Briefspiel:Kinder der Nacht (3)

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: in einer Nacht zwischen 17.-20. Travia 1038 BF Schauplatz: Gasthaus Firdayoner und die Katakomben Urbasis Entstehungszeitraum: ab August 2014
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Familie ya Malachis.png Cassian, Familie Flaviora.png Flaviora, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Familie di Bassalo.png Klimpermädchen,
Familie di Bassalo.png Neli, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Dalidion.png Storai, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Finnian & Sanjana · Shafiro & Ivica · Cavalliera Yandriga · Das Vorhaben mit den Tunneln · Der Zusammenstoß vor der Tür · Ein Lachanfall · Blanker Stahl · Katakom... · Aufbruch · Beim Bestiarium · Unter der Erde · In die Tiefe · Verfolgung I · Verfolgung II · Angriff · Flucht · Verhör · Tumult · Rettende Begegnung

Cavalliera Yandriga

Autor: Gonfaloniere

Yandriga sog einmal tief Luft ein, als sie den Ort des Schreckens hinter sich gelassen hatte. Vor ihr lag der Renascentia-Platz Urbasis, in ihrem Rücken ragte hingegen der noch immer rußgeschwärzte Turm des niedergebrannten Palasts ihrer Familie in den Abendhimmel. Sie wusste, dass er es tat, warf jedoch keinen Blick zurück. Die Erinnerungen an jene verhängnisvolle Nacht verfolgten sie ohnehin seit Monden unentwegt, so dass sie froh war, sie nicht stets aufs Neue auffrischen zu müssen.
‚Wie kann Panthino nur darin wohnen?‘
Kopfschüttelnd lenkte die Cavalliera ihre Schritte weg von ihrem einstigen, zeitweiligen Zuhause. ‚Travianos Palast‘ hatte sie ihn selbst immer genannt, da ihr Bruder ihn hatte errichten lassen, während sie selbst in Almada weilte und erst nach dem Tod des Bruders erstmals aufsuchte. Aufsuchte? Nein, darin wohnte. Rund vier Jahre waren der Palast und die umgebende Stadt ihre Heimat gewesen, doch das schien ihr jetzt schon wieder ewig her zu sein. Ihre Aufenthalte in Urbasi beschränkten sich seither auf wenige ‚wichtige Botengänge‘, zu denen sie von Panthino von Zeit zu Zeit zwischen Urbet und Urbasi verdonnert wurde, damit sie als Cavalliera der Fürstlichen Gemeinde überhaupt noch in derselben gesehen wurde.
Mittlerweile hatte sie den Renascentia-Platz einmal quer hinter sich gelassen, und verschwand zwischen dem Castello- und Tamarasco-Palast im Straßengewirr der Oberstadt. Wohin sie ihre Schritte führten, war ihr dabei gar nicht so wichtig wie die Tatsache, dass sie sie einfach vom ‚Torre del Terror‘, wie der Volksmund den verfluchten Turm längst nannte, wegführten – so weit weg wie möglich. Ihr grauste bereits beim Gedanken daran, dass es für die Rückkehr nach Urbet heute zu spät war, und sie zumindest zur unruhigen Nachtruhe noch wieder zum Ort des Schreckens würde zurückkehren müssen – später am Abend. Ein Moment, den es so weit wie möglich herauszuzögern galt, wie sie entschied.
Doch wo sollte sie hin? Die Stadt war ihr in wenigen Monden so fremd geworden, dass sie ihr heute unvertrauter erschien als selbst in den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr aus Almada. ‚Meine Heimat?‘ Nein, Heimat war Urbasi schon lange nicht mehr … und vielleicht auch nie richtig gewesen für die Cavalliera aus der Festungsstadt Urbet, die in dieser vier- oder fünfmal so viel Zeit ihres Lebens verbracht hatte wie in Urbasi. Ihre vertrautesten Gesichter, ihre Freunde und Bekannten waren im Zuge der Feuernacht alle gegangen – entweder direkt vor Borons Seelenwaage oder es hatte sie mit dem Rest der Familie nach Urbet zurückgetrieben, wenn nicht gänzlich zerstreut. Einzig Auricanius, ihr Bruder, nannte das Kloster vor der Stadt noch sein Zuhause. Doch sie wusste bereits, dass der Geweihte derzeit selbst im Dienste seines Ordens irgendwo auf Reisen unterwegs war.
Im Grunde kannte sie hier – außer ihrem ihr selbst unheimlich gewordenen Vetter Panthino – niemanden mehr näher als etwa vom flüchtigen Sehen her. Dafür kannten die Urbasier sie, denn ihr Sieg beim Großen Gestech 1034 vor allem hatte sie in der Stadt berühmt gemacht. Bewunderer gerade unter den einfachen Popoli, die sie stets wiedererkannten, gab es genug. Nur war Yandriga dieser einseitigen Bekanntschaften mittlerweile überdrüssig. Zu oft hatte sie schon erzählen müssen, wie sie einst die favorisierten Arivorer Turniergrößen mit ihren blitzartigen Ausfällen bezwungen hatte. Yandriga verehrte das Heldentum historischer Recken, das Heroische selbst, doch war ihr die Prahlerei mit entsprechenden Taten zuwider. Und wenn die Popoli sie aufforderten, von ihren ‚Heldengeschichten‘ zu erzählen, schien es immer darauf hinauszulaufen, dass genau das von ihr erwartet wurde. Wie sehr wünschte sie sich in solchen Situationen die unbeschwerte, alte Zeit herbei, da weder ein düsterer Schatten über ihrer Familie gelegen hatte, noch ihre eigene ‚Berühmtheit‘ sie so beharrlich verfolgt hätte.
Lautstarkes Gelächter schreckte sie endlich, nach vielen Minuten des gedankenversunkenen Schlenderns durch die nächtlichen Gassen Urbasis aus ihren Überlegungen auf. Licht fiel aus den Fenstern der Schankwirtschaft vor ihr auf die Straße. Sie sah nach oben. ‚Das Schild kenne ich …‘, kam ihr in den Sinn und schien zumindest einige wenige freudige Erinnerungen an ihre urbasischen Jahre wieder wachzurufen. Sie stand vor dem Gasthaus Firdayoner … und haderte dennoch, ob sie diesen einen Schritt noch machen sollte … zur Tür herein … oder doch lieber einfach daran vorbeigehen …