Briefspiel:Königsturnier/In Diensten des Horas

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 28. Rahja 1038 BF Schauplatz: Arivor Entstehungszeitraum: August 2015
Protagonisten: Der Horas (indirekt), Darion Amarinto, Folnor von Firdayon-Bethana Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Horasreich-klein.png Haus Firdayon-Bethana.png Athanasius


Der Briefspieltext In Diensten des Horas dient gleichermaßen als Fortsetzung der Vorgänge auf der während der Siegerehrung sowie als Epilog des Königsturnier des Jahres 1038 BF.

Arivor, Alte Burg, 28. Rahja 1038 BF

Erwacht in Licht und Schatten - Darion Amarinto

Darion Amarinto schlug die Augen auf. Sein Kopf schmerzte. Er lag in einem Raum, dessen eine Seite in absoluter Dunkelheit lag, obwohl er sah, dass durch ein hohes Fenster Sonnenlicht eindrang. Verwirrt schloss er die Augen, öffnete sie wieder und blickte sich um. Die Dunkelheit wanderte mit seinem Blick. Ein ungutes Gefühl schlich sich in seine Glieder. Er hob die Hand, tastete über sein Gesicht. Ein dicker Verband war um eine Seite seines Kopfes geschlungen, verdeckte das linke Auge.

Erinnerungsfetzen zuckten durch seine Gedanken. Die Siegerehrung. Der Erzherrscher. Eine Lanze. Regen.

Das lachende Gesicht von Schreyens. Schmerz und eine blutige Klinge. Er hörte die Schritte erst, als der Mann bereits am Fuße des Bettes stand, auf dem Darion lag. Er richtete sich halb auf. Schmerz zuckte wieder durch seine Schläfen. Mit zusammengebissenen Zähnen grüßte er den Ankömmling.

"Comto Folnor, Baron."

Der junge Firdayon-Bethana blickte auf ihn herab, einen Arm in einer Schlinge. Er neigte respektvoll den Kopf. "Signore Darion. Ihr seid wach, das ist gut. Könnt Ihr aufstehen?"

Stöhnend richtete sich Darion ganz auf, schwang ein Bein über die Bettkante. "Wenn ich muss." Der alternde Veteran grinste und unterdrückte dann einen Fluch, als wieder Schmerzwellen durch seinen Kopf rollten.

"Ich habe mit dem Medicus gesprochen. Ihr könnt froh sein, dass Ihr mit dem Leben davongekommen seid. Sie haben drei Tage um Euch gekämpft. Irgendetwas war mit der Klinge von Schreyens."

Drei Tage. Darion konnte sich an die vergangene Zeit kaum erinnern. Da waren nur dunkle Schemen und roter Schmerz.

"Wie geht es dem Erzherrscher?" Nun lächelte der junge Prinz von Geblüt. "Er wurde noch schwerer verletzt als Ihr, Signore. Aber ich glaube, die Götter rufen ihn noch nicht zu sich."

"Dann lasst uns zu ihm gehen, ich kann aufstehen."

Folnor schüttelte den Kopf. "Es ist nicht der Erzherrscher, der uns rufen ließ." Er unterbrach einen Augenblick, Darion konnte auf seinen Zügen eine gewisse Unsicherheit lesen.
"Der Horas will uns sprechen."

Sangreal, Horasia, im Rondra 1039 BF

Folnor von Firdayon-Bethana war nicht zum ersten Mal im Sangreal, aber er war wiederum erschlagen von der Pracht und Größe des Gebäudes. Er war zu jung, um Vergleiche mit der Vinsalter Zeit der Kaiserin Amene anstellen zu können, aber ihn hatte dieser Ort schon bei seinem ersten Besuch gleichzeitig in seinen Bann gezogen, wie befremdet. Der Palast wirkte, so nah an jenem Felsen, wo einst ein Greif den göttlichen Horas zum ersten Mal auf Aventurien abgesetzt hatte, gleichzeitig angemessen wie – mitten zwischen den Hügeln Yaquiriens – Fehl am Platze.

Dieser und manch andere Gedanke beschäftigten ihn – lenken mich ab, gestand er sich ein – bis seine Stiefel schließlich auf blankem schwarzen Marmor zum Stehen kamen und ein Diener mit der goldenen Sonnenscheibe auf der Brust ihm bedeutete, dass er am Ziel angekommen sei. Vor ihm öffnete sich ein langer Gang, der nicht von steinernen Säulen oder Figurinen gesäumt war, sondern von einem knappen Dutzend Männer und Frauen. An seinem Ende lag ein Raum, dessen geöffnete goldbeschlagene Pforte ihm anzeigte, dass er eintreten konnte. Der Drachensaal lag hinter ihr.

Folnor prüfte mit raschem Blick seine Kleidung auf unliebsame Stofffalten, rieb seine Stiefelspitze einmal über seinen Unterschenkel und stellte dann fest, dass er keinen Grund mehr hatte, zu warten. Er straffte sich und schritt voran. Die Blicke der Wartenden begleiteten ihn. Der Baron hatte nicht die Ruhe, sich alle Gesichter einzuprägen, wiewohl er sicher war, die wenigsten von den Männern und Frauen, die vor dem Drachensaal warteten, zu kennen. Ein Gesicht stach jedoch heraus, schon allein aufgrund der dunklen Augenklappe, die dem Krieger ein noch gefährlicheres Äußeres verliehen. Folnor nickte Darion Amarinto im Vorbeigehen zu. Vor diesem Mann musste er sich nicht fürchten.

