Briefspiel:Liebestolle Delphine/Die Suche nach einem Ausweg

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Briefspiel in Efferdas
Datiert auf: 24. Praios 1041 BF Schauplatz: Efferdas Entstehungszeitraum: Herbst 2019
Protagonisten: Familien aus Efferdas Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png;Dajin, Haus Efferdas.png Elanor, Familie Trenti.png Trenti, Familie Gerber.png Amalia Gerber, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras
Zyklus: Übersicht · Jammerstimmung · Die Zeit läuft... · Die Suche nach einem Ausweg · Vorbereitungen auf den Ball · Das Gongfest · Nach dem Tanze


Terantina

So langsam nahm Terantinas Plan Gestalt an. Der Köder für Belisa Gerber lag in ganzer Pracht vor ihr.

Sie bewunderte die wirklich ausgezeichnete Arbeit von Bosper di Bassalo aus Urbasi. Da hatten sich die Kontakte von der Brautschau doch mal ausgezahlt. Es tat ihr zwar in der Seele weh, einige Edelsteine aus ihrem Fundus dafür geopfert zu haben und auch die Kosten verbunden mit dem Abstand zu Urbasi und dem Zeitdruck der Herstellung waren schon immens, aber es war nicht zu ändern. Man sollte den Weg der Kette bei eventuellen Nachforschungen schließlich nicht zurückverfolgen können.

Diese war wirklich hervorragend verarbeitet und aller Mühe wert. In der Mitte prangte ein Aquamarin in einer Fassung mit stilisierten Wellen. Diese Wellen zeigten sich auch an den einzelnen Kettengliedern die in regelmäßigen Abständen von kleineren eingefassten Aquamarinen unterbrochen wurden. Dazu noch eine edle Schatulle mit den entsprechenden Verzierungen. Ein deutlicheres Zeichen an den Herrn Efferd und damit an das Haus di Camaro ging ja nun wirklich nicht. Irgendwie musste sie ja das Interesse der kleinen Gerber an Dartan wecken. Jetzt sollte diese nur noch ihr zartes Köpfchen anstrengen um die Zusammenhänge zu verstehen, die "Entschuldigung" Dartans annehmen und den Köder schlucken. Sie erinnerte sich an ihre gemeinsame Zeit in Methumis. Klein, blaß, unscheinbar. Ein Mauerblümchen halt und definitiv nicht ihre Klasse. Genau passend für die Travia-Schule. Sie lächelte innerlich.

Von dem Gedanken einen Begleitbrief zu verfassen nahm Terantina nach kurzer Überlegung Abstand. Das wäre ein eventueller Beweis, der nicht sein muß. Sie würde eher Blumen sprechen lassen. Aber auch das sollte wohl überlegt sein und vor allen Dingen mußte auch SIE das verstehen, also am Besten nicht zu kompliziert. Sie entschied sich für ein Bouquet aus Schlüsselblume, Pfirsichblüte, Efeugeronsblut und Frauenhaarfarn. Nicht zu aufdringlich und auch nicht zu verräterisch. Dazu noch eine besondere Karte für den nächsten Ball wo Dartan und sie anwesend sein müssen und dann werden wir mal sehen, wie das Fräulein Gerber reagiert.

Sie klingelte nach einem Bediensteten und erteilte ihm den Auftrag sich um eine eilige Lieferung an die Familie Gerber zu kümmern. "Und ziehe er sich gefälligst das Hauslivree aus um kein Aufsehen zu erregen. Wie sähe das denn aus? Ein Bediensteter der ya Pirras vor dem Palazzo Pellioni . Am Ende heißt es dann noch, dass man sich mit den Gerbers abgibt. Nein, nein. Und Ihr wartet gefälligst auf eine Antwort und bringt diese direkt zu mir. Ich hoffe ihr habt mich verstanden.", instruierte Terantina den armen Tropf. "Und ich erwarte absolute Diskretion.". Ihr funkelnder Blick sprach Bände.


Ein wunderschöner Köder

Belisa, du hast Post bekommen!“ Melsina, die jüngste der drei Schwestern hatte die Tür beantwortet und rief jetzt quer durch den Palazzo nach ihrer älteren Schwester.
Dann fuhr sie an den Boten gewandt fort: „Dankeschön. Ich werde Sorge dafür tragen, dass sie es bekommt. Möchtet Ihr noch auf ein Getränk hereinkommen? Es ist ja doch ziemlich warm so um die Mittagszeit.“ Melsina lächelte, machte einen Schritt beiseite und eine einladende Geste zu dem Mann, der das Päckchen gebracht hatte.
Tante Quenia bestand immer darauf, dass sie jedem gegenüber freundlich und zuvorkommend waren. Nicht nur zu anderen adligen, oder Leuten mit Geld, nein sondern gerade und besonders auch zu Boten, Dienern, Kutschern, egal ob sie Angestellte der Familie waren oder für jemand anderen arbeiteten.

