Briefspiel:Des Erben Schicksal (1)

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen
Beteiligte (irdisch)
Haus della Pena jH klein.png Horasio
Familie Menaris klein.png Athanasius
Haus Calven.png Calven
Haus Urbet-Marvinko klein.png Gonfaloniere
Haus della Pena aeH.png Dellapena
Haus di Matienna.png Di matienna


In einer Gaststätte in Oberfels, am Abend des 1. Boron 1037 BF


Autor: Horasio

Seine Augen blickten müde auf den Becher Wein in seiner rechten Hand. Ein Schluck, mehr war nicht übrig geblieben von dem billigen Fusel, den er in der Gaststätte erworben hatte. Würde es diesem letzten Rest des Rebensaftes gelingen seine Ängste und Sorgen hinunter zu spülen? Er bezweifelte das, dennoch trank er.
Als Broinho Horanthion den Becher auf den unebenen Brettern des notdürftig zusammengezimmerten Tisches abstellte, öffnete sich leise die Tür und Palomino di Matienna, der einstige Hofgeweihte Horasio della Penas trat ein. "Er schläft", erklärte er kurz milde lächelnd und Broinho verlor sich einen kurzen Moment in den ruhigen braunen Augen des Priesters.
"Das ist gut." Erleichtert nickte Auricanius von Urbet, der in seinem güldenen Ornat das völlige Gegenstück zum Diener des Raben darstellte. Überhaupt stach er durch seine Kleidung unter den Anwesenden hervor, denn Broinho und Mondino trugen ebenfalls nur ein schwarzes Lederwams, wie es unter den Angehörigen der Schwarzen Bestie üblich war. Auch Trutzo Gabellano und Armato della Pena hatten sich, noch ganz im Zeichen des Tages der Toten, in dunkle Gewänder gehüllt, die ihre ohnehin blassen Gesichter noch trüber erschienen ließen. Broinho räusperte sich. Er blickte in die Runde. Wie würde es nun nur weiter gehen? Sie müssten ihm nun doch endlich sagen können, wie es weiter gehen solle. "Und nun?"


Autor: Athanasius

Trutzo Gabellano hatte sichtbar mehr als einen der Becher mit jenem milchigen, mit Wasser aufgeschütteten und schwer nach Anis riechenden Getränk getrunken. Allerdings hatten ihm seine Begleiter auch nicht wirklich in seinem Unterfangen unterbrochen, war der ehemalige Schatzmeister des Grafen doch seit der Totenfeier am 1. Boron in einer vielleicht borongefälligen, aber nicht wirklich gesellschaftsfähigen Laune. Zu schwer hatte ihm das stundenlange, ziellose Umherwandern durch die Wälder um Oberfels - man sah es seinen zerrupften und verdreckten Kleidern noch jetzt an - und die anschließende Schläfenschmerz provozierende Entschlüsselung des Geheimnisses um die Shumir-Krise zugesetzt - das Geheimnis Ralmans hatte letztlich keinem der Gegner Horasios geschadet und keinem der Freunde des toten Grafen genutzt. Und die restlichen Wahrheiten, die das Testament des Grafen versprochen hatten, war im Sumpf der feigen Lügen seiner Gegner untergegangen.
Geblieben war wahrhaft nur noch der Junge, der in jenem einzigen Einzelzimmer, das sein Säckel sich derzeit erlauben konnte, hoffentlich friedlich schlummerte. Der Junge und die Reste dessen, was einst meiner Obhut oblag, dachte Trutzo.
"Jemand wird nach Coriolenne gehen müssen. Egal was mit dem Jungen ist, was wir erreichen wollen - wir brauchen Gold!" Trutzo warf einen Blick in die fragenden Gesichter der Umstehenden. "Seit mich der Graf eingestellt hat, habe ich bei jeder seiner Eroberungen, bei jeder Tributzahlung, bei jedem..."Lösegeld, dachte Trutzo..."bei allem was sonst noch anfiel, einen Teil abgezweigt. Irgendwie musste ja der Sold fürs nächste Jahr bezahlt werden, wenn die Kasse mal leer zu werden drohte!" "Ich werde keine Summe nennen. Einen Eroberungsfeldzug werden wir nicht bezahlen können - aber einen Neuanfang vielleicht..."
"Das Problem ist nur...Mancher wird gern Hand an dieses Geld legen wollen. Die Gegner des Grafen - und seine Söldner, die glauben, es stünde ihnen zu. Daher müsste das Geld in aller Stille aus dem Palazzo der Berîsac geschafft werden."

