Briefspiel:Die Seemannsbraut - Ankunft in Efferdas

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Stadt Efferdas.png Briefspiel in Efferdas Stadt Efferdas.png
Datiert auf: 12. bis 15. Phex 1037 BF Schauplatz: Efferdas und das Meer der Sieben Winde Entstehungszeitraum: Ende 2014 bis Juli 2016
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png Dajin, Familie di Bassalo.png Klimpermädchen/Neli, Familie Kanbassa.png Kanbassa, Haus ya Papilio klein.png GrK, Familie di Monte Fuori.png X-toph, Haus ya Pirras.png Elanor, Familie Trenti.png Trenti Haus di Onerdi.png di Onerdi
Zyklus: Übersicht · Bewerberschreiben · Ankunft in Efferdas · 12. Phex 1037 BF - Leinen los · 12. Phex 1037 BF - Leinen los (2) · Die Seemannsbraut - 12. Phex 1037 BF - An anderen Ufern · Phexisches Belhanka · Nachts auf den Zimmern · Auf nach Karsina · Von Marlinen und Lilien · Im Schatten Thuans


Hier sind Ankunftsgeschichten rund um die Brautschau des Croënar di Camaro zu finden. Es gehört zum Briefspielprojekt Die Seemannsbraut.


Die Seemannsbraut – Ankunft in Efferdas

Gespanntes Warten am Palazzo di Camaro

Bei einem ersten Blick auf das Szenario wäre er fast nicht aufgefallen. Im ganzen Vorhof genau wie vor dem Palazzo selbst wuselte eine Dutzenschaft von Dienern und Helfern umher, steckten hier Blumen an eine Anrichte, trugen an einer anderen Stelle ein Tablett mit covernischen Früchten auf einen bereits reich gedeckten Tisch, oder bauten Leitern ab, mit denen man zuvor an einigen Seilen bunte Lampions und Fähnchen angebracht hatte. Es wirkte wie die Szenerie eines bald anbrechenden Sommerfestes, nur dass es vielleicht noch nicht sommerlich genug dafür war. Zwar schien den noch nicht feiernden das Wetter an diesem Tag hold zu sein, aber die langärmelige Kleidung der meisten Helfer ließ die Jahreszeit doch noch recht gut herleiten. Frühling. Phex. Mitte Phex. Eine Zeit, in der der Beleman hier und da seine Winde auch noch in kräftiger Form der Bucht von Efferdas schenkt. Doch die Feuchtigkeit in der Luft des heutigen Tages kam nicht etwa von einem Sprühregen, sondern von eben jenem Seewind, der die Gischt des nah gelegenen Wasserfalls die Klippe wieder hinauf blies und damit so meistens Gärtner Iulios bester Freund wurde. Es war jedoch nicht Iulio, der gerade etwas nervös am Efeu der Hauswand herum nestelte und immer wieder abgestorbene Blätter heraus fischte. Genau genommen hatte Iulio gerade die Flauta und lethargierte in einem nahegelegenen Gasthaus in Novalia vor sich hin. Etwas, wofür sein übergangsweiser Vertreter in den nächsten Tagen kaum Zeit haben würde.

In seiner Blätterwut wurde er bald von einem weiteren Helfer unterbrochen. „Senhor di Camaro? Wir haben die Windsegel nun aufgestellt, dem Spritzwasser und dem starken Wind sollten so die Grenzen erfolgreich aufgezeigt worden sein. Eure Gäste werden es angenehm hier haben.“ Der junge Camaro schien fast ein wenig wie aus Gedanken geweckt. „Fein… fein… sehr gut, Arteso… wie sieht es mit den Essen aus?“ „Eure Gäste werden auch nicht frieren, wenngleich wir die Kohle natürlich noch nicht angemacht haben. Jeder gute Gast respektiert die Flauta des Gastgebers und kommt eine halbe Stunde später, so ist es doch efferdischer Brauch.“ „Wir werden nicht nur Gäste aus Efferdas da haben. Wie spät ist es überhaupt?“ „Ich meine die tiefen Glocken des Tempels eben Sechs mal schlagen gehört zu haben, während die kleine Glocke sich zweimal meldete.“ „Dann wird es sicher nicht mehr lange dauern. Zünde die Kohle ruhig an, wir wollen alle Eventualitäten beachten. Dies ist immerhin ein wichtiges Fest.“ Der Diener nickte und machte sich von dannen, auch sein bereits sehr fein angezogener Gesprächsbegleiter schien nun ein wenig aus seiner Gedankenverlorenheit befreit worden zu sein. Sein Blick wanderte auf reich geschmückte Terrasse vor dem Palazzo. Trotz der Schutzplane, die die Arbeiter Richtung Klippe aufgebaut hatten, flatterten die Tischtücher noch im Wind, wenngleich dieser schon keine Gegenstände würde umwerfen können. Der Beleman hatte sich in der Vergangenheit schon mehr als einmal wesentlich ungastlicher gezeigt, doch für heute war keine größere Schandtat zu erwarten. Die für diese Fälle vorbereiteten Pavillions, welche man über Planen hätte abdichten können, würden offen bleiben können. Einzig in den Gesichtern der Musiker schien er einige Sorgen entdecken zu können. Tatsächlich sind Wind und Feuchtigkeit kein großer Freund von Streichinstrumenten. So sah man einen Aufbauhelfer doch schwer seufzen, als er zum wiederholten Male ein großes Cello stimmte.

Es war eigentlich ein schönes Wetter zum Segeln. Der junge Mann wanderte ein wenig umher, vorbei an der Gischtwasserplane und blickte die von halbhohen, akkurat eckig geschnittenen Zierhecken abgezäunte Steilklippe entlang. Er konnte von hier gut erkennen, wie die Wellen an die steilen Klippen der Insel Efferdossa oder der Buchtklippe unterhalb der Festung schlugen. Efferdas, seine Heimat zeigte sich heute von seiner herben Seite. Und gerade dadurch fühlte sie sich besonders nach... Heimat an. Kurz blickte er noch einmal zur rechten hinab, auf den Hafen, von wo er schon das Schiff sehen konnte, mit dem es am nächsten Morgen los gehen würde. Die Verführerin der Rosen. Für ihn selbst wäre dieses Schiff nicht das Schiff der Wahl gewesen, wenngleich er verstehen konnte, dass so ein Kriegsschiff wie die Exadaktylos nicht gerade als Charmoffensive für eine Brautschau taugte. Es galt hier nicht, eine Kriegerprinzessin zu finden. Hier galt es... ja was überhaupt?

Croënars Gedanken gingen wieder auf Reise. Dass er über seine zukünftige Frau nicht selbst würde entscheiden können, daran wurde er schon seit seiner Kindheit vorbereitet. Entsprechend hatte er daran nie einen Gedanken verschwendet. Seine Eltern hatten ihm immerhin seine Jugendjahre gelassen, nun jedoch war er 30 Jahre alt. Für seine Eltern hieß das, dass die Hörner abgestoßen waren. Und Croënar ertappte sich zum ersten Mal dabei, sich nun Gedanken zu machen, was ihm wohl das wichtigste an einer zukünftigen Braut wäre. Er wusste es nicht. Und das machte ihm ein wenig Sorgen. Im Vorfeld hatten sich einige Bräute angemeldet, teilweise aus fernen Städten wie Unterfels, Shenilo oder Urbasi. Und auch in Efferdas selbst war der Aufruf nicht unbemerkt geblieben. Er kannte niemanden davon, bis auf Cassiopeia Trenti vielleicht und auch diese nicht wirklich gut. Er kannte die Kanbassen-Mädels natürlich etwas besser, gerade Rymona, welche bei Croënars Mutter Isaura das Leben der Edeldame erlernte, sah er ja jeden Tag, aber ob dessen Anmeldung nun als Teilnahme des Festes oder der eigentlichen Brautschau zu werten war, da war er sich beileibe nicht sicher. Zumal er eh das Gefühl hatte, dass Rymona und sein Bruder Vigo so sehr für einander geschaffen waren, dass hier eine Verbindung der beiden Häuser deutlich naheliegender war. Doch letztendlich hatte er das nicht zu entscheiden.

Sein Blick wanderte vom Hafen weg weiter nach rechts, auf das Palazzo direkt gegenüber dem eigenen Anwesen. Es war das Palazzo des Hauses di Onerdi und darin befand sich gerade einer der vier Leute, die über sein Schicksal entscheiden würden. Migaele di Onerdi. Was für eine Jury das nur würde. Die Mutter, der Nachbar, dann die sehr von sich eingenommene Edeldame Viviona ya Pirras und das genaue Gegenstück – Alrik Binder, die Delphinocco-Legende. Eine Entscheidung, die er nicht ganz nachvollziehen konnte. Natürlich, Binder war bereits lange verheiratet. Die Geburt seiner Tochter Calliane galt zwar als Wendepunkt seiner Karriere, doch man sagte ihm schon nach, Ahnung von den Frauen zu haben. Aber wohl eher von den bürgerlichen. Man konnte von ihm wohl kaum einen Expertenrat erwarten. Wahrscheinlich war seine Anwesenheit eher ein Politikum. Wer weiß, wie viele Senatoren oder Magnaten verärgert worden wären, einfach nur, weil man sie eben nicht gefragt hätte, ob Sie nicht Juror sein wollen. Mit der Wahl von Binder wurde das ganze... unpolitisch. Oder eher hauspolitisch. Letztendlich würde er da sein, um die Brautschau für die Etikette des Senates zu entwerten. Doch es würden Isaura, Migaele und Viviona sein, die über die Zukunft des Hauses di Camaro wirklich entscheiden würden.

„Croënar!“ erschallte ein Ruf aus dem Haus. Es war sein Vater, der nach ihm rief. „Ich bin bei den Klippenhecken, Pai“ antwortete der blonde Bräutigam in spe. Kurze Zeit später hatte Esteban ihn dort gefunden. „Es müsste jeden Moment los gehen. Deine Mutter meinte, ich solle noch mal sehen, dass dein Anzug sitzt und mit dir die wichtigsten Eckdaten durchgehen." „Mãe nimmt das Ganze wirklich etwas arg wichtig.“ „Es ist auch wichtig, Croënar. Du wirst heute die Frau deiner Zukunft treffen und mit ihr das Fortführen unserer Dynastie beginnen. Das hier dürfte der bedeutendste Tag der Familiengeschichte seit Jahren sein. Hinzu kommt, dass sie deine Mutter ist und ab dem heutigen Tag ihr kleines Kind quasi in die Hände einer anderen Frau abgibt. An diesem Schritt sind schon so einige Frauen jäh gescheitert.“ Während er dies sagte, nestelte er am Kragen seines Sohnes herum. „Ist das gerade ein Versuch, mich noch etwas nervöser zu machen? Dann kann ich dir sagen, dass das gar nicht nötig war...“ „Glaub mir, du hast bei leibe nicht so viel Grund zum Nervenflattern wie deine Mutter. Du entscheidest ja nicht. Sie schon.“ „Ach komm, es ist die Entscheidung einer Frau mit mengbillanischen Wurzeln. Wir wissen doch alle, wie Mãe mit Fehlentscheidungen umgeht...“ Esteban blickte etwas entgeistert auf seinen Sohn. „Das hier wird keine Sache der üblichen Fischvergiftung, Croënar...“ dessen Grinsen entlarvte diese Aussage als Scherz und Esteban war sehr froh, dass außer den beiden gerade keiner dieses Gespräch hatte verfolgen können. Dennoch etwas ertappt setzte er ein künstliches Lächeln auf. Man wusste ja nie... gefolgt von einem eiligen Themawechsel.