Efferdinand, der Bote, den Terantina geschickt hatte, stand einen Moment überrascht in der Tür und wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte. So eine Behandlung war er nicht gewohnt und hatte er auch nicht erwartet. Abzulehnen wäre sicherlich unhöflich und es war tatsächlich eine brütende Hitze in den Straßen. Er verneigte sich vor der jungen Edlen und folgte ihr durch das Gebäude, zu einem samt-bezogenen Sessel in einem Erker. Neben dem Sessel befand sich hier noch ein kleines Teetischchen mit kunstvollen Einlegearbeiten, auf dem ein kleines Glöckchen stand. Durch große Fenster konnte er in den üppigen Garten blicken. Dort war eine Frau in Arbeitskleidung gerade dabei einige prächtige Rosenbüsche zu düngen.
Melsina griff nach dem Glöckchen und läutete es – der helle Klang brachte Efferdinand wieder zurück, in seine Rolle. Gerade wollte er die junge Edeldame fragen, was er für sie tun könne, da wandte sich Melsina schon an ihn: „Nehmt doch bitte Platz, es kommt gleich jemand und bringt Euch eine Erfrischung. Ich suche derweil meine Schwester.“ Mit einem Lächeln deutete sie auf den Samtsessel, drehte sich dann rasch, so dass der Rock ihres Kleides ein wenig in Schwung kam und lief dann emsig los, um die Adressatin des Päckchens zu finden.
Sie ließ einen etwas sprachlosen Efferdinand zurück, der sich nach kurzem Zögern in den edlen Sessel fallen ließ und beschloss, einfach zu warten.

Nach kurzem Überlegen, wo sie ihre ältere Schwester zuletzt gesehen hatte, steuerte Melsina zielstrebig auf das Zimmer von Belisa zu, dass diese sich mit ihrer Zwillingsschwester Yoline teilte. Seit Belisa aus Methumis zurück war, hockten die beiden wieder wie früher stundenlang in ihrem Zimmer und ließen nicht einmal ihre jüngere Schwester an ihren Unterhaltungen teilhaben.
Melsina seufzte und klopfte an der Tür.
„Wer ist denn da?“, tönte es von drinnen.
„Ich bin's...“, antwortete Melsina.
„Wir sind beschäftigt.“, kam es zurück.
„Ein Bote hat was für Belisa abgegeben.“, erwiderte Melsina von außen.
„Leg es draußen ab, ich schau es mir gleich an.“, war die Antwort durch die Tür.
Melsina schnaubte. Nie ließen die beiden Älteren sie an ihren Geheimnissen teilhaben! Schon von klein auf, durfte sie nicht mitspielen und auch, wenn es sich ein Bisschen gebessert hatte, als Belisa zum Studium in Methumis gewesen war, schien es mit der Rückkehr der Zwillingsschwester wieder so zu werden, wie in alten Zeiten.
Melsinas Blick fiel auf die Schatulle. Erst jetzt fiel ihr auf, wie hübsch verziert sie war. Und der Strauß – ein wenig ungewöhnlich war die Zusammenstellung ja schon. Von ihrer pflanzenbegeisterten Mutter hatte sie oft von der Bedeutung der verschiedenen Pflanzen gehört und bei näherer Betrachtung der Blumen in dem Gebinde – Melsina schaute noch einmal genauer hin. Nein, das konnte sicherlich kein Zufall sein! Mit großer Neugier betrachtete sie nun die Schatulle, die mit dieser Botschaft geschickt worden war. Was sich wohl in ihrem Inneren verbarg? Von wem die Sachen wohl gekommen waren? Frauenhaarfarn stand für Diskretion, also würde sie den Boten wohl besser nicht direkt fragen. Er trug ja auch nicht mal eine Uniform oder eine Schärpe, an der man erkennen könnte, für wen er arbeitete. Wie aufregend! Und die großen Schwestern wussten noch gar nichts davon! Dieses Mal würde sie, Melsina, diejenige sein, die als Erste, die spannenden Neuigkeiten erfahren würde. Vorsichtig und mit etwas zitternden Fingern öffnete sie die Schatulle und atmete scharf ein. Aquamarine glitzerten auf dunklem Samt wie Tautropfen und silberne Kettenglieder dazwischen schimmerten, wie Sonnenstrahlen, die von den Wellen zurückgeworfen wurden. Die Kette war wunderschön! So eine kunstvolle Huldigung an den Herrn Efferd! Das hatte sich aber der Absender was kosten lassen!
Schnell machte sie den Deckel wieder zu, als sie hörte, wie sich jemand im Zimmer der Tür näherte und sie öffnete.
„Hier Belisa, jemand hat dir diese Schatulle und einen Blumenstrauß geschickt.“, sagte Melsina rasch und reichte ihrer Schwester die beiden Dinge.
„Dankeschön.“ Belisa sah die Geschenke etwas verwundert an und blickte dann wieder zu ihrer jüngeren Schwester. „Weißt du von wem das ist?“
Melsina schüttelte den Kopf und zuckte unschuldig mit den Schultern. „Nein, keine Ahnung. Aber im Erker sitzt noch der Bote, der es gebracht hat. Wenn du dich beeilst, bekommst du vielleicht noch etwas von ihm heraus, wobei ich das bezweifle.“ Sie grinste etwas frech und tippte mit dem Finger gegen das Ende eines Farnblatts im Blumenstrauß, das daraufhin etwas hin und her wippte, drehte sich dann wieder auf dem Absatz um, so dass ihr Rock etwas mitflog und lief davon. Sie würde in ein paar Minuten zurückkehren und mal horchen, ob die beiden Älteren vielleicht doch mehr wussten, als sie zugaben.

