Briefspiel:Brot und Beute (7)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Frühling 1033 BF Schauplatz: Urbasi und das nähere Silbertal Entstehungszeitraum: Sommer 2012 bis Ende 2014
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus dell'Arbiato.png Dellarbiato, Haus di Onerdi.png Di Onerdi, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Urbasische Mühlenkrise · Das Fest der eingebrachten Früchte · Ein Besucher aus Sikramara · Alte Schulden · Schwarze Tage · Sturm über Sikramara · Die Rache der Frauen

Die Rache der Frauen

Im Keller ...

Lyssandra lag auf einem Tisch. Ihre Wunde unter dem linken Auge blutete stark, und der Stofflappen, den man ihr unter den Kopf gelegt hatte, war bereits blutdurchtränkt.
Die Handgelenke und Füße waren mit Lederriemen an den Tisch fixiert. Sie fühlte sich elendig und ihr Kopf drohte ihr zu zerspringen vor Schmerz. Immer wieder verlor sie das Bewusstsein. Unterschwellig nahm sie Stimmen wahr. Dann spürte sie etwas Kaltes auf ihrer Haut. Eine Klinge! Schoss es ihr durch den Kopf. Ihr Blick war getrübt und neblig. Blut lief ihr immer wieder ins Auge, und sie nahm die Gestalten um sich herum nur verschwommen war. Sie spürte einen Luftzug auf der Haut. Kühle Luft umspielte ihren Körper.
"Sie haben mich entblößt", war ihr nächster erschreckender Gedanke, der sie dazu brachte, die Muskeln anzuspannen und an ihren Fesseln zu rütteln. Vergeblich. Die Lederriemen schnitten ihr nur ins Fleisch.
Sie hörte Gelächter, und wenig später griffen Hände gierig an ihre entblößte Brust und kneteten sie grob durch. Gleichzeitig rüttelte etwas an ihrem Hosenbein und das Geräusch von zerreißendem Stoff mischte sich unter das Gelächter der Männer.


Im Arbeitszimmer:

Mythraela Oliviano stand in ihrem roten Kleid selbstbewusst vor dem Schreibtisch, der noch bis vor kurzem ihrem Vater gehört hatte. Sie verzog keine Miene, während Duridanya Zorgazo wie selbstverständlich auf dem Sessel Platz genommen hatte. Gonzolo Ruccia stand hinter der jungen Signora Zorgazo und wechselte in seinem Gemütszustand zwischen peinlich berührt und arrogant selbstherrlich.
Die Szene kam einem Verhör gleich.
"Wo ist dein Bruder Danilo?" Duridanya klang herrisch.
"Sagte ich schon! Nicht hier", antworte die junge Oliviano stur.
Vor der Tür kündigten schwere Stiefel auf dem Holzboden und das metallische Aufeinanderschlagen von Rüstungsteilen einen Besucher an. Alles verharrte, als die Tür aufschwang und Debero Zorgazo den Raum betrat.
Er nickte nur kurz entschuldigend und wandte sich dann an seine Cousine Duridanya.
"Eine der Palazzowachen hat beim Verhör ausgesagt, dass Danilo vorgestern mit zwei Begleitern zum Landgut der Familie aufgebrochen ist. Boromin und ich haben unsere Pferde bereits gesattelt. Die Hälfte der Männer lassen wir dir hier, der Rest kommt mit uns. Wenn wir gleich aufbrechen, überraschen wir sie noch vor Sonnenaufgang und nehmen sie in Gewahrsam."
Duridanya nickte ihrem Cousin zu. Es war ein anerkennendes Nicken. Die Krieger in Vinsalt hatten einen Mann aus dem Rotzlöffel gemacht, den sie von früher kannte.
Obwohl ihr nicht wohl bei dem Gedanken war, dass er und Boromin sie allein ließen.
Die letzten Stunden hatten in Sikramara für Aufsehen gesorgt. Die halbe Stadt war aufgeschreckt und auf den Beinen. Auch wenn Gonzolo Ruccia als Podestat der Stadt, mit Hilfe der Stadtwache, vorerst für Ruhe gesorgt hatte, war die Lage kritisch. Doch Duridanya wusste, dass sie schnell handeln musste, bevor es Danilo Oliviano gelingen würde Verbündete um sich zu scharen.
Debero vernahm Duridanyas knappes "Einverstanden" nur beiläufig. Er hatte ein Auge auf die junge Mythraela geworfen – wie sie trotzig dastand und seiner Cousine die Stirn bot. Bevor die Situation jedoch offensichtlich und unangenehm wurde, nickte er wortlos und ging zur Tür hinaus.

