Briefspiel:Magistratswahlen 1036 BF/Bardengesang und Schwerterklang

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Haus di Côntris klein.png Di Côntris
Familie Cordur klein.png Cordur
Stadt Ramaud.png Gishtan re Kust

Die Briefspielgeschichte Bardengesang und Schwerterklang im Spätsommer des Jahres 1035 umfasst verschiedene Begegnungen, Gespräche und Überzeugungsversuche im Vorfeld der Wahlen zu Gransignore und Magistrat von Sheilo.


Bethana, 9. Peraine 1035 BF

„Ich habe gehört in diesem Jahr rechnet sich die Amazonia wieder bessere Chancen aus!“, Vitore Broccia nippte an seinem Holzbecher und verzog keine Miene, obwohl sein Gegenüber wusste, dass der Schnaps darin nicht zur schwächsten Sorte gehörte. Angeblich hatte sich der Generalissimo die Getränke des Söldnervolkes auch für den heimischen Gebrauch zu Eigen gemacht, ohne sich allerdings zu tief in alkoholische Gewässer zu verirren. Leomar Gabellano zuckte die Schultern zur Antwort und schnüffelte zunächst an seinem eigenen Weinkelch. „Es ist eigentlich alle vier Jahre so. ‚Dieses Jahr bleibt der Pokal diesseits der Goldfelsen‘ rufen und schreiben sie. Und am Ende gewinnt doch wieder eine Albernierin oder noch Schlimmeres!“
„Mir wurde gesagt, dass Bethana nicht den Streit der Barden feiert, sondern ihre Kunstfertigkeit und ihre Kunstwerke.“ Vitores Gesichtsaudruck war weitaus ernster, als die des Granisgnores von Shenilo. Verdrießlicher, nicht ernster. Seit seine Frau auf Rabenschwingen gestiegen ist hat er nicht mehr gelächelt.
Eine weibliche Stimme unterbrach die Männer, die in einem etwas abgeschiedenen Hain am Rande des Horasparks flanierten. „Schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid, Gransignore, Generalissimo.“ Mazarina di Selshed war eine schlanke, fast dürre Frau mit strengen Zügen und strammem Schritt, der die Kiesel vom Weg ins Unterholz flüchten ließ. Obwohl ihre Körpergröße nicht herausragend war, hätte ihre schiere Präsenz beinahe die hübsche junge Frau verdeckt, die mit scheuem Gang jetzt hinter ihr erschien.
„Darf ich Euch meine Enkelin vorstellen? Ihr Name und der Eure, Generalissimo, ehren gleichermaßen den Triumph, um den wir alle die Herrin Rondra schon einmal gebeten haben.“ Sie wedelte herrisch mit der Hand bis die in ein hellblaues Kleid mit hoher Taille gewandte Frau zu ihr trat. „Vittoria dies ist Vitore aus der ehrenwerten Familie der Broccia von Nevorten.“ Die junge di Selshed verneigte sich behutsam, aber geübt und lächelte mit niedergeschlagenen Lidern. Ist das ein Zucken der Mundwinkel, Generallisimo? Leomar hob eine Augenbraue und beeilte sich dann rasch um eine unbewegte Miene, als sich Vittoria auch vor ihm verneigte.
„Den amtierenden Gransignore von Shenilo muss ich dir wohl nicht vorstellen, Enkelin?“ Man tauschte einige Floskeln aus, bevor sich Vitore Broccia räusperte. „Hattet Ihr schon die Gelegenheit den Darbietungen auf Engardions Straßen zu lauschen, Signorina?“ Er wies mit der in hellrotes Leder gehüllten Rechten auf das sich hinter Baum und Busch des Parks erhebende Viertel der Kunsthandwerker und Künstler Bethanas. „Oh, leider nein, Signore Generalissimo, die Matriarchin, meine Mutter und ich sind gerade erst vor wenigen Stunden angekommen.“ Mazarina neigte bedauernd den Kopf, verzog jedoch keine Miene. „Oh, wenn ihr mit meiner Gesellschaft Vorlieb nehmen wollt...gerne würde ich Euer Führer sein!“ Lächelnd blickte Vitore von der jüngeren zur älteren di Selshed. Diese nickte zögerlich, aber wohlwollend und Leomar blieb das schmale Lächeln auf Mazarinas Zügen nicht verborgen, als ihre Enkelin mit dem Generallisimo von dannen zog.
Der Glanz von Mazarinas Augen war scharf, fast fiebrig, als sie den Gransignore musterte, der nun mit ihr alleine zurückgeblieben war. Sie wird nicht viel geschlafen haben in jenen vergangenen Nächten, dachte Leomar. „Lasst uns über den 15. Praios des kommenden Götterlaufs sprechen, Gransignore. Ich beabsichtige behutsam in Eure Fußstapfen zu treten.“ Leomar nickte und bedeutete der Vikarin von Selshed fortzufahren, damit hatte er gerechnet. „Vieles, was ihr angepackt habt, könnte ich zu einem Abschluss bringen. Aber wie uns die letzten Tage gezeigt haben, gibt es noch immer manches Übel, das getilgt werden möchte. Meine Frage an Euch ist nun, ob Ihr zu dem steht, was Ihr mir vor zwei Jahren versprochen habt, bevor Ihr vor die Eteria getreten seid?“ Leomar Gabellano, noch drei Monate von seiner Ablösung als Stadtoberhaupt von Shenilo entfernt, schluckte und atmete tief durch, um Zeit für seine Antwort zu gewinnen.