Sie ließ die etwas überrumpelte und verwirrte Belisa in der Tür ihres Zimmers stehen.
„Was hast du denn da?“, hörte Belisa die Stimme ihrer Zwillingsschwester Yoline hinter sich.
„Ich bin mir nicht ganz sicher.“, antwortete Belisa zögernd und ergänzte dann, „Ich habe – Sachen – bekommen.“
„Sachen, was denn für Sachen? Komm rein und mach die Tür zu, dann schauen wir es uns mal gemeinsam an, was für Sachen das wohl sind.“ Yoline war währenddessen neugierig zu ihrer Lieblingsschwester und engsten Vertrauten getreten und begann nun, sie ins Zimmer zu ziehen und schloss die Tür.
„Jetzt lass doch mal sehen.“, sagte sie mit interessiertem Blick, auf die Dinge, die Belisa noch immer in ihren Händen hielt.
„Meinst du, mir macht vielleicht jemand den Hof?“, fragte Belisa etwas zögerlich, als sie das Schmuckkästchen und das Bett legte und sich selbst auf die Kante setzte.
Yoline griff nach dem Kästchen und schaute es sich von allen Seiten an. „Sehr efferdgefällig…“, merkte sie an, bevor sie, anerkennend nickend das Lid der Schatulle aufklappte. „Oh!“, entfuhr es ihr, so dass nun auch endlich Belisas Neugier geweckt wurde, die einen langen Hals machte, um ebenfalls einen Blick auf ihr Geschenk zu erhaschen.
„Bei den Göttern, Belisa! Wem hast du denn den Kopf verdreht?“ Yoline grinste Belisa verschwörerisch an, während sie die Kette von ihrem Samtbett nahm und sie ihrer Schwester hinhielt.
„I-ich weiß nicht?“, stammelte Belisa, während sie langsam ihre Hand nach dem Kleinod, das für sie bestimmt war, ausstreckte. Das Silber fühlte sich angenehm kühl an und die Kette an sich war gut verarbeitet.
„Komm schon, Belisa! Wer hat es dir geschickt?“, drängte Yoline, „hast du an der Universität in Methumis jemanden kennengelernt, von dem du mir nicht erzählt hast? Einen hübschen Kapitän von der Efferdschule vielleicht?“
Von Yoline aus ihren Gedanken gerissen, schüttelte Belisa den Kopf. „Nein, da war nichts. Ich habe mich auf das Studium konzentriert. Wenn etwas gewesen wäre, hätte ich es dir natürlich erzählt, immerhin weißt du doch alles von mir und so was würde ich doch nicht vor dir geheim halten!“
„Aber wer würde dir denn sonst so ein teures und schönes Geschenk machen?“, begann Yoline zu überlegen, während sie begann, die Schatulle zu untersuchen, ob nicht doch irgendwo eine Notiz verborgen war. Aber sie fand weder ein Geheimfach und auch unter dem Samtbezug war nichts Ungewöhnliches versteckt. Enttäuscht legte Yoline das Kästchen beiseite.
Belisa dachte nach, während sie die Kette probehalber um ihren Hals legte und aufstand, um sich im Spiegel zu betrachten. Die Kette gefiel ihr. Die blauen Steine funkelten in der Farbe ihrer Augen und die geschwungenen Linien auf den Kettengliedern wirkten, als würden sie sich bewegen, wenn das Licht aus verschiedenen Winkeln darauf fiel. Jede Efferdgeweihte würde vor Neid schäumen, wenn sie sie mit dieser Kette sehen würde. Nach einer Weile des Grübelns sagte sie:„Ich weiß nicht, mir fällt niemand ein. Ich gehe ja nicht so oft auf Feste und wenn, dann bin ich auch nicht diejenige, die mit jedem Mann tanzt, der sie auffordert.“