„Du bist mit dem weiteren Ablauf auch vertraut?“ „Bestens, ja. Auch wenn ich nicht weiß, welche Prüfungen ihr euch nun genau ausgedacht habt, weiß ich, dass es eine Efferdprüfung, eine Phexensprüfung und eine Rahjenprüfung geben soll. Die Efferdsprüfung auf hoher See, Phexens Glück soll in Belhanka geprüft werden und in Karsina gibt es dann die letzte Prüfung, in der ich mit der Gewinnerin ein paar schöne Tage auf der Herzinsel verbringen darf, während der Rest schon einmal ohne uns weiter fährt... was macht ihr, wenn nur ein Sprecher der Braut da ist?“ „Gemäß den bisherigen Anmeldungen ist das nicht der Fall, da brauchst du dir erst einmal keine Gedanken zu machen. Selbst wenn, finden wir da schon etwas. Zur Not wird der Besuch auf der Herzinsel nachgeholt. Denn irgendwann würdest du die Braut ja auf jeden Fall zu sehen bekommen.“ „Na hoffentlich.“

Die beiden wurden von einer Glocke unterbrochen. Der Haus- und Hofmeister Zelador Aquistapace räusperte sich kurz und verkündete mit lauter Stimme. „Die hohen Damen und Herren, ich darf den ersten Gast des Festes ankündigen. Es ist...“

Autor: di Camaro


Ankunft der Familie Trenti

„Bei Peraine! Wirst du wohl endlich deine ungeschickten Pfoten bei dir lassen? Willst du mich etwa doch noch umbringen?“

Ein lautes Keifen übertönte den Hofmeister, der soeben das Eintreffen Madalena und Cassiopeia Trentis ankündigen wollte. Etwas verdattert ob dieser rüden – und vor allem unerwarteten – Unterbrechung, stand er zuerst nur unschlüssig da, blickte in Richtung des Torbogens... um sich dann eiligen Schrittes selbst davon zu überzeugen, wer ihn denn da unterbrochen hatte und was wohl der Grund für diesen Aufruhr sei. Esteban und Croënar folgten ihm zügig hinterdrein. Auf Estebans Gesicht stahl sich bereits ein Lächeln. Diese Stimme... Es gab nur eine Frau, deren Organ sich dermaßen erheben konnte. Und wenn sie laut werden konnte, konnte es auch gar nicht so schlimm um sie stehen.

Als sie vors Tor traten, brach das Gezetere unvermittelt ab, und dieselbe Stimme, nun auf einen Schlag viel leiser und beherrschter: „Aaah, die Hochverehrten Herren di Camaro! Esteban! Schön Euch zu sehen! Und Ihr, Croënar! Die Hauptattraktion heute, was? Gut seht Ihr aus. Seid doch bitte so gut und helft einer alten Dame die Stufen hinauf.“

Vor dem Tor stand Madalena Trenti, die Matriarchin der Efferdaner Handwerkerfamilie, schüttelte die Hand eines jungen Mannes ab, der sie zu stützen versuchte, breitete die Arme aus und humpelte auf die beiden Gastgeber zu. Neben ihr stand ihre Nichte Cassiopeia, die ihre Tante besorgt musterte und bereit stand, ihr sofort zu Hilfe zu eilen, so sie denn stürzen sollte... Doch ihre Sorge blieb unbegründet: zum einen eilten Esteban und Croënar herbei, umarmten die alte Dame herzlich und geleiteten sie die wenigen Stufen in den Hof, und zum zweiten stand es um Madalenas Gesundheit bei weitem nicht so schlecht, wie sie sich manchmal den Anschein gab. Sie pflegte immer zu sagen: „Mein Kind, es ist immer gut, einen Mann glauben zu lassen, er hätte ein leichtes Spiel mit dir und du seist keine Bedrohung... Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, beim Handel.“


Cassiopeia stand nun etwas unschlüssig da, bis Esteban sich zu ihr umdrehte und sie auch begrüßte: „Nun, Eure Tante ist fürs erste ruhig gestellt, Ihr müsst unzweifelhaft Cassiopeia sein: es ist Jahre her, seit ich Euch das letzte Mal sah. Schön, Euch endlich wiederzusehen.“

Cassiopeia erwiderte den Gruß mit leiser Stimme, die der ihrer Tante unähnlicher nicht sein könnte: „Die Freude ist ganz meinerseits, mein Hochverehrter Herr. Entschuldigt bitte die Unannehmlichkeiten, und falls Tante Euch erschreckt haben sollte. Aber wir haben diesen Pflanzkübel für euch angefertigt, und unser Kutscher ließ ihn beim abladen fallen, so dass er Tante auf den Fuß fiel.“ Sie deutete auf den großen Pflanzkübel, der hinter ihr auf der Straße lag. Ein großer, rechteckiger Trog aus Holz, der mit vielen, feinen Schnitzereien verziert war.

Esteban deutete seinen Leuten, ihn in den Garten zu schaffen, während Croënar und Cassiopeia sich schüchtern begrüßten. Dies war also nun eine der Frauen, die er alsbald Gattin nennen könnte... Ihm wurde immer noch unwohl bei diesem Gedanken. Aber immerhin: hübsch war sie ja. Lange, dunkelblonde Haare umrahmten ihr schüchtern lächelndes Gesicht und fielen ihr bis auf den Rücken, lediglich durch eine große Spange im Nacken davon abgehalten, sich vollends dem Wind hinzugeben. Ihr schmaler Körper steckte in einem langen, blauen Kleid, das wunderbar zum blau ihrer Augen passte.

Während die beiden sich noch musterten, rollte eine weitere Kutsche heran...

Autor: Trenti


Ankunft des Hauses ya Papilio

Obwohl das Wetter mild war, nicht zu heiß, schwitzte Horasio ya Papilio. Zum einen weil der Weg von Novalia nach Residencia steil bergan führte und er den leiblichen Genüssen mehr zugetan war als der leiblichen Ertüchtigung. Zum anderen weil Kusine Corradas Benehmen anstrengender wurde, je näher das Ziel ihrer gemeinsamen Reise von Gut Montalto her kam. Horasio fühlte sich wie der Treiber einer mürrischen, bissigen Eselin. "Eile, Corrada", mahnte er die 17-jährige Verwandte zum wiederholten Mal, vergeblich. "Wir werden noch die Letzten sein. Die Tempelglocke hat sicher schon vor einem halben Wassermaß geschlagen."

Ein vernichtender Blick aus ihren braunen Augen unter den raupendicken, schwarzen Brauen traf ihn. Dann entschied die junge Frau, ihm dieses Mal zu antworten: "Wie oft soll ich Euch noch sagen, dass ich in dieser Aufmachung nicht so flink zu Fuß bin, Vetter? Wir hätten eine Kutsche nehmen sollen. Dann wären wir nach diesem gesellschaftlichen Malheur auch wieder schneller in diesem lausigen Gasthof. Arnklause... der Name allein buchstabiert bereits 'grässlich'!" "Dann hätte dein knausriger Vater mich großzügiger mit Spesen versehen müssen", knurrte Horasio und hielt wieder an, um die ohne erkennbare Hast Voranschreitende an sich vorbeiziehen zu lassen.

Es hatte eindringlichen Zuredens bedurft, Corrada wenigstens ihr sonst übliches "Witwengewand" auszureden. Die verschiedenen Schwarz- und Grautöne waren einem Kleid aus dunkelblauer Seide gewichen, bestickt mit Verzierungen gelber und weißer Blüten. Keusche, weiße Netzhandschuhe bedeckten ihre rundlichen Arme bis zu den Ellenbogen. Weniger keusch das Dekolletee, von einem zu Höchstleistungen geforderten Mieder üppig empor gedrückt.

"Wenn ich mir einen Sonnenbrand hole, verfluche ich dich!", hatte sie geschimpft. "Sonnenlicht macht Falten!" Sie hatte sich schließlich von der Zofe Priskya überzeugen lassen, dass "Die Reize" bei der Begegnung mit dem möglichen Bräutigam zur Geltung kommen müssten. Daran, die freiliegende Haut stark zu pudern, hatte sie aber niemand gehindert. Das Mieder und das Kleid ließen ihre mollige Figur nur wenig schlanker wirken – und sie bremsten ihren Gang so weit, dass Corrada nur würdevoll langsam schreiten konnte. Vielleicht schwitzte sie deshalb nicht so wie ihr älterer Vetter – oder einfach aus schierer Selbstbeherrschung. Die langen, schwarzen Haare hatte die Zofe in armdicke Zöpfe geflochten, zu einem hängenden Knoten gerollt und unter einer weißen Haube verborgen. Nur an der Stirn schaute eine widerspenstige Strähne hervor, die Corrada bisweilen mit einem Ausdruck des Ärgers aus ihrem Blickfeld pustete.

Endlich erreichten die Papilios das Tor zum Viertel der hohen Familien Efferdas', Residencia. Unter dem Blick der Wächter schlenderte Corrada unbeirrt voran, während Horasio sich die Stirne abtupfte. "Zum Palazzo Camaro", sagte er erklärend und lief hinter seiner Kusine her. Die beiden bogen nach links ab, passierten die alte Baronsresidenz und langten bald am Ziel ihres Weges an. Das Geräusch des nahen Wasserfalls und des säuselnden Windes brachte Horasio dazu, lauter zu pochen als nötig gewesen wäre. Dem öffnenden Lakaien gab er sogleich seine Karte und ergänzte: "Corrada ya Papilio in Begleitung des Residenten unseres Hauses zu Shenilo. Wir werden erwartet... hoffe ich."