Derweil nicht weit entfernt im Hotel Horasbanner

Genießt ein Bardentreffen - Elysmenia di Selshed

Eine alternde Schönheit, fürwahr. Die Bardin hatte langes dunkelbraunes Haar, das von silbernen Strähnen durchzogen war. Ihre Lippen waren geschwungen, ihre Züge waren durch Falten umrahmt, die sie zeichneten, nein, viel eher verzierten. Die leichte Rötung ihrer Wangen ließ sie jünger wirken, obwohl Elysmenia sich sicher war, dass die Frau mindestens eine Dekade älter war, als sie selbst. Die beiden Frauen lagen auf einem breiten Diwan im obersten Geschoss des Horasbanners inmitten eines kleinen Hügels aus Kleidern, Decken und Kissen.
Gerade hob die Bardin einen halb gefüllten Weinkelch an Elysmenias Lippen und ließ diese in tiefen Schlucken trinken. Die Erbfolgerin des Hauses di Selshed wischte sich einen Tropfen des roten Weines vom Kinn und räkelte sich wohlig. „Euer Gatte mochte die leichten weißen Weine der Yaquirauen lieber, aber Ihr scheint mir, wie ich selbst, eine Liebhaberin der gehaltvolleren Tropfen zu sein?“
Elysmenia setzte sich auf. „Mein Gatte?“, sie musterte die Frau, mit einem Mal war sie vorsichtig geworden. „Kanntet Ihr Amaldo?“ Die Bardin kicherte zur Antwort. „Das Letzte was ich von ihm hörte war, dass er aus seiner Zelle geflohen sei – mit einem Strick um seinen dürren Hals!“ Die Bardin reagierte nicht auf Elysmenias argwöhnischer werdende Miene, sondern fuhr mit einem Schulterzucken fort. „Traurig für ihn. Der göttliche Herr sei seiner Seele gnädig! Aber umso besser für mich, nicht wahr?“ Elysmenia blieb stumm, blickte nur fragend. „Na, Ihr seid wieder zu haben!“
Elysmenia stieß die Hand beiseite, die sich ihren Oberschenkel entlang tasten wollte. „Spaße nicht mit mir, Frau! Woher kennst Du meinen verstorbenen Gatten?“ Das Lächeln verschwand langsam von diesen ebenmäßigen Zügen, fast hätte Elysmenia bedauernd aufgeseufzt, wäre sie nicht so irritiert gewesen. „Nicht viel mehr als das, was ich soeben gesagt habe, Signora. Wiewohl wir gemeinsame Freunde hatten. Freunde, die Euch auch nach dem Unglück Eures Gatten nicht vergessen haben, wie ich sagen darf. Bis heute nicht!“
Elysmenia stand auf und entfernte sich vom Diwan, ging ans Fenster. Hesinde hilf! Du hast dir was vorgemacht, Mädchen! Nicht ich bin es, die sie will, sondern mein Haus! Sie blickte eine Weile wortlos auf das bunte Treiben in Bethanas Straßen. Dann wandte sie sich um und fixierte die ältere Frau, die sich dieses Mal zurückgehalten hatte. „Was habt ihr – oder die Freunde meines verstorbenen Gatten – im Sinn?“ Das Gesicht der Bardin trug kein Lächeln, als sie antwortete. „Das Leid und die Unbill, die man Eurem Haus zugefügt hat, müssen gesühnt werden!“