"Was den Jungen angeht" - Trutzo schien den Namen von Horasios Sohn aus irgendwelchen Gründen vermeiden zu wollen - "so bietet sich natürlich der Bruder als Erzieher an. Aber" Trutzo warf einen Seitenblick auf Auricanius von Urbet "in dessen Heimat besteht die Gefahr, dass der Junge allzu schnell in lokale Streitereien einbezogen wird und weniger als Person, denn als politische Spielfigur betrachtet wird." Manche der Anwesenden wussten um die konfliktreiche Vergangenheit Trutzos mit den Bankiers von Urbasi. "Der Graf wollte ihm, wie ich glaube, vor allem eine gute Erziehung angedeihen lassen. Sicherlich weiß er Vieles über Schlachtentaktik - und seit jenem Abend im Gerichtssaal auch über Politik - und er ist kein Kind mehr, das ist ebenfalls klar. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn man ihm neben einem Condottiere auch Erzieher in den Dingen zur Seite stellen würde, die neben dem Schlachtfeld heute von Bedeutung sind? Hof, Bühne und Lesestube kommen mir in den Sinn. Dadurch würde man auch vermeiden, dass er nur als Sohn seines Vaters, als Sohn eines Heerführers daherkommt."


Autor: Calven

Auch Mondino von Calven hatte zu viel getrunken. Der Hauptmannsmantel war ihm längst von den Schultern geglitten, das Wams verbarg durch seine dunkle Farbe etliche Weinflecken. Doch die Übelkeit, die er empfand, rührte nicht von dem säuerlichen Wein her und auch nicht von dem Nebeltrunk, den der Gabellano ihm eingeschenkt hatte. Er blickte in die Runde und war überrascht, dass er die anderen glasklar wahrnahm. "Der Gräfling wird sich bald unmöglich machen. Sein wahres Gesicht haben wir gestern abend gesehen. Diese Speichellecker werden sich bald wünschen, sie hätten sich anders entschieden." Mondino bemerkte, dass er etwas lallte. Er schaute in seinen Becher. "Ach... einstweilen ist alles verloren. Ich weiß es ja, aber irgendwann..." Seine Worte klangen für ihn selbst hohl und wie Selbstbetrug.

"Eine Krämerseele bist Du, Trutzo. Da schlägst Du nach Deinen Ahnen... Aber dumm bist Du bei allen Göttern nicht. Ich habe gehört, wie meine Reiter gesagt haben, Du seist kein guter Gefolgsmann. Aber Du bist ein besserer als viele andere. Ich kann Rom...", Mondino unterbrach sich, "...seinem Sohn nur mein Rapier geben, Du gibst ihm eine Zukunft. Ohne Geld ist alles nichts." Er kannte Trutzo Gabellanos eigene Pläne nicht, aber er wusste von sich selbst, dass er nicht immer nur der Treuste der Treuen gewesen war. Als die Bitterkeit abermals in ihm hochstieg, vermochte er es, sie herunterzuschlucken.

"Die Bestie lagert bei Leutnanta Barberini ganz in der Nähe. Meine Leute können den Knaben wohin auch immer geleiten, wenn ihr das wollt, Signore Armato. Mit ihnen nach Unterfels einzureiten, wäre wohl nicht klug, auch wenn Kor in Coriolenne herrscht. Wir müssen uns aber beeilen, bevor die Plünderer kommen. Ehrwürden Urbet, ihr müsst wohl weghören, denn wir müssen ein Unternehmen in den Schatten planen..."


Autor: Gonfaloniere

„Nehmt auf mich keine Rücksicht, Calven“, wiegelte der Geweihte die Bedenken Mondinos ab. „Dass nicht jeder notwendige Weg eine Gerade ist, ist mir wohlbekannt. Ebenso wie euch bekannt sein sollte, dass mir wenig mehr am Herzen liegt als das Schicksal dieses Jungen, das dereinst wohl auch dasjenige meiner … Nichte … sein wird.“
Auricanius machte ein Pause und strich sich gedankenverloren übers Gewand, das nach den Strapazen der letzten Woche – der überaus eiligen Anreise aus Urbasi und den noch währenddessen getroffenen Vorbereitungen für die letztlich erfolglose Verteidigung des Grafen vor allem – auch nicht mehr den göttlichen Glanz verkörperte, wie es eigentlich seine Aufgabe war. Er zupfte eine Falte zurecht, ehe er fortfuhr: „Doch erlaubt mir diese Frage: Ist es wirklich ratsam, Romualdo wie einen gesuchten Strauchdieb durch die Lande zu schmuggeln? Mir erscheint dies weder seinem Stande angemessen noch wirklich sicherer zu sein. Denn wenn die Häscher Rimons seiner dann doch habhaft werden sollten, bekäme niemand etwas davon mit, wenn sie ihm ein Leid antun. Offen in der Begleitung eines Priesters der Zwölfe hingegen trauten sie sich dies sicherlich nicht.“
Der Geweihte warf einen fragenden Blick in die Runde.