Autor: GrK

11. Phex 1037 BF – Auf dem Yaquir stromabwärts gen Kuslik

"Liebste Schwester..." – Jede Ankündigung Santinos, die so begann, Daria wusste es aus leidlicher Erfahrung, hatte nichts Gutes zu bedeuten. Darüber konnten sie auch die üblicherweise darauffolgenden Fluten an teils vielleicht sogar ernst gemeinten Komplimenten nicht mehr hinwegtäuschen. Früher oder später kam er jedes Mal betont beiläufig auf ihre Verantwortlichkeiten der Familie gegenüber zu sprechen, bevor er mit dem eigentlichen Gesprächsgrund herausrückte. Immer eine immens wichtige Aufgabe, von der Gedeih oder Verderb aller Unterfelser di Monte Fuori abhing… mindestens! So hatte sich Daria innerlich schon wieder auf die Übertragung irgendeiner unangenehmen Pflicht eingestellt. Doch diesmal hatte sich ihr Bruder an Dreistigkeit selbst übertroffen – "... und darum habe ich dich zur Brautschau Croënar di Camaros in Efferdas angemeldet." – Noch immer wusste Daria nicht, ob sie über die ganze Sache lachen, oder ihren Bruder bei günstiger Gelegenheit in den Yaquir werfen sollte. Zwar war sie sich bewusst gewesen, dass ihre Familie und allen voran ihr allerliebster Großvater Vitorio, sie so schnell wie möglich verheiratet sehen wollte, zu progressiv waren ihnen einige ihrer Ansichten, zu direkt die Weise, auf die sie sie vertrat und man erhoffte sich wohl, sie auf diese Weise ruhig stellen zu können. Aber sie ohne ihr Wissen, ohne ihr Einverständnis zu irgendeiner Brautschau anzumelden..! Und das ausgerechnet jetzt, wo doch in wenigen Wochen die Proben zu ihrem neuen Theaterstück beginnen sollten, bei Hesinde, sie hatte weitaus wichtigeres zu tun als... Ja was eigentlich? Sie war noch nie auf einer Brautschau gewesen und schon gar nicht als Kandidatin, denn eigentlich wurde ein gewisser Grad an Autonomie in ihrer Familie durchaus hochgehalten und da sie bislang keinerlei Interesse bekundet hatte, den Traviabund einzugehen, war ihr ein solches Spektakel zu besuchen, noch erspart geblieben. Ohnehin hatten es ihre Eltern schon früh aufgegeben, sie gegen ihren Willen zu irgendwelchen gesellschaftlichen Anlässen zu schleppen, bei denen es ein gewisses Maß an Etikette zu bewahren galt. Gewiss war sie, wenn sie wollte, durchaus in der Lage sich zu benehmen, hatte in ihrer Kindheit fast täglich Lektionen in angemessenem Umgang genossen, aber die blasierten Schnösel und dümmlichen Möchtegernaristokraten, die es für gewöhnlich in Scharen zu jeglicher Art gehobener Festivität zog, bloßzustellen, war oftmals einfach zu verlockend, besonders um Frust abzubauen. Da diese Spöttelei nicht selten auch ihren eigenen Vater, der ohnehin auf seine Weise schon genug dazu beitrug den Ruf der Familie zu ruinieren, mit einschloss, hatte man irgendwann beschlossen, sie mit solcherlei Anlässen zu verschonen, bis jetzt. Daria musste schmunzeln. Was machte Santino und Vitorio so sicher, dass sie keinen nachhaltigen Schaden über die Beziehung zu den Camaros bringen würde? Früher oder später würde Santino sicherlich sein Druckmittel preisgeben. Und bis dahin würde sie abwarten, das würde ihn umso nervöser machen und früher oder später würde sie ihre Chance, sich an ihm zu rächen, schon bekommen.

Verträumt schaute Daria aus der Luke ihrer Kabine über den Yaquir, in dem sich in tiefem Rot die mittlerweile untergehende Praiosscheibe spiegelte. So ungern sie es zugeben mochte, hatte dieses Unterfangen doch auch etwas spannendes, ja nahezu romantisches, sie fühlte sich unweigerlich an "Der Störrischen Bändigung", ein Theaterstück ihrer Urgroßtante Vilmire erinnert. Hatte Vitorio vielleicht endlich einer Hochzeit zwischen Santino und Sheshen zugestimmt? Und das unter der Bedingung, dass Santino zuerst für sie einen Bräutigam fände. Und würde es dieser Croënar schaffen ihr Herz zu erweichen, wie Phedro das der Catalina? Daria seufzte und lachte ob der Absurdität dieses Gedankens und schaute zu, wie der letzte Rest der Sonne im ufernahen Wald, hinter der Krone einer mächtigen Rotbuche verschwand. Bis Kuslik konnte es nun nicht mehr weit sein, dort würden sie die Nacht über anlegen, bevor sie morgen, noch vor Sonnenaufging und ohne weiteren Halt mit einem anderen Schiff weiter nach Efferdas fuhren.

12. Phex 1037 BF – Auf dem Meer der Sieben Winde gen Süden nach Efferdas

Besorgt suchten Santinos Augen die Küstenlinie ab. Weit konnte es nicht mehr sein, aber sie waren spät dran. Schuld daran war eine den halben Morgen andauernde Flaute gewesen, die ihre Abfahrt aus Kuslik beträchtlich verzögert hatten. Zwar trieb der Wind die Erato nun umso energischer gen Süden, doch würde das ausreichen um die verlorenen Stunden wieder aufzuholen? Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, mit dem Schiff anzureisen, andererseits der Signore Esteban di Camaro war der Admirals-Kapitano zu Efferdas. Welch' besseren ersten Eindruck konnte man da, als durch eine Ankunft per Schiff machen?

Zugegebenermaßen, wenn Vitorios Plan nicht aufging, war ein verspätetes Eintreffen ihr geringstes Problem und Daria war schon immer unberechenbar gewesen. Während sie an guten Tagen scheinbar völlig mühelos ganze Ballsäle um den Finger zu wickeln vermochte, hatte sie an schlechten Tagen schon so manchen Eklat zu verantworten gehabt. Sie hatte eine

besondere Begabung Menschen zu durchschauen, vermochte Motivationen und wunde Punkte, Absichten und Ängste eines unbedarften Gegenübers in Augenblicken zu erfassen und nur die Herrin Hesinde wusste, was sonst noch alles. Hätte ihr der Herr Phex nur ein wenig geschäftliche Ambition zukommen lassen, wie weit könnte sie die Familie bringen? Stattdessen hatte die Herrin Tsa ihr ein Übermaß an Freidenkertum vermacht, sehr zur Freude ihrer Mutter, sehr zum Missfallen ihres Großvaters, der ihr nicht selten über den Mund fuhr, wenn sie von der Freiheit des Einzelnen sprach. Und Recht hatte er, Santino hatte die Skizzen zu ihrem neuen Stück gesehen, geradezu revolutionär und nicht im guten Sinne! In den Mittellanden würde man sie dafür ohne zu Zögern in irgendeinen Kerker werfen, hier würde sie wohl mit einer Zensur und einem blauen Auge davonkommen. Das würde ihr eine Lehre sein, hoffentlich.

Nichtsdestotrotz, Vitorio hatte Recht, es war höchste Zeit, dass man Daria unter Kontrolle bekäme, zu ihrem eigenen Wohl. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Hochzeit solchen Übermut zu bezähmen im Stande wäre, dieser Plan mit der Brautschau jedoch… gewagt. Bislang hatte Daria sich zwar nichts anmerken lassen, aber Santino kannte sie zu gut um zu glauben, dass sie ihr Schicksal so rührungslos annahm, wie es den Anschein hatte. Umso wichtiger, das er nun die Ruhe bewahrte. Vitorios Plan war mehr als simpel. Kein vertracktes Ränkespiel und keine Repressalien. Sobald Daria sich gegängelt fühlte, würde sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sträuben. Doch solange sie nicht wusste welches Spiel er spielte, so hatte es ihr Großvater zumindest vermutet, würde sie abwarten und ihrerseits das unschuldige Mädchen spielen. Eitelkeit. Das war wie bei so vielen aus ihrem Geschlechte auch Darias Schwäche, keinesfalls würde sie nachgeben und zuerst das Schweigen brechen und noch viel weniger würde sie sich freiwillig bei den Prüfungen blamieren. Sie würde sein Spiel spielen und denken es wäre das ihre und wenn sie ein, zwei Prüfungen gemeistert hätte, würde sie es sich nicht nehmen lassen auch den Wettbewerb für sich zu entscheiden. Das war jedenfalls der Plan. Doch wie gut Vitorio seine Enkelin auch immer zu kennen glaubte, es blieb riskant.

Trotz des kühlen, ja hier auf See wegen des auffrischenden Windest fast kalten Wetters, waren Santinos Hände schweißnass. Unruhig ging er Deck auf und Deck ab und immer wieder blickte er zum Ufer und dann endlich trat aus dem Schatten der Klippen ihr Ziel, Efferdas. Kurz bestaunte er das eigenwillige Erscheinungsbild der Stadt, dann entsann er sich wieder, weshalb sie hier waren. "Schwester!" – Daria hatte den ganzen Tag in ihrer Kajüte verbracht und an ihrem Stück gearbeitet, zumindest wenn man ihren Worten von heute Morgen trauen konnte, Santino fürchtete jedoch, dass sie sich stattessen einen ausgiebigen Plan zurecht gelegt haben könnte, ihre Familie im allgemeinen und ihn im speziellen nach allen Regeln der Kunst zu blamieren und dieser Brautschau so schnell wie möglich wieder zu entfliehen. Während das Schiff bereits in den Hafen einfuhr, eilte er schnellen Schrittes unter Deck und klopfte an Darias Tür.

"Daria wir legen soeben an, bist du präsentabel, darf ich eintreten? Wir..." – Noch bevor er ausgesprochen hatte, öffnete sich die Tür und da stand Daria, ihre langen, weizenblonden Haare sorgfältig gekämmt, mit einem spöttischen Glanz in ihren haselnussfarbenen Augen und in einem smaragdenen mit Gold bestickten Kleid, dass ihr so atemberaubend gut stand, dass es Santino die Sprache verschlug. Um den Hals trug sie zudem das goldene mit rotviolettem Beryll besetze Kollier ihrer Großmutter. "Ein herrlicher Tag für eine Brautschau, denkst du nicht auch Sonnie? Ich kann es gar nicht erwarten meinen zukünftigen Ehemann und seine Eltern kennenzulernen", sagte sie mit unbekümmertem Tonfall und zwinkerte ihrem Bruder verschwörerisch zu, während sie sich an ihm vorbeidrängte und elegant die Stufen hinaufstieg, die an Deck führten. Noch einige Momente stand Santino verdutzt vor der offenen Zimmertür, dann schwante ihm Böses: "Daria warte, es wäre besser wenn du dich erstmal ein wenig im Hintergrund hieltest und mich..." Aber seine Schwester war schon verschwunden und als er ihr hernach an Deck eilte, sah er, wie sie zielstrebig den Steg an dem sie anlagen gen Ufer schritt. "Schwester, halte ein... ich" Doch seine Rufe wurden vom Klang der Tempelglocken, die soeben zu Schlagen begonnen hatten, übertönt und so blieb Santino nichts anderes übrig, als ihr hinterherzurennen, um so hoffentlich Schlimmeres zu vermeiden.

Autor: X-toph


Ankunft der Familie di Bassalo

Mirinia stand vor dem Spiegel in ihrem Zimmer in einem kleinen hübschen Efferdiner Gasthaus. Da ihr Vater, bevor die Brautschau losgehen sollte, noch Geschäfte zu erledigen hatte, waren sie bereits einige Tage vor dem offiziellen Empfang bei der Familie Camaro in Efferdas eingetroffen. So hatte Mirinia die Chance gehabt, die Stadt ein wenig zu erkunden, in der sie, wenn alles nach ihrem Vater ging, in Zukunft leben sollte. Was sie gesehen hatte, gefiel ihr durchaus nicht schlecht, auch wenn es, wie in jeder anderen großen Stadt, sehr hässliche und dreckige Viertel gab. Der alles umfassende Geruch des nahen Meeres jedoch lies Efferdas einen ganz anderen Eindruck hinterlassen als die Städte, die sie kannte. Wohin man auch ging, überall umwehte einen der salzige Hauch der See. Vor allem der Tempel vom güldenen Dreizack hatte großen Eindruck bei ihr hinterlassen. Sie hatte ihn aufgesucht um ein Opfer darzubringen und für eine sichere Reise auf der Verführerin der Rosen zu beten.

