Briefspiel:Hoher Besuch/Magistratspalast

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Haus Carson klein.png OrsinoCarson
Haus di Côntris.png Di Côntris
Haus di Matienna.png Di Matienna
Familie di Ulfaran.png Di Ulfaran
Familie Wankara klein.png Wankara

Shenilo, Magistratspalast, Nachmittag des 17. Boron 1037 BF

Die Feder kratzte eilig über das Pergament und Zadalon Crassac ignorierte den Schmerz in seinem angeschlagenen Handgelenk, um die Worte der Pertakiser Verhandlungsführer vollständig notieren zu können.

Matriarchin Saggia di Pertakir

„...und selbst wenn meine Heimat nicht die reichere, wichtigere und größere Stadt wäre, selbst wenn sie nicht seit Jahrhunderten politisches und wirtschaftliches Zentrum der Ponterra wäre, selbst wenn das alles nicht so wäre, werter Gransignore, werte Sheniloer, wer gibt euch dann das Recht den Heiligen und seine Pilgerströme ganz für euch zu reklamieren? Habt ihr euch seiner denn als würdig erwiesen? Ihr wollt die Stadt des Einhändigen sein, dabei wirkt es, als verdiene Shenilo eher den Beinamen die Hundertköpfige oder die Tausendzüngige!“
Ein schmerzhaftes Geräusch verriet, dass Zadalon über diese letzte Bemerkung zu stark auf die Feder gedrückt hatte. Er war heilfroh, dass sein Lapsus im wütenden Gemurmel der Curatorin Jobornu unterging. Zum ersten Mal seit einigen Minuten blickte der Schreiber in dem hohen Raum umher, der die Verhandlungsführer der beiden ponterranischen Städte beherbergte. Am westlichen Kopf der Tafel saß der Gransignore von Shenilo, Baron Orsino Carson, flankiert von der Baronin von Arinken, Secretaria Guiliana di Matienna und Lysadion di Côntris, dem greisen Verhandlungsführer mit der Yaquirstadt. Neben der Secretaria saß Kusminela Ager, die Camerlenga und damit Verantwortliche für Handel und Stadtkasse und ihr gegenüber hatten die beiden Vertreter der Curia, Odina Jobornu und Cusimo di Ulfaran Platz genommen.

Alessandro ya Ilsandro, Gransignor von Pertakis

An der östlichen Kopfseite des Tisches saßen Gransignor Alessandro aus Pertakis und die vielleicht zweitmächtigste Frau der Yaquirstadt, Saggia Chamera di Pertakir, die Matriarchin des alten Rittergeschlechts und Oberhofzollmeisterin der Yaquirbrücke. Von ihr waren die heftigen Worte gesprochen worden, denen Alessandro ya Ilsandro mit beschwichtigender Geste nachschob: „Geschätzte Saggia, diese...Beobachtungen bringen uns doch hier nicht weiter. Zweifelsohne behaupten auch Gransignore Orsino und seine Bundesgenossen nicht, dass der Heilige Geron den Shenilern gehört, das wäre töricht.“ Alessandro lächelte die anderen Sheniloer über den Tisch gewinnend an, bevor er einen Schluck aus dem silbernen Pokal nahm, den ein Diener vor ihm abgestellt hatte.
Die Pertakiser hatten sich in der letzten Stunde fast immer so verhalten: Signora Saggia attackierte und stelle klar, dass die Yaquirstadt zu wenigen, wenn nicht zu garkeinen Zugeständnissen bereit war, Gransignor Alessandro signalisierte Gesprächsbereitschaft, ohne aber bisher seinerseits Angebote zu machen. Und in Kürze wurden die Verhandlungsführer auf dem Balkon des Palastes erwartet, um zum versammelten Popolo zu sprechen, und erste Verhandlungsergebnisse zu verkünden. Die Frage ist, was Ilsandro und Carson berichten wollen, wenn das so weitergeht.