Shenilo, 10. Ingerimm 1035 BF

Als offiziellen Besuch als Gildenmeister der Fleischhauergilde hatte sich Dorio Cordur beim Inhaber des Gigas Travin di Asuriol angemeldet um mit diesem ein Gespräch bei einem Abendessen führen zu können. Und der Gastgeber ließ sich nicht lumpen und ließ seinem Gast ein hervorragendes Menü aus der Küche seines Hotels auftischen. Nachdem man sich bei der Vorspeise hervorragend über das aktuelle Wetter und dem Wohlbefinden der Familien ausgetauscht hatte, kam Dorio bei der Hauptspeise auf das Anliegen seines eigentlichen Besuchs zu sprechen. Er wischte sich mit seiner Serviette einen Klecks Safranssauce aus seinem Mundwinkel. „Eure Gamberi di fiume allo zafferano waren wie immer vorzüglich, werter Travin, mit eurem Koch habt ihr eine gute Wahl getroffen.“ Der Gastgeber lächelte wohlwissend und antwortete: „Ich werde dieses Lob meinem Koch ausrichten. Aber ihr seid sicherlich nicht nur hier um euch die Speisen und Getränke meines ehrenwerten Etablissements munden zu lassen.“ „Da habt ihr natürlich recht, mich treiben die anstehenden Magistratswahlen zu euch in euer Haus. Und deshalb komme ich mit einem wichtigen Anliegen zu euch und hoffe wir können uns einigen.“ Travin nahm einen Schluck aus seinem Glas Wein und antwortete ganz höflich „Nun denn, tragt euer Anliegen vor.“
Währendessen kam die Schankmagd des Hotels und trug die leeren Teller und das schmutzige Besteck in die Küche um für den Nachtisch Platz zu machen. „Nun“, fing Dorio an, „unsere Familien betreiben jetzt schon seit vier Jahren gute Handelsbeziehungen, denn sie gereichen uns beiden zum Vorteil. Deshalb, denke ich, könnten wir unsere Interessen verbinden, wenn wir für den selben Gransignorenkanidaten stimmen werden.“ Travin strich sich durch seinen Bart. „Was springt denn für mich und meine Familie raus, wenn ich für Orsino Carson stimme?“, fragte das Oberhaupt der Familie di Asuriol. „Ganz einfach, ihr werdet von der Consielera Famerlor für das Amt des Cancellario vorgeschlagen und da ich mich bei Orsino Carson, dem hoffentlich baldigen Gransignor unserer Stadt für euch stark machen werde, denke ich, dass ihr sehr gute Aussichten habt, dass ihr bald ein Amt in dieser Stadt bekleiden werdet.“ Die hochgezogenen Augenbrauen des Gastgebers übersah Dorio als er weitersprach. „Desweiteren, denke ich, kann ich eurer Familie mehr Einfluss in der Knochenhauergilde einräumen.“ Die Nachspeise wurde serviert. „Lasst mich über diesen Vorschlag nachdenken“, erbat Travin, „und nun einen guten Appetit bei der Nachspeise.“

Shenilo, 15. Ingerimm 1035 BF

Schritte von beschlagenen Stiefeln hallten durch die Halle des Rondra-Tempels, als eine blonde Frau im Gewand der Sheniloer Drachenreiter ihn zielstrebig durchschritt. Die Tempelvorsteherin blickte erst zu der Person als die Schritte vor ihr verstummten. „Bran, du weißt was du zu tun hast“, ermahnte sie noch den Novizen, der von ihr weggeschickt worden war. „Ich habe gehört mein kleines Schwesterlein benötigt eine kleine Trainingsrunde auf dem Pferderücken“, sagte die gerade Angekommene lachend. Der Novize drehte sich, um zu sehen, wer es wagte, so ungebührlich mit einer Rondra-Geweihten zu sprechen und sah, dass es Leutnanta Usvina Cordur gewesen war, die ältere der beiden Cordur-Schwestern. „Wenn hier jemand eine Lehrstunde braucht dann doch wohl du“, scherzte Arana von Shenilo zurück während sie ihrer Schwester umarmte.