Sie hatte ihre freie Zeit genutzt und sich bei den Leuten umgehört – Croënars Brautschau war in aller Munde. Offenbar nahm auch das einfache Volk großen Anteil an solch einem gesellschaftlichen Ereignis. Sie hatte schon ein paar Informationen über die anderen Bewerberinnen erhalten. Sie sträubte sich, von ihnen als Konkurrentinnen zu denken, vor allem, da sie noch nicht einmal wusste, ob sie diesen Croënar überhaut für sich gewinnen wollte. Mit der Aussicht, jemanden zu heiraten, den ihr Vater für sie bestimmen würde, hatte sie sich schon lange abgefunden. Aber wenn ihr dieser Camaro nicht gefiel, würde sie sich auch nicht besonders anstrengen, sein Herz zu gewinnen oder in diesem Fall wohl eher die Jury von sich zu überzeugen. Soweit sie es einschätzen konnte, standen ihre Chancen auch nicht besonders gut. Unter anderem kamen wohl eine wunderschöne und sehr intelligente Schauspielerin und eine Novizin der heiteren Göttin. Das wäre für einen jungen Mann sicherlich interessanter als eine Feinschmiedin. ‚Hm…aber vielleicht nicht für die Jury?’, dachte Mirinia grübelnd, während sie ihre langen schwarzen Haare zu einem dicken Zopf flocht und hochsteckte.

'Nun, ich sollte mir wohl noch keine Gedanken machen, solange ich noch niemanden der Beteiligten selbst kennengelernt habe.’ Da klopfte es an der Tür. "Mirinia, bist du endlich fertig?" Die Stimme ihres Vaters Bosper klang dumpf durch die geschlossenen Tür. "Ja Vater, ich komme gleich. Und wir haben noch ausreichend Zeit! Hattest du nicht gesagt, in Efferdas gelte es als höflich, etwas zu spät zu kommen?" Ein unverständliches Brummen vor der Tür. "Die Kutsche wartet schon auf dich, also beeile dich bitte, Kind!" Dann hörte sie schwere Schritte auf der Treppe. Mirinia seufzte. ‚Das kann ja heiter werden, ich habe Vater selten so nervös erlebt.’ Ein letzter Blick in den Spiegel zeigte ihr eine große, schlanke junge Frau. Blasse Haut und dunkles Haar, zu dem die tiefblauen Augen im Kontrast standen. Sie war keine klassische Schönheit sondern eher unauffällig, von ihrer Größe mal abgesehen. Sie hatte sich für ein schlichtes dunkelrotes Kleid entschieden. Unnötigen Putz konnte sie sowieso nicht leiden und es würde an ihr auch deplaziert wirken. ‚Na dann, auf in das unbekannte Gewässer!’

Kurze Zeit später stieg sie zusammen mit ihrem Vater und ihrem Cousin Geron aus der Kutsche und betrat den Hof des Palazzo di Camaro. Neugierig blickte Mirinia sich um, doch bevor sie die ganze Pracht aufnehmen konnte, wurden sie auch schon vom Haus- und Hofmeister Zelador Aquistapace abgefangen und direkt zum Herren des Hauses und seinem Sohn geführt. Bosper di Bassalo trat vor und verneigte sich tief. "Es ist mir einen Ehre, Euch endlich kennen zu lernen, Senator! Und Euch, werter Croënar!" Er hob eine Hand und deutete auf seine Tochter. Mirinia trat nun ebenfalls einen Schritt nach vorne und sank in einen anmutigen Knicks. ‚Das soll also mein Gemahl werden ...vielleicht. Nun, ein angenehmes Äußeres hat er schon mal, aber wie ist es wohl mit seinem Charakter? Ob er freundlich ist und gütig und intelligent?’ "Seid mir gegrüßt, edle Herren", sagte sie leise und blickte Croënar erwartungsvoll an.

Autor: Klimpermädchen

Erste Eindrücke

Croënar lächelte und nickte den Neuankömmlingen zu. "Ich habe euch zu grüßen. Willkommen im Palazzo Camaro. Ich hoffe, wir konnten diesen Ort so herrichten, dass er ein wenig das Gefühl von Heimat vermitteln kann."

Standesgemäß erhielt er ein sanftes Lächeln als Antwort. Dies war nun also schon die vierte potentielle Ehefrau, die er begrüßen durfte. Es fühlte sich surreal an. Hier ging es immerhin um seine Zukunft. Und um die Zukunft all dieser Damen. Deren Schicksal nun wie auf einem Basar feil zu bieten wirkte für ihn auch nicht im vollen Maße moralisch – doch so war es nun einmal seit Generationen. Und mit der Einkehr der ersten Damen wuchs in ihm auch eine gewisse Ruhe und Glückseligkeit, letztendlich nicht die Entscheidung treffen zu müssen. Natürlich konnte er den Charakter seiner Gäste noch nicht beurteilen, doch zumindest vom ersten Eindruck her war da nun kein Totalausfall zu vermelden. Cassiopeia Trenti war sicher ein Blickfang, zudem auf jeden Fall redegewandt, soviel konnte er schon feststellen. Er war sich nur nicht so sicher, ob er dann Madalena Trenti nicht gleich mit heiraten würde. Corrada ya Papilio konnte optisch zwar nicht ganz mit ihr mithalten, doch Croënar störte sich an ihrer etwas ausgeprägten Leibesfülle nicht. Sie wirkte dafür sehr selbstbewusst und resolut. Und er hatte gelernt, dass Charakter ein jedes Aussehen verbessern kann. Er wusste jetzt schon, dass seine Mutter sie entweder lieben oder abgrundtief hassen würde. Daria di Monte Fuori war noch schwer einzuschätzen. Sie schien sicher ein kreatives Element in dieser Runde zu sein, mehr noch war sie bisher die einzige, der er eine gewisse Form von Enthusiasmus ansehen glaubte. Doch irgendetwas stimmte nicht. Weniger mit ihr denn mit ihrem Bruder Santino. Sein Blick, seine Körperhaltung wirkten etwas zu nervös. Als würde irgendetwas gar nicht nach Plan laufen. Und nun war da auch Mirinia di Bassalo. Sie wirkte etwas schüchtern, aber ohne Zweifel mit einem Sinn fürs Detail. Ihre Bewegungen, ihre Zurückhaltung, all dies wirkte exakt nach Protokoll und zeugte von einer guten Erziehung.

Sie alle hatten es gemein, dass Croënar noch neugierig auf sie war. Er sah dies als gutes Zeichen und seine Laune passte sich entsprechend an.

"Lasst mich euch als Willkommensgruß das Gelände und das Palazzo zeigen." hatte nun Esteban seinen Part als Gastgeber begonnen. Tatsächlich versuchten Sie zu Beginn die Bräute noch weites gehend von einander fern zu halten, ein

jeder sollte sich erst einmal wohl fühlen, bevor der Konkurrenzgedanke das Fest in eine vielleicht ungemütliche Richtung lenkte. Sie hatten sich entsprechend auch dafür aufgeteilt. Die Trentis hatten sicher keine Ortsführung nötig, daher hatte Isaura sich der beiden angenommen und vor allem mit Madalena ein wenig fest gequatscht. Die Papilios derweil wurden gerade von Croënars Bruder Dartan im Außenbereich herum geführt. Die Hausführung der Monte Fuoris wollte sich derweil Schwester Phelippa nicht entgehen lassen. Würde man ihre meist von Oberflächlichkeit diktierten Interessen in ein positives Licht setzen wollen, könnte man wohl sagen, dass Phelippa für Künste aller Art noch die meiste Begeisterung entfachen konnte. Dabei verheimlichend, dass eigentlich Dartan den ausgeprägten Kunstgeschmack besaß.

Kaum dass Esteban damit begann, den Bassalos die Umgebung zu zeigen, zog sich Croënar wieder etwas zurück. Er musste schmunzeln, die efferdischen Gäste hatten tatsächlich die Tradition der späten Stunde befolgt. Weder die Pirras, noch die Kanbassen waren bisher zu sehen, auch sein Neffe, Hochwürden Efferdobal fehlte. Alrik Binder erwartete er eigentlich gar nicht, auch wenn es hier kostenloses Essen gab. Aber dass Migaele di Onerdi sich noch nicht hatte blicken lassen, brachte ihn wirklich zum Lachen. Denn der dritte Juror dieser Geschichte musste eigentlich nur die Haustür aufmachen und 10 Schritte nach vorne gehen, um dem Fest seines direkten Nachbarn beizuwohnen. Er traute dem Efferdischen Ordinar-Kapitan aber auch zu, dass er das Fest vom Fenster aus beobachtete und so seine ersten Eindrücke sammelte. Das Amt für innere Sicherheit und Ordnung prägt eben.

Croënar zog sich nochmals die Kleidung glatt und begab sich zum Gabentisch. Hier würden sicher in Kürze all die Ortsführungen zusammen laufen und die Bräute würden sich ein erstes Mal untereinander sehen. Das würde ein spannender Moment.

Autor: Dajin


Ankunft der Familie Kanbassa

Elea betrachtete sich im Spiegel. Dabei wog sie sehr lebhaft von der einen zur anderen Seite, um sich ja ordentlich sehen zu können. Ein entzücktes Lächeln eroberte ihr Gesicht.

Sie freute sich. Auf die Fahrt mit der Verführerin, aber fast noch mehr über das neue Kleid. Rosa war es, wie es der schönen Göttin gefiel, etwas hoch geschlossen, da hatten sich Mutter und Vater durchgesetzt. Doch die silbernen Stickereien umspielten den frechen Schnitt und sie war glücklich. Nur ein einziges Mal war sie aus der Stadt gereist und dies lag nun schon ein Jahr zurück. Ramaúd war es, im letzten Sommer. Dort hatte sie zeichnen können und die wunderschönen Gärten des barönlichen Schlosses erkundet. Sie hatte neue Eindrücke gewonnen und sogar, ja sogar, für wenige Wochen ihr Herz verloren. Niemals würde sie diese Zeit vergessen und niemals würde sie vergessen, wie schön es war Dere zu bereisen.

Sie richtete die Haare noch einmal und blickte auf ein Rahja-Figürchen, das neben dem Spiegel stand. Sie ergriff es. "Hilf mir, Herrin", sprach sie leise. "Bin ich Dein auf immer, oder bin ich es nicht? Was tue ich, wenn ich ihn wiedersehe? Oder einen anderen wie ihn?" Das Figürchen lächelte weiterhin segensreich und ließ die Frage unbeantwortet. Es klopfte und die Tür flog auf.

"Beeil Dich, mein Herz, beeil Dich", rief ihre Tante Rahjanessa, während sie beschwingt auf den Spiegel zuging. Auch sie fuhr sich noch einmal durch ihr Haar. "Was wirst Du spielen, Tantchen", fragte Elea etwas scheinheilig, wissend, dass Rahjanessa das Wort „Tantchen“ nicht sonderlich mochte. Diese überging es. "Von der Liebe, natürlich“", lachte sie und ergriff sanft das Gesicht der Nichte mit beiden Händen. "Du bist ein hübsches Kind, Elea. Lass Dir Zeit mit allen Gedanken!" Sie schaute auf das Figürchen, dass die junge Kanbassin noch immer in der Hand hielt. "Und nun komm! Die Sänfte wartet und mit ihr DEIN großer Auftritt! Ab heute wirst Du eine Signorina der Republik sein, mein Herz.“ "Warte. Wirst Du mir zeigen wie man sie betört?" "WEN?" "Na, die Signori!", erwiderte die Heranwachsende etwas verlegen, aber doch schelmisch lächelnd. "Zuerst, mein Herz, zeige ich Dir wohl besser, wie man das eine nur denkt und das andere ausspricht", lachte die Tante, nahm ihre Hand und führte sie hinaus auf das Forum Notabilium.