„Es ist doch unbestritten, dass der Heilige Geron die Geschicke der ganzen Ponterra geprägt hat, auch wenn er hier in Shenilo zur letzten Ruhe gebettet worden sein mag: Bei Castarosa erinnert man sich noch an ein geschupptes Hexenweib, das er besiegte und in Pertakis residierte sein Waffenbruder und Gefährte Ulfaro. Ich frage deshalb, warum sollten die Gläubigen, die jenen Helden nacheifern oder zu ihren heiligen Stätten reisen wollen, aufgeteilt werden, als gehörten sie dieser oder jener Stadt der Ponterra? In Pertakis‘ Halle des Helden steht bereits ein Wandrelief, das des großen Anführers Ulfaro, des Einhändigen, gedenkt. Warum sollte nicht auch hier in Shenilo, demjenigen gedacht werden, der den Einhändigen hier begraben hat?“ Zadalon schmunzelte einen Lidschlag, bevor er seine Züge wieder unter Kontrolle hatte. Und warum sollte nicht auch die Schatulle der Pertakiser in gleicher Weise vom Grab des Einhändigen profitieren? Die Pilgerzölle füllten die Kassen der Pertakiser schon jetzt, schädigten aber auch die beiden Städte, weil sie vor allem die ärmeren Pilger davon Abstand nehmen ließen, die Reise zum Geronsgrab zu unternehmen.
Das wusste auch Alessandro Ilsandro, auch wenn er es nicht zugab. Konnte es sein, dass er ein Angebot der Sheniloer brauchte, um etwas aufzuheben, was ihm selbst nicht gefiel?

Enttäuschter Schwertmeister

Cusimo verdrehte bei den Tiraden Saggias die Augen. Ein wenig gelangweilt vom bisherigen Gesprächsverlauf drehte er seinen mondsilberverzierten Gehstock zwischen den Händen, um zumindest diesen eine Beschäftgung zu geben. Er war zwar stolz so kurz nach der Wahl und seiner ersten Amtsperiode schon als Gesandter der Curia anwesend sein zu dürfen, doch hätte er nicht mit einem so eintönigen Gesprächsverlauf gerechnet.

So saß er nun zwischen den Patriziern Shenilos und Pertakis' und zupfte eine Fluse von seinem grünen, knöchellangen Brokatsurcot, welches er sich eigens hatte anfertigen lassen. Zusammen mit seinem langärmeligen Seidenhemd, der feinen Hose und seinen Iryanlederstiefeln wirkte er nicht mehr wie ein Fechter, sondern eher wie ein wohlhabender Kaufmann oder Gelehrter. Die Brille, die er momentan in der Hand hielt, tat ihr übriges zu diesem Eindruck.

Cusimo griff nach seinem Kelch, den er wohlweislich mit frischem Saft hatte füllen lassen, obwohl ihm Wein allemal lieber gewesen wäre. Kurz bevor er einen Schluck nahm sagte er halblaut, dass es an der sheniloer Tischhälfte wohl gerade noch verstanden werden konnte: "Wahrlich, ich glaube die geschuppte Hexe ist nicht tot, sondern sitzt leibhaftig an diesem Tisch!", dabei schwenkten seine Augen zu Saggia di Pertakir herüber.

Vom Handelsstreit zum Heiligenstreit? Guiliana zweifelt

Die Verhandlungen hatten sich von ungewohnter Seite als zäh wie Orazal erwiesen. Guiliana di Matienna hatte mit Obstruktion von Seiten der Sheniloer gerechnet, über die sich schon Benedict beklagt hatte, aber was Saggia di Pertakir hier aufführte warf die Frage auf, warum sie sich überhaupt auf den Weg hierher gemacht hatte. Saggia hatte zwar alles andere als unrecht mit dem, was sie über Shenilo gesagt hatte, nur half es in diesem Moment nicht im geringsten weiter.

„Mein Heiliger! Nein, mein Heiliger! Gib das her! Nein, es gehört mir!“

Wie bei Kindern, die um Süßigkeiten stritten, ging es hier zu. Zum Glück war niemand auf die Idee gekommen, Arana von Shenilo hinzuzuziehen, wahrscheinlich würde schon Blut fließen. Als könnte irgendjemand den größten Helden Aventuriens allein für sich beanspruchen.

„Mein Heiliger ist stärker als deiner!“

Nun, dass dieser Ulfaro Geron dem Einhändigen nicht das Wasser reichen konnte wusste wohl jeder im Raum. Pilger von weiter weg kannten den Pertakischen Heiligen – war das überhaupt ein Heiliger? - wahrscheinlich gar nicht. Schmerzte es womöglich die pertakische Seite, was Rondraheilige anging den Kürzeren gezogen zu haben?

Nachdem sie Cusimo mit einem subtilen Nicken ihre Zustimmung signalisiert hatte, räusperte sie sich, um Alessandro Ilsandros Bemerkung aufzugreifen.