"Wie geht es Lyssandra?" In Mythraelas Stimme klang Sorge mit.
Duridanya wurde aus ihren Gedanken gerissen. "Eure Leibwächterin?", fragte sie mit ihrer gewohnt hohen Stimme.
Die junge Oliviano nickte zögerlich. "Sie ist mehr als das. Eine Freundin."
Duridanya schmunzelte und blickte zu Gonzolo.
"Sagt unserem Gast doch bitte, dass sie sich keine Sorgen machen muss, da eure Männer ihre Freundin bewachen und ihre Wunden versorgen."
Der Podestat Sikramaras schaute erst überrascht und dann verlegen.
"Ähm ... ja ... aufpassen tun sie auf sie. Aber dass sie ihre Wunden versorgen, glaube ich nicht."
"Was tun sie dann mit ihr?"
"Naja ... dieser Murak fantasierte unentwegt von ihren prallen Titten und so ... und da habe ich ... ich meine, ich dachte, wir brauchen sie nicht mehr ... deshalb habe ich sie den Söldnern zum ... Spielen überlas..."
"Ihr habt waaas?" Duridanya sprang auf und kniff die Augen zusammen.
Das Oberhaupt der für ihre Fleischwaren bekannten Familie Ruccia zuckte erschrocken zusammen.
Mythraela Oliviano kreischte erschrocken auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Ihr Gesicht nahm eine unnatürliche Blässe an.
"Helft ihr ... bei allen Zwölf ...", stammelte sie mit flehentlichem Blick in Richtung Duridanya.
Die Angesprochene reagierte wütend.
"Ihr werdet eure Haltung ändern. Ihr werdet kooperieren. Ihr werdet zukünftig tun, was ich verlange. Dann werde ich eventuell Gnade vor Recht ergehen lassen und nicht alles niederbrennen, was eurer Familie gehört.
Duridanyas Zeigefinger berührte fast die Nasenspitze Mythraelas, und sie spitzte zornig die schmalen Lippen. Ihre Augen funkelten wutentbrannt.

Die angesprochene Signora Oliviano zerbrach. Die künstliche Härte wich aus ihren Gesichtszügen und machte der Resignation Platz. Innerhalb weniger Stunden hatte sie ihren geliebten Vater verloren. Ihr Bruder, wenn sie auch ihren Disput miteinander hatten, war geflohen und hatte sie zurückgelassen. Fremde Leute hatten ihr Zuhause besetzt und Männer getötet, die Mythraela teilweise seit ihrer Kindheit kannte.
Und nun war der einzige Mensch in Gefahr, der ihr noch etwas bedeutete. Lyssandra war eine Adlige aus Sikramara, die letzte ihrer Familie und bereits als Waisenkind von den Olivianos aufgenommen worden. Sie und Mythraela waren wie Schwestern.
Worte waren Überflüssig. Die beiden Frauen verstanden sich. Mythraela nickte mit dem Kopf, und Duridanya wandte sich ab.
Die junge Zorgazo ging hinter den Schreibtisch, nahm ihr dort abgestelltes Schwert und zog es aus der Scheide. Eine schöne Waffe, fand Duridanya. Sie hatte das Schwert erst kürzlich schmieden lassen. Der Griff und die Parierstange waren filigrane Silberschmiedearbeiten der di Bassalo und hatten Duridanya ein kleines Vermögen gekostet. Sie musste hämisch Grinsen bei dem Gedanken daran, mit wessen Blut sie die Klinge eingeweihte hatte.
"Wartet hier und passt mir auf unseren Gast auf", wandte sie sich an Gonzolo Ruccia, der es geschafft hatte, sich derart unscheinbar in eine Ecke zu begeben, dass Duridanya ihn fast vergessen hätte. Schnellen Schrittes und mit gezogener Klinge eilte die Signora Zorgazo aus der Tür.