Auf dem Weg durch die Stadt fragte Elea schier endlos Fragen. Alles schien ihr zugleich durch den Kopf zu gehen und Rahjanessa hatte ihre liebe Mühe damit die Nichte zu beruhigen. Vorm dem Palazzo Camaro verwies sie daher auf den umwerfenden Blick über die Bucht und das leise Donnern des Wasserfalls. Sie hoffte, dass Efferd vermochte, was ihr scheinbar nicht gelang.

Viele Bedienstete standen auf dem Vorplatz parat, die beiden Kanbassinnen erblickten zudem alsbald Eleas jüngere Schwester Rymona. Diese war hier zuhause, denn sie diente seit ihrer Kindheit Isaura di Camaro als Zofe. Rymona, keinesfalls hässlich, lächelte, wie so oft, nicht. Ihr recht strenger Blick, dem ihrer Herrin gleich, bekam noch eine besondere Härte, da sie ein tief schwarzes, langes Kleid anhatte. Als Elea sie erblickte wurde sie still. "Sie hat es gut", stieß sie plötzlich aus. "Ihr Leben ist bestimmt. Hier wird sie sein, mit ihrem Vigo. Er himmelt sie an und sie werden für immer hier sein. Kein Fragen, keine Neugier. Nur Macht und Verlässlichkeit!" Rahjanessa guckte erschrocken und mühte sich schnell zu antworten, denn ein Page nahte. "Macht und Intrige mögen sie jetzt noch reizen, Kindchen. Aber auch sie wird eines Tages wissen wollen, was es hinter den Mauern noch gibt. Besser als Du, gar ‚gut‘, hat sie es nicht, denn es liegt in uns allen, dass wir eines Tages mehr sehen wollen, als das, was wir kennen. Und Du machst den Anfang für euch beide.", dann lächelte sie aufmunternd und beide ließen sich aus der Sänfte helfen.

Rymona begrüßte die Verwandten als Erste, sichtlich stolz. Die Tante beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann heftete sie ihr eine kleine Brosche aus Silber an, die, wenn man nah genug kam, das Wappen der Kanbassen zeigte. Und zum ersten Mal lächelte nun auch die Jüngste, - etwas verlegen.

Rahjanessa aber sah dies nicht, denn ihr Blick ruht schon auf einem jungen Mann mit beeindruckender Statur, der neben einer etwas schüchternen jungen Dame stand... Ihren aufkommenden Gedanken konnte sie leider nicht weiter verfolgen, da die drei zur Begrüßung erwartet wurden.

Autor: Kanbassa


Juror Migaele trifft ein

Majordoma Ismene Valozzi war schon lange in Diensten der Onerdi. Sie kannte den Baron von Parsek, bevor dieser Baron war, bevor das Haus in Efferdas heimisch geworden war – um genau zu sein, seit über 20 Jahren. Ismene kannte jeden Winkel der Residenz in Yardêk, bevor diese umgebaut wurde, und mehr Winkel des efferdischen Palazzo, als jeder andere Bedienstete der Onerdi. Und natürlich kannte sie die Stärken, aber auch die Schwächen ihrer Herren. Sie wusste es besser, als den Bruder des Barons einfach so zu wecken, nur weil dieser sein nachmittägliches Nickerchen heute etwas länger gestaltete. Andererseits war es ihre Pflicht, zu verhindern, dass die Verführerin der Rosen ohne den geschätzten Juror Migaele di Onerdi ablegte. Ismene strich sich durch ihre immer grauer werdenden Locken. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, das Nötige zu tun, ohne die hässlichen Konsequenzen erdulden zu müssen.

Migaele di Onerdi träumte einen seltsamen Traum, in dem ihn eine Schönheit mit olivfarbener Haut zu einer Investition in Tulpenzwiebeln überreden wollte, die zufällig gerade auf einem riesigen Floß versteigert wurden. Grade als der Auktionator – ein Elefant, ganz sicher ein Elefant – zum dritten Mal den Hammer auf das Pult schlagen wollte, erwachte Migaele unsanft. Er lag im Bett des Barons, was er häufig tat, wenn dieser nicht in der Stadt weilte. Ein leeres Weinglas stand auf dem Boden vor dem Bett, und bedauerlicherweise lag niemand neben ihm. Nunja, zuviel sollte man dem eigenen Bruder vielleicht nicht zumuten. Durch das Fenster schien die Sonne direkt auf das Bett, aber was ihn geweckt hatte, waren doch tatsächlich Hammerschläge gewesen, direkt aus dem Flur vor dem Zimmer!
"Wer da, in aller Götter Namen?", rief Migaele. "Was soll dieser niederhöllische Lärm, wenn ein Ehrenmann nur einen Augenblick ruhen möchte?"
Vom Flur her gab die Stimme eines Dieners Antwort: "Mein Herr, verzeiht! Mein Auftrag war, das neue Gemälde aufzuhängen, und zwar umgehend. Zudem lässt die Majordoma ausrichten, dass Euer Gepäck für die Seefahrt bereits auf das Schiff gebracht und alles Nötige veranlasst wurde."
Das war es, richtig! Die Camaro-Brautschau! Und das Sonnenlicht im Zimmer bedeutete, dass er um einiges länger geruht hatte, als geplant. Aber wie sagt man in Efferdas? Wichtige Leute dürfen nicht zu früh eintreffen. Migaele entledigte sich seiner rotweinfleckigen Schlafgarderobe und wählte seine Gewänder für den ersten Abend dieses Unternehmens. Noch

währenddessen warf er einen Blick aus einem der anderen Fenster. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite herrschte schon reger Betrieb, die Feier schien bereits begonnen zu haben. Interessante Gäste aus allen Landesteilen waren angekündigt, doch manche der Namen waren ihm bis vor einigen Tagen komplett unbekannt gewesen. Migaele wählte schließlich eine dunkelrote Gewandung aus Hose, Weste, Kurzmantel und Barett, dazu hohe Stiefel und einen reich verzierten Dolch. Ein wenig belhankaner Duftwasser dazu, und es konnte losgehen.

Einige Minuten später schlenderte Migaele di Onerdi mit einem Glas Wein in der Hand durch den Garten der Camaro-Residenz und betrachtete die Bewerberinnen. Hübsch waren sie, die meisten jedenfalls. Anscheinend legten die Camaro nicht besonders viel Wert auf die politischen Beziehungen, welche man mit der Heirat eines zukünftigen Patriarchen hätte knüpfen können, sondern überließen alles dem Zufall. Doch für die Bewerber galt dies natürlich nicht! Immerhin konnte hier mit wenig Aufwand ein Ehebund mit dem "ersten Haus der zweiten Reihe des efferdischen Patriziates", wie es Migaeles Bruder einst formuliert hatte, gewonnen werden. Und das allein mit einer hübschen Dame, so bedeutend oder unbedeutend ihre Familie auch war. Es sollte doch gelacht sein, wenn alle Teilnehmer nur demütig auf Rahja und Phex vertrauen würden. Und da kam der Juror ins Spiel.
Migaele lächelte. Die jungen Damen hier mochten es noch nicht wissen, aber er selbst wusste es: Die Entscheidung in Sachen Seemannsbraut führte zuerst über Isaura di Camaro, aber nach ihr gab es nur eine weitere wichtige Person auf dem Schiff. Und die hieß Migaele di Onerdi. Zeit also, sich mit der anderen Jurorin etwas näher bekannt zu machen. Bald hatte Migaele sie erspäht. Ein kleiner Schluck Wein, das Barett gerichtet, und zielstrebig schritt der Ordinar-Kapitan auf Isaura zu. "Signora Isaura, verzeiht! Ich muss es Euch gleich sagen, es kann nicht warten – Ihr seht umwerfend aus! Wie sehr freue ich mich, Euch bei dieser so wichtigen Entscheidung zur Seite stehen zu können."

Autor: di Onerdi

Isauras Tuscheln mit Miguele

Die Signora lächelte. Es war eine von diesen doppeldeutigen Gesichtsregungen, für die sie gerühmt war. Das sogenannte Vetiver-Dolchstoßlächeln bei dem man nie genau wusste, ob es nun ehrliche Freude oder Rachegedanken ausdrückte. Tatsächlich hatte Isaura ihr feinstes Kleid angezogen, hergestellt vom besten Schneider in Efferdas, Vermon Toccia. Trotz dem Anlass wirkte es immer noch etwas Düster, wobei das blau-schwarze Kleid im richtigen Licht fast weiß und golden wirken konnte. Doch das Lob war wahrlich gerechtfertigt. Anderseits war Isaura immer noch eine kräftige Frau Anfang 50, bei der in Puncto Ausstrahlung „Herzenswärme“ wahrlich nicht das Wort der Wahl wäre. Dies konnte auch nicht dieses blau-schwarze/weiß-goldene Kleid ändern. Wahrscheinlich hatte Miguele gut daran getan, die Farben des Kleides unerwähnt zu lassen.

„Ich grüße euch, Herr Nachbar. Ihr gefallt mir heute aber auch. Das Jackett sitzt wie maßgeschneidert, das Barett wirkt wunderbar militärisch. Genau deswegen seid ihr hier, ich wusste, auf euch ist Verlass.“ Isaura begann sich umzusehen. Tatsächlich waren sie gerade unter sich, von den Bräuten und deren Anhang war niemand in ihrer Nähe. Dennoch senkte sie ihre Stimme. „Die meisten der Bewerberinnen sind auch schon anwesend. Nur die Pirras lassen natürlich auf sich warten. Ach ja, und der Binder fehlt auch noch, aber das ist nicht weiter wichtig. Aber ich kann es nicht anders sagen, euer Wort wird während der Schifffahrt besonders wichtig werden.“

„In wie fern denn? Gibt es etwas neues, dass ich wissen sollte?“

„Nun, es ändert sich nichts an dem, was wir ja schon im Vorfeld besprochen haben. Aber ohne Zweifel wird jedem Juror die Kernkompetenz für einen gewissen Bereich für sich entdecken. Dahingehend, ich wäre verrückt, würde ich bei so einer wichtigen Entscheidung wie der Fortführung unserer Dynastie das Urteil für meine Schwiegertochter allzu viel Wert auf das Wort eines Möchtegernschürzenjägers wie Alrik Binder legen. Doch sein Wort hat einen ganz anderen Nutzen. Er ist die Stimme der Stadtbewohner. Er ist die Stimme derjenigen, über die Croënar eines Tages verfügen darf. Er denkt wie diese. Gibt Binder über eine der Damen ein Veto ab und ich würde sie dennoch erwählen, ich könnte davon ausgehen, dass das Volk sie nicht anerkennen würde. Und damit wahrscheinlich auch ihre Kinder. Diese Leute sind die Matrosen von morgen. Wir können es uns nicht erlauben, dass sie zu den Zyklopen oder den D’Oro abhauen. Ich selbst werde mich vor allem dem Schutz meines eigenen Sohnes widmen. Dem Schutz vor seiner Frau. Ich werde das Schicksal meines Sohnes nämlich nicht auf reinen Angebereien und Lügenmärchen gründen oder womit sonst diese Damen versuchen werden, von ihren wahren Absichten abzulenken. Meine Aufgabe wird es auch sein, das natürliche Ich dieser Damen ans Tageslicht zu bringen. Mein Gemahl mag kein Juror sein, doch geht davon aus, dass er sehr viele Gespräche mit den Familien führen wird, die dann auch die Wirtschaftlichen Interessen und Motivationen beleuchten wird. Und diese Informationen werden wir erhalten. Und dann kommt ihr ins Spiel.“


