Briefspiel:Des Erben Schicksal (3)

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Haus della Pena jH klein.png Horasio
Haus di Matienna.png Di matienna

Im gräflichen Schloss zu Coriolenne, Nacht des 3. Boron

Autor: Athanasius

Irgendein Gemach

Alrigio spähte einen Augenblick in den Gang durch den er das Ankleidezimmer betreten hatte. Keiner der anderen war zu sehen, dennoch wusste er, dass er sich beeilen musste. Mit einem anderen Mitglied der Bestie hätte er wohl teilen können – aber der Schwarze Calven wäre sicher nicht froh über seinen Alleingang. Die Tür war unverschlossen gewesen. Er hob den Deckel der silbernen Schatulle an und lächelte. Dann schüttete er den Inhalt achtlos in den Lederbeutel der neben dem Dolch an seinem Gürtel hing. Er wog die Schatulle einen Augenblick in seiner Hand, steckte den Deckel dann ebenfalls zu den paar Silberlingen die von seinem letzten Sold noch übrig waren und stopfte sich die Schatulle unter sein Wams. Vielleicht gibt es hier ja noch mehr...? Er blickte sich endlich etwas genauer in dem Raum um, der ganz offenbar einmal einer Signora gedient hatte. Ein Raumtrenner, eine schmale Tür in ein weiteres Zimmerchen – ein Schlafgemach? – ein großer Kleiderschrank und manches Gemälde an den Wänden. Eines, das eine schwarzhaarige Schönheit vor einem Vorhang zeigte, wies eine schwarze Schärpe an einer Ecke des Rahmens auf – den Rest ignorierte er allesamt. Dann fiel sein Blick auf die Rückseite der Tür. Dort stand eine Kommode, etwas schräg im Raum, als habe sie zuvor näher an, ja, vor der Tür gestanden. Die Türklinke stand etwas vor. Alrigio trat näher und erkannte, dass ein schmaler Riss vom Metall nach oben und unten durch das Holz fuhr. Hier war schon jemand vor mir! Er griff nach seinem Dolch und drehte sich um.
Etwas traf seine Wange und über seine rechte Gesichtshälfte schwappte eine Woge des Schmerzes und sein Kopf wurde herumgerissen. Alrigio taumelte und hieb etwas ziellos mit dem Dolch nach seinem Angreifer, hörte ein Grunzen und ein metallisches Klirren. Er spürte, wie die Ohnmacht nach ihm griff. Kor hilf, was für ein Hieb! Er sank auf ein Knie. Schwärze verengte sein Sichtfeld. Alrigio sah noch, wie sich ein bärtiges Gesicht vor ihn schob und auf ihn hinabblickte. Er griff nach seinem Dolch und schrie auf als sich ein Stiefel auf sein Handgelenk stellte. Ein Lappen und Blut in seinem Mund waren das letzte, was er spürte, bevor Alrigio die Dunkelheit umfing.

***

Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war. Ein unregelmäßiges Geräusch drängte sich zwischen das Brummen in seinem Schädel. Stimmen. Er öffnete einmal kurz die Augen, um sich nicht zu verraten und schloss sie rasch wieder, als ein scharfer Schmerz durch seine Schläfe schoss. Sein ganzer Schädel pochte, wobei die rechte Gesichtshälfte schlimmer war.
Zuerst war eine Frau zu hören. Alrigio hatte nur kurz vier Gestalten sehen können, die in seiner unmittelbaren Nähe standen. Ein weibliches Gesicht mit einer langen, gebogenen Nase war dabei gewesen. „...niemand gehört zu haben. Die Gruppe hat sich in den Flügeln des Schlosses verteilt.“
Eine recht tiefe, männliche Stimme antwortete, die befehlsgewohnt schien. Er hatte noch drei Männer erkennen können. Einer trug einen dunklen Bart, der andere war ein hässlicher Kerl, dem offenbar ein Ohr fehlte. Den dritten hatte Alrigio nicht recht erkennen können, er wurde von den anderen beiden verdeckt.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich war ohnehin etwas überrascht, dass der Berîsac noch niemanden hergeschickt hat. Das Schloss gehörte doch mal ihm!“
„Du, Umbario, mach, dass du deinen Herren findest! Sieh zu, dass er sich nicht einmischt – das kann ich nicht gebrauchen. Und es wäre doch schade, seine Sicherheit weiter zu gefährden?“ Eine gemurmelte Antwort und dann Schritte, die sich entfernten. Eine Weile war da Stille, Alrigio bemühte sich, seinen Atem flach zu halten und widerstand dem Drang, die Augen noch einmal zu öffnen.
„Khorena, Rodorigo, nehmt euch vier Männer und durchkämmt das Schloss nach dem Jungen. Wenn ihr ihn habt, macht, dass ihr hier rauskommt. Nehmt den Weg in die Berge, wie wir es besprochen haben!“
„Wo fangen wir mit der Suche an? Und was ist mit dem Schwarzen Calven?“, eine zweite, männliche Stimme. Der Hässliche?
„Das werden wir sehen.“ Der Bärtige – Alrigio war sicher, dass es sich bei dem Mann, der offenbar die Befehle gab, um denjenigen handelte, der ihn niedergeschlagen hatte – musste etwas Lustiges getan haben, denn der andere Mann kicherte.
„Nun, Mann, bist du endlich wieder wach?“ Eine schwere Last legte sich auf Alrigios Brustkorb. Er musste keuschen, auf das der Bärtige mit einem kurzen Lachen antwortete. Ein kurzes Blinzeln verriet Alrigio, dass etwas Metallenes – ein Panzerhandschuh? – auf seine Brust drückte. „Das ist gut, mein Lieber. Ich brauche nämlich deine Hilfe bei der Suche nach deinem Kommandeur...und seinem Schützling...“