„Schlagt Ihr vor, Shenilo solle dafür Sorge tragen, am Geronsgrab die...“, sie machte eine kurze Kunstpause, um ein möglichst harmloses Wort zu finden „...Sichtbarkeit des Helden Ulfaro zu erhöhen, so dass Ihr euch nicht länger gezwungen seht, auf eine Art am Pilgerstrom teilzuhaben, die ihn womöglich zum Versiegen bringt? Es ist es sicherlich wert, darüber nachzudenken, auch wenn es letztendlich eine Angelegenheit der Geweihtenschaft ist.“

Und in jeder Hinsicht praktikabler, als das Geronsgrab an einen anderen Ort zu verlegen, Signora di Pertakir. fügte Guiliana in Gedanken hinzu, die oberste Grundregel der Diplomatie beachtend „Sage nie das, was du denkst.“ Warum war eigentlich niemand auf die Idee gekommen, Arana von Shenilo zu den Beratungen hinzuzuziehen? Oder Leon ya Drusecco, der für einen Pertakischen einen ganz passablen Eindruck machte?

Ponterranische Kirchensysteme

Saggia, die Herrin der Yaquirbrücke, lächelte schmal, zum ersten Mal seit längerer Zeit war das stete Stirnrunzeln unter ihrer eigentümlichen Pelzmütze verschwunden. "Wir sind doch unter uns, Baronin Guiliana! Selbst wenn wir für einen Augenblick so tun, als hätten die Familien der Signorien unserer beiden Städte keinen Einfluss auf die Kirche der Rondra vor Ort, so wird man doch im Tempel des Heiligen und in der Halle des Helden gleichermaßen auf das hören, was wir hier heute sprechen - auch wenn es nur wohlmeinende Ratschläge sind!"
Sie vermied es tunlichst den Namen ihres Sohnes, Endigo, direkt ins Spiel zu bringen. Es hatte sie einige Zeit und viele Gefallen gekostet, bis seine Rolle bei dem...Verlust der Gebeine Gerons vor nunmehr elf Jahren in Kirche und Ponterra in Vergessenheit geraten war.

Um was geht es Euch wirklich, Exzellenzen?

Der greise Alt-Herr von Côntris, Lysadion di Côntris, saß wie ein Stein an der Seite des Gransignores von Shenilo. Seine Augen waren verschlossen und man hätte fast meinen können er schliefe. Seine Haut war fahl, fast ebenso weiß wie sein Haar und sein altbekannter Schnurrbart. Nachdem der Einwand der Gesandten von Pertakis verklungen war öffnete er seine Augen, welche im Gegensatz zu dem Rest seines Körpers äußerst lebendig schienen. "Exzellenz di Pertakir," eröffnete der Alte, der in diesem Götterlauf seinen einhundertvierten Tsatag feierte. "Ich habe in den letzten Jahren nur selten meine Gemächer verlassen. So selten, dass mich selbst einige meiner alten Freunde und Verwandten bereits für tot hielten. Und nun heute, habe ich mich auf den beschwerlichen Weg von Côntris bis hierher gemacht, um mit Euch die Zukunft unserer Städte zu besprechen. Bitte habt deshalb Verständnis, dass ich nur begrenzt Zeit habe, mich mit Plaudereien aufzuhalten. Ihr seid ebenfalls von Pertakis her gekommen, um mit uns ins Gespräch über gar dringliche Anliegen zu treten. Ist dies wirklich der Grund warum ihr hierher gekommen seit? Dass Pertakis, eine Stadt welche, wie Ihr schon sagtet, Shenilo und Côntris an Glanz weit überstrahlt, dass eine solch wichtige Stadt das kleine Shenilo um die Gebeine eines toten Helden beneidet? Und seien es auch die Knochen des heiligen Geron. Eure Stadt, Pertakis, hat aus genau diesem Grund Strafzölle erhoben, welche die gesamte Region empfindlich treffen. Wir sind heute gekommen um genau dies zu besprechen. Nun haben wir hier zwei Parteien: Eine geschädigte, und eine andere die diesen Schaden verschuldet hat. Denkt Ihr nicht auch, dass es nicht eher für unsere Partei an der Zeit wäre, Anklage zu erheben und Forderungen zu stellen? Wenn es euch um das Geronsgrab geht, habe ich keine Zweifel, dass wir zu einer einvernehmlichen Lösung finden werden." Lysadion blickte die pertakiser Gesandtschaft eindringlich an. "Aber geht es Euch wirklich darum, Exzellenzen?"