„Jetzt bin ich gespannt.“

"Nun ich kenne ja eure Qualitäten. Ihr seid Pflichtbewusst, Detailverliebt und vor allem – ganz im Gegensatz zu Binder – unbestechlich. Und ihr seid der Ordinar-Kapitan. Ihr habt nicht nur ein Auge dafür, mit wie viel Ernst jemand an eine Sache her an geht, ihr könnt auch die Wehrhaftigkeit einer Person ein Stück weit einschätzen.“

„Wehrhaftigkeit? Ihr wollt eine Kämpferin als Ehefrau für euren Sohn?“

„So würde ich das nicht sagen. Von keinen dieser Frauen erwarte ich so etwas wie einen talentierten Schwertarm. Aber ich will Pflichtbewusstsein erwarten können. Und das könnt ihr nun einmal erkennen. Wenn jemand einer Skandalnudel auf die Schliche kommt, welche ihren Liebhaber quasi schon mitbringt, dann ihr. Ich habe nicht vergessen, wie oft ihr Phelippa bei mir zuhause abgeliefert habt, nachdem Sie ihre Nächte wieder irgendwo in St. Parvenus verbracht hat. Wie ihr seht bin ich dafür dankbarer als meine wütenden Empfangnahmen es ahnen lassen konnten. Man kann also sagen, dass ich für meine künftige Schwiegertochter ein Vorbild haben will. Jemand, die durch ihre Ausstrahlung, durch ihre Attitüde dem Hause Camaro – und vor allem dem Hause Camaro – Glanz verschafft.“

„Hm... ich verstehe.“

„Ich weiß.“ nickte sie zuversichtlich. „Ich weiß auch, dass sich manche gewundert haben, warum wir keine herkömmliche Hochzeitsabsprache mit anderen Häusern gewählt haben. Ganz einfach, weil wir hier agieren wollen. Quasi den Marktwert steigern. Croënar ist ein großes Talent, doch er wird das Haus nicht alleine führen können. Er wird eine starke Frau an seiner Seite brauchen. So wie schon sein Vater. Deswegen das ganze hier… und nun sollten wir anfangen, uns unter die Leute zu begeben. Wir tuscheln schon so lange, nachher wird noch jemand neugierig und versucht zu lauschen. Ich würde sagen, wir stellen euch einfach mal den bisher anwesenden Damen vor. Mal sehen, wer schon anfängt, nervös zu werden….“


Autor: Dajin

Weitere Eindrücke

Isaura und Migaele näherten sich gemeinsam wieder den Versammelten. Teils in munteren Grüppchen, teils erkennbar darum bemüht, den bestmöglichen Eindruck zu erwecken, warteten die Brautbewerberinnen darauf, von der Mutter des Bräutigams in spe begrüßt zu werden. Auch Dartan, Horasio und Corrada waren von ihrem kleinen Rundgang zurückgekehrt. Der Resident des zumindest an Angehörigen reichen, ponterranischen Hauses hatte bereits einen Becher mit Kühlem aus dem Keller in der Linken und unterhielt sich mit Isauras Zweitgeborenem angeregt, lebhaft mit der Rechten gestikulierend. Croenars Mutter ließ ihren Blick über die Gäste wandern, ihren Mund und damit den wichtigeren Teil der Mimik bewusst hinter ihrem Fächer verbergend. Manche Braut bemerkte dies, zeigte Un- oder betonte Selbstsicherheit, ein ehrliches oder gezwungenes Lächeln.

Nur die pummelige Papilio-Enkelin verzog keine Miene. Corrada hielt Isauras Blick lange genug stand, um der Älteren deutlich werden zu lassen: "Sie fürchtet mich nicht." Womöglich wusste dieser Backfisch mit den großen, durchdringenden Augen gar nicht, wer sie war? Ihr Irrtum wurde Isaura offensichtlich, als Corrada im letzten Moment, bevor es unhöflich geworden wäre, ihren Blick senkte und auf die Distanz einen Knicks andeutete. Ein in schwarzes Leder geschlagenes Büchlein hielt sie dabei fest in der Hand.

Autor: Gishtan re Kust

Nach der Führung über das Gelände kam Mirina nicht umhin, die Pracht und den Reichtum zu bewundern. Es war wirklich ein schönes Anwesen und Herrin über solch ein Reich zu sein bedeutet auf jeden Fall eine Menge Macht aber auch große Verantwortung. Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick auf die Mutter des Bräutigams. Sie war sich darüber im Klaren, dass viele Frauen Schwierigkeiten hatten, ihre erwachsenen Söhne in die Hände einer Ehefrau abzugeben. Würde Isaura ihre Macht und ihre Stellung als Herrin des Hauses teilen wollen? Sie konnte es sich nicht so Recht vorstellen, wenn in den Gerüchten, die sie über die Mengbillanerin gehört hatte, auch nur ein Kern Wahrheit steckte.

Diese beobachtete gerade die anderen potenziellen Bräute, sodass Mirinia die Jurorin in Ruhe betrachten konnte. Bevor es aber auffällig wurde, richtete sie ihren Blick auch auf die anderen jungen Damen, denen sie noch nicht vorgestellt worden war. Zwei von Ihnen waren fast noch Kinder aber durchaus hübsch anzusehen. Das mussten wohl die Kanbassa-Schwestern sein, Töchter der Familie, mit denen die di Bassalos Geschäfte in Efferdas hatten. Am auffälligsten war wohl die Dame im grün-goldenen Kleid mit langem blonden Haar, eine wahre Schönheit, die sich gut zu präsentieren wusste. Ob das die Schauspielerin war? Auf jeden Fall würde es interessant sein, sie kennen zu lernen. Mirinia lachte leise, in was war sie da nur hinein geraten...?

Autor: Klimpermädchen

Späte Gäste

Gerade hatte sich Tovelo entschieden sich in den Garten des Anwesens zu verfügen, als eine weitere Kutsche heranpreschte. Das Wappen auf der Kutsche sagte ihm als Nichtefferdier nichts, gleichwohl war dies eine auffällig prachtvolle Karosse. Er selbst sah sich wie einige andere auch gezwungen sich mit eiligen Schritten in Sicherheit zu bringen, was allenthalben zu lauten Unmutskundgebungen führte. Diese schwang (dies erschien Tovelo eine typisch efferdische Eigenart zu sein) binnen eines Wimpernschlags um, als aus der unter allerlei Getöse zum Stehen gekommenden Kutsche ein untersetzter, sicherlich stattlicher gleichwohl nicht prächtiger Mann stieg -nein sprang. Applaus ja Jubel brandete auf. Tevolo zupfte einem Nebenstehenden am Ärmel "Sagt Signor, wer ist dieser Mann ein Senator?" In den Blicken, mit denen ihn nicht nur der Angesprochene bedachten, schwang teils Mitleid teils pure Verachtung mit. "Ihr seid sicherlich eine Landratte", erklärte man ihm in einer Stimmlage, mit der man üblicherweise kleine Kinder freundlich zurechtwies, "DAS ist Alrik Binder!" Er schluckte die Frage, die ihm schon auf der Zunge lag, wer den dieser Alrik Binder sei einer plötzlichen Eingebung folgend hinunter.

"Danke Leute, danke. Ich bin hier doch nur als Schiedsrichter. Heute gehts mal nicht um meine vier Renze, sondern um Schönheit und Anmut. Excellenca ya Pirras war so freundlich mich auf dem Weg hierher mitzunehmen, so dass ich schon auf der Fahrt den Liebreiz ihrer entzückenden Nichte bewundern durfte" ,übertönte der Bass jenes Signors Binder den allgemeinen Tumult und wies erneut auf den Zweispänner, aus dem im gleichen Moment eine junge Frau entstieg, bei dem Tovelo erst an nachrangiger Stelle der Begriff Liebreiz in den Sinn gekommen wäre. Üppig war hier sicherlich angebrachter: Üppig sproß ihr blondes Haar, welches zu einer atemberaubenden Turmfrisur gesteckt war, üppig waren Juwelen in dieses gewagte Konstrukt eingewoben, üppig war der sinnliche Schmollmund des Mädchens, üppig war sie gepudert und geschminckt, üppig -nein sehr üppig- war das Dekolleté, welches ihr Kleid nach neustem belhankaner Schnitt üppigst zur Schau stellte, üppig waren ihre Hüften, was durch den wiegenden Gang, mit dem sie sich bewegte, nur noch um so augenscheinlicher wurde. Ihm wurde bewusst, dass er sie ebenso schamlos anstarrte, wie auch sie den Umstehenden mit schamlos offenen Blicken entgegentrat.

Er zwang seinen Blick sich abzuwenden, welcher denselben der Tante dieser fleischgewordenen Erfüllung seines rahjanischen Sehnens traf. Nur einen Lidschlag brauchte es, dass er seinen Blick nunmehr beschämt zu Boden senkte.

Autor: Elanor

Zu Tisch, Zu Tisch

Auch bei so manchen anderen Gästen standen die Münder nach dem Eintreffen der Terantina ya Pirras weit offen. Doch so ähnlich auch die Geste, so unterschiedlich die Bedeutung. Phelippas offener Mund war eine Mischung aus Neid und Begeisterung, denn sie kannte die Nichte der Viviona ya Pirras nur zu gut. Die beiden waren in so manchen Gasthöfen als „Duo Rahjanale“ verschrien und natürlich hatte die eine der anderen schon im Vorfeld kniffe verraten, wie man wohl den Geschmack ihres Bruders hätte treffen können. Entweder hatte Terantina die Ratschläge Phelippas sehr gut umgesetzt oder aber diese um ein vielfaches übertroffen, zumindest wirkte die jüngste Tochter der di Camaros äußerst euphorisch. Das offene Staunen von Santino di Monte Fuori würde eher als reines gaffen zu werten sein, doch auch Isauras Mund stand weit offen, auch wenn sie es mit beiden Händen verdeckte, die sie aufeinandergepresst über die Nase hielt. Hier war es wohl eher blankes Entsetzen. Aber so waren sie nun einmal, die Ya Pirras. Bescheidenheit war dieser Familie meist fremd und so passte dieser Auftritt nur ins Bild.

