Briefspiel:Brot und Beute (6)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Frühling 1033 BF Schauplatz: Urbasi und das nähere Silbertal Entstehungszeitraum: Sommer 2012 bis Ende 2014
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus dell'Arbiato.png Dellarbiato, Haus di Onerdi.png Di Onerdi, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Urbasische Mühlenkrise · Das Fest der eingebrachten Früchte · Ein Besucher aus Sikramara · Alte Schulden · Schwarze Tage · Sturm über Sikramara · Die Rache der Frauen

Sturm über Sikramara

„Ich sage euch, ihre Lippen sind der Wahnsinn. Und ihre Brüste ...“
Murak formte mit seinen Händen vor seinem Oberkörper weibliche Rundungen nach und erntete von seinen Tischnachbarn johlendes Gelächter.
„Als ob du dich nah genug an ihre Brüste ran trauen würdest“, sagte der schmalgesichtige Typ, der Murak gegenüber saß und beim Sprechen durch die Lücke seiner Schneidezähne spuckte. Wieder lachten alle am Tisch herzhaft auf.
„Ich glaube nicht, dass sie das Risiko wert ist, es heraus zu finden. Sie schneidet dich mit ihrem Zweihänder in Stücke, bevor du ihren Brüsten zu nah kommst“, sprach ein weiterer Mann, im Söldnergewand und mit der schwarzen Binde der Armillaneri bekleidet, der eben an den Tisch trat und sechs neue Humpen Bier brachte.

Das Gasthaus "Zum Mühlenrad" auf dem Berg von Sikramara, war den Abend gut gefüllt mit den Männern der Armillaneri-Söldnerschar, die vor den Toren der Stadt ihr Lager aufgeschlagen hatte.
Ihre Anwesenheit in dem kleinen Gasthaus teilte die Besucher in zwei Lager. Auf der einen Seite vom Gang, in Richtung der Eingangstür, hockten die Einheimischen Sikramaras auf einfachen Holzschemeln und mieden die etwa ein Dutzend Söldner, die sich an zwei Tischen direkt vor dem Tresen des Gastwirtes niedergelassen hatten.
Es war bereits nach Mitternacht und eigentlich waren die Tore der Stadt bei Nacht verschlossen, doch die Söldnerschar genoss hier eine Ausnahmeregelung. Füllte ihr Sold doch die Kassen der beiden Gasthäuser Sikramaras reichlich mit Münzen. Zu dieser fortgeschritten Zeit leerte sich das Gasthaus für gewöhnlich langsam. Doch in dieser Nacht hatte es noch nicht alle Gäste gesehen.

Die Tür zum Gasthaus öffnete sich und vier bewaffnete Gestallten betraten den Schankraum und erregten sofort die Aufmerksamkeit der Söldner. Bewaffnete sah man hier selten, ließ man die Söldner doch nur unbewaffnet das Stadttor passieren.
Die vier Besucher bewegten sich durch den Schankraum auf die Söldnerschar zu, die ihrerseits die Neuankömmlinge misstrauisch beäugten. Die Situation wirkte einen Moment angespannt, als der Gastwirt das Wort erhob.
"Signor Ruccia, was kann ich an diesem herrlichen Abend für den Podestaten unserer schönen Stadt tun?"
Die Anspannung wich aus den Gesichtern der Söldner und das Gemurmel und Gerede setzte wieder ein.
Gonzolo Ruccia ging zum Wirtsmann und unterhielt sich mit ihm, während seine drei Begleiter in einigem Abstand im Gang stehen blieben. Nach einem kurzen Wortwechsel deutete der Podestat Sikramaras auf den Söldner Murak. Die im Gang wartenden Begleiter des Podestaten setzen sich in Bewegung des Tisches und ernteten wieder fragende Blicke.

"Ihr seid der Anführer dieser stattlichen Männer?", sprach eine piepsige Frauenstimme, und zum zweiten mal in dieser Nacht schob Duridanya die Kapuze ihres Umhangs zurück und gab sich zu erkennen.
"Wer will denn das wissen?", tönte es ihr entgegen, und kurz nach den Worten des Söldners erreichte sein schlechter Atem Duridanyas empfindliche Nase.
"Meine Freundin hier." Mit einer ausholenden Bewegung warf die junge Patrizierin einen Beutel auf den Holztisch, aus dem augenblicklich goldene Münzen mit dem Konterfei Amene-Horas' sprangen und quer über den Tisch rollten.


Etwas später ...

