ebenso blutigen Besuch des Gransignors Alessandro ya Ilsandro in den Weinbergen Zweiflingens gefunden hatte. Spuren, die aus dem Nichts zu kommen schienen, bevor sie sich irgendwo in Richtung Endorin verloren.
Es sei als zweiter der Henker Sulman Schattenfels gewesen, der ihm Unterschlupf und einen Leichnam gegeben hatte, der „an meiner statt in den Turm gebracht wurde, sodass der Mörder mein Entkommen nicht bemerkte“.
Der dem Feuer Entkommene sprach nun das aus, was ich bereits zu ahnen begonnen hatte: Es musste einen Zusammenhang zwischen all jenen schrecklichen Ereignissen geben. Mag nicht auch die Wut der Zuschauer im Theater durch den Text der Inszenierung, wie durch eine leise, aber beharrliche Stimme zum Zorn gesteigert worden sein? Waren die Worte im Kopf des Versehrten und die verhängnisvollen Zeilen des Theaterstücks dem gleichen finsteren Geiste entsprungen?
Doch wenn die Maske im Theater und die Maske im Keller der Fuldigorsfeste ebenfalls in Verbindung stehen, ist dann der Mörder des Gabellano unterdessen in Shenilo und setzt dort sein verhängnisvolles Tun fort? Hat er nicht seine Hand auch gegen die Ruhe in der Stadt selbst erhoben und nicht nur jene Flammen gelegt, die den Turm der Magier verzehrt haben? Denn verbinden sich das Feuer im Institut und der Wahn im Theater nicht mit den Ereignissen auf dem König-Khadan-Platz? Ist nicht ein Teil der Unruhestifter, die erst den Platz und dann schließlich den Palast gestürmt haben, ursprünglich im Theater in Zorn geraten? Und wer kann sagen, ob jene düstere Macht, die wir, der Versehrte und ich, für den Entfacher des Zorns im Theater halten, nicht auch den Unmut der Bürger auf dem Platz in gewaltsamen Protest verwandelt hat???
Ich muss schließen. Weiter nachsinnen. Sollte ich andere um Rat fragen? Doch wer, der nicht erlebt hat, was ich selbst erlebt habe, wird mir glauben? Ich muss und will in mich gehen. Es will wohlüberlegt sein, was nun zu tun ist...
Ich ersuche Euch meine Bitte vom Anfang dieses Briefes zu beherzigen und wünsche Euch den Segen – und Schutz! – aller Zwölfe.
Horasio

Die Geschichte wird hier fortgeführt: Horasios Vademecum