Autor: Horasio

Andernorts im Schloss

Sie schlichen leise über die Flure des verlassenen Schlosses. Romualdo selbst, der sich hier gut auskannte, ging mit einer Fackel in der Hand vorne weg. Hinter ihm schritt seine Gnaden Palomino, in seinem schwarzen Ornat und der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze verfügte er ohnehin über die Gabe unheimlich zu wirken, doch bei dem schwachen Licht und der drückenden Stille war es, als habe Boron den leibhaftigen Tod nach Dere geschickt um Romualdo zu folgen.
Aber nicht nur ihm, denn sie waren nicht allein. Mit ihnen waren zwei Bewaffnete der Schwarzen Bestie gekommen. Die beiden Veteranen, insbesondere der hammerschwingende Gareno, hatten schon so manche Schlacht in Diensten seines Vaters geschlagen und gaben ihm damit mehr Sicherheit als sein entfernter Verwandter Broinho, der die Nachhut bildete.
Obgleich, habe ich hier etwas zu befürchten? Die weiten Gänge des herrschaftlichen Anwesens schienen ganz und gar verlassen. Das flüchtende Dienstperson hatte es scheinbar eilig mit der Flucht gehabt. Andererseits mochte hinter jeder Ecke ein Meuchler in Diensten des neuen Grafen von Bomed auf ihn warten. Zu oft hatte es feige Attentate auf das Leben seines Vaters gegeben, als das er nun auf die Gnade Rimon Sâlingors vertrauen durfte.

Sie hatten das Portal der Kapelle erreicht. Mit den Symbolen der Götter Alverans in wertvollen Silber hatten die Berîsac einst den Eingang zu diesem Heiligtum schmücken lassen. Sein Blick wanderte zum gebrochen Rad des Totengottes. Hier bin ich also und versuche die Heiligtümer meiner Familie zu retten.
Er drehte sich zum Boron-Geweihten um. „Euer Gnaden, habt ihr den Schlüssel?“
Der Angesprochene nickte stumm und ging an Romualdo vorbei. Er kramte in seiner Tasche, zunächst der rechten, dann der linken. Palomino zog grübelnd die rechte Augenbraue hoch, ehe er erleichtert die Augen verdrehte. Er zog den Schlüssel aus den Weiten seines Gewandes hervor und stieg die Stufe zum Portal hinauf.
Als Hofgeweihter des Grafen verfügte er natürlich über den Zugang zu diesem Ort, wo er seinem früheren Herrn schon oft in seiner Funktion als Traumdeuter zu später Stunde zur Verfügung gestanden hatte.
Ein Klacken war zu hören, als sich der Schlüssel drehte und die schwere Tür aus Zedernholz langsam aufgeschoben wurde.
Romualdo lächelte und wollte bereits dem Geweihten folgen, als er sich doch noch einmal umdrehte. „Broinho, was meinst du, sollten wir eine Wache…?“ Verwirrt runzelte er seine junge Stirn. Die Bewaffneten vor ihm drehten sich um, spähten in den Flur hinter ihnen. Gareno ging einige Schritte zurück, dann kam er kopfschüttelnd zurück. Dort war niemand. Sein Vetter war verschwunden.

