Briefspiel:Roter Mann/Erste Entdeckungen

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png
Datiert auf: Phex 1038 BF Schauplatz: Shenilo und die Ponterra Entstehungszeitraum: ab März 2016
Protagonisten: der Rote Mann, Horasio Madarin ya Papilio, Francidio di Côntris, Dozmano Kaltrek, Ingalfa Dalidion, Ilsandor von Hauerndes, Geronya , Kvalor und Valeran Menaris, Sulman Schattenfels und weitere Autoren/Beteiligte: Athanasius, Calven, Di Côntris, Gishtan re Kust, Randulfio
Zyklus: Übersicht · Vorspiel · Resident und Vogt · Horasios Vademecum · Horasios Verschwinden · Auf der Spur des Roten Mannes · Brand im Kloster Helas Ruh · Erste Entdeckungen · Kriegsrat · Totgeglaubte · Magokrat und Dorén-Halle · Am seidenen Faden · Epilog



Horasio ya Papilio, Terinis, 4. Peraine 1038 BF

Worin Horasio Madarin ya Papilio beim Magusbad von Terinis auf eine düstere Präsenz trifft - und ihr erliegt?
Horasio blickte sich erneut um. Irgendjemand beobachtete ihn. Unzweifelhaft. Aber auf dem schmalen Trampelpfad, der hinab zum See führte, war niemand zu sehen. Es war eine dunkle Nacht, der Mond war von einigen Wolken verborgen und spendete daher kaum Licht.
Er hatte vorher nicht gewusst, dass in Terinis überhaupt noch jemand lebte. Ein altes Landgut stand noch in den Wäldern am Rande des Sees, aber um die einstigen Herren rankten sich heute ebensoviele alberne Legenden wie Efeu an der Ruine hinaufwucherte. Doch als er angekommen war, in den frühen Morgenstunden, hatte eine Kerze in einem der Fenster geflackert. Horasio hatte einige Zeit erwogen, einfach hinzugehen. Beschwingt am Tor zu klopfen und den Bewohner zu fragen, was er über den See wusste. Glaubt ihr, er ist zurück? Er hatte stattdessen gewartet. Zum Glück hatte er ein paar Spielwürfel und einen Fellumhang dabei. Es hatte sich als weise herausgestellt. Die Nacht war zwar unangenehm gewesen – voller dunkler Träume mit schwarzen Schatten, dunkelhaarigen Schemen, die ihm hinterherstarrten und Händen, die ihn in ein kaltes Grab zerren wollten. Doch am Morgen hatte sich das Tor geöffnet und eine Frau war hinaus auf die Wiesen getreten. Horasio hatte sie eine Weile beobachtet, vorsichtig, aber gleichzeitig neugierig. Sie hatte im Schneidersitz dort gesessen, einen Stab auf den Knien. Als Horasio sicher war, sie erkannt zu haben, schlich er zurück zu seiner Kuhle am Wegesrand und setzte sich selbst im Schneidersitz auf den Fellumhang.
Was macht Cyrene Arkenstab hier? Sicher, die Frau war Hofmagierin des Herrn von Solstono in dessen Einflussgebiet auch Terinis lag. Vielleicht hatte er ihr das leerstehende Landgut übergeben, für ihre ... ja, wofür eigentlich.
Sie war auch dabei gewesen, beim Besuch der Magier im Palazzo Gabellano. Als die Maske zu bluten begonnen hatte. Und sie war auch bei ihm gewesen. Letzte Nacht, in meinen Träumen.
Horasio war, je länger er darüber nachdachte, immer sicherer, dass er Cyrene Arkenstabs blasses Antlitz mit den dunklen Haaren gesehen hatte, das ihn beobachtete. Horasio nahm die Würfel zur Hand, schüttelte die Faust und ließ sie fallen. Dann nickte er grimmig. Er hatte beschlossen, in der Nacht hinabzutauchen, in den See. Bevor die Träume wieder kamen.
Nun endlich war die Nacht angebrochen und Horasio hatte das Ufer erreicht. Er spähte noch einmal hinüber zum Landgut, aber diesmal brannte keine Kerze. Das Gemäuer lag ruhig. Er hörte nun doch etwas und hielt den Atem an. Doch es war keine Frau, die ihm gefolgt war, nicht die Magierin Cyrene, nichtmal ein Mensch.
Irgendetwas war über ihn geflogen. Er spähte hoch und erahnte einen Schatten, der sich irgendwo im Wald niederließ. Manche der Legenden um die Herren von Terinis erzählten von Fledermäusen. Aber das waren Schwingen gewesen, keine ledernen Flügel. Er schüttelte den Kopf. Sei keine Memme, Horasio. Du bist ein ya Papilio, kein Schmetterling, Vögel können dir nichts anhaben. Damit ging er die letzten Schritte hinab zum Wasser.
Horasio räusperte sich und rieb sich über den Hals. Die ganze Heimlichtuerei machte ihn durstig. Er hätte sich doch mehr als den Weinschlauch mitnehmen sollen, der bereits gestern leer gewesen war. Er ließ die Ausrüstung – Gewichte, ein Seil, ein paar Kräuter – fallen und ließ sich auf die Knie nieder. Dann begann er, Wasser zu schöpfen, erst mit einer Hand, dann mit beiden. Er schluckte das Wasser hinunter, dann tauchte er beide Hände erneut in den See. Gierig trank er eine weitere Handvoll. Immer noch durstig. Noch ein Schluck und noch ein Schluck. Sein Durst blieb. Er senkte den Kopf ins Wasser hinab und begann schlürfend zu trinken. Und trank.
Und trank.