Draußen im Flur vor dem Zimmer rumpelte es. Die beiden Schwestern schauten sich alarmiert an und Yoline sprang sofort auf, lief zur Tür und riss sie auf.
Melsina war beim Lauschen der Fuß eingeschlafen und beim Versuch, ihr Gewicht zu verlagern, war sie einfach umgekippt und gegen die Tür gefallen. Schnell aufstehen und weglaufen war mit dem eingeschlafenen Bein auch keine Option.
So fand Yoline ihre schuldbewusste kleine Schwester auf dem Boden vor ihrer Zimmertür sitzend vor.
„Melsina, hast du uns etwa belauscht?“ fuhr die Ältere Melsina empört an.
Melsina schluckte bevor sie antwortete: „Ja, ihr sagt mir ja nie was… Ich will auch mal Teil an euren Geheimnissen haben. Schließlich bin ich inzwischen auch kein Kind mehr!“
Yoline schnaubte, ehe sie mit ihrer Standpauke loslegte: „Dann hör auf dich wie ein ungezogenes Gör zu benehmen! Aber selbst dann würdest du in deiner tollpatschigen Art gleich alles ausplaudern bei der ersten Gelegenheit. Es hat schon seinen Grund, dass wir unsere Angelegenheiten unter uns besprechen und jetzt geh und in Zukunft respektierst du gefälligst unsere Privatsphäre!“
Melsinas Augen verengten sich. Wieder einmal schlossen ihre großen Schwestern sie aus, wieder vertrauten sie ihr nicht und sorgten dafür dass sie sich klein und schlecht fühlte. Das war nicht fair!
Mit Tränen in den Augen rappelte sich Melsina auf. „Ihr seid so doof!“, stieß sie noch in Richtung ihrer Schwestern hervor, bevor sie auf dem stechenden Fuß, mit brennenden Augen und verletztem Stolz versuchte, möglichst anmutig davon zu humpeln. Sie würde schon eine Möglichkeit finden, an Informationen zu kommen. Sie würde dem Boten einfach nachher unauffällig folgen und so herausfinden, zu welcher Familie er gehörte.