Santino war fassungslos. So fassungslos, dass es einige Zeit dauerte, bis er realisieren, dass er dem durchaus ansehnlichen Mädchen, was wohl Terantina ya Pirras sein musste auffällig lange und mit offenem Mund auf das ausladende Dekolleté gestarrt hatte und wie das auf oberflächliche Beobachter wirken musste. Und in diesem speziellen Fall schienen so ziemlich alle die Szenerie nur oberflächlich beobachtet zu haben, zumindest konnte er niemanden ausmachen, der Daria, die ja eigentlich die Verantwortliche für sein Starren gewesen war und somit auch eigentlich die strafenden Blicke verdient hätte, tatsächlich strafend ansah. Alle Blicke in ihre grobe Richtung schienen ihm zu gelten und wirkten weniger strafend als mokant. Hätte er nicht für den Bruchteil einer Sekunde den triumphierenden Ausdruck auf ihrem Gesicht aufblitzen gesehen, er hätte vielleicht selbst zu Zweifeln begonnen, dass gerade wirklich passiert war, was er zu beobachten geglaubt hatte. Mit phexischer Heimlichkeit und wer weiß von welchem Gott gegebener Präzision hatte seine Schwester eine Weintraube von einer auf dem Tisch hinter ihr ausgelegten Reben gepflückt und der ya Pirras in den Ausschnitt geschnipst, nicht einmal die Getroffene selbst schien etwas bemerkt zu haben. Vielleicht war es besser so. Der gaffende Bruder einer Brautanwärterin machte vielleicht keinen sonderlich guten Eindruck, würde aber sicherlich milder beurteilt werden, als eine Brautanwärterin, die ihre Konkurrentinnen mit Trauben beschoss. Nichtsdestotrotz, wollte Santino gerade am liebsten im Erdboden versinken... und seiner Schwester den Hals umdrehen, nicht zwingend in dieser Reihenfolge.

Schnell sorgte das klingen einer Glocke für Ablenkung. Die Gäste der Gesellschaft kamen alle im Vorgarten zusammen und Esteban hatte sich für eine kleine Rede auf die Stufen des steinernen Aufbaus hin zum Hauseingang begeben.

Verehrte Gäste, schon jetzt gemochte Brautwerberinnen und bald geliebte Schwiegertochter, lasst mich euch alle herzlich... HERZLICH am Palazzo Camaro begrüßen. Wir sind nun soweit vollständig und so will ich auch offiziell alle hier willkommen heißen. Die nächsten Tage werden für manche hier sicher ein Abenteuer – seid gewiss, auch für uns. Denn immerhin geht es hier um unseren Sohn, um den Stammeserben, um die Zukunft des Hauses di Camaro aus Efferdas. Insofern ist es an mir, allen anwesenden erst einmal meinen Dank auszusprechen. Dank dafür, dass sie dem Klang des Namens Camaro so viel Ehre und Bedeutung anerkannten, dass sie deswegen bereit waren, uns eine ihrer Töchter zu schenken.

Letztendlich kann nur eine Braut wirklich die Hand meines Sohnes erhalten und so flehe ich schon vorneweg all diejenigen, deren Weg nach Efferdas, deren Weg auf die Wogen des Wassers letztendlich umsonst gewesen sein könnte um Verzeihung an. Ich bitte genauer einen jeden, die Entscheidungen der nächsten Tage nicht persönlich zu nehmen. Vergesst nicht, jeder, der an der Seefahrt auf der Verführerin der Rosen teilnimmt, tut dies, weil wir die Person vorab schon als geeignet betrachtet haben, viele andere wurden erst gar nicht hierhin eingeladen. Ich hoffe, dass dies schon später als Kompliment einen Trost darstellen kann für all diejenigen, die sich einen anderen Bräutigam werden suchen müssen.''

Zu viele Worte will ich über die kommende Schiffsfahrt noch gar nicht verlieren, nur so viel sei gesagt, dem Hause di Camaro standen die Häuser Efferd und Phex immer sehr nahe, genau so kann eine Brautschau nicht ohne Rahja und Travia sein, daher werden wir drei Prüfungen abhalten, die alle unter dem Motto eins dieser Gottheiten stehen wird. Wer sich als perfekte Braut anbieten will, der sollte eben Efferd, Phex wie Rahja und Travia gleichermaßen zu ehren Wissen. Wobei auch ein starker Glauben an einen der anderen achte nicht schaden kann. Doch über all dies soll sich heute keiner einen Kopf machen, denn heute ist es noch an uns, der Herrin Travia ein gutes Vorbild zu sein. Heute sind wir als Gastgeber in der Pflicht und daher bitte ich alle zu Tisch, wenn wir euch ein feines efferdisches Essen servieren wollen. Bitte, nehmt alle Platz.“

Daria musste kurz schlucken, eigentlich hatte die Traube dem Hinterkopf des Kutschers gegolten, der sie vorhin fast über den Haufen gefahren hatte, stattdessen flog sie an ihm und dem für sein Alter noch ausgesprochen gut gebauten Mann, der sowohl eine Art Lokalheld, als auch einer der Juroren zu sein schien, vorbei und verschwand im „üppigen“ Dekolleté des hübschen Mädchens, mutmaßlich eine ihrer Konkurrentinnen. Schnell ließ sie einen Blick über die Runde schweifen, keine auffälligen Reaktionen … außer – jetzt konnte sich ein Lachen kaum verkneifen – ihr Bruder starrte der blonden Schönheit unverhohlen, mit offenem Mund auf die Brüste und begann nun seinerseits erste spöttische Blicke zu ernten. Heute war ein guter Tag. Trotzdem würde sie das mit der Traube irgendwie wieder gut machen müssen, schließlich hegte sie keinerlei Feindseligkeit gegenüber dem Mädchen, obgleich ihre Familie ihr Fahrpersonal zukünftig vielleicht mit mehr Sorgfalt auswählen sollte.

Auf dem Tisch fanden sich entsprechende Tischkärtchen, die Plätze waren fest zugewiesen. Und sicher war es kein Zufall, dass so alle fünf Bräute nah beieinander saßen, nicht nur Angesicht zu Angesicht, sondern auch im direkten Blickwinkel Isauras, welche es sich kaum würde nehmen lassen, genau zu beobachten, wie sich die Damen untereinander wohl verhalten würden. Da saßen die jungen Damen also beisammen, eine ansehnlicher als die andere.

Autor: Dajin

Tischgespräche

Corrada ya Papilio hatte sich zu einem gleichmütigen Gesichtsausdruck beherrscht, während sie die anderen Brautbewerberinnen scheinbar desinteressiert musterte. Sie unterließ es auch, ihr schwarzes Büchlein zu öffnen und ihre Eindrücke in spinnwebenhafter Kurzschrift zu notieren. Das musste warten. Zuerst einmal wollte sie das Tischgespräch in Bewegung bringen, damit es nicht so langweilig bliebe wie bisher.

Sie holte tief Luft, als ob sie sich Mut zum Sprechen machen müsse. Ihr Kleid ächzte leise, derart unter Belastung gesetzt. Mit lächelndem Mund wandte sie sich Terantina zu und fragte treuherzig: „Ihr seid also die Nichte der Jurorin Viviona?“

"Unfassbar", dachte die Angesprochene während sie sich langsam und freundlich lächelnd, wie man es ihr seit frühster Jungend beigebracht hatte, jener Corrada zuwandte. Genau dies hatte ihre Tante voraus gesehen: Sie würde im Kreise der Bewerberinnen zuerst angesprochen werden und natürlich würde die Verwandtschaft zu einer Jurorin Thema sein. "Dies ist nicht von der Hand zu weisen, verehrteste Signorina...", sie leistete sich einen kurzen, gleichwohl unverhohlenen Seitenblick auf das Tischkärtchen, "...ya Papilio. Doch bevor Ihr Verrat wittern möget", fuhr sie fröhlich fort, "lasst mich versichern, dass ich zwar die Vorlieben meiner Tante etwas besser kennen mag als andere, sie jedoch in meinem Falle umso kritischer sein wird, wie es nunmal ihrem Naturell entspricht." Bescheiden senkte sie ihren Blick um ihre Gesprächspartnerin noch einmal kurz in Augenschein zu nehmen. Das Kleid war scheußlich und an einigen Stellen sogar staubig, aber das Dekolleté wusste zu gefallen, sogar ihr. "Und ich werde Euch sogar einen gut gemeinten Rat meine Tante betreffend geben, wenn Ihr mir im Gegenzug eine Frage beantwortet." Sie beugte sich noch etwas weiter Ihrer Tischnachbarin zu. "Sind wir im Geschäft?" raunte sie ihr verschwörerisch zu.

Corrada zögerte und zeigte das auch. Souverän, diese Efferdierin. Oder sie selbst zu schnell. Aber man konnte ja nicht die ganze Zeit den Mund nur zu wortlosem Lächeln benutzen. Der Camaro-Erbe, seine Verwandten und die Juroren sollten die Bräute in spe doch kennenlernen. Sie würde sich nicht verstellen, um zu gefallen. "Sind nicht die eigenen Verwandten immer die schärfsten Richter?", ging sie mit Seitenblick auf den säuerlich blickenden Horasio und die lauernde Viviona auf Terantinas Angebot zu einem zeitweiligen Bündnis ein, ohne ihrerseits die Stimme zu senken. "Ich hoffe, und bin sicher, das wird nicht zu Eurem Nachteil sein. Und ich will meinerseits keinen unlauteren Vorteil anstreben. Also fragt nur, was Ihr wissen wollt. Doch ich bezweifle, dass ich so interessante Dinge zu berichten habe wie Ihr oder die anderen, älteren Braut-Prätendentinnen, die Ihr gewiss allesamt in eurem Leben schon weit herumgekommen seid."

"Oh", antwortete Terantina mit einem bescheidenen Augenaufschlag, den man ihr beinahe abnehmen konnte, "Ich selbst bin im Herzen nur ein ganz einfaches covernisches Mädchen, mit allen Vor- und Nachzügen. Wie mein zukünftiger Gemahl ganz sicher feststellen wird", fuhr sie nach kurzer Pause mit einem anzüglichen Seitenblick, den man ihr ganz sicher abnahm, auf Croënar di Camaro fort. "Euch gebe ich den guten Rat meine hochverehrte Tante niemals vertraulich, als seid ihr seit Kindertage bekannt, allein mit ihrem Vornamen anzureden oder sie auch nur im Gespräch nur mit ihrem Vornamen zu nennen, wenn sie es hören könnte. Signora ya Pirras ergänzt um eine Ehrbezeugung wie hochverehrt sollte es zumindest sein. Besser noch einen ihrer vielen Titel." Sie hatte Croënar die nicht aus den Augen gelassen. "Nun zur Gegenleistung: Was haltet Ihr von jenem unzweifelhaft männlichem Objekt fünffachen Buhlens?"

Corrada warf dem Genannten einen weiteren von vielen kurzen Blicken zu, mit denen sie ihn seit ihrem Eintreffen bereits von ferne betrachtet hatte. Diesmal war das Luftholen nicht gespielt, sondern ehrlich: Was sollte sie nur sagen, da jeder sie hören konnte, der wollte?

Sie beherrschte sich und formulierte ihre Worte für manchen Zuhörer überraschend überlegt: "Er ist kein Jüngling mehr", stellte sie fest. "Und hat ein Alter, in dem der Traviabund nicht nur angemessen ist, sondern auch sicher nicht mehr aus einer Laune heraus oder wegen Oberflächlichkeiten geschlossen werden wird." Sie blickte die vier anderen, allesamt älteren Brautbewerberinnen eine nach der anderen an. Wenn außer diesem redegewandten Levthanshäppchen keine den Mund aufmachte, dann waren ihre eigenen Aussichten, den Junggesellen für sich zu interessieren, vielleicht doch nicht so verschwindend, wie sie beim Eintreffen gedacht hatte.

