Briefspiel:Feuernacht (17)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab 7. Rondra 1035 BF, abends Schauplatz: Stadt Urbasi, besonders Palazzo Casciano Entstehungszeitraum: Juni bis Dezember 2013
Protagonisten: Haus Urbet und viele zum Fest geladene Patrizier Urbasis Autoren/Beteiligte: Familie Aspoldo.png Aspoldo, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus di Onerdi.png Di onerdi, Haus Doren.png Dorén, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie ya Ranfaran.png Ranfaran, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Dalidion.png Storai, Haus di Tamarasco.png Tamarasco, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus della Turani.png Turani, Familie Carasbaldi.png ZarinaWinterkalt


Die Nacht der scharfen Sichel (Director's Cut, FSK 16)

Autor: Toshy

Amaldo musste an seine Eltern denken. Sie waren einfache Fischer aus Efferdas, mit der Aufgabe sechs hungrige Kindermäuler zu stopfen. Ach hätten sie ihn in den letzten Jahren doch einmal noch sehen können. Er hatte es soweit gebracht. Der Weg war hart und steinig gewesen. Aber vor allem schmerzhaft. Doch mehr für jene, die sich ihm in den Weg gestellt hatten. Unerbittlich gegen alle, aber vor allem sich selbst hatte es Amaldo geschafft, seinem vorbestimmten Los als Fischer zu entkommen und stand nun als Büttel der Stadt Urbasi in am Rand des Renascentia-Platzes. Sein erster Ritt auf einem Pferd kam ihm in den Sinn. Sein erster Kuss. Er hatte ihren Namen vergessen, aber sie hatte rotes Haar gehabt.
"Es stimmt also wirklich", sagte er zu sich selbst, "man durchlebt nochmal sein ganzes Leben, wenn man stirbt!"
Er presste seinen Lederhandschuh auf die Stelle am Bauch, wo sein Waffenrock einen mehrere Finger langen Riss aufwies, aus dem unaufhörlich Blut hervorquoll. Weniger als man erwarten würde. Aber das Blut suchte sich unter der Kleidung auch noch andere Wege. Sein Blut! Er zog den Handschuh vor und betrachtete das Blut, das innerhalb weniger Augenblicke durch den Regen verwaschen wurde und zwischen seinen Finger entlang rann, ähnlich seinem Leben.
Amaldo rutschte ein Stück tiefer an der Mauer entlang, an die er sich gelehnt hatte, da seine immer schwächer werdenden Beine das Gewicht seines Körpers nicht mehr trugen. Er versuchte sich aufrecht zu halten, doch seine Beine hatten etwas dagegen. Er rutschte auch das letzte Stück zu Boden und saß nun mit dem Rücken gegen eine Mauer gepresst, an der Stelle hinter dem Tempel, zu der er beordert worden war, um den Platz abzuriegeln. Der Regen war heftiger geworden und dicke Tropen klatschten melodisch gegen seinen Brustkorb und auf den steinernen Boden.
Er hustete und spuckte Blut. Dabei fiel sein Blick auf den Büttel zu seiner Rechten. Er hieß Alrik und war kaum zwanzig Götterläufe alt gewesen. Alrik lag auf dem Bauch, aber seine Augen starrten in den verregneten Nachthimmel über Urbasi. Sein Genick war derart verdreht, wie es Amaldo noch nie zuvor gesehen hatte. Das Ungeheuer, dass ihm dass angetan hatte, hatte ihm auch einen solchen Schreck eingejagt, das Alriks Augen panisch aufgerissen waren. Amaldo hatte noch Glück gehabt, er hatte seinen Angreifer gar nicht gesehen. Er hatte seinen Angreifer nicht einmal gehört, bis er die Klinge in seinem Rücken gespürt und gesehen hatte, wie sie einige Fingerbreit aus seinem Bauch wieder hervorkam. Dann war er auch schon einige Schritt weit gegen die Mauer geschleudert worden und hatte mit angesehen, wie seine drei Begleiter starben.
Hätte er zu diesem Zeitpunkt noch an seinem Leben gehangen, so würde er jetzt mit ähnlich panischem Gesichtausdruck vor Boron treten, doch mit seinem Leben hatte er abgeschlossen. Er fühlte bereits wie sein Ende kam. Dabei wollten sie doch nur dieser Frau helfen, die in ihrem grünen, blutverschmiertem Kleid leblos auf dem Boden gelegen hatte. Doch kaum hatte er sie erkannt und war ihr mit dem Handgelenk durch ihr blondes Haar gefahren, da hatte der Angreifer zugeschlagen und sie in wenigen Augenblicken alle vier getötet. Kampf konnte man es nicht nennen, befand Almado in seinem letzten Augenblick. Mehr ein Abschlachten. Dann rutschte sein lebloser Körper zur Seite.