Der Vorschlag der Pertaker

Zadalon ließ einen Augenblick seine Schreibfeder ruhen und massierte verstohlen sein Handgelenk. Er hätte den raschen Blick, den Saggia di Pertakir und Alessandro ya Ilsandro einander zuwarfen, beinahe übersehen.
Der Gransignor und Stadtherr von Pertakis räusperte sich.
„Nun, auch mit niedrigeren Zöllen kommen noch genügend Pilger über die Yaquirbrücke, das ist wohl war. Das Anliegen der Signoria ist vielmehr, dass der Yaquir als Lebensader des Handels der Ponterra endlich wieder frei fließen kann. Wie Ihr alle wisst sind seit Jahren die Bauarbeiten zu jenem größten Wirtschaftsprojekt der Herrschaft des jungen Horas im Gange. Ich meine natürlich den Kaiserkanal, der dereinst Bethana und Horasia und über Balthar und den Yaquir auch Kuslik und Pertakis miteinander verbinden soll. Sicherlich haben auch die Kaufherren Shenilos längst erkannt, welche Gelegenheit der Kanal für den Handel der Ponterra darstellen kann – aber auch welche Gefahr, sollten andere vor uns ihre Gabeln in jenen Kuchen stecken.“
„Shenilo erhebt Anspruch auf Balthar, das bald zum Yaquirhafen des Kaiserkanals werden könnte – aber Kuslik und seine Schwarzen Säbel scheinen da andere Vorstellungen zu haben.“ Der Gransignor der Yaquirstadt lächelte humorlos.
„Unsere Kontakte berichten uns, dass Euch derzeit die Mittel fehlen, Euch in der Stadt durchzusetzen.“ Er breitete die Hände aus. „Die Kassen unserer Stadt sind dagegen prall gefüllt. Wir könnten Euch das geben, was Euch in Balthar fehlt – wenn Ihr uns Anteil an den künftigen Gewinnen haben lasst!“
Alessandro wartete einen Augenblick mit vorsichtiger Mine auf eine Reaktion auf seinen Vorschlag.
Saggia di Pertakir wedelte mit der Linken. „Oder, um es deutlicher zu sagen: Ich sende meine Zöllner zu ihren Frauen und Männern nach Hause, wenn Ihr in ein Pertakiser Kontor in Balthar einwilligt!“

Die Curatoren kommentieren

Kurz huschte ein irritierter Ausdruck über Cusimos Gesicht, bevor er sich wieder fangen konnte. Das ganze Theater, die ganzen Probleme und Handelsstreitigkeiten, nur um ein Kontor in Balthar zu eröffnen?
Cusimo beugte sich leicht nach vorne und sprach bewusst leise und an die sheniloer Delegierten gewandt: "Wenn es nur um ein Kontor geht, so gebt es ihnen doch. Wenn Balthar unter dem Einfluss Shenilos steht, dann können wir den auswärtigen, in diesem Fall pertakischen, Handel mit höheren Steuern belegen. Unsere Verluste wären minimal und bis es soweit ist geht noch viel Wasser den Yaquir hinunter, wer weiß wie es zwischen den Städten steht, wenn es soweit ist."
Nun direkt an Orsino gewandt fuhr Cusimo fort: "Vor Allem können wir der Stadt eine Lösung präsentieren, bei der wir nicht das Gesicht verlieren. Ganz davon abgesehen, dass Ihr der erste Gransignore Shenilos wärt, der wieder einen Schritt auf den fordernden Nachbarn zu macht. Durchaus einer Erwähnung in der Geschichte der Ponterra wert, wenn ich mich nicht irre."

''Wollt Ihr sie so billig davonkommen lassen?"
Odina Jobornu warf ihrem Mitcurator einen wütenden Blick zu. "Sie bekommen ein Handelskontor irgendwo am Yaquir und all das Leid, das viele Familien im Geronsviertel, Nuovo Ruthor und Porta Pertakia getroffen hat, ist einfach vergessen? Sie kriegen einen Teil vom Heiligenkuchen ab und die Horaspastete wollt Ihr ihnen auch noch anbieten?"
Sie kümmerte sich nicht darum, ob die pertakischen Verhandlungsführer ihre Worte hörten oder nicht.

Die Baronin von Arinken und die Gerbermeisterin aus Joborn

Guiliana rollte mit den Augen, als sie Odina Worte und die in ihnen enthaltene typisch Sheniloer Engstirnigkeit vernahm. Als ginge es hier um eine handvoll Viertel in Shenilo, von denen einige Bewohner sich in Zukunft einen ehrlichen Broterwerb suchen mussten, statt Pilger auszunehmen.