Interessiert hatte Mirinia den beiden Brautbewerberinnen zugehört, die sich als erste dazu herabgelassen hatten, das Gespräch zu eröffnen. Wenn es auch zunächst den Anschein einer privaten Unterredung gemacht hatte, konnten doch alle in der Nähe Sitzenden dem Gespräch folgen. Ihr fiel auf, dass die meisten der Bewerberinnen dem zukünftigen Bräutigam nur verstohlene Blicke zuwarfen, als würden sie ihn nicht offen mustern wollen. Als das Gespräch sich nun eben diesem Herren zuwandte, begutachtete sie ihn unverhohlen. Für sie war es selbstverständlich, sich ein Bild von demjenigen machen zu wollen, an den sie vielleicht für ihr Leben gebunden werden würde. Als die junge Corrada ya Papilio sie und die anderen Bewerberinnen nun auffordernd ansah, entschloss sie sich, an dem Gespräch teilzunehmen: „Nun, noch haben wir ja nicht viel von ihm gesehen. Bis jetzt ist er ein angenehmer und höflicher Gastgeber, wie es bei seiner Erziehung und dem guten Ruf zu erwarten war.“ Sie lächelte die anderen Frauen sanft an und sprach mit ihrer ruhigen Stimme weiter: „Dass wir uns den Musterungen und Prüfungen der Juroren stellen müssen, ist selbstverständlich, doch ich frage mich: Wie viel wird uns wohl von seinem Charakter offenbart werden?“

Corrada ließ sich nicht anmerken, dass sie von dem freundlichen Tonfall überrascht wurde, den die bislang so stille Urbasierin anschlug. 'Kein Klang von Kompetition', fuhr ihr durch den Kopf. 'Sie meint sich offensichtlich nicht so zur Schau stellen zu müssen wie der Gabentisch gegenüber. Aber vielleicht hat sie das ja auch gar nicht nötig?'

Das Fräulein von Gut Montalto reckte ihre Kinne vor, um neben den schönen Bräuten nicht ganz so mopsig dreinzublicken: "Eine gute Frage. So es denn einer oder mehreren unter uns freigestellt sein sollte, selbst zu entscheiden, ob sie Ihn im Falle des Gefallens tatsächlich ehelicht. Eine Verweigerung im letzten Augenblick wäre für die betreffende Familie ein Makel, eine Schmach", flötete sie und schickte den beiden noch wortlosen Bewerberinnen Daria und Casiope auf-, ihrem Vetter hingegen herausfordernde Blicke zu. Ihr Begleiter tupfte sich ein weiteres Mal die Stirne mit einem fleckigen Seidentuch ab und winkte einem Diener, ihm noch einen Perlwein zu bringen.

Cassiopeia verschluckte sich fast an ihrem Getränk, als Corradas Blick auf sie fiel. Bislang hatte sie sich größte Mühe gegeben, bloß nicht aufzufallen - neben den herausgeputzen Mitbewerberinnen bei ihrer Garderobe geradezu eine Leichtigkeit: Sie mochte es halt einfach schlicht. Und ein derartiges Dekolletée hätte Tante nie im Leben zugelassen. Sie stellte lieber ihre schlanke Gestalt und Leichtigkeit heraus, statt mit bloßer Fleischeslust locken zu wollen.

„Nun.“ begann sie mit leiser Stimme, nach den ersten Worten aber zunehmend selbstsicherer werdend. „Selbstredend kann ich nur für mich sprechen, doch ich kenne Croënar und das Haus di Camaro flüchtig, besser jedoch aus Erzählungen. Und ich kann sagen, das es mich einige Mühe gekostet hat, Tante davon zu überzeugen, der Einladung zu folgen... Nicht, dass sie etwas gegen die Verbindung hätte, ihr Götter, nein! Das habe ich nicht sagen wollen. Sie hatte einfach... anderes für mich im Sinn. Aber soll Eure Frage andeuten, dass Ihr nicht aus freien Stücken hier seid? Croënar scheint doch ein wundervoller Mann zu sein?“

"Woher soll ich das wissen?", murrte Corrada, gerade so laut dass die um sie Sitzenden es verstehen konnten. "Er hat ja noch kaum ein Wort gesprochen."

Zu Mirinia gewandt fuhr Cassiopeia fort: „Ich denke doch, dass es Bestandteil der Reise sein wird, dass wir uns selbst ein genaues Bild von ihm machen können. Seine Eltern möchten ihn bestimmt nicht in einen Traviabund geben, dessen Schluss alsbald von einer der Parteien bereut wird. So etwas wirft immer ein schlechtes Licht.“

Ihr bewundernder Blick auf Croënar ließ bereits anmerken, dass sie ihn sehr gern näher kennenlernen würde.

Daria wandte enttäuscht den Blick von dem kleinen Kärtchen ab, das vor ihr auf dem Tisch stand. Niemand dachte je an ihren zweiten Namen. Selbst in ihrer Familie wurde er andauernd vergessen. Es war also nicht unwahrscheinlich, dass sie einfach nur als Daria und nicht als Daria Eri di Monte Fuori angemeldet worden war. Sie lehnte sich zurück und ließ sich ebenfalls von dem, es ließ sich nicht anders ausdrücken, vorzüglichen Perlwein nachschenken. Dann sagte sie in einem spielerischen Tonfall, der es schier unmöglich machte zu entscheiden, ob sie es ernst meinte oder scherzte: „Ich kann der Signora Trenti nur zustimmen, welches Mädchen würde sich nicht glücklich schätzen, einen so offensichtlich hinreißenden Mann wie Croënar di Camaro vom Fleck weg zu ehelichen? Und welche Tochter geschätzte Signora ya Papilio, wäre ihrer Familie gegenüber so herzlos, die Schande eines kurzfristigen Rückzugs von etwaigen Hochzeitsarrangements auf sich zu ziehen?“ Während sie sprach, ließ sie ihren Blick von Cassiopeia über Corrada – war das ein Zwinkern? – hin zu ihrem Bruder schweifen, den sie einige Augenblicke unschuldig anlächelte. Dann griff sie schließlich zu ihrem Glas, schwenkte es fröhlich durch die Runde, bis in Richtung des Bräutigams in spe, diesen bedachte sie mit einer kurzen Neigung des Kopfes und einem freundlichen Blick, bevor sie zum Trinken ansetzte.

Corradas ausgeprägte Selbstbeherrschung war stärker als ihr Verlangen, Daria mit Worten Verstehen zu zeigen. Stattdessen kniff sie nur die dicht bewimperten Augen über den runden Wangen zusammen und ließ ein Lächeln ihre Lippen kräuseln. Brave, Hintersinnige, Durchtriebene - es war eine interessantere Runde als sie erwartet hatte.

Croënar wirkte fast etwas erschreckt, als Daria das Glas erhob. Ja, eine kleine Ansprache wäre auch von ihm eigentlich angemessen. Zum Glück wurden gerade die ersten Vorspeisen heran getragen. Ein guter Moment. Kaum, dass er Darias Gruß mit einem freundlichen Nicken beantworten konnte, stand er auf und schlug mit einem Löffelchen an sein Glas. „Verehrte Gäste, auch ich als derjenige, der in ein paar Tagen aus dem Leben des Junggesellen gerissen wird, sehe es natürlich als meine freudige Pflicht an, euch alle hier zu begrüßen und für das Erscheinen herzlichst zu danken. Über die Bedeutung eures Erscheinens hat mein Vater ja schon etwas gesagt. Ich stimme dem auch überein, erlaube mir nun aber auch, etwas persönlicher zu werden.“ Er rieb sich mit dem Daumen kurz die Nase, offensichtlich eine Geste, die davon ablenken sollte, dass er nach den richtigen Worten suchte. Offensichtlich wirklich eine spontane Rede.

„Ich sehe die kommenden Tage nun ja auch aus der Perspektive des Umworbenen. Auch wenn ich selbst auf das Ergebnis keinen Einfluss haben werde. Es ist schwer zu beschreiben, wie ich darüber empfinde, doch genau dieses Empfinden will ich keinem vorenthalten. Wäre der Anlass nicht so ernst, wahrscheinlich würde „ulkig“ die treffende Bezeichnung. Doch das hier ist ernst. Es ist surreal. Doch sicher nicht nur für mich. Auch für eine dieser fünf Damen wird sich nach der Schifffahrt das Leben gravierend ändern. Und dieses Leben soll sich zu einem besseren verändern. Das ist eine ganz schön große Verantwortung, die ich da tragen werde. Aber ihr seht, ich bin mir dessen bewusst. Ich habe vor, die mir bevorstehende Aufgabe, nämlich eine dieser Damen für den Rest unseres Lebens glücklich zu machen mit einer großen Demut anzugehen.“ Er unterbrach die Rede für ein kleines lachen, nicht viel mehr als ein „Ha“, in dem etwas Traurigkeit mitzuschwingen schien.

„Ich denke mal, als kleiner heranwachsender Bube oder als kleines heranwachsendes Mädchen haben wir uns alle das bevorstehende anders vorgestellt, anders ersehnt oder erhofft. In Gedanken ein Festival der Rosen, der Wunsch nach Gauklerfischen im Bauch… ich will nicht wissen, wie viele von uns aus einer jugendlichen Dummheit heraus mal diesen Wünschen nachgegangen sind.“ Ein kurzer verstohlener Blick erreichte Phelippa, welche diesen aber nicht bemerkte. „Nun hier zu stehen und einen Trost auf diese auszusprechen, die symbolisch das Ende all solcher Kindlichkeiten bedeuten, fühlt sich gewissermaßen bittersüß an. Es ist aber viel mehr auch tröstend zu wissen, dass dort fünf zauberhafte Damen sitzen, von denen eine letztendlich dieses Gefühl teilen wird. Wer weiß, vielleicht wird dies die erste von vielen Gemeinsamkeiten, die uns dann im gemeinsamen Leben begleiten werden, ein Fundament, auf das man Stein für Stein setzt. Gemeinsamkeiten, aus denen man heranwachsen kann und am Ende etwas hat, von dem man sagen kann „es macht mich Glücklich“. Croënar wandte sich in Richtung Juroren und grinste frech. „Das ist es, was ich mir wünsche. Von daher gebe ich euch den guten Rat, die richtige Wahl zu treffen, ich habe nämlich durchaus vor, in eurer Nachbarschaft wohnen zu bleiben und wenn eure Wahl nicht weise ist, wird es hier zwei unglückliche Leute geben, die euch nicht vergessen werden.“ Er wedelte gespielt drohend mit dem Finger. „Also strengt euch gefälligst an.“

Der Blick wanderte kurz zu einem Diener am Rand, der etwas ungeduldig drein sah. „Und damit genug der Gefühlsduselei, das Essen wartet und ich so wie ich den Koch verstanden habe ist er sehr stolz darauf, wie gut ihm das Essen gelungen ist. Wir sollten es also nicht kalt werden lassen… und ach ja, der Form halber will ich erwähnen, dass wir vorab den Kugelfisch von der Karte gestrichen haben und durch echtes covernisches Lammfleisch ersetzt haben. Verbündete des Hauses Changbari mögen dies nun bitte nicht als symbolische Aussage verstehen. Aber es gibt reichlich, greift zu.“ Croënar setzte sich und überließ das Schlachtfeld nun den Dienern, die eifrig Teller auftischten.


Autoren: X-toph, GrK, Elanor, Neli/Klimpermädchen, Trenti, Dajin