***

Vorsichtig drückte Broinho die eiserne Klinke hinunter und öffnete so leise wie möglich die Tür zur Werkstatt. Er schob seinen Kopf durch den Spalt, blickte sich kurz um und schlüpfte durch den Durchgang, als niemand zu sehen war.
Durch die gläsernen Scheiben fiel das silberne Mondlicht in die Werkstatt des Maestros und gewährte ihm einen schemenhaften Überblick. Es schien sich nicht viel verändert zu haben. Auf einem großen Tisch in der Mitte erkannte er Pinsel, Kohlestifte und Papierbögen, die, so kannte er Marciano, zweifellos als Skizzen kommender Kunstwerke dienten. Daneben standen Mörser, beschriftete Tongefäße und ein großer Krug, den der Künstler für Wasser verwendete.
Vor zwei Fenstern standen zwei große Staffeleien, die jeweils von einer Leinwand überzogen waren. An den hölzernen Füßen lag eine Palette, deren sonst so kräftige Farben in der Dunkelheit blass und grau wirkten.
Einige Teile der Werkstatt waren durch aranische Wände vom Rest des Raumes abgetrennt. Hinter der einen verbargen sich Kisten, gefüllt mit wertvollen Utensilien und Stoffen des Malers, hinter der anderen hatte dieser ein notdürftiges Bettlager eingerichtet, wenn er mal wieder bis spät in die Nacht arbeitete.
Er machte einige Schritte hinüber zum Tisch und versuchte den auf dem Boden verstreut stehenden Gefäßen auszuweichen. Nicht ganz mit Erfolg, denn schließlich trat er auf einen dicken Quasten, den er damit in Drehung versetzte und beinahe über dem borstigen Pinsel ausrutschte. Ordnung war noch nie seine Stärke, ärgerte sich Broinho, als er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte und nun seine Hand über einige Holzschnitte fahren ließ, die auf einem unordentlichen Haufen aufeinander gestapelt waren.
Er schüttelte den Kopf. Dann fanden seine Hände eine Kerze, direkt daneben einen Zunderschwamm. Sogleich machte er sich daran den Docht zu entflammen. Ah! Endlich Licht.
Zur Belohnung gönnte er sich einen Schluck aus dem Weinkelch, der dort ebenfalls stand.
Er warf einige Blicke auf Skizzen und fertige Kunstwerke, schaute sich noch einmal in der Werkstatt um und entschloss sich dann zur Staffelei zu gehen.
Vielleicht konnte er erkennen, an was der Maestro zuletzt gearbeitet hatte. Dieser nämlich, der sich sonst gänzlich aufgeklärt gab, hing dem Aberglauben nach, dass es für Künstler ein schweres Unglück bedeute, wenn ein Fremder vor der Vollendung des Werkes einen Blick auf selbiges werfen könne.
Mit einem Mal hörte er hinter sich ein lautes Scheppern. Sofort drehte er sich um und griff mit seiner freien Hand an sein Rapier um es zu ziehen. Er konnte niemanden sehen, auch nichts mehr hören. Angestrengt lauschte er und suchte die Werkstatt mit seinen Augen ab.
Er ärgerte sich über sich selbst. Was will ich nur hier? Seine Knie schlotterten vor Angst.
„Huhu? Ist da jemand? Gebt euch zu erkennen?“, sprach er nun mit brüchiger Stimme und umklammerte seine Waffe, obschon er wusste, dass er damit nicht besonders viel auszurichten im Stande war.
War da nicht ein Schatten hinter der aranischen Wand zu sehen?