****

(10 Minuten zuvor:)

Silem Jalta Voldecci, der Secretario der Familie Zorgazo, stand auf dem Renascentia-Platz und betrachtete immer noch staunend das Unglück, das sich vor seinen Augen abspielte. Das Feuer brannte auf seinen Wangen und immer wieder tänzelten die Funken in den Nachthimmel, wenn wieder ein paar Mauerstücke zu Boden stürzten. Voldecci konnte sich nicht vorstellen, dass noch irgendjemand in dem Palazzo am Leben war. Er wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzen Gewandes die Schweißperlen aus dem Gesicht, die drohten seine markante Nasen hinab zu kullern.
Er beobachtete mit einigem Abstand die gesammte Hausdienerschaft des Palazzo Zorgazo, wie sie verweifelt als Teil der Menschenkette versuchten, den unrettbaren Prunkbau Urbasis seinem Schicksal noch zu entreißen. Er schätze die Chancen gegen Null.
Erschöpft ging er einige Schritte beiseite, um nicht direkt der Hitzequelle ausgesetzt zu sein. Sein Gewand klebte eh schon vom Schweiß. Er drehte sich um eine Hausecke und gab sich einen Augenblick der Verzweiflung hin, die er keinesfalls im Blickfeld der Diener preisgeben wollte. Er schloss für einige Herzschläge die Augen und roch die rauchgeschwängerte Luft. Ein ungutes Gefühl umgab ihn. Er musste aus unerklärlicher Ursache schaudern und sah sich um. Er stand in einer dunklen Seitengasse, dessen Ende er nicht erblicken konnte. Der Feuerschein drang über die Dächer und hin und wieder flackerte der Gang in orangem Licht.
Da lag doch jemand! Der Secretario kniff die Augen zusammen und ging vorsichtig in die Gasse. Dort lag jemand! Er war sich ganz sicher, jemand benötigte Hilfe. Schnell eilte er zu der Person am Boden und rüttelte an seiner Schulter. Augenscheinlich ein Knecht, gehüllt in die Farben der Urbet-Marvinko. Vielleicht einer der Hausdiener, schoss es Voldecci durch den Kopf. Hier irgendwo gibt es bestimmt einen Seiteneingang für die Bediensteten, aus dem er herausgetorkelt kam und dann hilflos zusammen brach. Der Secretario griff beherzt zu und schleifte den offensichtlich ohnmächtigen Knecht aus der Gasse. Zumindestens hatte er das vorgehabt. Bereits nach den ersten Schritten war ihm aufgefallen, dass der Junge offensichtlich ziemlich leicht war. Er blickte auf, drehte augenblicklich den Kopf zur Seite, ließ den Jungen los und übergab sich gegen die Mauer.
Er hatte den Hilfebedürftigen an den Armen gezogen und nun bemerkt, dass er nur den Oberkörper in Händen hielt. Der Torso war in Bauchhöhe sauber in zwei Hälften gehackt worden. Die Beine mit dem Unterleib lagen noch dort, wo Voldecci sie gefunden hatte. Die Gedärme verteilten sich nun über die Pflastersteine und der sich soeben ein zweites Mal übergebende Secretario bemerkte nun auch, dass Blut unter seinen Füßen klebte.
Als er geschockt seinen Blick abwendete und nach oben sah, bemerkte er die Hand die vom Dach hing. Ein kurzer prüfender Blick zu seiner Leiche und er wußte, dass es von diesem armen Burschen keine sein konnte. Er wurde kreidebleich.
"Reiß dich zusammen, Silem", schalt er sich selbst und schob ein Fass unter die Mauer. Ein Brennholzscheit diente ihm als Treppe und so kletterte er auf das Fass und blickte auf das Dach. Wieder überkam ihn die Übelkeit. Eine verzerrte und angsterfüllte Fratze blickte ihn an. Das Genick verdreht lag er auf dem Dach. Einen Wimpernschlag lang überlegt der Secretario ob dieser, offensichtlich ebenfalls ein Urbet-Marvinko-Diener, einfach aus dem brennenden Palazzo gesprungen war, um sich zu retten und dabei so unglücklich auf dem Dach aufgeschlagen war. Und der andere Diener konnte doch so unglücklich ... er verwarf die Gedanken ohne sie zu Ende zu denken, als er zum brennenenden Palazzo blickte und die Entfernung abschätze.

