Briefspiel:Malbeth und Delhena (18)

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Horasreich-klein.png Briefspiel Horasreich-klein.png
Datiert auf: Ende 1012 BF Schauplatz: vor allem Ankram und Onjaro Entstehungszeitraum: im letzten Jahrtausend
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Christel Scheja, Markus Hattenkofer, Niels Gaul; bearbeitet von Michael Hasenöhrl und (fürs Wiki) Armin Bundt
Zyklus: Übersicht · Malbeths Aufbruch · Von Onjaro nach Ankram · Delhenas Warten · Weitere Gäste ... und ein Tanz · Malbeths Zweifel · Treffen in der Nacht · Die Einladung · Jaarns Antwort · Die Feier zu Ankram · Eine besondere Überraschung · Jaarns Ankunft · Weitere Gäste · Das Fest beginnt · Unterbrochene Zeremonie · Bankett, Tanz und allerlei Reden · Gespräche abseits der Feier · Ein wenig festliches Ende · Die Kreisweihe ... · ... und eine druidische Trauung · Die Geburt der Erben Ankrams und Onjaros

Die Kreisweihe ...

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ährend Delhena auf ihrem braunen Zelter saß, denn ihre anderen Pferde, insbesonder die schöne Stute, die Baron Jaarn Firunwulf ihr geschenkt hatte, waren in ihrem momentanen Zustand ein wenig zu wild, hörte sie plötzlich Stimmen in melodischem Gesang tiefer aus dem Wald an ihr Ohr dringen. Sie blickte hinter sich zu ihrem Mann, den sie, wie sie sich eingestehen mußte, doch so wenig kannte.
Vor etwa einer Stunde waren sie aus Onjaro aufgebrochen, leise und in aller Heimlichkeit. Erst ein gutes Stück außerhalb der Siedlung hatte Malbeth die Blenden der Laterne aufgezogen und das tanzende Licht, das seinen Schein um sie verbreitete, ließ sie noch weniger von der Umgebung erkennen, als sie im Dunkeln gesehen hatte; nur der engste Umkreis wurde erhellt, und außerhalb versteckte sich alles in einem verschwiegenen Dunkel.
Delhena war nicht erpicht darauf, allzuviel von der Umgebung mitzubekommen. Ihr Weg führte sie über gestrüppbewachsene Hügel mit knorrigen, krüppeligen, niedrigen Bäumen, und das Dickicht wurde immer tiefer und undurchdringlicher.
Malbeth war in Schweigen versunken, nur seine Lippen fuhren fort, geheimnisvolle Dinge zu murmeln, wenn auch kein Laut aus ihnen drang. Ihr Begleiter, der in Onjaro auf sie gewartet hatte, zeigte keinerlei Regung auf seinem Gesicht, welches ohnehin die meiste Zeit von der weiten Kapuze überschattet war. Offenbar gehörte er derselben Bruderschaft an wie Malbeth selbst, gesagt hatte er allerdings bis jetzt noch nichts, hatte sie nur beide mit einem freundlichen Lächeln begrüßt und sich dann aufgemacht, ihr Pferd durch das Strauchwerk zu führen. Malbeth folgte in geringem Abstand.
Die Stimmen waren immer noch undeutlich, und die Richtung, aus der sie kamen, war nicht auszumachen. Delhena wurde plötzlich gewahr, daß sie sich schon seit gewisser Zeit in einer Talsenke befanden. Das Tal war eben, und der Weg, den sie gingen, war ganz gerade und, wie Delhena jetzt bemerkte, in großen Abständen von stehenden länglichen Felsbrocken begrenzt. Immer zwei solcher Monolithen bildeten eine Art Tor, durch das sie schritten, und weit vor ihnen konnte sie nun auch einen schwachen Lichtschein wahrnehmen.