Autor: Dellapena

"Da möchte ich mich dem werten Auricanius anschließen", erwiderte Armato della Pena. "Ein offenes Auftreten ist das einzige, was dem jungen Grafensohn ... wobei, schauen wir den Realitäten ins Auge: So vehement ich in den letzten Tagen auf den Titel für meinen Gevatter Horasio insistiert habe, er ist wohl nicht zu halten ... also, was dem jungen Romualdo geziemt, ist eine offene Reise. Und wie Hochwürden Auricanius bereits andeutete: Urbasi als Ziel der Reise sollte ebenfalls bekannt sein, damit man merkt, falls der Junge nicht ankommt. In jedoch Fall sollte diese Reise jedoch nicht ohne ausreichende Bedeckung erfolgen.
Die Bergung des Goldes, von dem ihr spracht, Signor Trutzo, hingegen sollte tatsächlich eher im Schatten erfolgen. Möglicherweise stehen euch, werter Mondino, vertrauensvolle Spezialisten unter euren Männern zur Verfügung, die ein solches geheimes Eindringen vollbringen könnten?"
Kurz zögerte Armato, er war sich nicht sicher, ob dieser Personenkreis der richtige war, um seine nächsten Gedanken zu teilen, aber irgendetwas musste er unternehmen. Das gesamte Gezänk um den Grafentitel war ihm schon immer eher suspekt gewesen, doch er hatte sich als guter Gefolgsmann des Hauses natürlich auf die Seite Horasios gestellt, auch wenn er dessen Methoden und Maßnahmen häufig nicht gut heißen konnte. Sein Dahinscheiden war schmählich gewesen und keinem Edelmann des Reiches wert. Diese Farce von einem Prozess hatte die Gegner Horasios in den Augen aller Rechtschaffenden diskreditiert und dem Verstorbenen zumindest die Sympathie Armatos eingebracht.
Die letzte große Tat Horasios aber, sein Testament, das Licht in viele im Dunkeln verbliebenen Geschenisse der vergangenen Jahre zu werfen verhießt, hatte ihm bei Armato größten Respekt verschafft und posthum dazu geführt, dass er dem ständigen Grafenaspiranten eine immense Hochachtung entgegenbrachte. Umso unerträglicher war es für ihn gewesen zu sehen, wie die Gegner Horasios jede Erkenntnis des Testaments abblockten und die praiosgefällige Enthüllung der Wahrheit zu verhindern wussten. Dies konnte er nicht verwinden, es lief seinem Gerechtigkeitssinne völlig entgegen, er musste etwas tun.
Er gab sich einen Ruck und sprach erneut zu seinen Trinkgefährten:
"Doch noch eins, werte Herren. Neben dem Wohlergehen des jungen Romualdo ist auch noch für etwas anderes Sorge zu tragen: Das Vermächtnis seines Vaters! Ich kann nicht zulassen, dass sein Wille, im Tode praiosgefälliges Licht auf dunkle Schurkereien der jüngeren Vergangenheit zu werfen, völlig ins Leere läuft."
Er senkte die Stimme: "Da ich in euch Gesinnungsgenossen zu wissen glaube, möchte ich euch vorschlagen einen Bund zu gründen. Einen Geheimbund, der es sich nicht nur zur Aufgabe macht, den jungen Romualdo, der auf schmählichste Art seines Vaters beraubt wurde, zu beschützen, sondern auch dem Testament seines Vaters zu seiner Vollstreckung zu verhelfen. Darüberhinaus möglicherweise auch die Drahtzieher dieser absolut unwürdigen Farce eines Prozesses zu bestrafen - all dies, um das Andenken des Verstorbenen zu ehren. Wenn keinem anderen ein besserer Name auf den Lippen liegt, so mögen wir uns unter dem Namen 'Zeugen Horasios' sammeln."
Armato schaute aufmerksam in die Runde und wer ihn kannte, vermochte eine Spur Unsicherheit festzustellen, als er sprach: "Wer möchte in dieser Sache mein Gefährte sein?"