Kurze Zeit später sah man die beiden Schwestern auf ihren Pferden Shenilo durch das Nordtor verlassen. Kaum dass sie draußen waren, gaben sie ihren Pferden die Sporen, so dass sie fast einen Pilger über den Haufen geritten hätten. Erst einige Zeit später als sie eine kleine Lichtung erreicht hatten, die ihnen von ihrem Vater gezeigt worden war, hielten sie ihre Pferde an und stiegen ab. Sie banden ihre Tiere an zwei kleinen Bäumen an und ließen sie grasen. Selbst gingen sie noch ein paar Schritte, wobei kleine Äste unter ihren Sohlen knackten.
„Das Reiten hast du also trotz deiner Tochter nicht verlernt, mal sehen ob du auch noch deine Geschicklichkeit mit deinem Schwert besitzt“, forderte Usvina ihre Schwester grinsend heraus und zog ihren Säbel aus der Scheide. Arana, bereit für diesen Trainingskampf, zog ebenfalls ihre Waffe; ein Langschwert mit einem Löwenkopfknauf. „Wie sagt man so schön, Hochmut kommt vor dem Fall, Schwesterherz.“ Sie überließ der Drachenreiterin den ersten Angriff, die sogleich mit einer Finte ihre Schwester zu täuschen versuchte. Arana parierte den tief geführten Schlag und griff ihrerseits mit einem Schlag in Richtung des Kopfes ihrer Schwester an. So begann ein ausgeglichener Kampf, bei dem beide Schwestern ihr Bestes gaben.
Bei einer Pattsituation sagte Arana, um kurz Atem schöpfen zu können „Ich werde dich bei der nächsten Wahl wieder als Constabler vorschlagen, mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass Orsino Gransignor werden will.“ „Hast das wirklich du gehört oder doch eher unsere liebe Tante“, fragte Usvina spöttelnd. Auf diese Antwort sprachen erst einmal wieder die Waffen. „Keine Wortklaubereien, auf jeden Fall brauch ich einen Constabler, auf dem ich mich verlassen, kann wenn ich nach Perricum reise“, erwiderte die Rondrageweihte nach dem sie die Waffe ihrer Schwester gebunden hatte.
„Hoffentlich sehen die anderen Mitglieder des Consiliums es genauso“, antworte die Leutnanta, als sie vergeblich versuchte ihren Säbel freizumachen. Die Geweihte, die offenbar genug von dem Kampf hatte, entwaffnete die Drachenreiterin mit einer geübten Bewegung „Das werden sie, übrigens, du hast verloren“, erwiderte sie, als der Säbel ihrer Widersacherin im Gebüsch gelandet war.
Nach dem Kampf blieben die beiden Frauen noch einige Zeit auf der Lichtung um sich und den Pferden noch ein wenig Ruhe zu gönnen und um die freie Zeit, die sie beide hatten, mit Gesprächen unter Geschwistern zu vertreiben. Erst am späten Abend konnte die Stadtgarde die beiden Reiterinnen wieder in Shenilo begrüßen, die eine auf dem Weg zu ihren Jungs und Mädels, die andere auf dem Weg zu Mann und Tochter.

Shenilo, 26. Ingerimm 1035 BF

Leomar Gabellano erhebt Ilmordro de Maltris zum Cavalliere

"Hiermit erhebe ich Baronet Leomar aus dem Hause Gabellano, Gransignore von Shenilo, Herr von Burg Ruthorwacht etc. pp die folgenden Honorabiles, Gilmone Silandris, Rahjadan Korbmacher und Ilmordro de Maltris für ihre besonderen Verdiensten für die Bundesstädte Chetan, Côntris und Sodanyo und den Sheniloer Bund als Ganzes zu Cavallieri eigenes Rechts sine heredibus..."