Dann war die Pforte durchschritten.

Drei Gestalten standen in dem Raum, auf einer Treppe, die zur Rückwand führte, ohne dass recht klar war, warum man dort hinaufsteigen sollte. Das hintere Ende des Raumes war in Schatten gehüllt, der Kerzenschimmer, der dorthin drang, ließ die Wand wirken, als riesele von ihr ein dunkler Wasserfall herab. Ein Plätschern war nicht zu hören.

Alle drei waren in reinweiße Gewänder gehüllt, die Gesichter hinter breiten Kapuzen verborgen. Langsam, wie auf ein Zeichen reagierend, das Folnor überhört oder übersehen hatte, traten hinter ihm die anderen elf Frauen und Männer ein und umringten ihn. Fast alle ließen den Blick durch den Raum schweifen und alle zwölf warteten nun gebannt.

„Die Wogen der Weltzeitwende wirbeln. Das Reich braucht einen festen Griff am Steuer und einen starken Arm am Ruder, um den Kurs zu halten und nicht in Strudel und Untiefen zu geraten.“

Folnor stutzte, als der Sprecher die Kapuze zurückschlug: Mit regloser Mine schaute ihm ein Mitstreiter um den Tjost des Königsturniers entgegen. Ein Famerlorianer? Er kannte den Mann nicht gut, aber der rote Backenbart und die rauen Züge Leonatos, der sich „der Rote“ nannte, waren unverwechselbar.

„Eine neue Zeit dämmert.“ Diesmal sprach eine andere der Gestalten. Eine Frau. „Im Zwielicht des Anbrechenden sieht das Auge manches, was nicht da ist und anderes, das große Gefahren birgt, übersieht es. Wo das Auge nichts sieht, muss das Herz seinen Blick durch Nebel und Wolken richten, muss Schatten von Finsternis unterscheiden, auf dem Weg zum lichten Tag.“

Als die zweite Sprecherin die Kapuze zurückschlug erkannte der Baron, dass es sich auch bei dieser um eine Bekannte handelte – Cesara della Carenio, jene Heilig-Blut-Ritterin, hatte ebenfalls am Königsturnier teilgenommen.

„Ein neues Zeitalter bricht an. Jeder Neuanfang birgt Gefahren und Ängste, für den Leib, für die Seele. Er birgt aber auch Gelegenheiten, das Dererund besser zu machen. Mancher langgehegte Brauch, der dann gewogen werden muss, ist für Popolo, Nobili, Patrizier und Comites, für das Reich als Ganzes Ballast, den es abzuwerfen gilt. Viele andere sind jedoch Grund- und Ecksteine, auf die das Neue aufgebaut werden muss, will das Gebäude, das unter dem Adlerbanner steht, nicht brüchig werden und letztlich einstürzen.“

Zuletzt fiel sein Blick auf eine Frau mit dunklen Augen und schwarzen Haaren. Er schüttelte im Geiste den Kopf. Diese Frau war ihm unbekannt. Als einzige von den dreien trug sie etwas in der Hand. Ein Kissen, auf dem etwas Kleines glitzerte. Eine Brosche?

„Nur jene, die wachen Geistes sind, vermögen zu unterscheiden, was Ballast und was Stütze, was überkommener Aberglaube und was wichtige Tradition ist.“

Folnor versuchte seine Gedanken zu ordnen, um den Worten einen verborgenen Sinn zu entringen. Starker Arm, sehendes Herz und wacher Geist.

„Ihr alle seid heute hier, weil wir in Euch jene Gaben gesehen haben, von denen wir sicher sind, dass das Reich sie in der neuen Zeit brauchen wird.“
Jene letzte Stimme, kam nicht von einer der drei Gestalten, sondern erklang kräftig und nah und doch irgendwie verborgen und fern. Sie gehörte unzweifelhaft einem Mann, wirkte aber ansonsten schwer bestimmbar, fast alterslos.

Das Wasser – ein Vorhang! – kräuselte sich und eine schlanke Gestalt trat hindurch. Sie hatte sofort die Aufmerksamkeit des Barons. Folnor sank auf ein Knie hinab. Um ihn herum taten es ihm die anderen elf Männer und Frauen gleich, als sie den Horas erkannten.

„Die Ereignisse in Arivor haben unsere Überzeugung bekräftigt. Lange haben wir beobachtet und gesehen, doch in Euch glauben wir diejenigen Menschenkinder gefunden zu haben, mit denen an der Seite wir uns den Herausforderungen der Weltzeitwende gewachsen fühlen. So tretet denn nun vor Paladine des Reiches und empfangt das Zeichen Eurer Bürde!“
Bei diesen Worten trat die dunkelhaarige Robenträgerin vor. Folnor spürte ein Kribbeln der Aufregung und Unruhe, aber auch des Stolzes, als ihm die Brosche ans Wams geheftet wurde.
Ich. Folnor von Aldyra. Ein Paladin!