Briefspiel:Hesindes Löffel (3)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: undatiert Schauplatz: Urbasi und Umland Entstehungszeitraum: Jahreswechsel 2013/14
Protagonisten: Lissa Falira, Gylduria Deraccini, Antonius Taubenschwinge Autoren/Beteiligte: Familie Deraccini.png Terralux


Reiseaufbruch

Immer wieder sah Lissa sich ihren Begleiter an. Oder besser, sah an ihm auf. Antonius hatte sich auf ein großes Streitross geschwungen, an dem nicht nur Verpflegung und Ausrüstung, sondern auch einige Rüstungsteile für ein Turnier hingen. Ihr kleines Pony trabte munter neben dem hohen Pferd her und wollte sich auf keinen Fall abhängen lassen. Erst als sie die Vorstadt Agreppara passiert hatten, rang Lissa sich endlich dazu durch ihren Begleiter zu fragen: „Wisst ihr, die schwere Turnierrüstung wäre vielleicht nicht nötig gewesen.“
Der Ritter sah Lissa von oben herab an. Ihm blieb bei der Größe seines Pferdes kaum etwas anderes übrig. „Ich besitze nicht gerade viel. Ein weiteres Pferd könnte ich kaum versorgen, außerdem ist es nicht meine gesamte Ausrüstung, aber genug, um den meisten Problemen und Gelegenheiten zu begegnen. Was nützt mir eine Rüstung, in meinem Grab?“
Lissa dachte einen Moment darüber nach. „Was nützt euch eine Rüstung, die eure Flucht behindert?“
Antonius lächelte breit: „Was nützt euch euer Wissen, wenn ihr es später nicht weiter geben könnt. Dafür habt ihr doch immer euer Buch dabei, oder nicht?“
Irritiert von der Wendung blickte Lissa auf die dichte Satteltasche, in der sich ihr Buch der Schlange befand. „Das stimmt, aber ein Buch ist doch ungleich leichter, als eine Rüstung.“
„Ein Pferd ist auch ungleich stärker als ein Pony“, erwiderte Antonius nur. „Aber wo wir schon bei Gewichten sind. Nach was für ein Artefakt suchen wir eigentlich?“
„Gylduria hat es euch nicht erklärt?“ Als Lissa nur ein Kopfschütteln erntete, atmete sie tief ein. „Der Löffel der Hesinde ist ein recht altes, verlorenes Artefakt, das dem Benutzer ein ungeahntes Wissen zuteil werden lässt. Die Geschichten berichten von einem Beron aus Thorwal, dem es danach gelungen sein soll, mit einem Schiff bis zur Klirrfrostwüste zu gelangen und dort die Reste einer Firnelfensippe zu finden, die als verloren galt. Nottel Muntagonus war ein Vorfahr von Rakorium Muntagonus, und hat durch den Löffel Erkenntnisse über den Kult des Namenlosen bekommen und konnte einige Kultstätten zerstören, bis er zu weit ging und solche auch unter den Tempeln in Gareth vermutete.“
„Ist schon gut, er hat also viele Personen inspiriert. Das beruhigt mich, ich hatte schon die Befürchtung, dass es sich um irgendeine grausame Waffe handelt. Ich kann so etwas nicht leiden, es ist einfach unfair.“
Lissa sah den großen Mann tadelnd an. „Wissen ist sehr wohl eine Waffe!“
Dieser drehte sich noch einmal zu ihr und erklärte ernst: „Natürlich ist es das, aber im Kampf schlägt Übung noch immer jedes Waffenwissen. Der Instinkt und die Führung der Klinge, das ist es, was den Sieg bringt.“
„Aber wenn man die Schwachstellen kennt …“, warf Lissa ein.
„Ein guter Krieger sollte seine Schwachstellen selber kennen und an ihnen arbeiten, sonst ist er nicht lange ein guter Krieger. Ich habe schon einige Menschen sterben sehen und ein paar hatten meine Klinge im Leib.“ Damit schien das Gespräch für ihn beendet, denn er starrte auf die Straße vor ihnen.
Lissa dachte darüber nach. „Rondras Lehren sagen etwas Ähnliches, und dennoch studieren auch sie gelegentlich in Büchern. Ich weiß nicht, vielleicht muss man in beidem geübt sein? Ich habe ja auch festgestellt, dass ich allein von den Büchern in den Tempeln nicht weiter komme …“
Erst da merkte sie, dass Antonius sich etwas zurückfallen gelassen hatte. Er sah sich zu beiden Seiten um und fragte dann: „Mit wem redet ihr da eigentlich?“
Die Geweihte runzelte die Stirn. „Ich habe wieder geredet?“
„Mit euch selber, ja.“
Sie tippte sich an den Kopf: „Das ist wohl ein kleines Geschenk von meiner reinen Studierzeit. Wenn man den ganzen Tag in einer Bibliothek sitzt, glaubt man sich mit den Büchern zu unterhalten.“
Antonius trieb sein Pferd wieder an. „Ich dachte mir schon immer, dass Bücher verrückt machen. So viele Wörter und Buchstaben passen doch in keinen Kopf.“
Lissa schwieg dazu eine Weile. Erst nach einigen Augenblicken erwiderte sie leise: „Ich bin sehr froh über meine kleine Bibliothek im Kopf. Aber es fehlen noch einige Bücher.“