"Ihr beleidigt all jene, die wirklich gelitten haben. Habt Ihr jemals in Eurem Leben Shenilo verlassen und Euch die übrige Ponterra angesehen? Hier geht es um mehr als Nuovo Ruthor oder Porta Pertakia. Es ist nur gerecht und angebracht, um nicht zu sagen, längst überfällig, dass auch diese Menschen ein Mal etwas zum Wohl der Ponterra opfern, statt wie bisher andere bluten zu lassen."

Das ledrige Gesicht der Gildenmeisterin versteifte sich - rot wurde es allerdings nicht. Dann erhob sie sich, bevor sie der Baronin ein hässliches Lächeln schenkte. "Ihr wisst nichts über mich, Hochgeboren." Sie betonte den Titel langgezogen. "Maßt Euch allerdings ein Urteil an. Meine Familie kommt von weit her - man sagt, Eure hätte die Wälder am Arinkel seit Jahrhunderten nicht verlassen."
An der Tür des Verhandlungsaales angekommen wandte sich Odina noch einmal um. "Ich werde der Gilde und den anderen Curatoren mitteilen, was hier gesagt wurde."
Sie nickte heftig in Richtung der anderen Tischseite. "Eines kann man den Signori aus Pertakis nicht vorwerfen. Sie sind nicht so vergesslich wie diejenigen, die gerne an ihrer statt über die Ponterra herrschen wollen. Wir haben mehr als genug Opfer gebracht, erst im Feuer von 1033 BF und danach beim Wiederaufbau unserer Werkstätten, Wohnhäuser und bei der Beerdigung unserer Lieben."
"Soweit ich mich erinnere, wart Ihr da gerade dabei, die Trümmer einer Fürstenherrschaft zusammenzukehren, die Ihr selbst mitgetragen habt."
Damit verließ die Frau aus Joborn den Raum.

Ein spöttisches "Oh, mir kommen wirklich die Tränen", war das einzige, was Guiliana der enteilenden Gildenmeisterin noch mit auf den Weg geben konnte. Guiliana flüsterte Orsino zu: "Das in Gilforn, Chetan oder Arinken zu verkünden traut sie sich sicher nicht. So viel geballte Ignoranz, welch Schande für eine Hesindestadt. Wessen geniale Idee war es, sie an diesen Beratungen teilnehmen zu lassen?"

Ein konstruktiver Ansatz

Cusimo blickte während des Wortgefechtes ein wenig verdutzt zwischen den beiden Frauen hin und her, hatte er doch nicht damit gerechnet, dass sein Vorschlag ein solches provozieren würde.

Er räusperte sich bevor er in Richtung Zadalons sagte:
"Ich bitte im Protokoll zu vermerken, dass die Curatorin Odina Jobornu aufgrund ihrer persönlichen Involviertheit in die Thematik um Porta Pertakia und dem daraus resultierenden Mangel an Cortesia einen Rückzug aus den Verhandlungen vorgezogen hat, die Curia im Folgenden allerdings durch den anwesenden Curator Cusimo Danino di Ulfaran weiter vertreten wird."

Cusimo nahm einen Schluck aus seinem Kelch, bevor er diesmal in normaler Gesprächslautstärke fortfuhr:

"Es sollte unser aller Anliegen sein den Frieden in der Ponterra zu festigen. Weder Shenilo noch Pertakis kann daran gelegen sein in einem ewigen Wirtschaftskampf Ressourcen zu verschwenden, die an anderer Stelle gebraucht werden, es sei denn man will wegen der selben Kleinlichkeit wie die Königreiche Andergast und Nostria in die Geschichtsbücher eingehen." Cusimo blickte den Anwesenden der Reihe nach in die Augen, um zu symbolisieren, dass in diesem Fall ein jeder gemeint war.

"Das ein Schaden für unsere Stadtviertel entstanden und die Bevölkerung darüber erzürnt ist kann wohl niemand leugnen, weshalb ich den Vorschlag unterbreiten möchte, dass eine symbolische Geste von Seiten Pertakis erbracht wird. Ein sichtbares Zeichen für die Bevölkerung von Porta Pertakia und Nuovo Ruthor, dass ihr Leid anerkannt und in gewisser Weise entschädigt wurde. Als Gegenleistung für ein gewünschtes Kontor in Balthar, meiner Meinung nach, nicht zu viel verlangt."