Yoline schloss kopfschüttelnd die Tür und wandte sich wieder Belisa zu: „Der kleine Quälgeist ist abgedampft. Also, denk nach. Wem hast du zuletzt einen Korb gegeben?“
Belisa legte den Kopf etwas schief und starrte dann entsetzt Yoline an, als ihr ein schrecklicher Verdacht kam. Hastig winkte sie ihre Schwester zu sich heran, um möglichst leise sprechen zu können. „Bei den Göttern, ich hoffe ich irre mich, aber Dartan di Camaro habe ich zuletzt einen Tanz ausgeschlagen. Die Verzierungen und Farben und all das würden auch gut zur Familie di Camaro passen.“, flüsterte Belisa.
Jetzt war es an Yoline große Augen zu machen. „Belisa, das ist gar nicht gut! Soll er nicht bald heiraten? Er ist doch schon seit Jahren mit Terantina ya Pirras verlobt.“, wisperte sie zurück.
„Genau aus dem Grund,“ erwiderte Belisa, „habe ich ihn damals auch abgelehnt – und weil er ein furchtbarer Schürzenjäger ist.“
Yoline nickte verständnisvoll. „Trotzdem würde er all das sicherlich nicht für irgendein Mädchen machen.“, gab sie zu bedenken und deutete auf die kostbaren Geschenke. „Ich denke, er hat schon ein ernsthafteres Interesse an dir.“
„Ja, vielleicht hast du Recht. Aber selbst wenn, so ist er trotzdem einer Anderen versprochen, auch wenn ich dieser furchtbar arroganten Schnepfe Terantina gerne eins auswischen würde. Außerdem haben die Familien entschieden, was das Beste für die beiden ist und so kurz vor der Hochzeit mit dem Bräutigam eine Affäre anzufangen – Yoline, das bin einfach nicht ich! Das schreit nach Ärger!“, erklärte Belisa und sah hilfesuchend zu ihrer Schwester.
Diese nickte nachdenklich aber sagte dann mit einem verschwörerischen Lächeln: „Naja, aber eine gute Partie wäre er schon. Er sieht gut aus, kommt aus einer einflussreichen Familie und soll wohl sehr geübt sein, was das rahjanische Handwerk angeht. Außerdem würde ich Terantina die Schlappe gönnen. Die Frau ist wirklich unausstehlich mit ihrer Attitüde.“ Sie äffte einige theatralische Gesten nach, die sie mal bei Terantina beobachtet hatte, um ihrem Punkt Nachdruck zu verleihen und kicherte.
Belisa kaute auf ihrer Unterlippe ehe sie nachdenklich antwortete: „Wer sagt denn, dass er es auch wirklich ernst meint und er nicht noch ein bisschen Spaß sucht, bevor er verheiratet ist und – Travia bewahre – vielleicht sogar darüber hinaus.“
„Du hast eventuell Recht. Aber das solltest du zumindest herausfinden. Tanz doch mal mit ihm und rede mit ihm.“, riet Yoline mit begeistertem Glitzern in den Augen ihrer Zwillingsschwester.
„Na gut.“, seufzte Belisa und nahm die Kette wieder ab. „Dann sollte ich vielleicht seinem Diener eine Nachricht mitgeben. Oh, Yoline, bist du so lieb und bringst mir ein Rosenblatt aus dem Garten?“ Sie zwinkerte Yoline zu, die zurück zwinkerte und sich sogleich auf den Weg machte.
Dann setzte Belisa sich an den Schreibtisch und begann einen Brief zu schreiben. Eher förmlich, aber höflich.
Sie habe sich sehr über das schöne Kleinod gefreut und werde es auf dem nächsten Ball tragen. Außerdem würde sie sich freuen, seine nächste Einladung zum Tanz anzunehmen. Eine Unterschrift sparte sie sich. Die Initialen mussten vorerst reichen.
Als Yoline wiederkam, steckte sie Brief und Rosenblatt in einen Umschlag und tropfte etwas Wachs darauf.
„Dann sollten wir wohl besser mal den Boten entlassen, bevor Melsina anfängt, ihn mit peinlichen Fragen zu löchern.“, merkte Belisa an und erhob sich.

Sie fand Efferdinand mit einer Karaffe Weinschorle und einigen leichten Häppchen am Tisch im Erker. Er drehte sich aufmerksam zu ihr um, als er ihre schnellen Schritte näher kommen hörte.
Belisa setzte ein herzliches Lächeln auf. „Vielen Dank, dass Ihr mir dieses schöne Geschenk Eures Herrn überbracht habt. Bitte gebt ihm meinen herzlichen Dank und diesen Brief.“, sagte sie, während sie ihm den versiegelten Umschlag reichte.
Efferdinand erhob sich und nickte. „Natürlich, Fräulein Gerber. Mit dem größten Vergnügen und vielen Dank für Eure großzügige Gastfreundschaft.“ Er verbeugte sich tief. Zum Glück hatte er seine Verwunderung verbergen können, dass seine Herrin, Terantina ya Pirras, für einen Herren gehalten werden konnte, hatte ihn nun doch überrascht. Aber er wusste ja nicht, was in der Schatulle gewesen war und es ging ihn auch nichts an.
Belisa begleitete den Boten noch zur Tür, um ihn zu verabschieden und bemerkte nicht, wie Melsina währenddessen den Palazzo aus dem Seiteneingang verließ.

