Briefspiel:Malbeth und Delhena (20)

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Datiert auf: Ende 1012 BF Schauplatz: vor allem Ankram und Onjaro Entstehungszeitraum: im letzten Jahrtausend
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Christel Scheja, Markus Hattenkofer, Niels Gaul; bearbeitet von Michael Hasenöhrl und (fürs Wiki) Armin Bundt
Zyklus: Übersicht · Malbeths Aufbruch · Von Onjaro nach Ankram · Delhenas Warten · Weitere Gäste ... und ein Tanz · Malbeths Zweifel · Treffen in der Nacht · Die Einladung · Jaarns Antwort · Die Feier zu Ankram · Eine besondere Überraschung · Jaarns Ankunft · Weitere Gäste · Das Fest beginnt · Unterbrochene Zeremonie · Bankett, Tanz und allerlei Reden · Gespräche abseits der Feier · Ein wenig festliches Ende · Die Kreisweihe ... · ... und eine druidische Trauung · Die Geburt der Erben Ankrams und Onjaros

Die Geburt der Erben Ankrams und Onjaros

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as Gezwitscher der Vögel in den Bäumen erhob sich, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Wipfel der Bäume des Gartens berührten. Ein leichter, lauer Wind umschmeichelte die sich sanft neigenden Gräser des rosenumwachsenen Rasens in der Mitte des weitflächigen Areals.
Ein kleiner Vogel landete auf der Wiese, neugierig den bunten Fleck betrachtend, der unter einem grünen Gewand hervorragte.
Delhena betrachtete das kleine, fröhlich gefiederte Tier, das nach ihrer Sandale pickte, amüsiert, während ihre Hände sanft den gewölbten Leib streichelten, der in den vergangenen Wochen das Doppelte an Umfang gewonnen hatte. Sie wußte, bald würde es soweit sein, nur noch wenige Tage mochten vergehen, bis sich die Natur meldete.
Sie war von einer tiefen Freude erfüllt. „Nach so vielen Jahren hat sich mein Schoß wieder mit dem gefüllt, was ich mir so sehr ersehnte, doch niemals erlauben durfte ... Und jetzt ... oh Travia, laß es nicht geschehen, daß sie mir wieder genommen werden.“
Sie. Es war schon so lange her, daß sie ihre Zwillingstöchter in den Armen gehalten hatte, ihre kleinen Körper gespürt, ihre feinen, dünnen Stimmchen gehört. Und doch war es wie gestern, da sie ihren Duft spürte, der allen Kindern eigen war.
Das Kleine, was sie jetzt in sich trug, wollte sie aufwachsen sehen ... von einem Säugling zu einem Kind, zu einem Erwachsenen.
Nicht wie ihre ersten Töchter, die die Früchte einer geheimen Liebe gewesen waren, einer Liebe, die ein fünfzehnjähriges Mädchen zu einem mächtigen Sheik gefühlt hatte, einem Beni Avad. Niemals hätte er die kleine Sharizad erhört, zu einer seiner Frauen gemacht, vor allem nicht, nachdem sie ihm nur zwei Töchter geboren hatte, Töchter, die die Schwestern der Shanja von Rashdul waren.
Doch all das war ihr nicht wichtig gewesen, hätte sie sie dank einer Freundin doch aufziehen können, wenn das Schicksal sie nicht in Form von Sklavenjägern fortgerissen hätte - aus Rashdul ...
„Warum trauere ich nur der Vergangenheit nach?“ fragte sie sich leise. Hatte sie jetzt, nach zwanzig Jahren der Demütigungen, der Entbehrungen und der Gefahr nicht endlich auch Glück und Frieden gfunden? Eine Stellung, die sie ausfüllte, Menschen, die sie verehrten, einen Gefährten, mit dem sie tiefe Liebe verband ... und das Kind?
Warum wünschte sie sich, daß es zwei wären? Hatte sie das Recht, so zu denken, nach dieser späten Gnade?
Delhena neigte den Kopf.