Leophex von Calven und Fiaga Menaris, Shenilo, Palazzo Carolani, 4. Peraine 1038 BF

Worin die beiden ungleichen Begleiter auf exakt jenes Porträt eines rotgekleideten Magus treffen und feststellen, dass sie nicht die ersten sind, die dieses "bewundern"...
Hier unten roch es wesentlich weniger gut, als in den trockenen Archiven bei den alten Büchern der Menaris. Das fiel Leophex von Calven rasch auf, als er hinter der Magd – Fiaga Menaris! musste er sich in Gedanken korrigieren – immer weiter hinein in die Gewölbe unter dem Hauptturm des Palazzo Carolani wanderte. Es wunderte ihn indes nicht, dass die Magierfamilie mehr wert auf trockene Wände bei ihren Büchern, als bei ihren Vorräten oder nicht mehr benutzten Besitztümern zu legen schien. Er hatte in der Vergangenheit manche Gerüchte vernommen, dass der Magierturm der Menaris nicht zufällig so nahe am Magierturm der Magister des nahegelegenen Institutes zu finden war. Dass dieser und besonders das alte Herrenhaus, in dem die Scholaren unterrichtet wurden, über einem nie gänzlich erkundeten Netz von Gängen und Gewölben errichtet worden waren, hielt Leophex sogar für die Wahrheit. Also mochte es nicht vielleicht auch stimmen, dass ein geheimer Gang vom Palazzo der Menaris Firunwärts zu jenem mysteriösen und schon vor der Ankunft der Magister magieumwirkten Gemäuer des Institutes führte?
Am Ende fliehe ich hier unten vor Magister Valeran und lande später in seinem Zimmer im Turm der Magister...
Leophex schalt sich einen Narren: Der Turm der Magister stand seit dem Brand vor mehr als einem Jahr weitgehend leer und sicher hätten es die Bewohner von Studiora längst mitbekommen, wenn die Menaris das halbe Stadtviertel untergraben hätten.

Ein düsterer Blick aus der Vergangenheit...