Autor: Gonfaloniere

„Mit geheimem Schwur und Losung und allem …?“
Der ironische Unterton Auricanius‘ ließ sich schwerlich überhören, was auch ihm selbst erst bewusst wurde, als es bereits zu spät war. „Nein, entschuldigt, das war wohl unangemessen. Nur ich fürchte, in dieser Angelegenheit bin ich in der Tat der falsche Ansprechpartner. Was die Geheimbund-Sache angeht jedenfalls. Die Sache mit dem Testament liegt hingegen auch mir noch schwer im Magen … so schwer, dass ich es wohl nicht darauf beruhen lassen kann noch werde …“
Ein entschuldigendes Lächeln des Geweihten in Richtung Armatos unterstrich diese Worte.


Autor: Calven

"Wohl gesprochen für einen Sikramtaler... Rimon wird's schon noch bereuen sollen, dass er uns nicht alle in Stücke hat reißen lassen. Meinen Schwur habt Ihr, Armato.Wollt Ihr ihn mit Blut besiegeln?" Vielleicht ist Armato gar nicht der Tunichtgut, für den ich ihn gehalten habe. Mondino hielt dem della Pena seinen Dolch hin, was ihm einen bösen Blick vom Wirt einbrachte.

Der hagere Mann hinter der Theke zeigte sich ansonsten betont desinteressiert, während er schon seit einer halben Ewigkeit Krüge polierte. "Wegen der Reise... Der Junge sollte zu seinen Verwandten. Wenn Tarquinio diese Bürde zu groß ist, kann man immer noch etwas anderes entscheiden." Mondino trank seinen Becher leer. Der Fusel erfrischte ihn auf eine seltsame Weise. "Und die Bedeckung kann die Bestie übernehmen. Ich muss ohnehin aus dem Yaquirbruch verschwinden, der kleine Graf hat's mir deutlich genug bedeutet. Vielleicht ohnehin nicht verkehrt, Tarquinio zu besuchen." Mondino verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die deutlich machte, dass er von dieser Aussicht nicht begeistert war.

"Was das Gold angeht... Meine Leute sind keine Einbrecher. Aber Sargente Jaghino hat flinke Finger, der hat einmal das Schlafzimmer einer hübschen Signora aufgesperrt, eine dicke Eichentür mit Zwergenschloss. Er hat sich auch von ihrem Schreien nicht stören lassen... Vielleicht nützen uns auch die Kundschafter was. Die kennen sich aber auf der Straße und im Wald besser aus als in der Stadt." Die Erinnerung an die Wälder um Oberfels ließ Mondino schaudern.


Autor: Di matienna

Palomino stand währenddessen im Hintergrund an der Wand, in Gedanken versunken. Bisweilen nickte er bei den Vorschlägen seiner Mitverschwörer, die ihm allesamt gut durchdacht schienen, so dass es keiner weiteren Worte seinerseits bedurfte. Einbrüche und Eskorten quer durchs Reich waren nichts für seine Fähigkeiten. Er hatte die letzten Jahre abgesehen von den Freuden des Lebens fast nur mit einem verbracht, mit Zuhören. Da waren die vielen Träume des Grafen, kannte überhaupt jemand dessen Inneres so gut wie er?
Aber deswegen würden sie alle hinter ihm her sein. Als der Urbeter meinte, in Begleitung eines Priesters der Zwölfe sei der Junge sicher, hatte Palomino zum einzigen Mal sichtbar den Kopf geschüttelt. Es gab immer welche, die auch vor Geweihten keinen Halt machten.

Eigentlich wollte er nur fort von hier, so weit wie möglich. Nach Punin, um dort die Kirche um neue Aufgaben zu ersuchen. Immerhin war in seiner Kirche der Tod des früheren Herren kein Makel im Lebenslauf. Vielleicht wurden in Uthuria Missionare benötigt? Oder sollte er seine Oberen bitten, ihm das Gedächtnis auszulöschen?