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Sie hielten sich in ihrem Stadthaus in Ankram auf, denn Delhena hatte sich gewünscht, in dieser vertrauten Umgebung die letzten Wochen der Schwangerschaft zu verbringen und das Kind zu gebären. „Nicht in einer der Burgen, in Mauern aus dickem Stein, wo kalte Winde wehen und wir fern sind von der Sonne, den Vögeln ...“
Es hatte nicht mehr Worte gebraucht, denn Malbeth verstand, und in seinen Augen hatte das Wissen um ihr beider Geheimnis geschimmert.
Hier wartete sie nun geduldig, liebevoll betreut von ihrer Zofe und der besten Hebamme Ankrams. Die Stadtbewohner nahmen Anteil an dem Geschehen, und nicht ein Tag verging, da nicht Boten Geschenke brachten. Kleine Dinge waren es, gegeben von einfachen Leuten, aber auch prachtvollere Gaben von den Reichen. Nur die schönsten wollte Delhena behalten, die anderen sollten den Armen überlassen werden.
Mit den Dingen, die sich in einem der Lagerräume anhäuften, hätte sie eine ganze Schar von Kindern versorgen und aufziehen können ...
Sie lächelte und bewegte sich vorsichtig. Es war schwer, wieder auf die Beine zu kommen, in ihrem Zustand, obgleich ein Kissen unterlag. Sie stützte sich ab, doch just in diesem Moment durchzuckte sie ein heftiger Schmerz. Delhena taumelte und fiel, während sie kaum Atem bekam. Ihre Geschicklichkeit jedoch verhinderte Schlimmeres. Sie zerschrammte sich nur die Hände, während der kleine Vogel zeternd davonstob.
„Malbeth! Synelda! Liana!“ Delhenas Stimme klang gepreßt, als sie um Hilfe rief. Ein Fensterladen öffnete sich, während sie schon Schritte auf dem steingepflasterten Mittelweg hörte. Im gleichen Moment, wie sie sich fester abstützte, um hochzukommen, hielten sie feste, warme Hände.
„Liebling! Was machst du hier! Was ist geschehen!“
„Ich ...“ Ein weiterer Schmerz durchzuckte Delhena, während sie sich an Malbeth klammerte, um festen Halt zu suchen.
„Es ... es ist so weit! Die Wehen haben eingesetzt ...“
Delhena fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Sie lächelte, als Malbeth sie hochhob und vorsichtig nach innen trug.
„Herrin? Herrin!“ Die besorgte Stimme ihrer Zofe klang ihnen entgegen. Die stämmige Ankramerin verzog das Gesicht, als sie Herr und Herrin erkannte, zu einem erfreuten Lächeln.
„Bringt Ihre Hochgeboren Delhena nur rasch in das Zimmer, Euer Hochgeboren Malbeth.“ sagte sie ruhig. „Ich kümmere mich schon um alles weitere! Ist ja schließlich nicht das erste Kleine, das ich mit auf die Welt hole!“
Delhena musterte sie erstaunt. Liana hatte noch nie so selbständig gehandelt, oder hatte sie dies nie so offen gezeigt wie jetzt? Die dunkelhaarige Dienerin machte ein unwilliges Zeichen, als einige Stubenmädchen verschlafen durch die Türe lugten. „Husch! Verschwindet, ihr dummen Gänse, und facht das Feuer in der Küche an, um Wasser heiß zu machen, und holt mir rasch Synelda!“
Delhena musterte Malbeth verwirrt, doch dieser zuckte nur mit den Schultern und trug sie nach oben, setzte sie dort auf dem Lager ab, während von unten die resolute Stimme der Zofe hinaufdrang.
„Wie geht es dir?“
„Noch gut. Die Geburtsschmerzen kommen ...“ Delhena verstummte und lächelte. Frauendinge ... Malbeth war anders als viele Edle, und sie spürte, daß sie vor ihm offen sprechen konnte. Die vergangenen Wochen waren auch dazu bestimmt gewesen, einander kennenzulernen, einander zu erfahren. Sie strich liebevoll über seine Hand und blickte in seine Augen.
„Wir haben noch ein wenig Zeit ...“