-Verlesung einer Urkunde vor der Eteria

Zitadelle von Selshed, am gleichen Tag

Das Vertrauen der Vikarin

„Der Heilige Dozman möge Euch segnen, Signore Horasio, dass ihr Euch in die Hände meiner Tante, die in Wahrheit die Hände des Herren Efferd waren, begeben habt und Eure Seele von dieser Wahrheit befreit habt.“ Mazarina di Selshed schaute auf den erschöpft in seinem Stuhl zusammengesunkenen Horasio ya Papilio hinab und bemühte sich um ein wohlwollendes Lächeln. Nach kurzem Zögern legte sie ihre schlanke, aber kräftige Hand auf seine Schulter und drückte, vielleicht eine Spur zu fest, zu. „Das Haus di Selshed, soviel sei Euch versichert, hat keinen Grund, Eure Ehrenhaftigkeit, ja Euren Heldenmut zu bezweifeln. Euer Fehl‘ war es nicht, der den Tod meines geliebten...“, sie hielt einen Augenblick inne bevor sie fortfuhr, „Gemahl zu verschulden hat. Eure Seele ist frei von Dunkelsinn, wie mir die Bewahrerin von Wind und Wogen versichert hat.“ Horasio Madarin ya Papilio wirkte sichtlich erleichtert, wenn auch leicht irritiert, weswegen sich Mazarina bemüßigt sah, hinzuzufügen „Bitte denkt nicht schlecht von mir, weil ich sichergehen musste. Die Ereignisse um den Tod meines lieben Bruders und meines Gemahls in Wanka sind noch verworrener, als sie düster sind und ich gestehe, dass ich bisher nicht in der Lage war, die Hand der Zwölfe in ihnen zu erkennen. Aber ich habe Euch schlecht für die Gefahr gedankt, in die Ihr Euch auch um meines Mannes Willen gebracht habt, wenn ich Euch den Eindruck verschaffte, dass Euch irgendein Verdacht meinerseits träfe.“
„Betrachtet es darum als Zeichen meines Vertrauens, wenn ich Euch frage, ob Ihr mir ein Berater in Rechtsangelegenheiten sein möchtet, wenn ich Gransignora von Shenilo werden sollte. Ihr habt die Rechte studiert und beherrscht sie gut, aber was noch wichtiger ist: Ihr kennt Euch als Ponterraner besser mit den Verhältnissen vor Ort aus, als eine geborene Septimanerin wie ich es vermag!“ Sie wartete einen Augenblick, während Horasio sich ein Stückchen des geräucherten Fisches in den Mund schob, den man ihm angeboten hatte, als er die Gemächer der Vikarin in der Zitadelle betrat.
„Überlegt es Euch, Signore Horasio. Und nehmt, bevor ich Euch zur verdienten Ruhe kommen lasse, meinen herzlichen Gruß an Eure Tante, die Cavalliera Sharane mit. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir bald als Gransignora und Iustitiarin Shenilos enger zusammenarbeiten könnten. Ich habe dabei auch die Erbfrage in Wanka im Sinn, die immer noch ungeklärt ist, wie mir berichtet wurde.“

Rechtskundige Antwort

Im Gegensatz zu seiner sonstigen Art musste Horasio tatsächlich ein wenig nachdenken, ehe er eine Antwort fand. Der schnelle Wechsel seines Gesichtsausdrucks von überrascht über erfreut und nachdenklich bis beherrscht zeichnete seine Gedankengänge nach, bis er dann erwiderte:
"Ich habe mich seit der Rückkehr aus Methumis vorwiegend auf das Handelsrecht konzentriert. Das ist natürlich eine wichtige Fachrichtung. Und ich denke, dass ich meinen Vettern bei dem einen oder anderen Vertragsschluss einen Rat geben konnte. Aber hat auch der Gransignor von Shenilo Bedarf für jemanden, der ihm auf diesem Feld zur Seite steht? Wenn das so ist, und Ihr die meisten Stimmen bekommt, dann würde ich mich geehrt fühlen, diese Amtszeit für Euch zu arbeiten. Vorausgesetzt, die Familie kann auf mich verzichten. Aber vielleicht ist es ja sogar ganz im Sinne von Großonkelchen Caron, dass ich mich auf diese Weise bewähre und ein weiteres Familienmitglied sich für weitere Aufgaben empfiehlt." Letzteres klang nicht selbstgefällig oder anbiedernd, sondern wie eine durchaus wahrscheinliche Annahme.