Mitten in diesen Gedanken hinein öffnete sich vor der flackernden Öllampe Fiagas ein langer Raum mit niedriger Decke, der bis an dieselbe voll mit Möbelstücken, Skulpturen und allerhand weiterer, undefinierbarer Gegenstände gefüllt war. Leophex erahnte mehr, als dass er wusste, was hier aufbewahrt wurde, denn Vieles war in Leinen gehüllt oder gar in hölzerne Kisten gepackt worden, auf denen Daten aus dem vergangenen, dem vorvergangenen, ja, sogar dem 6. Jahrhundert nach Bosparans Fall standen. Gut zu erkennen war lediglich die Galerie alter Magierstäbe, die jemand an der jenseitigen Wand befestigt hatte. Er pfiff leise durch die Zähne.
Fiaga lächelte. „Ja, die Familie meines Mannes wirft nur wenig weg. Es hat sicher ebensoviel mit ihrer liebe für das Arkane wie für die Kunst zu tun. Aber vor allem geht es um das Erbe der Ahnen.“ Sie deutete auf eine Reihe von übereinandergestaptelten einfachen Holzschemeln. „Scholarenstühle aus Kusliks Akademien aus sechs Jahrhunderten. Wenn Ihr Euch umschaut, werdet Ihr womöglich aber auch Interessanteres entdecken!“
Geistesabwesend nickte Leophex und begann willkürlich einen der Gänge, die Kisten und Möbel gebildet hatten, entlangzuschlendern.
Fiaga Menaris blieb ihrerseits am Beginn der unterirdischen Halle stehen und begann mit der Suche nach einer geeigneten Liege, falls ihr Aufenhalt hier unten länger dauern sollte, als erhofft. Sie hatte diese gerade gefunden, aus ihrer leinernen Verpackung befreit und daraus nottürftig eine Decke gefaltet, als sie den Ruf hörte. „Signora...Menaris...die Lampe bitte!“
Es kostete Fiaga einige Zeit, bis sie den Advokaten zwischen den Möbelstücken wieder gefunden hatte. Er stand wie angewurzelt vor der östlichen Wand und starrte diese – oder vielmehr ein großes, gerahmtes Gemälde daran – an, beide Hände auf einen niedrigen Scherenstuhl gestützt. „Na, das sieht Euch ähnlich, Euch direkt so ein Stück zu suchen. Nicht bequem, aber macht schon was her“, witzelte Fiaga. Sie ging hinüber zu einem Stände mit einer einzelnen, breiten Kerze, um diese zu entzünden. Als deren Licht die Umgebung erhellte stellte Fiaga verdutzt fest, dass das Wachs auf dem Metall des Ständers nicht von jener Staubschicht bedeckt war, die hier unten eigentlich überall zu finden war, genausowenig wie das Wachs auf dem Boden vor der Kerze.
Leophex von Calven schüttelte benommen den Kopf. „Den Stuhl habe ich so vorgefunden.“ Fiaga folgte seinem Blick, der über die Lehne des altertümlichen Stuhles direkt auf das Gemälde, ein Porträt, gerichtet war. Sie zog die Luft ein.
Auf dem Porträt, das überlebensgroß war, saß ein bärtiger Mann mit schmalen, fast eingefallenen Zügen, dessen Blick den Betrachter sofort einfing. Die dominierende Farbe des Bildes, alleine durch das knöchellange Gewand, das der Mann trug, war rot, auch wenn überall silberne Stickereien auf ihm zu sehen waren. Der Mann saß, ein Bein über das andere gelegt, worauf ein hölzerner Stab mit auffälliger Spitze ruhte, in eben jenem Sessel, den Leophex mit weiß gewordenen Fingerknöcheln umklammerte. Am bronzefarbenen Rahmen des Bildes stand in schnörkellosen Lettern D M – 820 nach Bosparans Fall“

Fiaga Menaris, Torre Carolani, Morgen des 4. Peraine 1038 BF

"Vom zweiten zweiten Calven keine Spur?" Die Stimme ihres Mannes war eiskalt, als er den Majordomus musterte.
Valsinian Siltalenis schüttelte den leicht gesenkten Kopf. "Bedauerlicherweise nicht, Patriarch. Seine Spuren verlieren sich an den Hängen des Yaquirstein." Er warf Fiaga einen düsteren Blick zu. "Die Signora Fiaga schweigt beharrlich, zu seinem Ziel."
"Lasst den Schwarzen Smaragd seine Männer ausschwärmen, sie sollen diesen Calven ausfindig machen und ihn herschleifen, was immer dafür nötig ist!" Ihr Mann hatte begonnen, den Condottiere der Blutaare mit diesem eigentümlichen Spitznamen anzusprechen.
Valsinian verneigte sich und schickte sich an, den Raum zu verlassen. "Ihr nicht!" Der scharfe Blick des Magiers ließ Valsinian erstarren. "Ihr wartet in meinem Studiolo auf mich, ihr habt für heute genug getan!" Er blickte seinen Vetter, den grauen Magus Valeran an, der einen Augenblick zögerte und Valsinian dann bedeutete, den Raum zu verlassen. Mit erbleichender Miene verließ der Majordomus der Menaris den Raum.
Valeran trat an die Seite seines Patriarchen und räusperte sich. "Was ist mit der Signora Fiaga, Patriarch."
"Bringt sie hinunter in die Kellerräume und sperrt sie ein. Und wenn Ihr meine Anweisung ausgeführt habt, dann findet heraus, was sie weiß. Benutzt Eure Fähigkeiten." Valeran runzelte die Stirn. "Aber sie ist Eure Frau, Patriarch!"
Kvalor Menaris blickte zum ersten Mal seit er den Raum betreten hatte in Fiagas Gesicht. Aber sein Blick suchte nicht den ihren, sondern schien durch sie hindurchzugehen. Der Ausdruck seiner Augen war fremd, weit entfernt. Fiaga erkannte nichts Bekanntes darin wieder.
"Ich habe keine Frau, Magister."