Palomino trat an den Tisch und schenkte sich etwas von diesem Gesöff ein, während er weiter in Erinnerungen schwelgte. All die netten Damen, die ihn so unwiderstehlich fanden, weil er eben zuhören konnte, während die Höflinge immer nur redeten und redeten. So hatte er im Schlafgemach die unmöglichsten Dinge erfahren, während die Damen ihr innerstes ausschütteten. Ob Familienstreitigkeiten, Intrigen um die höfische Mode, den Stammbaum sämtlicher Hunde im Palazzo, die Losung der Wachen der Schatzkammer oder die Geheimrezeptur für diese Pastetchen, die der Graf so mochte.

Er leerte seinen Becher. Zeit zu gehen, hier gab es nichts mehr für ihn zu tun, aber er konnte es nicht über sich bringen, die anderen jetzt im Stich zu lassen. Nur wie konnte er ihnen helfen? So setzte er noch einmal sein Lächeln auf und fragte in die Runde: „Gibt es etwas, das ich tun könnte?“


Autor: Horasio

Anstatt dem Geweihten zu antworten, schauten die Anwesenden einander fragend an. Sie schienen nach Worten zu ringen, doch sie wirkten noch ratloser als ohnehin an diesem Abend. Wußte denn niemand etwas auf die Frage des Priesters zu sagen? Broinho senkte den Kopf und starrte in seinen leeren Becher hinein. Er überlegte, ob man diese Ruhe als borongefälliges Schweigen bezeichnen könne.
Er schaute auf. Da, bewegte Signor Armato nicht eben seinen Mund und wollte Auskunft geben? Doch kein Laut verließ seinen Körper, statt dessen griff er zum Wein. Womöglich hatte sich Broinho getäuscht, er war ein Narr. Sein müder Blick wanderte zur Türklinke und beobachtete, wie diese sich von Geisterhand geführt nach unten drücken ließ.
Er riss die Augen auf. Die Klinke bewegte sich! Attentäter! „Attenzione!“, schrie er, warf den Becher auf die Tür und sprang ungelenk von seinem Stuhl auf. Wo ist nur mein Rapier? Fieberhaft suchte er nach seiner Waffe. Hatte er sie nicht mitsamt des Gürtels über die Lehne seines Stuhls geworfen? Er drehte sich nach links, sie war nicht dort, er wandte sich nach rechts, dort hing sie. Er hörte wie die Tür aufgerissen wurde. Ein schneller Griff und er zog das Rapier, nein, er verfing sich im unordentlich aufgelegten Gürtel und hatte alle Mühe sich wieder der Tür zuzuwenden.
In dem ausgelösten Tumult war Capitano Mondino hastig zur Tür geeilt. Der Boron-Geweihte hatte sich mit einem behenden Sprung aus dem Weg begeben. Der Schwarze Calven riss die Tür mit rechts auf, während er in seiner linken Hand einen Langdolch an seiner Hüfte verbarg.

Romualdo Filbûrn wich einen Schritt zurück, ansonsten zeigte er keine Reaktion, außer mit furchterfüllten Augen aus blassem Gesicht dreinzublicken. „Ihr?“, fragte Mondino ungläubig und unterdrückte den Impuls mit dem Langdolch einen Angriff auszuführen. Der Junge nickte, ging dann langsam voran und betrat die Stube. Mondino schloss hinter ihm die Tür.
Es kehrte Ruhe ein. „Solltet ihr nicht schlafen?“, fragte Armato della Pena in einem leicht väterlich strengen Tonfall.
Der Sohn des Grafen schaute sich um. Broinho hielt in seinen zitternden Händen immer noch sein Rapier, ließ es dann jedoch sinken.
„Ich konnte nicht schlafen. Und da schlich ich mich hinunter, um euch zu belauschen. Ich wusste, ihr redet über mich,“ erklärte Romualdo. Anfang noch unsicher und leise, wurde seine Stimme mit jedem Wort kräftiger und selbstbewusster. „Ich danke jedem von euch für eure Sorge für mich. Aber ich bin kein Kind, über das man redet,“ fuhr er fort. „Nicht mehr.“
„Euer Gnaden“, er drehte sich zu Palomino. „Ihr wolltet wissen, was ihr tun könntet.“ Er machte eine Pause und blickte auf ein geschnitztes Boronsrad, das er in Händen hielt. „Helft mir bitte das Andenken meines Vaters und meiner Familie zu ehren.“ Eine Träne rann über seine Wange, doch seine Stimme war ungebrochen. "In Coriolenne finden wir die Kleinodien meines Hauses, die Totenmasken meiner Mutter und meiner Ahnen.“ Er blickte hinüber zu Auricanius von Urbet. „Ich werde den Yaquirbruch nicht ohne die alveranische Familie verlassen."