"Sag mir nochmal, was wir hier machen", fragte der ängstlich dreinschauende Mann in den Hausfarben der Ruccia seinen Nebenmann.
"Bei allen Zwölfen, hör auf mich zu nerven", erwiderte sein um einen Kopf größerer Mitstreiter und klopfte seinen Lederwams zurecht.
"Ich glaub diesmal wird es ernst, ich hab da was gehört", mischte sich ein Dritter ins Gespräch ein.
Das Geräusch von vielen Schritten schwerer Stiefel ließ alle sechs Mann die Köpfe drehen. Die Palazzowachen der Familie Ruccia starrten gespannt die abfallende Straße runter in die Dunkelheit der Nacht. Der Schein der Laternen brachte die Umrisse von einem guten Dutzend Personen zum Vorschein, die den Weg hinauf zur Oberstadt nahmen, wo die Palazzi der ansässigen Patrizierfamilien lagen.
Schweigend trat das Oberhaupt der Familie Ruccia, Gonzolo Ruccia, aus dem Getümmel von Männern auf seine Hauswachen zu. Ohne weitere Worte zu wechseln griff der Größte unter den Wachen hinter sich und öffnete ein verschnürtes Leinenbündel vor den Füßen seines Herren.
Klimpernt kamen Schwerter und Streitkolbeln zum Vorschein und die herumstehenden Söldner griffen zu.

"Rede mit mir ..." Einer der beiden Begleiter Duridanyas war neben sie getreten und sprach mit gedämpfter Stimme. "Cousine, das ist doch Irrsinn. Weih mich in deine Pläne ein." Er sah sie wütend an und schob seine Kapuze zurück.
"Selbst mit den Söldnern, die du grade bezahlt hast, und den Wachen, die Gonzolo stellt, sind wir nur knapp zwanzig Mann. Wie willst du mit so wenig Streitern diesen Kampf gewinnen?" Debero Zorgazo sah seine Cousine verständnislos an.
Duridanya verzog keine Miene.


Etwas später ...

"Hast du das gehört?"
Erostan war nervös. Der kleine zierliche Mann war noch nicht lange im Dienst der Familie Oliviano aus Sikramara, und dies war erst das zweite Mal, dass er nachts Wache am Tor des Palazzos hatte. Und dann auch noch ausgerechnet mit Ravolio, einem hochgeschossenem Typen mit Narbe im Gesicht, der auch erst 'nen halben Götterlauf unter den Hauswachen war.
Beide Männer verdankten ihren Posten der Hausfehde zwischen den Oliviano und den Zorgazo. Nach einigen unerfreulichen Vorfällen hatte der junge Danilo Oliviano darauf bestanden, die Anzahl bewaffneter Palazzowachen zu erhöhen.
"Ich hör nix. Du siehst Gespenster", sagte der angesprochene Ravolio mit einer Mischung aus Genervtheit und Müdigkeit und lehnte sich dabei mit geschlossenen Augen gegen die Wand.
Erostan schob die Sichtklappe der schweren Holzpforte auf und blickte in die Dunkelheit der Stadt. Die hohen Häuserwände ließen die Straße schmal erscheinen. Er kniff die Augen zusammen.
"Da kommen mehrere Leute auf das Tor zu! Los hol den Alten", sagte er hektisch.
"Hol ihn doch selbst. Der pennt seinen Rausch aus und ist bestimmt begeistert, wenn du ihn weckst", antwortete Ravolio gelangweilt.
Erostan ging nervös auf und ab und lief dann in den Wachraum neben dem Tor, um den 'Alten' zu wecken. Jener legendäre Streiter, der schon mehrere Generationen die Oliviano beschützt hatte und der die 'Neuen' einwies und beaufsichtigte. Erostan fand ihn schlafend auf einem Holzstuhl an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt.
"Boss, es gibt Ärger, wir ..."
Der junge Wachmann rüttelte an der Schulter seines Vorgesetzten. Der Kopf fiel kraftlos nach hinten und Erostan blickte in leere, tote Augen. Es lief dem jungen Mann kalt den Rücken runter. Im flackerndem Licht der Kerzen, die auf einem kleinen Holztisch standen, betrachtete er das Blut an seinen Händen. Zu spät nahm er den Schatten war und zu spät kam die Erkenntnis. Ravolio! Wir wurden verraten!
Erostan spürte den Schnitt kaum, den die Klinge schnell und lautlos auf seinem Hals vollzog. Nur das warme Blut, dass über seine Brust floss und den Schlag, als sein Kopf auf den Boden aufschlug.
Bevor er für immer die Augen schloss, vernahm der junge Mann noch das Knarren des Tores und die Stimme Ravolios.
"Willkommen, Signora Zorgazo."


Etwas später ...

Duridanya stand im Blut. Ihre rechte Hand zitterte und sie versuchte sich zwanghaft zu beruhigen.
Ihr Blick ging immer wieder zu Boden, zu dem Armillaneri-Söldner, der eben noch neben ihr gestanden hatte, und dem nun ein Bolzen in der linken Augenhöhle steckte. Die Blutspritzer auf ihrer Gewandung waren deutliche Zeichen dafür, wie nah sie beinahe Bekanntschaft mit Boron gemacht hätte. Sie blickte leicht verstört hoch und sah ihren Cousin Debero auf sich zukommen.
"Alles in Ordnung bei dir?", fragte er mit besorgtem Blick. Duridanya versuchte Haltung zu bewahren und nickte ihm nur zu. Sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen.
"Ist es vorbei?", fragte sie den jungen Zorgazo. Debero nickte ihr zurück.
"Zwei von den Rucciawachen haben wir verloren. Und zwei von den Söldnern," Sein Blick ging zu dem Toten vor seinen Füßen.
"Drei Mann der Palazzowache hatten sich verschanzt und wollten den Kampf nicht einstellen. Wir mussten sie erschlagen. Der Kampf war ..."