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a ... ja ...“ Synelda, die Hebamme von Ankram, war eine Frau mittleren Alters. Obgleich sie ein wenig ungepflegt und unordentlich wirkte, das braune Haar mit den grauen Strähnen wirr um den Kopf hing und die Ärmel des leinenen Kleides bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren, schätzte man sie. Synelda wußte selbst bei schwierigen Geburten noch einzugreifen. Vielleicht, weil ihre Mutter, so munkelte man, eine der Hexen gewesen sein sollte.
„Du brauchst mir nicht erklären, was ich tun soll! Hab selbst deine Joran geholt.“ schimpfte sie auf die Zofe ein. „Also sei still und hör zu!“
Erst jetzt bemerkte sie, daß Malbeth noch immer anwesend war, und musterte ihn ernst. „Geht besser hinaus, junger Herr, und wartet draußen! Das hier ist Frauensache und nichts für das Mannsvolk. Hurtig, Herr Baron!“ Respektlos deutete sie auf die Tür und machte eine auffordernde Geste. „Nun ...“
Delhena blickte von einem zum anderen. Malbeth machte keine Anstalten, sich zu erheben. Meinte er das mit „ich werde dir beistehen“? Es war ungewöhnlich und warf ein seltsames Licht auf ihn, wie sie nun an dem Gesichtsausdruck der Hebamme erkannte. „Junger Herr“, sagte sie streng, „was ist das für ein Tun? Das Mannsvolk stört nur. Ihr tut Eurer Gemahlin keine Gefallen ... wartet draußen, wie’s Euch geziemt!“
„Ich könnte Euch helfen. Ich besitze da einiges Wissen, was dienlich sein könnte.“
„Welcherart?“ Mißtraurisch lugte Synelda ihn an. Delhena gab einen lauteren Schrei von sich, als nötig gewesen wäre, um die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken. Die ältere Frau schoß heran und legte eine der rauhen, aber geschmeidigen Hände auf Delhenas gewölbten Leib. „Wie ich’s mir dachte“, murmelte sie, „rasch, junger Herr, wenn Ihr helfen wollt, scheucht’s Weibervolk und bringt mir neben heißem Wasser die vorbereiteten Kräuter aus der Vorratsstube!“
Malbeth drückte Delhena kurz die Hand, dann erhob er sich und ließ sie mit Synelda und Liana alleine, die rasch das Obergewand löste und so schnell es ging abstreifte. Nur ein dünnes, leinenes Laken bedeckte noch ihren Körper. Synelda hatte sich dies erbeten, um „besser arbeiten zu können“, und nun untersuchte die Hebamme mit kundigen Griffen die Leibesfrucht. Immer wieder murmelte sie unverständliche Worte vor sich hin, dann rieb sie sich schließlich die Hände.
„Ei, ei, ei ... Mit Rondras Eigenwillen wollen sie an das Licht des Tages und geben ihrer Mutter nicht einmal Zeit, nach Luft zu ringen.“
Zwei? Kalte Schauer rannen Delhena über den Rücken. Sie starrte Synelda mit großen Augen an.
„Ja“, schalt die alte Frau, „hättet Ihr nur früher die alte Synelda gerufen, die hätt’s Euch schon vor Monaten sagen können! Aber wie das feine Volk ...“
„Synelda!“ raunte die Zofe, doch die Hebamme blickte sie nur verächtlich an. „Wenn’s gesagt werden muß, dann tu ich’s! Wie ich sehe, habt Ihr schon einmal geboren. Wann?“
„Vor ...“ Delhena rang nach Luft, „zwanzig Jahren ...“
„Zwanzig. Ein junges Ding wart Ihr damals wohl. Nun ... leichter wird’s wohl auch nicht werden ...“
„Meine Töchter kamen ...“ Delhena sah sie wütend an und richtete sich halb auf, „leicht und schnell. Der Schmerz kam in der Dämmerung, und noch bevor der Himmel sich ganz erhellt und von der Sonne Licht erfüllt hatte, waren sie geboren ...“
„Nun seid Ihr aber nicht mehr so jung, Baroneßchen ...“
Synelda wies Delhena an, sich anders zu legen, und schob ihr eigenhändig ein paar Kissen unter den Rücken. Malbeth, der die gewünschten Sachen brachte und sich dann wieder neben Delhena niederließ, bedachte sie mit einem strafenden Blick; als sie die Kräuter betrachtete, blieb ihr kurz der Mund offen stehen. Doch dann wandte sie sich wieder dem Offensichtlicheren zu.

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ie die Hebamme prophezeit hatte, dauerte die Geburt länger. Praios’ Auge erhob sich vom Horizont und erreichte den Zenit, während sich die Kunde vom Stadthaus der Baronin aus verbreitete, daß die Landherrin darniederläge, um ihr Kind zu gebähren. Immer wieder kamen Männer und Frauen herbei, um die Wächter auszufragen ... und dies nicht nur aus Besorgnis.
In den Tavernen und Schenken wettete das fröhliche Völkchen des Landstriches um das Geschlecht des Kleinen, einige wenige gar um Tod und Leben ...
„Ihr seid respektlos!“ schalt manch einer der Besonneneren, doch auch sie waren voll begehrlicher Neugier.
Delhenas Denken und Fühlen richtete sich indes gänzlich auf ihren Leib. Sie hatte alte Erinnerungen ausgegraben und atmete nun, ihren Körper lenkend, ihm aber auch die Freiheit lassend, die er brauchte - trank, wenn sie dürstete, mit Kräutern vermischtes, abgekochtes Wasser und überließ sich dem Schmerz, der für sie längst nicht mehr mit Pein verbunden war.
Malbeth saß an der Seite des Bettes, kühlte ihre Stirn, wusch ihren Leib und hielt die Hand seiner Gefährtin, Synelda untersuchte immer wieder den geschwollenen Leib und drückte dann und wann fester.
Liana aber scheuchte die anderen Bediensteten.
Dann, als der Abend sich näherte, schien die Zeit gekommen.