Immer darauf bedacht, einige Schritt hinter Efferdinand und außerhalb seines Blickfeldes zu bleiben folgte Melsina ihm so unauffällig, wie sie es vermochte. Phex war ihr dieses Mal gnädig, denn der Bote schien es eilig zu haben zurück zu kehren und drehte sich kein einziges Mal um. Erst als er vor einem neueren Palazzo in Richtung des Dienstboteneingangs abbog, blickte er sich kurz um. Gerade noch rechtzeitig machte Melsina einen beherzten Satz, so dass ein großer Oleanderstrauch im Garten des Anwesens die Sichtlinie zwischen ihr und Efferdinand verdeckte.
Nachdem der Schreck verflogen war, machte Melsina sich nachdenklich wieder auf den Rückweg. Wer aus dem Hause der ya Pirras würde ihrer Schwester ein solches Geschenk machen? Die unverheirateten Männer des Hauses waren alle eher in ihrem Alter und damit zu jung für Belisa. Außerdem schienen die ya Pirras die Gerbers nicht besonders gut leiden zu können. Wie sagte Tante Quenia einmal?
Dünkelhaft und eingebildet seien die Mitglieder der Familie ya Pirras und blickten auf die anderen Bürger herab, nur weil sie von adeligem Stand seien. So sollten sich die Gerbers nicht benehmen, denn den fleißigen Arbeitern in der Gerberstadt verdankten sie den Wohlstand und durch Fleiß, harte Arbeit und Diplomatie hatten die Vorfahren es geschafft, dass es der Familie nun so gut ging. Trotzdem sollte man zu allen nett sein und nicht ohne Not einen Streit anfangen. So hatte Quenia es ihr erklärt, als sie noch jünger war.
Alles in Allem verwirrte ihre Beobachtung Melsina: Im Palazzo der ya Pirras lebte eigentlich niemand, der Belisa eine solche Kette mit Blumenstrauß schenken würde. Das passte alles nicht zusammen.
Mit ihren Schwestern konnte Melsina aber nicht darüber reden. Die würden nur wieder schimpfen und sie danach hinauswerfen. Zu ihren Eltern oder ihrer Tante wollte sie aber auch nicht. Schließlich war sie ja keine Petze. Sie musste versuchen, das Rätsel irgendwie selbst zu lösen.
Kurzerhand lenkte sie ihre Schritte in Richtung Hesindetempel. Dort konnte man am besten nachdenken. Vielleicht hatte sie ja sogar Glück und seine Gnaden Gryphino d’Antelli nahm sich etwas Zeit für sie. Sie mochte es, wie er ruhig und scheinbar unberührt zuhörte und dann plötzlich etwas unglaublich Schlaues und Durchdachtes sagte. Er hörte sich sogar ihre Ideen und Gedanken zu Problemen an und im Gegensatz zu den meisten anderen, verspottete er sie nicht oder sagte, sie sei kindisch. Ja, vielleicht sollte sie mit Gryphino über ihr Rätsel reden.


'Es läuft ja wie geplant', dachte Terantina und nippte an ihrem Wein. Als der Diener mit dem Brief der kleinen Gerber zurück kam, wusste sie, das sie angebissen hatte. Wie höflich und artig sie sich für das Geschenk bedankte. War ja auch kostspielig genug gewesen. Und die nächste Einladung zum Tanz würde sie auch annehmen. Hach, wie herrlich naiv und unschuldig. Jetzt mußte sie Dartan nur noch dazu bringen sie aufzufordern. Das dürfte nicht so schwierig sein. Sie wußte ja das Belisa die letzte Aufforderung zum Tanz abgelehnt hatte und genau da würde sie ihn packen. Bei seiner gekränkten Ehre.

Vorher sollte sie wohl den Trank zu sich genommen haben. Es wäre wohl am Besten, wenn sie vorher die Möglichkeit hätte, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Da könnte ihr bestimmt Phelippa mit ihren Freundinnen helfen. Wenn diese wie ein Bienenschwarm um Belisa herum kreisten, sollte genug Ablenkung vorhanden sein um ihr danach etwas "verdünnten" Wein zur Entspannung anzubieten, welches sie aus Höflichkeit der zukünftigen Braut gegenüber bestimmt nicht ablehnen wird. Und dann können die zwei tanzen und Belisa wird Dartan tief in die Augen schauen und so weiter und so weiter. Und am Ende wird sie unter Zeugen die beiden in flagranti erwischen, eine Szene hinlegen wie sie im Buche steht und entrüstet darauf bestehen die Verlobung aufzulösen. Denn was kann es Schlimmeres geben, als am Tag der Treue seine Zukünftige zu betrügen. Sie wäre dann endlich frei. Zufrieden grinste sie und zerrieb das Rosenblatt zwischen ihren Fingern.