"Was war das?"
Er kniff die Augen zusammen und erkannte jemanden, der an der Fasade des Palazzo herumkletterte. Oder irrte er sich? Auf der dem Renascentia-Platz nicht einsehbaren Palazzoseite war doch eben jemand herumgeklettert. Das konnte nicht sein. Von hier oben hatte er jedoch einen recht guten Blick. Er erkannte am Ende der Gasse im fahlen Schein eine offen stehende Tür. Das musste eine Art Dienstboteneingang für die Diener des Palazzos sein. Er glitt vom Dach und griff seinen Dolch, der im Gürtel steckte. Dann rannte er zu der halb geöffneten Tür in der Mauer.
Vom Renascentia-Platz ertönten Rufe und Geschrei. Voldecci vernahm die Rufe nach di Salsavûr. Dann schärfte er wieder seine Sinne und schob die Tür auf und ging hindurch. Sie ließ sich nur zur Hälfte öffnen. Er schob kräftiger und sein Blick ging zu Boden. Die Tür, die leicht über den Boden schleifte, malte ein Muster auf die Plastersteine. Mit Blut. Er wich zurück. Überall Blut. Wieder wurde er kreidebleich und ihm fröstelte, trotz der nahen Hitzequelle. Er wich ein paar Schritte zurück und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Diesmal war der Schweiß jedoch kalt.
"Was geht hier nur vor sich?" Murmelte er und vernahm im selben Augenblick einen schweren metallischen Schlag auf Stein.
Er stutzte und wich noch weiter von der Tür zurück. Schritte kamen näher. Angst erfasste ihn. Er blickte sich hastig um und sah seinen einzigen Ausweg darin, sich in die dunkle Nische einer Tür zu stellen. Wer immer dort kam, konnte ihn hier hoffentlich nicht sehen. Die Tür sprang auf. Voldecci stutzte wegen der Leichtigkeit, mit der der Unbekannte sie öffnete. Hatte sie doch bei ihm ziemlich geklemmt. Er ging in die Knie und klammerte seine Finger um seinen Dolch und zog gleichzeitig die Füße an, aus Angst man würde sie in der Gasse sehen.
Die Schritte kamen näher. Voldeccis Herz raste, doch dann schien es abrupt stehen zu bleiben. Irgendjemand war nur einen Schritt von ihm entfernt in der Gasse. Er konnte nur die Umrisse im Feuerschein erkennen. Und irgendetwas hatte dieser jemand auf dem Arm. Ein erster Blitz erhellte für den Bruchteil eines Wimpernschlags die Gasse und der Secretario der Zorgazo erstarb vor Schreck. Einen Schrei konnte er nicht hervorbringen.
Vor seinem Gesicht baumelte das Gesicht eines seiner Herrschaften. Finnian Zorgazo. Die Augen geschlossen. Das Gesicht rußgeschwärzt. Die Haare leicht verkohlt, lag er in den Armen von jemandem, der mit unnatürlichen Bewegungen fast lautlos seinen Weg fortsetzte.
Voldecci bemerkte, wie seine Zähne gegeneinander schlugen und seine Beine zitterten. Blut lief über seine Hand. Er hatte den Dolch vor Schreck mit seiner freien Hand umklammert. Der Schmerz riss ihn aus der Schockstarre.
"Weg, nur weg", schoss es ihm durch den Kopf. Er sprang auf und rannte auf den Renascentia-Platz. An den Geschehnissen vorbei, die sich am Tempel abspielten. Den einsetzenden Regen hatte er gar nicht bemerkt.