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elhena umklammerte die Arme ihres Gefährten, die sie stützten und fest hielten, als ein kleiner Leib aus ihr hinausglitt und von Synelda ergriffen wurde. Mit kräftiger Stimme schrie das Neugeborene seine Wut hinaus, während die Hebamme ihn hielt, über seine Stirn leckte und zufrieden nickte.
„Ein gesunder kleiner Bursche, stattlich wie sein Vater!“ schmunzelte sie und übergab ihn dann zum Erstaunen Malbeths Liana, die alles weitere tat. Denn Delhena zuckte wieder heftig zusammen und stieß einen unterdrückten Schrei aus, klammerte sich fest an ihren Gefährten. Ihre Augen schlossen sich in Pein, als sie die Luft anhielt und heftig preßte. Synelda tat das Ihre, dem zweiten, kleineren und zierlicheren Kind zu helfen. Die krähende Stimme war nicht minder leise, aber melodischer und feiner. Das winzige Mädchen strampelte in den Händen der Hebamme, die auch hier das seltsame Ritual wiederholte, die Nabelschnur abband und das Kind zu seinem Geschwister auf die Brust der Mutter legte, während Liana die Nachgeburt fortschaffte.
Noch waren sie eher häßlich - blutverschmiert und mit geröteter, runzliger Haut, aber Delhena streichelte sie verzückt und müde, betrachtete die kleinen Gesichter voller Liebe. Auch Malbeth streckte seine Hand aus, um mit dem Zeigefinger vorsichtig über die zarten Wangen zu streicheln. Dabei berührte sein Hand auch eine der winzigen Fäuste, und die zarten Fingerchen des kleinen Mädchens umklammerten instinktiv den seinen. Malbeth zog erstaunt die Augenbrauen hoch, doch dann gab er einen freudigen Laut von sich.
„Habt Dank ...“ wisperte er leise, um die Zerbrechlichkeit dieses Augenblicks nicht zu zerstören. „Zweifach wurden wir beschenkt. Ein Junge und ein Mädchen ...“
Als die Hebamme nicht hinsah, machte er rasch segnende Zeichen über seine nun gewachsenen Familie. Worte waren nun fehl am Platz.

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ährend die junge Mutter und ihre Kinder ob der Erschöpfung schliefen, übernahm es Malbeth, obgleich er ebenso erschöpft war, die Glückwünsche und Segnungen entgegenzunehmen. Er hatte einen vertrauenswürdigen Boten mit einer Nachricht nach Onjaro gesandt, damit auch die Bewohner seiner Baronie davon erfahren sollten, nicht nur durch das Geläut der Glocken in Ankram und die Kunde der Wandernden.
Doch eines fragte er sich ... was würde es bedeuten, daß die Kinder durch den Segen Rahjas gezeugt wurden ... geweiht und nun unter dem Sternbild Rondras geboren waren? Welchem der Wege würden Jodok-Jalil, sein Sohn, und Tayim-Ildra, seine Tochter, folgen?


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egeben zu Burg Ankhelet zu Ankram am 27. Rondra des Jahres 2505 nach der Gründung des Bosparanischen Reiches.
Seine Hochgeboren Malbeth Glandore, Baron zu Onjaro, und Ihre Hochgeboren Delhena-Naila, Baronin zu Ankram und hohe Schöffin des Lieblichen Feldes, geben voller Stolz die Geburt Ihrer Kinder und Erben
Jodok Jalil und Tayim Ildra
am 20. Rondra 2505 zu Ankram bekannt. Mutter und Kinder sind wohlauf und gesund, den Zwölfen sei es gedankt. Mögen Sie auch weiterhin Ihre schützenden Hände über diese jungen Leben halten und sie auf ihrem Lebensweg geleiten.
Den Edlen des Reiches kund und zu wissen gegeben.