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etzt öffnete sich die Senke in einen Talkessel, umsäumt von niedrigen, sanften Hügeln. In diesem Rund standen weitere solche Steine in einem Ring. Sie waren allesamt atwa zwei Schritt hoch, und dies mochte auch in etwa ihr gegenseitiger Abstand sein. Im Inneren des Kreises standen vier weitere, die allenfalls noch größer waren und so wirkten, als wären sie zu Quadern zugehauen. Oben auf diese vier Ecksteine waren vier weitere lange Monolithen wie Querstürze gelegt. Ganz im Zentrum dieses Gevierts lag ein Kubus, der ganz glatt aus einem Stück Gestein gehauen worden war. Die ganze Anlage mochte etwa dreißig Schritt durchmessen.
An jedem zweiten der äußeren Steine stand eine Gestalt. Es waren Männer, in unscheinbare, graue Roben gekleidet. Manche trugen eine Kaputze und einen kunstvoll geflochtenen Gürtel, in dem ein Dolch steckte, der aus einem tiefschwarzen Kristall zu sein schien und das flackernde Licht geheimnisvoll brach und widerspiegelte. Die Jüngeren, die barhäuptig waren, schienen diese Waffen nicht zu besitzen. Delhena vermutete, daß diese noch in der Ausbildung waren und den Dolch erst zu ihrer Weihe erhalten würden. Sie alle trugen je eine Fackel in der Linken und einen kurzen Stock oder nur eine Ranke oder Rute in der Rechten.
In der Mitte, an dem Altar, stand ein etwas gebückter, älterer Mann. Über seiner Robe trug er ein grünes Schultertuch mit verflochtenen Ornamenten. Zu beiden Seiten standen weitere Fackelträger, er selbst hatte kein Licht, sondern rührte mit einem Stück Holz in einer irdenen Schüssel.
Bevor sie den äußeren Kreis erreichten, stieg Malbeth ab und half Delhena von ihrem Pferde. Der Bruder, der sie begleitet hatte, hielt die Laterne und die beiden Pferde, während Malbeth sie an der Hand nahm und auf dem Zentralstein zuführte.

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er Mann in der Mitte wartete mit einem Lächeln auf sie. Als sie vor ihm standen, nickte er Malbeth kurz zu und wandte sich dann an Delhena:
„Ich bin Meister Coros. Ich war Malbeths Lehrer, bevor er den Zirkel von Clameth verließ.“
„Mein Meister, ich darf Euch Delhena Naila von Ankram vorstellen, meine Braut.“ sagte Malbeth mit unverhohlenem Stolz. Delhena schenkte ihm ein kurzes Lächeln, dann wandte sich Coros wieder an sie.
„Ihr werdet heute nacht ein sehr altes Ritual erleben, welches leider viel zu selten abgehalten werden kann. Ich darf Euch wohl verraten, daß die Weihe eines Steinkreises eine einmalige Zeremonie ist und daß in der heutigen Zeit auch Trauungen und Kindersegnugen nur allzu selten im beschirmenden Schoß der Allmutter Sumu begangen werden. Es mag Euch alles ein wenig seltsam erscheinen, denn die Druiden wurden in der Geschichte stets gezwungen, ihren Kult zu verheimlichen, und so entstand im Volk ein recht düsteres Bild von unseren Praktiken. Ihr braucht Euch aber nicht zu beunruhigen. Einzig, ich muß Euch auf Euer Wort verpflichten, über das zu schweigen, was Ihr heute nacht erleben werdet, und auch den Ort dieser Stätte oder die Namen der Beteiligten nie zu verraten. Wollt Ihr mir dies geloben?“
„Natürlich. Ich gelobe bei meiner Ehre und meiner unverbrüchlichen Treue zu Rahja, den Zwölfen von Alveran und unser aller Mutter Sumu, über alles zu schweigen, was ich heute nach erfahren werde.“ Sie spürte den festen Druck von Malbeths Hand und sah, wie er ihr zunickte und lächelte.
„Dann wollen wir also beginnen. Der erste Teil mag Euch ein wenig ermüden, zumal die Weiheformeln sehr alt sind, viel älter als unsere Sprache, und bereits vor der Ankunft der ersten Güldenländer so rezitiert wurden. Ich bitte Euch um Geduld, und wenn Ihr mit Aufmerksamkeit hinhört, werdet Ihr die Präsenz der lebendigen Kräfte der Erde auch verspüren, selbst wenn Euch die Worte unbekannt sind.“