Autor: Di matienna

In der Kapelle

Palomino betrat die Kapelle als letztes. Behutsam schloss er die Tür wieder hinter sich, ohne sie abzuschließen. Dabei achtete er darauf, keinen Lärm zu erzeugen. Niemandem sollte etwas auffallen. Dabei hatte er nur alte Gewohnheiten befolgt. Palomino schwelgte plötzlich in Erinnerungen, als er zum womöglich letzten Mal diese für ihn außergewöhnliche Kapelle betrat. Sein Blick folgte den filigranen Pfeilern himmelwärts zur Kuppel, an den bunten Fenstern vorbei und wieder zurück gen Boden. Die Fresken an den zwölf Wänden waren im Feuerschein nur zu erahnen, sie stellten Gleichnisse da, und Szenen aus dem Leben der Gläubigen, jede Seite einem der Götter gewidmet. Wer immer der Künstler war hatte es erreicht, diese Szenen fließend ineinander übergehen zu lassen, und über den Köpfen der Gläubigen einen vollen Kreis zu bilden. Kein Anfang, kein Ende. Nun, im flackernden Feuerschein, schienen die Gläubigen, die heiligen Tiere, die Alveraniare zum Leben erweckt. Mein letzter Besuch in solch wunderbaren Hallen, und doch sehe ich sie, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Am Tage war die Kapelle lichtdurchflutet und Palomino hatte das Licht in allen Farben genossen, das in den meisten Tempeln, die einzig seinem Gott geweiht waren, zu oft fehlte. An diesen Tagen spielte er mit dem Gedanken, sich dem Bund des Wahren Glaubens anzuschließen. Auch nachts hatte er viel Zeit allein in de Kapelle verbracht und in den Schatten meditiert, die die Pfeiler im Mondschein warfen. Dabei hatte er aber nie ein Feuer mitgenommen, um die Stille nicht zu zerstören.
Genau bei diesem Gedanken schreckte Palomino aus selbigem auf, als er hörte, wie die anderen beginnen wollten, die heilige Familie der della Pena abzubauen. Nach einem Augenblick des Schreckens sprang er beherzt über den Altar im Zentrum der Kapelle zur Boronwärtigen Wand, um Romualdo in den Arm zu fallen, der die ihn selbst darstellende Figurine in der Hand hielt und von ihrem Platz entfernen wollte. Instinktiv mit einem Angreifer rechnend stieß Romualdo Palomino von sich, der rücklings auf dem glattpolierten Marmorboden bis gegen ein tönernes aufrechtes Standbild der Marbo an der Nachbarwand rutschte, das zu torkeln begann. Hektisch drehte sich Palomino um, sprang auf und schaffte es mit beiden Händen, die Statue zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Im nächtlichen Tanz mit Marbo, und diese Nacht ist noch lang, möge ihr gestrenger Vater mir vergeben.

"Was ist in euch gefahren, bei allen Nied...?" flüsterte Romualdo, behielt aber angesichts der Örtlichkeit die Fassung, während Palomino zurück zur Gruppe schlich. Das Malheur war erstaunlich still verlaufen, alle lauschten aber, ob Schritte zu hören waren. Nichts zu hören. Da ihn alle wie entgeistert anstarrten, lenkte Palomino ihre Aufmerksamkeit zur heiligen Familie.
"Schaut genau hin."
"Warum? Wir haben keine Zeit."
Ganz behutsam tastete Palomino nach Romualdos Hand, in der dieser eine Fackel hielt und schritt gemeinsam mit ihn in Richtung der dem Phex gewidmeten Wand. Gemeinsam hoben sie die Fackel, und Palomino deutete zum Bildnis des Sternenhimmels hinauf.
"Ihr zeigt mir die Sterne?" flüsterte Romualdo.
"Was erkennt ihr?" Palomino wiegte Romualdos Hand sanft hin und her, was die Sterne funkeln ließ. Dann deutete er auf eine bestimmte Stelle.
"Der Fuchs, das Sternbild."
"Wenn ein Stern fehlt, erkennt ihr es immer noch?" Manchmal war es nötig, lange Sätze auszusprechen. Palomino lächelte als er bemerkte, dass Romualdo im Begriff war, zu verstehen.
"Die Figuren, sie stellen eine Konstellation dar!" kam es aus Romualdo heraus, fast zu laut. Palomino führte ihn zur heiligen Familie zurück.
Pira steht bei Broinho und Flavia, einander beschützend. In Opposition zu Alvaro steht Rhymeo, Euer Onkel Tarquinio steht erhöht und wacht ringsherum." begann Palomino und freute sich, dass Romulado alleine fortfuhr: "Mein Bruder und ich, eng vereint und dort, die Figur meines Vaters über allen…“

Wäre Palomino in der Poesie begabt, hätte er daraus einen Reim gemacht, da sich gereimtes besser einprägte. Er kannte die Anordnung ohnehin sehr gut, aber was wenn ihm etwas zustieß?