Francidio di Côntris, Terinis, Abend des 4. Peraine 1038 BF

Er fuhr mit den Handschuhen über den verwitterten Stein und wischte ein wenig Moos beiseite. Ein T kam darunter zum Vorschein. Hier am Waldrand nahe des Sees war der Grabstein fast ungeschützt vor der Witterung. Dennoch war der Name, der unter dem Boronsrad zu lesen war, noch gut erkennbar.
Tsafan di Côntris, zweiter Herr von Côntris, gefällt von dunkler Hand, gerächt von Sohnes Hand
Sein Vorfahr Tancred hatte seinem Vater am Ort von dessen Tod ein Denkmal errichten wollen, nicht nur in der heimischen Gruft der di Contris. Erst nach einer Weile riss sich Francidio von dem Anblick los und schritt durch das Unterholz auf den See zu. Der Himmel war zwar wolkenverhangen, aber der Mond schien dazwischen hervor, sodass Francidio das Anwesen der Terinis am anderen Ende des Sees als aufragenden Schatten ausmachen konnte. Er ließ seinen Blick über die Wasseroberfläche gleiten und runzelte die Stirn. Im Wasser trieb ein Körper. Francidio begann zu rennen.

Auf Tauchstation

Er nahm die kleine unscheinbare Bohne zur Hand, die er bei den Sachen Horasios gefunden hatte. Francidio zögerte nur kurz und schluckte die Bohne dann entschlossen. Er wusste, wofür man sie verwenden konnte, hatte er Kajubo doch selbst einst in besonderer Angelegenheit verwenden müssen. Er blickte noch einmal zurück auf den schlafenden Horasio ya Papilio. Sein nasses Haar hing aus der Decke, mit der Francidio ihn eingehüllt hatte. Er wusste, dass er ein Risiko einging. Aber wer immer den Residenten von Shenilo im Wasser zurückgelassen hatte, war von seinem Tod überzeugt gewesen, sonst hätte er ihn nicht allein gelassen und Francidio hätte ihn nicht aus dem See ziehen können. Endlich trat er in den See, das Wasser verschluckte seine Füße.

Am Grunde

Er fand eine Kette mit einem schweren Stein daran. Wieder strich er mit seinen Handschuhen Algen und anderen Unrat davon herunter. Francidios Aufregung wuchs. Ein Pentagramm war in den Stein geritzt worden, trotz der Jahre im Wasser waren die Kerben unverkennbar.
Der Cavalliere ließ sich hinabgleiten und machte einige Schwimmzüge. Dann wartete er, bis aufsteigender Sand und die Luftblasen sich verzogen hatten. Durch das Schilfgras, das hier weit in den See hineinstand, war ohnehin nicht allzuviel zu erkennen. Doch an einer Stelle an der östlichen Seite des Sees war oberhalb der Wasseroberfläche kein Schilf zu sehen gewesen, weswegen sich Francidio dorthin aufgemacht hatte. Hier unten nun erkannte er, dass sehr wohl Schilf hier unten wuchs – oder gewachsen war. Eine grob erkennbare Schneise schwarzer schmaler Stümpfe und glasiger, glitschiger Stummel bedeckte den Seeboden, der so genauer zu erkennen war.
An vier Stellen stiegen Wasser und dunkler Schlamm um Gegenstände – oder Körper – auf, die am Boden des Sees lagen. Francidio tauchte hinab.
Dreimal waren es wirklich Körper, oder das, was davon übrig war – Skelette und Skelettreste, einem fehlte ein Arm, einem anderen der halbe Schädel, ein dritter, schmalerer, schien dagegen fast intakt zu sein. Wenig hätte er hier unten über die Identität der drei sagen können, wäre nicht jedem, selbst dem, dem der halbe Kopf fehlte, ein Eisenkragen um den Hals geschlossen gewesen.
Drei Skelette, drei Magier – aber es müssten vier sein!
Mit einigen raschen Schwimmzügen näherte sich Francidio dem vierten, kleineren Schatten, den er entlang der Kette am Seeboden ausgemacht hatte.
Wie eine offen stehende Muschel ragte ein Gegenstand aus dem stückigen Boden des Sees, als hätte sich das Meeresgetier darauf niedergelegt. Nur dass dies hier kein Meer, sondern ein See war – und der Gegenstand keine Muschel, sondern ein ebenfalls mit arkanen Symbolen bedeckter Eisenkragen.
Ein offen stehender Eisenkragen. Ihr Götter, steht uns bei! Eine Kraft, wie sie in dieser Sphäre kaum zu finden war, hatte den Kragen, den sein Vorfahr einst dem Magokraten von Shenilo um den Hals gelegt hatte, aufgesprengt.

wird fortgesetzt in Kriegsrat