Debero gefror das Wort im Hals und er riss die Augen auf. Mit katzenartigen Reflexen zog er Duridanya beiseite. Die Schwertspitze eines Zweihänders sauste neben ihr zu Boden und trennte ein paar Strähnchen aus ihrem blonden Haar.
Der Angreifer trug einen schwarzen Helm, lederne Rüstung und Panzerhandschuhe - schwang den schweren Zweihänder aber trotz dessen Gewicht elegant und tödlich schnell.
Mit seiner ganzen Erfahrung erkannte Debero den günstigen Augenblick. Mit einem schnellen Tritt gegen die Schwerthand brachte er den Angreifer aus dem Gleichgewicht und verschaffte sich die nötigen Augenblicke um seinen Anderthalbhänder aus der Scheide zu ziehen.
"Wo bei allen Zwölfen ist der denn hergekommen?", kreischte Duridanya panisch auf und alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Augenblicke wäre sie um ein Haar getötet worden.
Der Zorgazospross hatte keine Zeit ihr zu antworten. Der Angreifer war extrem geschickt. Deberos harte Attacken parierte sein Kontrahent mit scheinbarer Leichtigkeit und teilte seinerseits mit brutalen und wuchtigen Hieben aus. Der junge Cavalliere hatte seine Mühen. Schweiß ran ihm von der Stirn. Die umherstehenden Söldner und Wachen beobachteten das Geschehen mit anerkennendem Sicherheitsabstand.
Debero strauchelte und konnte einem tödlichen Hieb gegen seinen Hals nur entgehen, indem er sich nach hinten warf.

Boromin kam grade noch zur rechten Zeit. Mit einem lauten Kampfschrei auf den Lippen schoss der Hüne von Krieger in seiner Rüstung auf den unbekannten Angreifer zu. Mehrere wuchtige Hiebe Boromins mit seinem Zweihänder verlangten seinem Kontrahenten alles Können ab.
Debero war schnell wieder auf den Beinen und kam seinem Freund zu Hilfe. Zusammen hatten sie die Kriegerakademie zu Vinsalt besucht und oft zusammen gekämpft. Die tödliche Kombination von zwei aufeinander eingespielten Recken wuchtete auf den Fremden ein. Diesem gelang es Bormins Schlag zu parieren und Deberos Attacke auszuweichen. Wobei er Stück für Stück zurückwich.
Der junge Zorgazo vollführte eine Finte und täuschte einen Schlag an, machte dann aber einen Ausfallschritt und stand dicht bei seinem Gegner. Boromin nutze die Gelegenheit und attackierte von der Flanke. Um ein Haar hätte er den Angreifer an der Hüfte aufgespießt. Doch Dieser reagierte blitzschnell und verpasste Debero mit seinem Helm eine Kopfnuss. Überrascht taumelte der Zorgazo rückwärts und brachte dadurch seinen Gegner ebenfalls zum Straucheln.
Der Zweihänder von Boromin stach ins Leere. Wütend verzichtete der Krieger auf eine weitere Attacke mit der Klinge und verpasste dem unbekannten Kämpfer stattdessen blitzschnell einen Schlag mit dem Panzerhandschuh seiner schweren Rüstung aus der Bewegung heraus.
Die Überraschung gelang. Metall klirrte auf Metall und der Helm des Unbekannten brach an der Naht. Wütend riss er ihn sich vom Kopf und warf ihn in den Staub. Zum Vorschein kam eine blonde Frau! Gelockte, lange Haare, Duridanyas nicht unähnlich. Eine hübsche junge Frau, deren Gesicht schweißgebadet wutverzerrte Züge annahm. Sie fasste sich an die Schläfe und sah das Blut an den Fingerspitzen ihres Panzerhandschuhs. Boromins Schlag hatte mehr angerichtet als nur ihren Helm zu zersplittern.

Wütend erhob sie erneut ihren Zweihänder. Einen fanatischen Blick gegen ihre Gegner gerichtet war sie bereit, es mit beiden aufzunehmen. Da Debero am Boden lag und scheinbar keine augenblickliche Gefahr darstellte, galt ihr Angriff Boromin. Dieser war überrascht und zögerte einen Augenblick. Debero hingegen war hellwach. Bevor die Waffe der blonden Frau seinen Freund entzwei teilte, traf ein Tritt mit dem Fuß das Standbein der Angreiferin und brachte diese ins Trudeln. Aus seinen Gedanken gerissen verpasste Boromir ihr erneut einen Faustschlag mit dem Panzerhandschuh. Die Attacke war verheerender als die vorherige. Schutzlos traf das Metall die junge Frau unter dem linken Auge und setzte sie augenblicklich außer Gefecht. Reglos fiel sie zu Boden und blieb liegen. Eine klaffende Wunde unter dem linken Auge blutete stark.
Debero erhob sich schnaufend und Boromin klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.
"Was für ein Kampf", sagte der sonst eher wortkarge Hüne, und der junge Zorgazo nickte zustimmend.