Zurück im Keller:

Duridanya eilte auf die schwere Holztür zu. Eigentlich sollten hier Wachen stehen um die darin Gefangene zu bewachen, aber der dunkle Gang war menschenleer. Ein ungutes Gefühl kroch ihren Hals hoch. Erinnerungen, die sie schon lange tief vergraben hatte, kamen ungewollt hervor und verkrampften ihr den Magen. Sie verweilte einen Herzschlag vor der Tür. Johlendes Gelächter riss sie aus ihren Gedanken, und sie schob die schwere Holztür auf, den Schwertgriff fest umklammert.
Ein behaarter, nackter Hintern war das erste, was sie sah. Mit harten Stößen drang der Grobian in den Körper seines gefesselten Opfers ein. Ein blutiger Mundknebel hinderte diese daran zu schreien. Ihr Körper war angespannt.
Zwei weitere Söldner waren im Raum, die Duridanya vom Sehen her kannte und die erschrocken aufblickten. Einer stand neben der Gefesselten und hielt ihr einen Dolch an die Kehle, der andere schnallte sich in dem Moment, als die junge Zorgazo zur Tür herein kam, seinen Gürtel ab. Seine Hose rutschte zu Boden.
"Signora Zorgazo", sagte der Söldner, den Duridanya als Murak kannte, grinsend mit entblößtem Gemächt. "Welche Ehre, das ihr uns ..."
Als die Hand der jungen Patrizierin sich um sein Glied schloss, schaute er erst verwundert. Doch dann setzte der Schmerz ein. Entsetzt blickte Murak an sich herunter und sah sein bestes Stück, nur an einer Sehne hängend, vor seinem Knie herumbaumeln. Blutfontänen spritzen zum Herzschlag aus dem Stumpf. Ein ohrenbetäubender Schrei quälte sich über seine Lippen.
Der Söldner, der über Lyssandra kniete, beobachte die Situation und konnte dem Aufwärtshieb der jungen Zorgazo nur entgehen, indem er sich seitlich von dem Körper seines Opfers rollte. Die Schwertspitze hinterließ auf seinem Bauch einen langen roten Strich. Unsanft schlug er auf dem steinernen Kellerboden auf und hielt sich mit panisch aufgerissenen Augen schreiend den blutigen Bauch.
Duridanyas Augen glühten vor Wut, als wäre sie ein Gehörnter aus den Niederhöllen. Der schmächtige Söldner mit dem Dolch wich ihr erschrocken nach hinten aus. Seine Augen waren panisch auf die junge Patrizierin geheftet. Mit seinem Dolch versuchte er sich zu schützen. Ärger stieg ihm zu Kopf, als ihm klar wurde, dass die junge Adlige mit dem Schwert zwischen ihm und seinen abgelegten Waffen stand. Wütend versuchte er einen Ausfall. Die Klinge vom Dolch zerschnitt Duridanyas Oberteil. Die Priora Urbasis war ähnlich schnell. Ihre Klinge drang in die Hüfte des Söldners ein. Dieser schrie auf, als Duridanya die Klinge aus seinem Fleisch zog, und wich taumelnd zurück.
"Schlampe ... Hurentochter ..." Fluchend suchte er Schutz hinter dem Tisch mit der gefesselten Kriegerin. Die beiden halbnackten Armillaneri krochen verwundet hinter den Tisch. Überall war Blut. Murak hörte nicht auf zu schreien und hielt die Reste von dem in der Hand, was einstmals sein ganzer Stolz war. Er kniete in einer Blutlache auf dem Boden.
Ohne groß darüber nachzudenken schnitt Duridanya die Gefesselte los. Erst durchtrennte sie die Riemen an den Händen und dann durchschnitt sie die Fußfesseln.
Lysanndra entfernte zitternd den blutigen Knebel und sprang vom Tisch. Barfuß stand sie nackt und unbeholfen in der Lache aus Söldnerblut. Duridanya wurde schlecht. Der Geruch von Blut. Das Geschrei des Sterbenden. Die Situation, von der sie gewusst hatte, dass sie schlimm sein würde, aber die sie nun doch bis aufs Mark erschütterte.
Beide Frauen sahen sich an. Duridanya fühlte sich elend und leer. Lyssandra streckte ihre Hand aus. Wieder waren keine Worte nötig. Schweigend reichte die Zorgazo der fremden Frau, mit deren Schicksal sie mitfühlen konnte, ihr Schwert. Dann lehnte sie sich kraftlos gegen die Kellerwand und rutsche mit zitternden Händen zu Boden.
Lyssandra erledigte den Rest. Während Duridanya mit ihrer Übelkeit kämpfte und die Augen schloss um es nicht mit ansehen zu müssen, tat die Hünin von Kriegerin, was sie am besten konnte. Duridanya vernahm die schrecklichen Schreie der Männer und hielt sich die Ohren zu. Der Wahnsinn der letzten Stunden zwang die sonst so taffe junge Frau, mit den Tränen zu kämpfen.
Eine Bewegung im Augenwinkel ließ sie den Kopf drehen.
Kraftlos fühlten Finger nach Duridanyas Füßen. Murak robbte mit seiner letzten Kraft über den Boden und zog eine Blutlache hinter sich her. Mordlust funkelte aus seinen Augen, er verkrampfte die Finger und näherte sich dem Hals der jungen Zorgazo.
Die verzog keine Miene. Der Söldner war blutleer, blass, und Duridanya wusste, dass er nicht mehr in der Lage war, ihr gefährlich zu werden. Murak tat seine letzten Atemzüge und endete als entmannter Klumpen blassen Fleisches.
Ein Schatten tat sich über dem toten Söldner auf. Lyssandra stieß das Schwert der Zorgazo in den Rücken Muraks. Wütend darüber, dass er bereits zu Boron gegangen war, hieb sie mit der Klinge auf den Leichnam ein. Doch es floss kein Blut mehr aus dem Körper. Erschöpft rutschte sie neben Duridanya an der Wand entlang, der nackte Körper blutüberströmt. Die beiden Frauen blickten sich wortlos an und Lyssandra stellte das blutgetränkte Schwert an die Wand.