Gasthaus zur schwarzen Sonne, Côntris, 25. Rahja 1035 BF

Hört politische Töne - Mijasha ya Pryho

„Elysmenia, Ihr dürft mich Elysmenia nennen. Für Formalitäten sind Rats- und Ballsäle da, wir sind doch hier unter Freundinnen?“, die Vogtin von Viacuslicana lächelte und reichte ihrem Gegenüber, einer blonden Frau, die bestenfalls halb so alt war wie Elysmenia selbst, einen gefüllten Silberkelch. Zunächst etwas zögerlich nahm die jüngere Frau, eine schlanke Schönheit, den Wein entgegen, nahm einen Schluck und lächelte dann. „Gut, aber dann nennt mich bitte Mijasha, Elysmenia. Und habt dank für diesen leckeren Tropfen!“ Die ältere winkte ab. „Das ist das mindeste, was ich tun konnte. Ihr habt meinen Ohren einen derartigen Segen bereitet, eigentlich müsste ich einen Mond lang mit dieser Rahjaträne versorgen!“ Auf Einladung der Vogtin hatten sich die beiden Frauen in einen mit goldenen Vorhängen abgeschlossene Ecke auf einer Empore des Innenraums der Schwarzen Sonne zurückgezogen. Zuvor hatte Mijasha, die Hofsängerin des Barons von Côntris, dort für einige wohlsituierte und wohlhabende Gäste eine Kostprobe ihrer Sangeskunst zum Besten gegeben.
„Kein Wunder, dass ihr das Ohr des Barons habt!“ Elysmenias Lächeln war bei diesen Worten breiter geworden, während das Mijashas etwas verrutschte. „Schaut nicht so unglücklich drein, meine Liebe, Euer Geheimnis ist bei mir in den besten Händen!“
Die Sängerin nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Kelch, was Elysmenia zum schmunzeln brachte.
„Ich will Euch sagen, wie Ihr dem Baron ein ganz besonderes Geschenk machen könntet. Meine Mutter, die Vikarin von Selshed, wird zur nächsten Wahl für den Gransignore Shenilos kandidieren. Es ist ihr starkes Anliegen, altem Recht wieder Gehör zu verschaffen. Dazu gehört auch, dass Côntris und sein Baron nicht getrennt sein können. Ich will Euch nicht mit Einzelheiten belasten, die Wohlgeboren Dartan ohnehin selbst besser einzuordnen wissen wird. Wenn ihr ihn erfreuen wollt, dann sagt ihm, dass für sein Bestreben nicht nur eine Gransignora Mazarina stehen wird sondern auch Kinder der Stadt Côntris selbst unseren gemeinsamen Sorgen Gehör schenken werden. Das Wort des Hauses di Selshed gilt noch immer viel in der Kirche des Herren Efferd. Wenn der Vorschlag geäußert würde, dass der Baron das Fischerfest in Côntris veranstalten möge, wäre ihm die Zustimmung der Kirche des Launenhaften gewiss!“
Elysmenia gähnte. „Seht ihr, liebe Mijasha, wie der Wein mich ermüden lässt? Dankt der jugendlichen Göttin dafür, dass sie Euch Talent und Jugend geschenkt hat.“ Die junge Sängerin erhob sich. „Dann will ich Euch nicht länger stören, Vogtin...Elysmenia.“ „Nicht so eilig, meine Liebe. Ein letztes hätte ich noch. Sollte der Eteria eine Lösung für das Côntris-Problem vorgelegt werden, das ja offenbar auch den Sheniloer Frieden beträfe, könnte auch die Unterstützung durch Cavalliere Rahjadan nützlich sein.“ Elysmenia wartete einen Augenblick, bis sie sicher war, dass Mijasha zumindest verstanden hatte, was sie gesagt hatte. „Habt noch einmal meinen Dank, ich freue mich schon darauf, euch bald wieder einmal hören zu können!“
Eine hochgewachsene braunhaarige Frau mit silbernen Strähnen darin schlüpfte von der anderen Seite durch den Vorhang als Mijasha gegangen war. „Deine Informationen waren zutreffend, in der Tat.“ Die Angesprochene lächelte nur und zuckte die Schultern. „Der Junge ist kaum wieder in der Ponterra, schon hat er nicht nur Heiratswillige sondern auch Kurtisanen an seinem Hofe.“ Elysmenia runzelte die Stirn, als die ältere Frau zu lachen begann. „Was soll das?“ Die Bardin winkte ab und bemühte sich, einen ernsteren Gesichtsausdruck aufzusetzen. „Nichts, Signora, ich glaubte nur, dass Ihr der Herrin Rahja gegenüber aufgeschlossener als der Herrin Travia.“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue und mit Schweigen beantwortete Elysmenia diese Bemerkung. „Hattet Ihr denn Erfolg in Eurem Vorhaben, Signora.“ Die Vogtin von Viacuslicana nahm einen Schluck der Rahjaträne. „Das wird sich zeigen.“