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it lauter Stimme wandte sich Meister Coros nun an die Mitglieder der Bruderschaft und rief ihnen kraftvoll Worte in einer archaischen Sprache zu, während Malbeth sie hinausführte und sich mit ihr an einen der Steine des äußeren Bundes stellte, in den Kreis der Druiden. Was nun begann, war eine Zeremonie von festen Fragen und Antworten, Gebeten und Gesängen, wie es schien. Die Druiden antworteten auf die Rufe Coros’ im Chor oder reihum einzeln. Auch Malbeth sprach die uralten Texte, und sie versuchte, den Sinn der Worte zu erlauschen. Ab und zu erkannte sie ein Wort aus ihrer Muttersprache und schloß, daß diese Sprache wohl Elemente des Ur-Tulamidya in sich haben müsse. Es gelang ihr allerdings nicht, einen Sinnzusammenhang herzustellen.
Plötzlich gewahrte sie, daß sich ein längeres Zwiegespräch zwischen Coros und Malbeth entspann. Dann erhob sich der Ruf aus den Kehlen aller: „Teramion Cunen, Malbethos Geraasionos!“ Malbeth drückte kurz ihre Hand und begann dann, in kleinen Schritten allein wieder auf das Zentrum zuzugehen. Bei jedem Schritt richtete er einen Satz an die Umstehenden, den sie stets mit dem Ausruf „Taramion Cunen!“ beantworteten. Delhena stand allein an dem großen Stein und sah, wie ihr Mann Coros gegenübertrat, vor ihm niederkniete und ihm in der fremden Sprache Rede und Antwort stand.
Schließlich hob Coros den Kopf und rief ein langgezogenes, nasal klingendes Wort hinaus, und plötzlich verdunkelten sich die Fackeln. Doch es waren nicht nur die Fackeln, auch das schwache Licht der Sterne und des Mondes, das man, obwohl hinter Wolken, doch gut erkennen konnte, schien nun hinter einen dunklen Vorhang zu treten. Es wurde immer dunkler um sie herum, bis sie schließlich in völliger Finsternis stand, die Handflächen fest auf den Stein gedrückt, um einen Bezugspunkt zu haben.
Das Ritual und die Antworten gingen weiter. Durch die Dunkelheit hörte sie die Stimmen nun viel lauter und klarer, und obwohl sie von den Worten nur selten eines verstand, merkte sie, wie sie einen Kraftstrom bildeten. Sie konnte fühlen, wie überall aus der Umgebung eine nicht näher beschreibliche Kraft zu strömen begann, genau in das Zentrum des Kreises. Der Kreis, jeder Stein in ihm schien sich aufzuladen mit dieser Kraft, und sie spürte, wie die feinen Häarchen an ihren Armen sich aufstellten und dort, wo sie den Stein direkt berührte, kribbelte ihre Haut wie Bosparanjer. Nach einer Zeit hatte sie förmlich den Eindruck, die Steine würden beginnen zu leuchten, in einem sehr schwachen bläulichen Licht. Es war kein Licht, das etwas erhellte, sie konnte keinen der Druiden sehen, aber sie sah jeden Stein des Rundes. Sie schloß kurz die Augen und stellte fest, daß dies an ihrer Sicht nichts änderte, es war wie ein Nachleuchten, wenn man in die Sonne blickt und dann die Augen schließt.
Nach geraumer Zeit wurde der Singsang des Rituals zu einem Gesang. Er begann leise und monoton und erhob sich langsam zu einer freudevollen Hymne. Und in dem Maße, wie das Lied an Kraft gewann, kehrte auch das Licht zurück, bis es ihr schließlich heller erschien als zuvor. Sie sah, wie viele der jüngeren Adepten mit staunenden, weit aufgerissenen Augen dastanden und die Welt um sich ungläubig betrachteten. Das Leuchten der Steine war immer noch da, nicht etwa sichtbar, aber doch fühlbar, und als sie die Augen noch einmal schloß, sah sie, daß nicht nur die Steine glommen, auch die Druiden rings, die schon geweiht waren, und ganz besonders Malbeth und Coros, die in der Mitte standen. Es wurde ihr erst jetzt klar, was das alles bedeutet hatte. Der Zirkel war geweiht und Malbeth als Hüter des Zirkels eingesetzt worden.