Lippenbekenntnisse

Alessandro ya Ilsandro nickte nachsichtig. Das Wortgefecht hatte er fast regungslos mitangesehen, während die Worte der Curatorin Oberhofzollmeisterin Saggia sichtlich verstimmt hatten.
"Sobald die Baumaßnahmen in Balthar beschlossen sind und der Handel wieder freier fließt werden sich sicher Möglichkeiten bieten, den Armen der Geronsstadt auch direkter zur Seite zu stehen. Vielleicht bietet sich ja gar eine Zusammenarbeit zwischen der pertakisischen Geweihtenschaft und den ehrenwerten Anstrengungen der Donatorier an?"
Alessandro lächelte seinem Amtsbruder zu. "Indes fehlte es dafür noch an einer grundsätzlichen Zustimmung von Seiten des Signore Orsino."

Eine Bedingung des Marus

Lysadions Bedingung

Lysadion di Côntris wechselte einen kurzen Blick mit Orsino, dem Gransignore von Shenilo. Dann beugte er sich langsam nach vorne, damit ihn die Gesandten aus Pertakis besser hören konnten.
"Um des Frieden Willens stimmt auch Côntris Eurem Vorschlag zu, Signor Alessandro." Die Entscheidung schien dem Greis sichtlich schwer zu fallen, war er sich doch bewusst, dass die beschlossene Rolle Balthars seine Heimatstadt Côntris am schwersten treffen würde.
"Ich habe jedoch eine Bedingung. Ich bitte Euch dem geregelten Fährverkehr zwischen Côntris und Gilforn zuzustimmen. Um zu verhindern, dass Händler in Zukunft das Stapelregal von Pertakis umgehen, schlage ich einen entsprechenden Fährzoll vor. Dieser Schiffszoll, etwa in Höhe des üblichen Stapelgeldes, soll zwischen den Städten Pertakis, Gilforn und Côntris aufgeteilt werden. Ich bin mir sicher, dass der Baron von Gilforn in diesem Punkt unsere Meinung teilt." Lysadion, der alte Maru, streckte seine Hand aus und blickte erst Orsino Carson und dann Alessandro ya Ilsandro herausfordernd an.
"Ich kannte Euren Vater Mascanderim. Er war ein guter Mann. Unter seiner Führung blühte das Land vom Arinkel bis zum Yaquir auf. Lasst uns in seinem Namen für das Wohl der gesamten Ponterra entscheiden."

Der Abschluss des Gransignore

Mit einem schwachen Nicken in Richtung des Curatoren di Ulfaran und des einstigen Herrn von Côntris richtete Gransignore Orsino noch einmal das Wort an sein Gegenüber aus Pertakis: „Dann stehen wir in der Tat vor einer Einigung, wenn wir auch die Einzelheiten noch genauer besprechen sollten. Besonders die gemeinsame Pflege der Pilgerroute zum Heiligen Geron – und seinem Waffenbruder Ulfaro – erscheint mir ein lohnenswertes, aber auch göttergefälliges Unterfangen. Was Eure Pläne in Balthar angeht, so dürfen wir nicht vergessen, dass ein Gutteil des yaquirüberschreitenden Handels in der westlichen Ponterra ohnehin schon westlich von Pertakis abgewickelt wird. Hier wäre es mein Ansinnen, dass bis zur Realisierung dieses gemeinsamen Ziels in Balthar, die entsprechende Zusammenarbeit in Handelsdingen auf die Standorte Côntris und Gilforn ausgedehnt würden: Denn der unkontrollierbare Schmuggel über den Yaquir ist etwas, das weder denjenigen unter uns, die dem Götterfürsten Praios verpflichtet sind, noch denjenigen, die sich seinem findigen Bruder Phex verbunden fühlen, erfreuen kann. Hierfür wäre womöglich die Pertakis'sche Südmeer-Handelscompagnie, in der ja auch Sheniloer Interessenten vertreten sind, ein weiterführendes Vehikel.“

Orsino wartete eine Weile auf die Reaktionen in den Gesichtern der Anwesenden, bevor er fortfuhr: „So lasst uns denn dem Volke Shenilos verkünden, dass die Gransignores von Pertakis und Shenilo erklären, dass zum einen statt der Ausbeutung des Heiligen Geron vielmehr die Förderung seiner Verehrung und der seiner Nachfolger ein gemeinsames Anliegen sein soll und zum anderen die bisherige Uneinigkeit in Handelsdingen durch ein gemeinsames Bauprojekt aufgehoben sein soll, das beide Ufer des Landes an der Brücke über den Yaquir besser aneinander binden soll.“

Die Geschichte wird hier fortgeführt: Palaststürmer