Ein Treffen von Gabel und Weinstock, Shenilo, 29. Rahja 1035 BF

Nun wurde Fisch aufgetragen, frisch gefangene Forellen aus den Teichen Ascanios von Calven, in Nudeln gewickelt nach Côntriser Art. Seit Stunden schon hatte Daryl Brahl über die Vorzüge der zugezogenen di Selshed und ihrer Matriarchin schwadroniert, bevor er nun endlich seine Karten öffnete: Ob er nicht, um die zukünftige Politik Mazarinas zu unterstützen, noch als scheidender Camerlengo die zusätzlichen Steuern für die schwer belasteten und zunehmend unruhigen Bürger Shenilos außerhalb der Mauern wegfallen lassen sollte... sein Gegenüber, seines Zeichens amtierender Gransignore, wusste, dass der Stadtkämmerer ihm kaum von dieser guten Tat, diesen Plänen berichten würde, wenn er nicht einen Gefallen dafür erbitten wollte. Dabei hatte Leomar ihn immer für einen guten Menschenkenner gehalten – konnte er denn nicht sehen, dass er sich längst zur Unterstützung Mazarinas entschlossen hatte?
„Ein Orsino würde sicherlich seinen neuen Camerlengo dazu anhalten, einen solchen Erlass direkt wieder für nichtig zu erklären, denn er braucht das Gold ja für die geplante "Ausweitung der Verteidigungsmaßnahmen" gegen Pertakis, fuhr der Kaufherr ungeachtet der sichtlichen Langeweile des Gabellanos fort. „Ich habe mir jedoch von Mazarina höchst selbst versichern lassen, dass sie einem solchen Vorhaben nicht im Wege stehen würde.“ Mit diesem Plan wollte Daryl ihn also ködern? Nun denn, was bliebe ihm da wohl anderes übrig, als Mazarina in der Wahl zu unterstützen?, dachte der scheidende Gransignore des Sheniloer Bundes innerlich lachend, als er zum leichten, süßen Banquirgold griff, der so hervorragend zu den Schollenmäulern passte. Wenigstens dieses Gespür schien der Weinhändlerpatriarch nicht verloren zu haben.

Im Sinne des Familienfriedens?, Shenilo, 8. Praios 1036

Eines lauen Sommerabend traf der heitere Rahjensdiener Beleno Brahl zufällig den jungen Scibor Tuachall auf dessen Heimweg – oder fing er ihn gar überraschend ab? - und brachte ihn alsbald mit seiner überbordenden Art so sehr in Verlegenheit, dass endlich der sichtlich unwohle Scibor nachgab und die beiden bis tief in die Nacht im illustren Spielsalon Mondlicht den am wenigsten verdünnten Wein des Hauses im Hinterzimmer becherten. Lange hatte Beleno Scibor gegrollt, erzählte dieser ihm, wegen seiner Unverschämtheiten im Consilium damals und dem gefühlten Verrat. „Immer weiter sind unsere verschwägerten Häuser danach auseinander gedriftet... nur aufgrund verletzten Stolzes und verlorenen Vertrauens. Ist es nicht Zeit die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen? Und wie besser könnte man Geschlossenheit zeigen, als einen gemeinsamen Kandidaten zu wählen? Denkst du nicht auch, dass Jeanos Wankara höchstselbst der beste Mann sei, um meinen Vetter Daryl als Camerlengo zu ersetzen? Jetzt ist es an der Zeit für Dich, mein lieber Scibor, die vergangene Schuld zu begleichen! Statt der Auslöser der beiden nur schadenden Familienzwistigkeiten zu sein, könntest du nun zu deren Schmelztiegel werden! Die schöne Göttin selbst hat diesen Plan für dich - und wer wolle schon den Zorn einer Göttin hervorrufen? Oder gar erneut die Brahl verraten und für einen anderen stimmen?
Was also soll es sein, mein lieber Scibor: eine beglichene Schuld und eine glorreiche Zukunft als Retter der einen großen Familie aus Tuachall und Brahl - oder erneuter Verrat an Brahl, Stadt und Göttin?!“