Im Arbeitszimmer:

Mythraela Oliviano ging im Arbeitszimmer ihres Vaters nervös auf und ab. Der Podestat Sikramaras, Gonzolo Ruccia, hatte scheinbar ihre bösen Blicke nicht mehr ertragen und war vor die Tür gegangen.
Die junge Adlige hatte sich geschworen diesem Widerling alle Knochen zu brechen, sollte er seinen Kopf noch einmal zur Tür reinschieben. Aus Rachegedanken wurden Fluchtgedanken. Wenn Gonzolo ihr einziger Bewacher war, dann musste sich da doch was machen lassen. Die familieneigenen Prunkwaffen, die in dem Arbeitszimmer gehangen hatten, hatten die Wachen abgenommen. Aber an den Schürhaken vom Kamin hatten sie nicht gedacht.
Hastig ergriff die junge Patrizierin Sikramaras den schweren, schmiedeisernen Schürhaken und näherte sich damit der Tür.
"Bitte, nein ... nicht doch ... aaah.. helft mir", rief sie mit hilfloser Stimme und stellte sich listig hinter die hölzerne Tür.
Gonzolo Ruccia reagierte wie erwartet. Er stürmte zur Tür herein ohne sich umzudrehen oder vorher einen Blick zu riskieren.
"Was geht hier vor sich ...?"
Überrascht sah er im Augenwinkel etwas auf sich zuschnellen und konnte grade noch den Arm heben. Das Knacken, mit dem sein Arm brach, war durch den halben Palazzo zu hören.
Mythraela Oliviano rannte los so schnell es ihre Füße erlaubten. Wutentbrannte Flüche kamen aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters, aber die junge Adlige kümmerte sich nicht darum.
Sie stolperte eine Treppe hinunter und sah sich noch einmal um. Nur ein Augenzwinkern blickte sie nicht in die Richtung, in die sie lief, und rannte auf einen Körper auf.
Erschrocken entglitt ihr der Schürhaken und sie fiel auf den Hintern.
Mit aufgerissenen Augen starrte sie die Gestallt vor sich an. Eine in einen blutverschmierten Umhang gehüllte Frau.
"Lyssandra!" Der Name kam aus Mythraelas Kehle wie ein Aufschrei.
Beide Frauen lagen sich in den Armen. Duridanya stand daneben mit dem blutigen Schwert in der Hand.
Das erste Licht des Tages erwärmte ihren Arm und nahm ihr das Frösteln dieser Nacht ...

E N D E