Briefspiel:Rebenblut (3)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: Herbst 1035 BF Schauplatz: Urbasi, besonders Palazzo Solivino Entstehungszeitraum: Februar 2014
Protagonisten: führende Mitglieder der Familie Solivino, dazu weitere Patrizier Urbasis Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Dunkelklinge, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Ausbrechender Bruderzwist · Briefe unter Geschwistern · In unruhigen Bahnen · Rahdrigos Rückkehr · Auf Kollisionskurs · Wie Eis und Feuer · Ist er tot? · Seines Bruders Blut · Bolzen und Dispute · Aufbruch

In unruhigen Bahnen

Im Palazzo Solivino, Mitte Travia

Rahjalin schritt in gleichmäßigen, runden Bahnen durch das Atrium des Stammhauses der Solivinos mitten im Herzen Urbasis. Nachdenklich spielte er mit einer verirrten Locke seines dunklen Haares, welches ihm ungefähr bis zur Schulter reichte, und betrachtete versonnen die schmuckvollen Marmorranken, die sich elegant an den hohen Wänden entlang schlängelten. Seine Gedanken wanderten zu Cerceri und er meinte sie vor seinem inneren Auge gar aus der eleganten Familienkutsche winken zu sehen. Die Vorstellung entlockte seinen vollen Lippen ein sanftes Lächeln, doch gleichzeitig versetze sie ihm auch einen Stich. Cerceris briefliche Zurechtweisung hatte ihn zutiefst getroffen, auch wenn er sich dies eigentlich nicht eingestehen wollte.
Er schallt sich einen Narren, dass er so sehr mit dem Beistand Cerceris gerechnet hatte, wusste er doch eigentlich, dass seine Schwester in ihrem Urteil immer nüchtern und sachlich blieb, ja jede emotionale Regung völlig daraus verbannte. Sie mochte eine impulsive und gefühlsbetonte Frau sein, als solche war sie stadtbekannt, bei manchen Dingen war davon jedoch recht wenig zu spüren. Gleichermaßen besaß sie die angeborene Fähigkeit, Personen im Umkreis der Familie bis auf den Grund durchschauen zu können, weswegen sie niemals vorschnell, oder gar unbegründet über jemanden urteilte.
'Sicher hat sie recht, indem sie feststellt, dass Rahdrigo in seiner Person tief zerrissen und unsicher ist. Wie aber kann diese Tatsache die Art entschuldigen, in der er mich und meine Schwester angeklagt hat?' Verärgert musste er feststellen, dass er sich mit seinen Gedanken beständig im Kreise drehte und sich zu keinem klaren Standpunkt durchringen konnte. War Rahdrigo nun ein Mensch, der tatsächlich das Geschäft über alles stellte und notfalls den Glauben dafür verriet, oder ähnelte er doch eher der Beschreibung Cerceris, die in ihm einen familienliebenden und aufopferungsbereiten Mann erkannte, der in innerer Zerrissenheit zwischen dem Wohl der Familie und der Zufriedenheit derer Mitglieder zu entscheiden hat?
Ein Geräusch ließ Rahjalin aus seiner Grübelei aufschrecken und er erkannte Datames, der mit leisen Schritten gerade durch das Eingangsportal in die Halle getreten war und seinen Herrn nun unverhohlen anblickte.
„Seid gegrüßt, Signor. Darf ich fragen, was Euch bedrückt, dass ich Euch über Tage hinweg nur noch mit ernstem Gesichtsausdruck antreffe?“, erscholl die sonore Stimme des Haushofmeisters laut im hohen Gewölbe der Halle, „ist es der Kummer, der die Liebenden einstweilen befällt, oder liegt es wohl an den Unstimmigkeiten zwischen Euch und Eurem Bruder?“
Der alternde Mann musterte die Miene seines Vorgesetzten mit scharfen dunkelbraunen Augen und das Zucken seiner Mundwinkel deutete an, dass ihm das, was er sah, gar nicht gefiel.
Rahjalin schätzte die Ehrlichkeit, die sich der dunkel gewandete Herr einfach nicht nehmen lassen wollte, verzichtete jedoch auf eine diesbezügliche Erwiderung. Er hatte seine Kreisbahnen unterbrochen und war stehen geblieben. Nun trat er Datames entgegen: „Eure Nachfrage ehrt Euch Eurer Fürsorglichkeit wegen, doch ist Sorge jeder Art unbegründet. Ich dachte eben in diesem Moment daran, auf welche Weise wir das Atrium zum Empfang der Gäste beim nahenden Weinfest ausgestalten werden. Da kommt Ihr mir gerade gelegen. Es gibt noch einiges an Formalitäten zu klären, damit am kommenden Weinfest alles in angemessener Würde und Ordnung auf das Eintreffen der geladenen Gäste abgestimmt ist.“
Der schlanke Patrizier versuchte sich an einer eleganten Geste, die ihm jedoch nicht wirklich gelingen wollte und gesellte sich mit einer Drehung auf dem Absatz zu seinem obersten Verwalter, dessen lange und dünne Beine den erhabenen Körper in Richtung der breiten Treppe bugsierten.
„Wie es Euch beliebt!“, knarzte Datames und die Haarpracht wippte, als er die ersten Stufen erklomm, „lasst uns darüber in meinem Arbeitszimmer sprechen.“
Rahjalin überging die Dreistigkeit des eigenwilligen Alten und folgte stumm, wobei sich sein Mantel wie ein schwarzes Grabtuch hinter ihm ausbreitete …